Urteil des BPatG vom 16.01.2001

BPatG (organisiertes verbrechen, beschreibende angabe, software, marke, unterscheidungskraft, computerspiel, beschwerde, anmeldung, inhalt, verwendung)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 167/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Januar 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 47 460.5
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2001 unter Mitwirkung des Richters Albert
als Vorsitzenden, der Richterin Friehe-Wich und des Richters Schwarz
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
G a n g s t e r s
Organisiertes Verbrechen
ist ua für "Computerspiele; Videospiele; Software, insbes Videospiel-Software und
Computerspiel-Software, auch über Online mit Hilfe elektronischer Multimedia-
Übertragungen oder Netzwerkübertragungen; Publikationen in elektronischer
Form oder sonstige Daten, die in Form von elektronischen Multimedia-Übertra-
gungen oder Netzwerkübertragungen bereitgestellt werden; Disketten, CDs und
Bänder, insbes mit Computerspiel-Software, Videospiel-Software oder sonstigen
elektronischen Publikationen vorbespielt; Spielzeug; Spiele; Veröffentlichung von
Computerspiel-Software und Videospiel-Software; Veröffentlichung und Bereit-
stellung von Informationen mit Hilfe von elektronischer Multimedia-Übertragungen
oder Netzwerkübertragungen in bezug auf Computerspiel-Software und Video-
spiel-Software; Dienstleistungen für elektronische Spiele, einschließlich der Be-
reitstellung von Computerspielen online oder mit Hilfe eines globalen Computer-
netzwerks; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" zur Eintragung
(als Wortmarke) angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamts hat durch einen Beamten des höhe-
ren Dienstes die Anmeldung teilweise (nämlich für die genannten Waren und
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Dienstleistungen) wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur
Begründung ist ausgeführt, daß die angemeldete Wortfolge allgemeinverständlich
das Thema oder den Inhalt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen be-
schreibe, bei denen es im wesentlichen um (Computer-)Spiele gehe. Das engli-
sche Wort "Gangster" sei längst (mit der Bedeutung "Schwerverbrecher") in die
deutsche Sprache übergegangen; das Schluß-"s" werde als Pluralform unschwer
erkannt. Der weitere Bestandteil "Organisiertes Verbrechen" stelle eine inhaltlich
passende Ergänzung zum ersten Wort dar, indem er (wie ein Untertitel) das Tätig-
keitsfeld der Gangster umschreibe. Diese ohne weiteres verständliche Sachaus-
sage vermittle - auch wenn sie vielleicht neu sei - keinen individuellen betriebli-
chen Herkunftshinweis. Schließlich begründe auch die graphische Ausgestaltung,
bei der es sich um eine werbeübliche zweizeilige Schreibweise handele, keine
Schutzfähigkeit.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Nach ihrer Meinung ist die
angemeldete Wortfolge schutzfähig, da sie keine Merkmale der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibe. Zwar wiesen ihre Bestand-
teile schlagwortartig auf Themen hin, mit denen die Waren und Dienstleistungen in
Zusammenhang stünden, enthielten jedoch keine klare und konkrete Aussage zu
Inhalt, Verwendungsweise, Funktion usw. So fehle - anders als zB in dem von der
Markenstelle genannten "RIDGE RACER"-Fall (BPatG 24 W (pat) 157/95) - jeder
konkrete Hinweis auf den Spielablauf. Selbst wenn beide Einzelbestandteile als
beschreibende Angabe in Betracht kämen, ergebe sich für die Wortzusam-
menstellung kein Freihaltungsbedürfnis. Bereits wegen der "abgehackten,
schlagwortartigen Gestaltung" weise die Marke ein Mindestmaß an phantasievoller
Eigenart auf. Es sei kein Grund ersichtlich, daß Mitbewerber gerade die ange-
meldete Kombination zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen benö-
tigten. Daher seien auch die Anforderungen an die Unterscheidungskraft gering
und vorliegend erfüllt. Schließlich spreche die gewählte Form (kein Fließtext, son-
dern besondere zweizeilige Schreibweise) für hinreichende Unterscheidungskraft.
Die Anmelderin hat schließlich darauf hingewiesen, daß zu ihren Gunsten eine
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Gemeinschaftsmarke "GANGSTERS: ORGANISED CRIME" sowie eine nationale
französische Marke "GANGSTERS: CRIME ORGANISÉ" eingetragen seien. Auch
dies spreche für die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde konnte in der Sache keinen Erfolg haben, da der Eintragung der
angemeldeten Marke die Vorschrift des MarkenG § 8 Abs 2 Nr 1 entgegensteht.
Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Verkehr den Beg-
riffsgehalt der angemeldeten Wortfolge ohne weiteres versteht und darin im Hin-
blick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen (die alle in engem Zu-
sammenhang mit Spielen oder Computerspielen stehen können) lediglich einen
sachbezogenen Hinweis auf den Inhalt, das Thema usw eines "Strategiespiels"
sieht, wie sie derzeit (insbes als Computerspiele) mit den unterschiedlichsten
Themen angeboten werden und offenbar recht beliebt sind. Derartige Spieltitel
sind markenrechtlich ähnlich zu beurteilen wie Buchtitel: Sie sind grundsätzlich
schutzfähig, unterliegen aber wie jede Bezeichnung, die als Marke eingetragen
werden soll, den Vorschriften des MarkenG § 8 Abs 2 (vgl zB BGH MarkenR 2000,
330 "Bücher für eine bessere Welt"). Solche Titel können durchaus auch mit
einem beschreibenden Gehalt schutzfähig sein, wenn sie außerdem einen
hinreichenden Phantasiegehalt besitzen. Fehlt es daran, dann kann auch ihre
vielleicht erstmalige Verwendung durch den Anmelder eine Eintragbarkeit nicht
rechtfertigen (vgl zB BPatG "TRUE OR FALSE", "Tell me lies", "SUPER LEAGUE
SOCCER", "A [STORY OF BERLIN]", "Funny Family", sämtlich bei PAVIS
PROMA veröffentlicht; vgl auch die unter dem Stichwort "TITEL
*
" bei PAVIS
PROMA aufzufindende Liste zahlreicher weiterer schutzunfähiger Buch- oder
Spieltitel). Im vorliegenden Fall geht es um zwei schlagwortartige beschreibende
Hinweise (- was die Anmelderin selbst wohl nicht bestreiten möchte), die aber
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auch insgesamt nicht etwa phantasievoll wirken, sondern einander in sinnvoller
Weise ergänzen und einen klaren und sachbezogenen, (wenn auch sehr umfas-
senden) Hinweis auf die Thematik der so gekennzeichneten Spiele, Spielpro-
gramme usw geben. Die Verwendung eines im Deutschen geläufigen (aus dem
Englischen stammenden) Fremdwortes ("Gangster") mit einem englischen
(insoweit also sprachüblichen) Plural-"s" neben einem deutschen Text kann dabei
ebensowenig als Besonderheit angesehen werden wie die in der Werbung
bekanntermaßen verbreitete Verwendung englischer und deutscher Ausdrücke
nebeneinander.
Ob jemand genau diese von der Anmelderin gewählte Formulierung als beschrei-
bende Angabe benötigt, mag offen bleiben. Aber auch, wenn man ein Freihal-
tungsbedürfnis verneinen will, fehlt der Anmeldemarke die erforderliche Unter-
scheidungskraft, an deren Vorliegen deshalb aber keine geringeren Anforderun-
gen gestellt werden dürfen. So hat der Europäische Gerichtshof ausdrücklich fest-
gestellt (GRUR 1999; 723, 727 "Chiemsee"), daß eine Differenzierung der Unter-
scheidungskraft nach dem Grad eines möglichen Freihaltungsbedürfnisses unzu-
lässig ist. Denn die Frage der Unterscheidungskraft bemißt sich ausschließlich
danach, ob die beteiligten Verkehrskreise in der angegriffenen Marke einen übli-
chen Herkunftshinweis sehen. Dagegen ist für das Freihaltungsbedürfnis an einer
beschreibenden Angabe lediglich das berechtigte Interesse der Mitbewerber
maßgeblich. Damit trägt die pauschale, nicht näher begründete Feststellung, an-
gesichts eines fehlenden Freihaltungsbedürfnisses an der angemeldeten Marke
sei auch deren Unterscheidungskraft zu bejahen, dem eigenständigen Charakter
von MarkenG § 8 Abs 2 Nr 1 nicht hinreichend Rechnung und spricht dieser Vor-
schrift praktisch jeglichen eigenen Anwendungsbereich ab, was weder mit dem
Markengesetz noch mit der Markenrechtsrichtlinie (in der maßgeblichen Ausle-
gung der "Chiemsee"-Entscheidung des EuGH, aaO) in Einklang zu bringen ist
(vgl auch BPatG 24 W (pat) 262/99 "babyline", veröffentlicht in PAVIS PROMA).
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Insbesondere macht auch die zweizeilige Schreibweise der Anmeldung diese nicht
schutzfähig. Zum einen ist es höchst zweifelhaft, ob dies überhaupt berücksichtigt
werden kann, nachdem die Marke nicht als Bildmarke, sondern ausdrücklich als
Wortmarke angemeldet ist und eine nachträgliche Änderung insoweit kaum
möglich sein dürfte (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 39 Rdn 8). Aber
selbst wenn man die in der Anmeldung enthaltene Schreibweise (sozusagen als
Bildmarke) zugrunde legen würde, könnte dies nichts ändern, wie schon die
Markenstelle zutreffend festgestellt hat. Das zweizeilige Untereinandersetzen
zweier glatt beschreibender und sich ergänzender Begriffe kann in keiner Weise
als phantasievoll und schutzbegründend angesehen werden.
Schließlich führt auch der Hinweis der Anmelderin auf eine eventuell vergleichbare
eingetragene Gemeinschaftsmarke oder ausländische Marke nicht zu einem
anderen Ergebnis (vgl zB BPatG GRUR 1997, 132 "ErgoPanel"), zumal es bei der
Beurteilung der Unterscheidungskraft wesentlich auf die Vorstellungen des inlän-
dischen Verkehrs ankommt.
Die Beschwerde war sonach zurückzuweisen.
Albert Friehe-Wich
Schwarz
br/Na