Urteil des BPatG vom 25.03.2004

BPatG: verwechslungsgefahr, bestandteil, gesamteindruck, verkehr, inhaber, papier, aufmerksamkeit, eugh, dienstleistung, verbraucher

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 143/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 399 09 033
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 25. März 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems
sowie der Richterin Sredl und des Richters Engels
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Bezeichnung
Seawell
ist am 18. Juni 1999 für
„Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und
Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische
und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die
Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische
Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Papier, Pappe
(Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16
enthalten; Druckereierzeugnisse; Photographien; Schreibwaren;
Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwe-
cke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büro-
artikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunst-
stoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Spielkarten; Bekleidungsstü-
cke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und
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Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Personalberatung,
Marketing für Dritte, Organisationsberatung und betriebswirt-
schaftliche Beratung, Verwaltung fremder Geschäftsinteressen
(Kontrolle, Leitung, Überwachung), Werbung für Dritte, Franchi-
sing, nämlich Vermittlung und Vergabe von Lizenzen und wirt-
schaftlichem und technischem Know-how an Dritte; Veranstaltung
und Vermittlung von Reisen, Touren, Städtebesichtigungen und
Ausflügen, Vermittlung von Verkehrsleistungen; Erziehung; Aus-
bildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Sport-
unterricht, Sprachkurse, Veröffentlichung und Herausgabe von
Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Beherbergung und Verpfle-
gung von Gästen, Zimmerreservierung; Betreiben von Hotelanla-
gen, Betreiben von Appartmentanlagen, Betreiben von Motels,
Betreiben von Ferienclubanlagen; ärztliche Versorgung, Gesund-
heits- und Schönheitspflege“
in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der älteren Marke 398 08 909
Somawell
Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist am 14. September 1998 für
„Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Nahrungser-
gänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungs-
mittel, diätetische Erzeugnisse und Nahrungsmittelzusätze für
nichtmedizinische Zwecke (soweit in Klasse 30 enthalten)“
eingetragen worden.
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Die Markenstelle für Klasse 42 hat mit Beschluß vom 14. März 2002 durch eine
Beamtin des höheren Dienstes ua den Widerspruch aus der Marke 398 08 909 zu-
rückgewiesen. Nach dem Gesamteindruck der Marken bestehe keine Verwechs-
lungsgefahr, wobei wegen teilweiser Warenidentität und bei normaler Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke ein deutlicher Markenabstand erforderlich sei.
Bei englischer Aussprache der angegriffenen Marke bestehe ein deutlicher Unter-
schied durch die abweichende Vokalfolge und die Silbenzahl. Der Endsilbe „-well“
komme keine kollisionsbegründende Wirkung zu, weil sie auf dem vorliegenden
Warengebiet eine beschreibende Bedeutung im Sinne von „gut“ habe und der
Verkehr auf weitere Bestandteile achten müsse, um die Marken auseinander zu
halten. Soweit mit einer deutschen Aussprache der jüngeren Marke zu rechnen
wäre, sei zwar die Silbenzahl gleich. Jedoch fielen die Vokalfolge und die Silben-
gliederung dann so unterschiedlich aus, dass die Marken nicht verwechselt wür-
den. In schriftbildlicher Hinsicht bestehe wegen der abweichenden Wortlänge
keine Verwechslungsgefahr. Für eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen
bestehe kein Anhaltspunkt.
Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde beantragt die Widersprechende,
den angegriffenen Beschluß vom 14. März 2002 aufzuheben, die
Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegrif-
fenen Marke anzuordnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass wegen der auch von der Prüferin richtig beur-
teilten möglichen teilweisen Warenidentität die angegriffene Marke einen deutli-
chen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten habe. Diesen Anforderungen
werde die jüngere Marke jedoch nicht gerecht. Die Übereinstimmungen im An-
fangsbuchstaben „S“, dem Vokal „a“ und der Endsilbe
„-well“ und damit in 6 von 7 Buchstaben sei so gravierend, dass die geringfügigen
Unterschiede sicherlich nicht ausreichten, um Verwechslungen zu verhindern.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auch bei identischen Waren bestehe wegen der Unterschiede in den Markenwör-
tern sowohl bei englischer wie auch bei deutscher Aussprache der angegriffenen
Marke keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil „Sea“ stehe für „Meer“, wohin-
gegen der Wortanfang der Widerspruchsmarke „Soma-„ das aus dem Griechi-
schen stammende Wort für „Körper“ darstelle. Dem fraglichen Fachkreisen sei
dies bekannt. Zu Verwechslungen könne es daher nicht kommen, zumal sich die
Marken nur auf dem Gebiet der Arzneimittel begegnen könnten, wo jedoch er-
höhte Aufmerksamkeit herrsche, die der Gefahr von Verwechslungen entgegen-
wirke. Gegen eine assoziative Verwechslungsgefahr spreche, dass sich der Be-
standteil „-well“ nicht als Stammbestandteil einer Markenserie eigne. Die von der
Widersprechenden herausgestellten Übereinstimmungen „S-well“ bestünden zwar
bei einer englischen Aussprache, jedoch stellten sich die lediglich zwei Silben der
Marken für den Verkehr sehr übersichtlich dar.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats sind die Marken nicht verwechselbar im Sinne
von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Nachdem Benutzungsfragen keine Rolle spielen, ist bei der Beurteilung der Ähn-
lichkeit der Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können sich im Be-
reich der Waren der Klasse 5, für die beide Marken Schutz beanspruchen, identi-
sche, zumindest aber sehr ähnlich Waren gegenüberstehen. Dies gilt auch für die
Waren der Klasse 30 der Widerspruchsmarke, denn der Verbraucher ist im allge-
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meinen nicht imstande, die Unterschiede zwischen medizinischen bzw nicht-medi-
zinischen Zwecken ohne weiteres zu erkennen.
Soweit die angegriffene Marke für Waren der Klasse 3 sowie für „Gesundheits-
und Schönheitspflege“ als Dienstleistung registriert ist, ergibt sich im Verhältnis zu
den Produkten der Widerspruchsmarke zwar ein etwas größerer Warenabstand;
an der grundsätzlichen Ähnlichkeit bestehen jedoch wegen Überschneidungen bei
der Anwendung und hinsichtlich möglicher Wirkungen keine Zweifel (vgl hierzu
Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12.
Aufl.,
S. 108, linke und mittlere Spalte, S. 109, linke Spalte).
Soweit dagegen die Produkte der älteren Marke auf die Waren der angegriffenen
Marke im Bereich der Klassen 16, 25 und 28 und der Dienstleistungen der Klas-
sen 35, 39, 41 und 42 treffen, besteht eine Ähnlichkeit weder in bezug auf die Wa-
ren noch hinsichtlich der Dienstleistungen. Die jeweiligen Präparate bzw Service-
leistungen weisen weder ihrer Art, ihres Verwendungszwecks oder der Nutzung
nach noch ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergän-
zende Waren oder Dienstleistungen nach Verbindungen zueinander auf, die das
Publikum zu der Annahme veranlassen würden, Waren und/oder Dienstleistung
stammten aus ein und demselben Geschäftsbetrieb oder zumindest aus wirt-
schaftlich verbundenen Unternehmen (vgl hierzu BGH GRUR 2004, 241 – Ge-
DIOS mwN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 126).
Unter diesen Umständen sind an den markenrechtlichen Abstand strenge Anfor-
derungen zu stellen, soweit sich die Marken im Bereich identischer oder sehr ähn-
licher Waren bzw Dienstleistungen begegnen. Im Bereich der Waren, die sich eher
im Randbereich der Ähnlichkeit bewegen, genügen geringere Anforderungen. In
diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich die jeweiligen Waren
und Dienstleistungen nicht, wie der Inhaber der angegriffenen Marke meint, nur an
ein Fachpublikum richten. Die Warenverzeichnisse beider Marken enthalten eine
solche Beschränkung nicht. Vielmehr ist das breite Publikum angesprochen, dem
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entsprechende Fachkenntnisse häufig fehlen. Auch wenn der Senat das vom
EuGH entwickelte Verbraucherleitbild eines durchschnittlich informierten, auf-
merksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zugrundelegt, der zu-
dem alles, was mit der Gesundheit zu tun hat, besonders aufmerksam betrachtet
(vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 156 mwN; BPatGE 44, 33 – Or-
bicin / ORBENIN), besteht daher kein Anlaß, geringere Maßstäbe an den marken-
rechtlichen Abstand anzulegen.
Der Abstand, den die angegriffene Marke im Verhältnis zur Widerspruchsmarke
einhält, genügt diesen Anforderungen. Der Senat geht dabei von einer durch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke aus. Anhaltpunkte, die in
eine andere Richtung weisen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Der Gesamteindruck der Marken, auf den es maßgeblich ankommt (vgl Strö-
bele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 152), ist selbst unter strengen Maßbstä-
ben ausreichend verschieden, so dass mit Verwechslungen nicht zu rechnen ist.
Legt man die englische Aussprache der angegriffenen Marke zugrunde, die dann
wie „Siwell“ klingt, ergeben sich deutliche Unterschiede zur älteren Marke durch
die unterschiedliche Silbenzahl und die abweichende Vokalfolge, auch wenn die
Struktur der Wörter in den Lauten „S-well“ übereinstimmt. Hierdurch entsteht je-
doch kein übereinstimmender Gesamtklang, der das Erinnerungsvermögen der
Verbraucher nachhaltig beeinflussen könnte. Aus der Übereinstimmung der En-
dung „-well“ lässt sich die Verwechslungsgefahr nicht ableiten, weil dieser Be-
standteil einen deutlichen Hinweis entweder auf das englische Wort „well“ für „gut“
oder auf den aus dem Englischen stammenden, aber auch im Deutschen mittler-
weile gebräuchlichen Begriff „Wellness“ für „Wohlbefinden“ gibt. Gerade dieser ist
im Zusammenhang mit den Produkten der Widerspruchsmarke nur eingeschränkt
kennzeichnungskräftig. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Verkehr die
Wortanfänge vernachlässigen und die restlichen Bestandteile der Markenwörter
isoliert gegenüberstellen wird. Beide Marken erscheinen als einheitliche Wörter,
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bei denen kein Wortteil eine herausgehobene Bedeutung oder Stellung hat. Viel-
mehr sind die jeweiligen Bestandteile zu einem Phantasiewort verschmolzen.
Im Gesamteindruck ist der erforderliche Abstand jedoch gewahrt. Dieser wird im
vorliegenden Fall durch die Unterscheidungsmerkmale in den jeweiligen Anfangs-
silben „Si-„ bzw „Soma-„ mitbestimmt, die den Wortklang stärker beeinflussen, weil
sie beim Erfassen des Wortes als erstes wahrgenommen werden und in der Erin-
nerung den Gesamteindruck deutlicher bestimmen können als nachfolgende
Wortteile (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 9, Rdnr 184). Der unterschiedliche klangli-
che Gesamteindruck wird insbesondere dadurch hervorgerufen, dass die Vokale
der Anfangssilben in der angegriffenen Marke zu einem deutlich helleren Klangbild
beitragen, während bei der älteren Marke durch die dunklen Vokale „o“ und „a“ ein
entsprechend dunkles Klangbild entsteht.
Dieser Eindruck bleibt auch bei einer buchstabengetreuen Aussprache der jünge-
ren Marke erhalten, die dann wie „Se-a-well“ klingt. Hier fällt die Unterbrechung im
Sprechrhythmus und in der Silbentrennung durch die Lautfolge „e-a“ besonders
auf, wohingegen die entsprechende Lautfolge der Widerspruchsmarke „o-a“ durch
den Anlaut „m“ der zweiten Silbe einen weicheren Klang erhält. Da jedoch auch
bei dieser Aussprachevariante das Schwergewicht auf den Wortanfängen liegt,
wird die Abweichung nicht unbemerkt bleiben und kann daher Verwechslungen
der Marken entgegenwirken.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht ist mit Verwechslungen nicht zu rechnen, da die
Wortlänge und der Umriß des Schriftbildes dem entgegenstehen.
Schließlich besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt,
dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9
Abs 1 Nr 2, 2. Halbsatz MarkenG.
Diese Art von Verwechslungen ist nicht nur auf den Gesichtspunkt von Marken-
Serienbestandteilen beschränkt, sondern umfasst auch solche Fälle, in denen die
als unterschiedlich erkannten Marken wegen Übereinstimmungen in Teilbereichen
oder aus anderen Gründen auf die gleiche betriebliche Herkunft der Waren bzw
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Dienstleistungen oder auf sonstige Verbindungen der Hersteller oder Anbieter
schließen lassen (vgl EuGH GRUR 1998, 922 – Canon). Hierfür können auch ab-
weichende Elemente Bedeutung erhalten, wenn sie zB wegen ihrer Kennzeich-
nungsschwäche die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den übereinstimmenden
Bestandteil lenken und diesen als den eigentlich kennzeichnenden Teil erscheinen
lassen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 491 ff mwN; BPatG
GRUR 2002, 438 – WISCHMAX / Max). Eine solche Konstellation liegt hier aller-
dings nicht vor, denn der übereinstimmende Markenbestandteil der angegriffenen
Marke „-well“, der allenfalls auf eine Markenserie hindeuten könnte, weist, wie
schon oben dargelegt, auf eine mögliche Wirkung der Produkte im Wellness-Be-
reich hin und eignet sich schon aus diesem Grund nicht als Serienbestandteil, ab-
gesehen davon, dass die Widersprechende sich auf eine entsprechende Marken-
serie nicht berufen hat. Gegen die Annahme einer solchen Verwechslungsgefahr
spricht außerdem, dass in das Markenregister zahlreiche Marken für die hier inte-
ressierenden Waren- bzw Dienstleistungsbereiche eingetragen sind, die den in
Frage stehenden Bestandteil ebenfalls enthalten. Die Endung „-well“ kommt daher
aus diesem Grund nicht als Bestandteil einer Markenserie in Betracht.
Auch erwecken die abweichenden Wortanfänge nicht den Eindruck einer Ab-
wandlung, die in irgendeiner Form auf die besonderen warentypischen Eigen-
schaften hindeutet und damit einen kennzeichnungsschwachen Wortteil darstellt,
sondern sind in sich eher phantasievoll gebildet und mit der Endung zu einem
Phantasiewort verbunden.
Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Engels Sredl
Na
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