Urteil des BPatG vom 19.10.2004

BPatG (marke, verhältnis zu, bestandteil, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, auflage, beschwerde, bezeichnung, bezug, grad)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 451/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 399 26 214
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 19. Oktober 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Winkler sowie der Richterinnen Pagenberg und Dr. Hock
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 10. Oktober 2002 aufgehoben.
2.
Die Löschung der angegriffenen Marke wird wegen des
Widerspruchs aus der Marke 688 842 angeordnet.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Wa-
ren
„Maschinen für die Metall-, Holz- und Kunststoffbearbeitung; Werk-
zeuge für handgeführte Elektro- und Pneumatikmaschinen“
am 6. Mai 1999 angemeldeten und am 3. August 1999 registrierten Marke
399 26 214
- 3 -
aufgrund der am 21. März 1956 für die Waren
„Werkzeugmaschinen mit biegsamen Wellen, Handwerkzeuge mit
eingebautem Antriebsmotor (Elektrowerkzeuge), Werkzeuge für die
vorerwähnten Werkzeugmaschinen“
eingetragenen Marke 688 842
Flex
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 7 hat den Widerspruch durch Beschluss vom
10. Oktober 2002 zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass bei Gegenüberstel-
lung der Marken in ihrer Gesamtheit eine Verwechslungsgefahr allein deshalb
ausscheide, weil der in der angegriffenen Marke enthaltene Begriff „ZIR“ in der Wi-
derspruchsmarke keine Entsprechung finde. Davon, dass die angegriffene Marke
durch „Flex“ geprägt werde, könne nicht ausgegangen werden. „Flex“ sei eine
mittlerweile zum allgemeinen Wortschatz zählende Bezeichnung für eine spezielle
elektrische Säge und es handle sich damit um eine im vorliegenden Warenzu-
sammenhang jedenfalls kennzeichnungsschwache Angabe. Die angegriffene
Marke werde vielmehr durch den grafisch nicht zu übersehenden und im Verhält-
nis zu der Bezeichnung „flex“ kennzeichnungsstärkeren Bestandteil „ZIR“ geprägt.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie hat ausgeführt, dass der Bestandteil „ZIR“ gegenüber „Flex“ in den Hinter-
grund trete. Die Widerspruchsmarke „Flex“ weise eine erhöhte Kennzeichnungs-
kraft auf. „Flex“ sei keine Gattungsbezeichnung sondern eine bekannte intensiv
benutzte Marke. Die Widersprechende verweist in diesem Zusammenhang auf die
5. Auflage des Duden, in der „Flex“ als eingetragene Marke aufgeführt werde. Sie
verweist weiter auf Kataloge von Drittfirmen, die „Flex-Produkte“ vertreiben. Insge-
samt sei im Hinblick auf die hohe Warenähnlichkeit bis hin zur Warenidentität von
einer Verwechslungsgefahr auszugehen.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht auf ihre Ausführungen vor der
Markenstelle Bezug genommen. Dort hat sie eine Warenähnlichkeit bzw Waren-
identität zugestanden. Sie hat jedoch ausgeführt, dass „Flex“ zu einer Gattungs-
bezeichnung für die unter diesem Namen bekannten Trenngeräte geworden sei.
„Flex“ sei weiter durch Drittzeichen geschwächt, da insgesamt fast 1500 Marken
mit dem Bestandteil „Flex“ festgestellt werden konnten, von denen allein 241 Mar-
ken auf den Bereich der Waren der Klassen 7 und 8 fielen. Eine Prägung der an-
gegriffenen Marke durch „Flex“ sei daher nicht gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
- 5 -
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die Gefahr von Ver-
wechslungen gemäß §§ 9 Abs 1 Nr 2, 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG für gegeben.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der
Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken er-
fassten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten auf-
merksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl
EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 -
Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508
- ATTACHÈ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu be-
rücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbeson-
dere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO
- ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Dabei stehen die
verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden
Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähn-
lichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch ei-
nen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr BGH
GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOF). Nach diesen Grundsätzen muss im vorlie-
genden Fall eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.
1. Nachdem
Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für
die Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die sich gegenüberste-
henden Waren sind sämtliche Maschinen- bzw Werkzeuge der Klassen 7 und 8,
die - was auch die Markeninhaberin zugesteht - im engen Ählichkeitsbereich bis
hin zur Warenidentität liegen.
2.
Der Senat geht von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke aus. Entgegen der Auffassung der Markenstelle handelt es sich nicht um
eine allgemein verwendete Bezeichnung. Dies ergibt sich insbesondere aus dem
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von der Widersprechenden vorgelegten Auszug aus dem Duden, 5. Auflage, Seite
554. Danach ist unter „Flex“ ein tragbares, mit einer Trennscheibe ausgestattetes
und mit einem Elektromotor betriebenes Gerät zu verstehen, mit dem harte Mate-
rialien wie Steine, Ton oder Metall zersägt werden können. Im Duden ist der Be-
griff „Flex“ dabei ausdrücklich als eingetragene Marke gekennzeichnet. Die Mar-
kenstelle hatte in ihrem Zurückweisungsbeschluss ebenfalls auf den Duden, aller-
dings die 4. Auflage aus dem Jahr 2001, Bezug genommen; dort war „Flex“ nicht
als Marke gekennzeichnet gewesen, was der Dudenverlag in der neuesten Auf-
lage jedoch korrigiert hat. Für die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke spricht im übrigen die von der Widersprechenden unter Vorlage
verschiedener Kataloge unwidersprochen geltend gemachte intensive Benutzung
der Widerspruchsmarke „Flex“. Danach finden sich in verschiedensten Werkzeug-
katalogen - teils für Fachkreise, teils für Heimwerker - „Flex-Produkte“ der Wider-
sprechenden, die von Drittfirmen vertrieben werden.
Zwar hat die Markeninhaberin auf entsprechende Drittmarken auch in den hier
einschlägigen Warenklassen hingewiesen. Sie hat allerdings nichts dazu vorge-
tragen, ob diese Marken auch tatsächlich benutzt werden.
3.
Den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand halten die sich gegenüber-
stehenden Marken nicht ein. Dabei ist davon auszugehen, dass die jüngere Marke
durch den Bestandteil „Flex“ geprägt wird.
Zwar ist es grundsätzlich nicht zulässig, aus einer angegriffenen jüngeren Marke
ohne weiteres ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der
Widerspruchsmarke festzustellen (BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende
Raubkatze). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn einem der Markenteile
eine so eigenständige kennzeichnende und insgesamt dominierende Bedeutung
zukommt, dass darin der markenmäßige Schwerpunkt des Gesamtzeichens gese-
hen werden kann (BGH GRUR 1996, 775 -
Sali Toft; GRUR 1998, 930
- Fläminger). So verhält es sich im vorliegenden Fall mit dem Bestandteil „flex“ in
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der angegriffenen Marke. Dieser Bestandteil ist hier durch seine Größe und kräf-
tige Schrift besonders hervorgehoben. Am Rande des Gesamtzeichens, in deut-
lich kleinerer Schrift gehalten, befindet sich oberhalb der Hauptlesezeile der Be-
standteil „ZIR“. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Wort-
/Bildmarke tritt „ZIR“ somit deutlich in Hintergrund. Da die angegriffene Marke
durch den Bestandteil „flex“ geprägt wird, können Verwechslungen mit der gleich-
lautenden Widerspruchsmarke nicht ausgeschlossen werden.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der
Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens
gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Winkler
Pagenberg
Dr. Hock
Cl