Urteil des BPatG vom 09.05.2006

BPatG: stand der technik, firma, betriebsanleitung, gas, patentfähige erfindung, druck, petroleum, patentanspruch, tagung, anzeige

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
8 W (pat) 20/02
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
9. Mai 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 198 60 353
- 2 -
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 12 vom 28. März 2002 aufgehoben und das Pa-
tent 198 60 353 in vollem Umfang aufrechterhalten.
- 3 -
G r ü n d e
I
Nach Prüfung von drei Einsprüchen hat die Patentabteilung 12 des Patentamts
das unter der Bezeichnung ”Getriebe” erteilte Patent 198 60 353 (Anmeldetag:
28. Dezember 1998; Veröffentlichungstag der Patenterteilung: 21. Juni 2000) mit
Beschluss vom 28. März 2002 widerrufen.
Zum Stand der Technik waren im Prüfungs- und Einspruchsverfahren die folgen-
den Druckschriften bzw. Unterlagen zu behaupteten Benutzungshandlungen vor
dem Zeitrang des Streitpatents in Betracht gezogen worden:
-
DE 295 17 964 U1
-
US 3 489 034
-
Proceedings of the 22
nd
CIMAC International Congress on
Combustion Engines Copenhagen 18 - 21 May 1998 (und
dort veröffentlicht mit gleichem Datum), Seiten 537 - 539;
R. Lösch-Schloms u. a. ”High Efficiency Turbogears for Gas
Turbines, First Operating Experiences”
-
EP 0 739 463 B1
-
Fachbuch: American National Standard, Specification for
High Speed Helical Gear Units, 1997
-
Fachbuch: Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air
Compressors for Petroleum, Chemical and Gas Industry
Services, American Petroleum Institute, 1996
-
EP 0 411 294 B1
- Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Bosch, VDI-Verlag,
21. Auflage, 1991, S. 548
- WO
96/15392
- 4 -
-
Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG zum Typ GD-
72,5 HET vom 15. Oktober 1996 mit Kapitelrevision vom
16. April 1998
- Firmenveröffentlichung
”Systemtechnischer Konzeptentwurf
eines MAAG-HET-Getriebes (High Efficiency Turbo-Gear)”
von 1996
-
offenkundige Vorbenutzung durch Angebot der Firma A…
vom 4. April 1996 an B…
-AG in C…
Gegen den Widerrufsbeschluss hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
Die Patentinhaberin verteidigt ihr Schutzrecht auf der Grundlage der erteilten Un-
terlagen.
Der geltende erteilte Patentanspruch 1 lautet:
”Zahnradgetriebe mit zwei oder mehr miteinander in Eingriff ste-
henden Zahnrädern, insbesondere mindestens in einem Teilva-
kuum laufendes Getriebe, mit Mitteln zur Zufuhr von Schmier-
und/oder Kühlöl in den Ein- oder Ausgriff der Zahnräder, wobei die
die Zahnräderwellen tragenden Lager unter Zwischenschaltung
von Dichtungen an das Teilvakuum angrenzen oder sich vollstän-
dig im Teilvakuum befinden, und im Teilvakuum ein erster, den
Druck des Teilvakuums aufnehmender Sensor angeordnet ist, der,
bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebe-
nen Druckbereich, Sicherheitseinrichtungen aktiviert (Zusatzöl-
kühlung, Absperrklappe auf, Vakuumpumpe aus) und ein zweiter,
die Ölmenge erfassender Sensor angeordnet ist, der zusätzlich zu
den Sicherheitseinrichtungen weitere Sicherheitsvorrichtungen ak-
tiviert (Ölablauf über einen zusätzlichen Ölablauf).“
- 5 -
Zu den Unteransprüchen 2 bis 8 erteilter Fassung wird auf die Akten verwiesen.
Die Patentinhaberin trägt vor, dass das Veröffentlichungsdatum des Artikels von
Lösch-Schloms und Mathis unklar sei, da nicht erkennbar ist, wann genau der Ta-
gungsband, in dem dieser Artikel aufgenommen ist, erschienen sei. Zudem sei
nach ihrer Auffassung nicht klar, was tatsächlich auf dem maßgeblichen CIMAC-
Kongress in Kopenhagen vom 18. - 21. Mai 1998 inhaltlich von den o. g. Autoren
vorgetragen worden sei und welche Abbildungen gezeigt worden seien.
Zur Sache trägt die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin vor, dass der entge-
gengehaltene Stand der Technik gemäß den Unterlagen zu den sog. HET-Getrie-
ben der Firma MAAG Gear AG lediglich solche Sicherheitseinrichtungen zum Ge-
genstand habe, welche sich auf die Überwachung des Ölstandes beziehen, d. h.
ausschließlich auf der Basis Sicherheitssysteme auslösender Ölwächter aufgebaut
seien. Auch die fachmännische Zusammenschau mit einem Stand der Technik,
der ein Manometer am Vakuumraum eines maßgeblichen Getriebes zeige, wie
dies z. B. beim Stand der Technik nach der US 3 489 034 der Fall sei, könne die
patentgemäßen Sicherheitssysteme nicht nahe legen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 12 vom 28. März 2002 aufzu-
heben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechenden tragen vor, dass der Vortrag der Autoren Lösch-Schloms und
Mathis im entsprechenden Tagungsband bezüglich des CIMAC-Kongresses vor-
veröffentlicht sei, was sie unter Verweis auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben vom
18. September 2000 des CIMAC Central-Secretariats bestätigt sehen. Die Ein-
sprechenden bieten hierfür auch Zeugenbeweis an.
- 6 -
Zur Sache verweisen die Einsprechenden 1 bis 3 übereinstimmend auf den abge-
druckten Vortrag von Lösch-Schloms und Mathis sowie auf die sowohl zu be-
haupteten Benutzungshandlungen genannte als auch als Druckschrift zu wertende
Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG vom 15. Oktober 1996, wo mehrfach
auf die Vakuumüberwachung bei derartigen Getrieben hingewiesen sei und be-
nannten die hierfür maßgeblichen Textstellen. Sie tragen hierzu vor, dass eine
Systemsteuerung bezüglich der Vakuumüberwachung für einen einschlägigen
Fachmann auch Sicherheitsmaßnahmen beinhalte, so dass dem Gegenstand des
Streitpatents gegenüber diesem Stand der Technik die Patentfähigkeit abzuspre-
chen sei. Auch weitere im Verfahren befindliche Druckschriften zeigten Vakuum-
räume einschlägiger Getriebe, denen Manometer zur Vakuumüberwachung zuge-
ordnet seien, wie dies z. B. aus der US 3 489 034 ersichtlich sei.
Die Einsprechenden 1, 2 und 3 stellen den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache
begründet.
Der Patentgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5
dar.
1. Der im Tagungsband ”Proceedings of the 22
nd
CIMAC International Congress
on Combustion Engines, Copenhagen 18 - 21 May 1998” auf den Seiten 537
bis 543 abgedruckte Vortrag der Autoren R. Lösch-Schloms und A. Mathis mit
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dem Titel ”High Efficiency Turbogears for Gas Turbines, First Operating Expe-
riencies” ist nach Auffassung des Senats vorveröffentlicht. Wie aus dem von
der Einsprechenden angezogenen Schreiben des CIMAC Central Secretariat
vom 18. September 2000 hervorgeht, ist das o. g. Paper ”High Efficiency Tur-
bogears for Gas Turbines” im Rahmen der o. g. Proceedings veröffentlicht
worden. Dabei erscheint ein derartiger Tagungsband nach allgemeiner Le-
benserfahrung zeitnah zum Zeitraum der Tagung bzw. des Kongresses, d. h.
in der Regel nicht später als drei Monate nach Ablauf der Tagung bzw. des
Kongresses, weil andernfalls das Interesse der maßgeblichen Verkehrskreise
an den dort vorgetragenen Ergebnissen stark schwinden würde. Nachdem der
Zeitrang des Streitpatents mit dem Anmeldedatum vom 28. Dezember 1998
mehr als sieben Monate nach Beendigung de CIMAC-Kongresses liegt, geht
der Senat von einer Vorveröffentlichung dieses Schrifttums aus. Besondere
Umstände, welche in einem etwa hier vorliegenden Einzelfall eine Abweichung
von der allgemeinen Übung der zeitnahen Veröffentlichung des Tagungsban-
des hätten zur Folge haben können, sind seitens der Patentinhaberin nicht
vorgetragen und geltend gemacht worden.
Auch ist eine textliche Abweichung im eigentlichen Vortrag von dem im Ta-
gungsband niedergelegten Artikel sowie die Vorführung von weniger oder an-
deren Bildern als denen, die im entsprechenden Artikel im Tagungsband wie-
dergegeben sind, nicht allgemein üblich. So hätte die Patentinhaberin auch
ihre diesbezüglichen Bedenken substantiiert darlegen müssen. Daher hat der
Inhalt dieses Artikels als Vortrag bereits im Rahmen des CIMAC Kongresses
die erforderliche patentrechtliche Offenkundigkeit erlangt.
2. Gegenstand
des
Streitpatents ist nach dem geltenden erteilten Anspruch 1 ein
Zahnradgetriebe, welches in einem Teilvakuum läuft, und bei dem zwei oder
mehr miteinander in Eingriff stehende Zahnräder vorgesehen sind. Es sind
Mittel zur Zufuhr von Schmier- und/oder Kühlöl in den Ein- oder Ausgriff der
Zahnräder vorgesehen.
- 8 -
Die die Zahnräderwellen tragenden Lager grenzen unter Zwischenschaltung
von Dichtungen an das Teilvakuum an oder befinden sich vollständig in die-
sem. Im Teilvakuum ist ein erster, den Druck des Teilvakuums aufnehmender
Sensor angeordnet, der bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem
vorgegebenen Druckbereich Sicherheitseinrichtungen aktiviert (Zusatzölküh-
lung, Absperrklappe auf, Vakuumpumpe aus).
Im Teilvakuum ist ein zweiter, die Ölmenge erfassender Sensor angeordnet,
der zusätzlich zu den Sicherheitseinrichtungen weitere Sicherheitsvorrichtun-
gen aktiviert (Ölablauf über einen zusätzlichen Ölablauf).
Die Formulierung ”insbesondere mindestens in einem Teilvakuum laufendes
Getriebe” versteht der Senat im Kontext des Anspruchs 1 hinsichtlich des
Ausdrucks ”insbesondere” im Sinne von ”nämlich” oder ”und zwar” o. ä., denn
bei einer Auslegung als weglassbare Alternative würden die verbleibenden
Merkmale, welche ausschließlich mit einem im Teilvakuum laufenden Getriebe
in Zusammenhang stehen, bei Fortlassen dieser Alternative keine sinnvolle
technische Lehre kennzeichnen.
Der Anspruch 1 ist in seinem Kern auf ein (mit hohen Drehzahlen laufendes)
Zahnradgetriebe gerichtet, dessen Zahnräder (mindestens) in einem Teilva-
kuum laufen. In diesem mehr oder weniger evakuierten Getrieberaum sind
zwei Sensoren angeordnet, wobei einer von diesen den Druckwert des Vaku-
ums und ein zweiter die Ölmenge in dem Getriebegehäuse überwacht. Bei
Abweichung von einem vorgegebenen Druckbereich aktiviert der erste Sensor
dabei geeignete Sicherheitseinrichtungen, wobei der zweite Sensor (Ölmen-
generfassung) zusätzlich zu denjenigen Sicherheitseinrichtungen, die der
erste Sensor (Vakuumüberwachung) schon aktiviert hat, weitere Sicherheits-
einrichtungen (Ölablauf über zusätzliche Wege) in Gang setzt. Nach dem
Grundgedanken der patentgemäßen Lehre sind demnach zwei voneinander
unabhängig wirkende und auf unterschiedliche Parameter (Vakuumwert bzw.
Ölstand) gerichtete Sensoren vorgesehen, die ihrerseits ihnen jeweils zuge-
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ordnete verschiedene Sicherheitseinrichtungen bzw. Sicherheitsvorrichtungen
aktivieren.
3. Das zweifellos gewerblich anwendbare Zahnradgetriebe nach Patentan-
spruch 1 hat als neu zu gelten, da keine der zum Stand der Technik in Be-
tracht gezogenen Druckschriften bzw. Unterlagen zu behaupteten Benut-
zungshandlungen ein derartiges Getriebe vollständig vorbeschreibt.
Vom Stand der Technik nach dem Artikel ”High Efficiency Turbogears for Gas
Turbines” (Lösch-Schloms u. Mathis) sowie der Betriebsanleitung bezügl. des
Getriebetyps GD - 72,5 HET der Firma MAAG Gear AG, welche beide prinzi-
piell ein und dieselbe, lediglich auf die Aktivierung von Sicherheitseinrichtun-
gen durch eine Ölstandsüberwachung aufgebaute Getriebebauart beschrei-
ben, unterscheidet sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 durch seinen
zusätzlichen, auf den Druck des Teilvakuums gerichteten Sensor, welcher
seinerseits bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenen
Druckventil eigene Sicherheitseinrichtungen aktiviert.
Ähnlich ist dies auch bei den Gegenständen der weiteren, in der mündlichen
Verhandlung nicht mehr erörterten Firmendruckschriften und Unterlagen der
Firma MAAG Getriebe AG nach dem ”Systemtechnischen Konzeptentwurf ei-
nes MAAG-HET-Getriebes (High Efficiency Turbo-Gear)”, der Werkszeichnung
”GD - 72,5 HET, Systemplan” (Nr. 722 7500 10) sowie den Unterlagen zu ei-
ner behaupteten Benutzungshandlung gemäß einem Angebot der Fir-
ma A… an die B… -AG in C…
Prinzipiell ähnliche Getriebe der Firma MAAG Gear AG werden auch durch die
im Verfahren befindlichen patentamtlichen Druckschriften WO 96/15392 und
EP 0 739 463 B1 offenbart, wobei dort keinerlei Sicherheitseinrichtungen be-
schrieben sind, welche durch geeignete Sensoren aktiviert werden können.
Das Getriebe nach der EP 0 411 294 B1 läuft - anders als das patentgemäße
Getriebe - in einer unter leichtem Überdruck gehaltenen Heliumatmosphäre,
welche von einem Druckwächter kontrolliert wird.
- 10 -
Bei den Getrieben nach der US 3 489 034 und dem DE 295 17 964 U1 sind
keinerlei Sicherheitseinrichtungen beschrieben, welche durch geeignete Sen-
soren aktiviert werden. Vielmehr ist bei dem Getriebe nach der US 3 489 034
- diese Druckschrift wurde von den Einsprechenden in der mündlichen Ver-
handlung ausführlich erörtert - an dem evakuierbaren Gehäuse (6) lediglich
ein Manometer (30) zur Anzeige des erreichten oder bestehenden Unter-
drucks vorgesehen. Eine Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen geht von
dieser Messeinrichtung jedoch nicht aus. Eine Ölstandsüberwachung liegt
ebenfalls nicht vor, so dass sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 von
diesem Stand der Technik in allen die Aktivierung von Sicherheitseinrichtun-
gen betreffenden Merkmalen unterscheidet.
Aus den Auszügen aus den Fachbüchern ”Specification for High Speed Heli-
cal Gear Units” bzw. ”Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air Compres-
sors for Petroleum, Chemical and Gas Industry Services” sind lediglich allge-
meine Hinweise auf die Notwendigkeit eines Öldruck- und Temperatur-Moni-
torrings bei Hochgeschwindigkeitsgetrieben ersichtlich. Auch der Inhalt der
Auszüge aus dem Kraftfahrtechnischen Taschenbuch liegt vom Patentge-
genstand nach Anspruch 1 weiter ab und lässt keine gemeinsame Merkmale
mit diesem erkennen.
4. Das Zahnradgetriebe mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 be-
ruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der von den Einsprechenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung in den
Vordergrund gestellte Vortrag von Lösch-Schloms und Mathis welcher auf
dem CIMAC Kongress (Mai 1998) abgehalten wurde (im Tagungsheft veröf-
fentlicht) bildet auch nach Auffassung des Senats den nächstkommenden
Stand der Technik. Dieser Artikel ”High Efficiency Turbo-Gears for Gas Turbi-
nes”, zeigt in Fig. 3 ein Zahnradgetriebe im Teilvakuum mit allen baulichen
Merkmalen, wie sie auch im Anspruch 1 des Streitpatents niedergelegt sind,
lediglich ohne einen Sensor zur Überwachung des Teilvakuums und demzu-
- 11 -
folge zur Aktivierung entsprechender Sicherheitseinrichtungen. Nur ein
Ölstandssensor setzt Sicherheits- und Notprogramme in Gang und zwar der-
art, dass in einer ersten Stufe das Getriebe auf konventionellen Betrieb umge-
stellt wird (S. 539, li. Sp. letzter Abs.) und in einer zweiten Stufe die Rotorge-
schwindigkeit vermindert wird (re. Sp., 1. Abs.). Dann wird noch das Getriebe-
Innengehäuse mit Stickstoff geflutet (bei Vakuumabbruch) und das Öl (wel-
ches zu hoch ansteigen würde beim Abschalten der Vakuumpumpe, die hier
normalerweise auch Öl und Öldunst mit austrägt) über weitere Wege abge-
führt (S. 539, re. Sp., 3. und 4. Abs.).
Demzufolge besteht beim Patentgegenstand der wesentliche Unterschied zu
dem hier abgehandelten Stand der Technik in der Erfassung eines zweiten
Parameters, nämlich das Vakuum-Druckwertes mittels eines gesonderten
Sensors und der Auslösung von Sicherheitseinrichtungen bei Abweichung des
Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenem Druckbereich.
Die Einsprechenden sind der Auffassung, dass durch den angezogenen Arti-
kel, wo mehrfach der Ausdruck ”vacuum control system” (S. 536, re. Sp.,
vorl. Abs.) bzw. ”vacuum level” (S. 542, re. Sp., 1. Abs. unter ”Conclusion”)
sowie die Überschrift ”Vacuum Control Logic” (S. 539, li. Sp.) oder der Hinweis
auf die Erhaltung des Vakuums im Innengehäuse (S. 540, li. Sp., 3. Abs.) er-
scheint, einem Fachmann bereits ein entsprechendes sensorgestütztes Über-
wachungssystem des Vakuums im Getriebe mit entsprechender Aktivierung
von Sicherheitssystemen vor Augen geführt werde. Sie ziehen hierzu noch die
im Prinzip den selben Getriebetyp betreffende Betriebsanleitung der Firma
MAAG Gear AG heran, wo in Kapitel 3.1 (Aufbau und Funktionsbeschreibung)
unter Punkt 3.2.6 eine Öl-Niveau Überwachung und unter Punkt 3.2.11 ein
Messumformer für Druck angegeben ist. Insbesondere der unter Punkt 3.2.11
angegebene Text ”Die Messumformer dienen zur Systemsteuerung und
Überwachung des Vakuums im Vakuumraum” weise nach Ansicht der Ein-
sprechenden bereits auf die Existenz einer von der Vakuumüberwachung ab-
geleiteten Sicherheitsmaßnahme wie beim Streitpatent hin.
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Dieser Einschätzung vermag der Senat nicht zu folgen, denn sowohl in dem
Artikel von Lösch-Schloms und Mathis als auch in der Betriebsanleitung der
Firma MAAG Gear AG, welche insoweit ein und denselben Getriebeaufbau
betreffen, werden lediglich ausgehend von der Überwachung des Ölstandes
Sicherheitseinrichtungen und -maßnahmen im Bedarfsfall aktiviert. Dies ergibt
sich in dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis z. B. aus S. 539, li. Sp.,
2. Abs. unter ”Vacuum Control Logic”, wo es ab Z. 3 dieses Absatzes heißt:
”The oil-level is controlled by a retundant oil level detection (3). This control
unit initiates a switch over from vacuum to conventional mode if a defined level
is reached”. Nur der Ölstand ist demnach ausschlaggebend für die Entschei-
dung, ob das Getriebe weiterhin unter Vakuum oder (bei dessen Anstieg)
fortan auf andere Weise konventionell weiter gefahren werden soll, d. h. ent-
sprechende Sicherheitsmaßnahmen und -einrichtungen aktiviert werden sol-
len. Ein derartiges Vorgehen bei einer Abweichung des Vakuumwertes ist in
dem Artikel nicht beschrieben.
Hierzu kann auch die MAAG Gear AG-Betriebsanleitung keine Hinweise ge-
ben, denn auch dort werden Sicherheitseinrichtungen lediglich in Abhängigkeit
vom Öl-Niveau aktiviert (vgl. Seite 4, 6. Abs.), welche hier aus Befehlen zur
Absaugpumpen-Umschaltung, Einleitung des Vakuum-Brech-Vorgangs sowie
Generierung des GT-Schnellschlusses bestehen. Eine Aktivierung anderer
und weiterer Sicherheitseinrichtungen o. ä. in Abhängigkeit von der Überwa-
chung des Vakuums im Getriebe wird hier ebenfalls nicht beschrieben. Auch
der Satz auf Seite 8 unter Punkt 3.2.11 der Betriebsanleitung mit dem Wort-
laut: ”Die Messumformer dienen zur Systemsteuerung und Überwachung des
Vakuums im Vakuumraum” kann daher nach Auffassung des Senats nicht auf
die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen gelesen werden. Vielmehr be-
zieht sich diese Angabe lediglich auf die Steuerung bzw. Regelung der Vaku-
umpumpe (n) im Hinblick auf den Aufbau bzw. den dann folgenden Erhalt des
gewünschten Vakuum-Wertes und ggf. dessen Korrektur während des Va-
kuum-Betriebes (vgl. Systemsteuerung, Überwachung des Vakuums).
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Die Lehre der bisher abgehandelten Entgegenhaltungen richtet sich daher le-
diglich auf die Überwachung des Ölstands im Getriebe mittels Sensoren und
der Einleitung von Notmaßnahmen (Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen)
bei Anstieg des Ölstandes über einen bestimmten Schwellenwert, wobei die
Bestimmung des Ölstandes als alleinige und ausreichende Entscheidungs-
grundlage für die Aktivierung entsprechender Sicherheitseinrichtungen darge-
stellt ist.
Nach alledem vermag das durch den Artikel von Lösch-Schloms und Mathis
sowie die Betriebsanleitung beschriebene Getriebe der Firma MAAG Gear AG
einem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung ”Allge-
meiner Maschinenbau” mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion
schnelllaufender Spezialgetriebe, keinerlei Anregungen dahingehend zu ver-
mitteln, den Vakuum-Druckwert als Parameter zur Auslösung von Sicherheits-
einrichtungen im Getriebe heranzuziehen.
Hierzu vermag auch der Gegenstand nach der US 3 489 034 keinerlei Anre-
gungen zu vermitteln, denn dort sind aktivierbare Sicherheitseinrichtungen, die
bei Abweichung bestimmter Parameter betätigt werden, nicht offenbart. Am
Getriebegehäuse (6), welches über eine Vakuumpumpe (24) evakuiert wird,
ist lediglich ein Manometer (30) zur Anzeige des erreichten bzw. bestehenden
Unterdrucks angebracht, ohne dass hierdurch Sicherheitseinrichtungen in
Gang gesetzt werden würden.
Daher gibt auch die mögliche manuelle Umschaltbarkeit des Getriebes gemäß
dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis vom Hochgeschwindigkeitsbetrieb
im Vakuum auf den konventionellen Modus (S. 539, re. Sp., 4. Abs.) nach
Auffassung des Senats keinen Anlass, die Anlage noch mit einem Manometer
zur Vakuumüberwachung des Getriebeinnenraumes nach dem Vorbild der
US 3 489 034 auszustatten. Ferner stellt auch dieser manuelle Schaltmodus
wiederum auf einen unerwarteten Ölanstieg im Innenraum des Getriebes ab
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(vgl. S. 539, re. Sp., 4. Abs.) und berücksichtigt nicht die mögliche Verände-
rung des Vakuumwertes innerhalb des Getriebes.
Auf das übrige entgegengehaltene Material ist im Rahmen der mündlichen
Verhandlung nicht mehr eingegangen worden.
Die zu den behaupteten Benutzungshandlungen im schriftlichen Verfahren
noch vorgelegten Firmenunterlagen betreffen ebenfalls ein derartiges Getriebe
der Firma MAAG Gear AG (Werkszeichnung, Firmenveröffentlichung ”Sys-
temtechnischer Konzeptentwurf eines MAAG-HET-Getriebes …”), wie es be-
reits aus dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis bzw. der Betriebsanlei-
tung ersichtlich ist. Nachdem diese Unterlagen den Offenbarungsgehalt der
vorher abgehandelten Entgegenhaltungen zumindest nicht übersteigen, ver-
mögen auch diese einem Fachmann den Patentgegenstand nicht nahe zu le-
gen. Den Umständen der behaupteten Benutzungshandlungen brauchte daher
nicht mehr weiter nachgegangen zu werden.
Der übrige im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik liegt
- wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich - weiter ab und vermag
den Patengegenstand ebenfalls nicht nahe zu legen. Die Patentdokumente
WO 96/15392, EP 0 739 463 B1 und EP 0 411 294 B4 betreffen alle mehr
oder weniger Teilaspekte eines Getriebes, welches bereits in dem vorher ab-
gehandelten Artikel von Lösch-Schloms und Mathis beschrieben ist (HET-Ge-
triebe). Während eine Druck- und Ölstandsüberwachung nicht Gegenstand
der Offenbarung bei der WO 96/15392 und der EP 0 739 463 B1 ist, hat die
Getriebevariante nach der EP 0 411 294 B1 lediglich einen Druckwächter zur
Überdrucküberwachung für den Fall, dass das Getriebe anstatt in einer Unter-
druckumgebung in einer Leichtgasatmosphäre (Helium) im leichten Überdruck
betrieben wird. Aktivierbare Sicherheitseinrichtungen z. B. bei Vakuum- oder
Ölstandsveränderungen sind auch hier nicht offenbart.
Auch das Getriebe nach der DE 295 17 964 U1 - diese Druckschrift offenbart
den im Streitpatent beschriebenen und in dessen Fig. 1 dargestellten Stand
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der Technik - weist keinerlei Sicherheitseinrichtungen auf, welche durch Va-
kuum- und Ölstandssensoren aktiviert werden könnten.
Weder der Auszug aus dem ”Kraftfahrtechnischen Taschenbuch” von Bosch
(dort wird lediglich ein automatisches Fahrzeuggetriebe beschrieben) noch die
lehrbuchartigen Auszüge aus ”Specification for High Speed Helical Gear
Units” bzw. ”Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air Compressors for Pe-
troleum, Chemical, and Gas Industry Services (dort wird lediglich auf die Not-
wendigkeit der Öldruck- und Temperaturüberwachung in Hochgeschwindig-
keitsgetrieben hingewiesen) lassen weitergehende Gemeinsamkeiten mit dem
Patentgegenstand erkennen.
So wird im gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik - so dieser aus-
lösbare Sicherheitseinrichtungen zum Gegenstand hat - nur der Ölstand als
Entscheidungsgrundlage für die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen he-
rangezogen. Es bedurfte daher einer erfinderischen Tätigkeit, den Druck des
Teilvakuums einmal überhaupt als Entscheidungsgrundlage zur Aktivierung
von Sicherheitseinrichtungen zu verwenden und dies zum anderen als zusätz-
lichen Parameter zur Aktivierung anderer Sicherheitseinrichtungen als derjeni-
gen, die durch den Parameter Ölstand aktiviert werden, heranzuziehen. Derar-
tiges technisches Handeln übersteigt daher allgemeine fachübliche Überle-
gungen eines Durchschnittsfachmannes.
Nach alledem ist das Zahnradgetriebe nach Patentanspruch 1 patentfähig und
dieser Anspruch somit bestandsfähig.
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Mit diesem zusammen haben auch die Unteransprüche 2 bis 8, die auf vorteil-
hafte Ausgestaltungen eines Zahnradgetriebes nach Anspruch 1 gerichtet
sind, Bestand.
gez.
Unterschriften