Urteil des BPatG vom 05.11.2008

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 330/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. November 2008
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 15 790
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hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. November 2008 durch den Richter
Dipl.-Phys. Dr. Hartung als Vorsitzenden, die Richterin Martens sowie die Richter
Dipl.-Ing. Gottstein und Dipl.-Ing. Kleinschmidt
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I.
Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden.
Die Einsprechende hat hierzu auf offenkundig vorbenutzte Türsprechanlagen ver-
wiesen und hat dazu u. a. vorgelegt:
E1
Prospekt „ELCOM-Türsprechanlagen - Hauskommunikation für Ihre
Sicherheit“ der Fa. ELCOM-Türsprechanlagen, Druckdatum 10/99, S. 1-8,
E4
Auszüge aus dem Katalog „Sfera System Audio- und Video-
Türsprechanlagen“ der Fa. Seko-BTicino, Veröffentlichungsvermerk
05/2001, S. 1, 11, 14, 22, 25,
E7
Auszüge aus dem GIRA-Katalog 2001 mit Beiblättern zu Instabus-
Schaltaktoren,
E8
Schaltbilder der Fa. INSTA Elektro GmbH & Co. KG betr. Instabus-Schalt-
aktoren aus dem Jahr 2000,
E9
Siemens Datenblatt „FZE 1065 E - EIB with Transformer“ vom
31. Oktober 2000, S. 1-10.
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Ferner hat die Einsprechende Rechnungen und Lieferscheine aus dem Jahr 2000
zum Beleg dafür vorgelegt, dass vor dem Anmeldetag des Streitpatents Geräte
gemäß den vorgelegten Unterlagen vertrieben worden seien. Hierfür und für die
Tatsache der offenkundigen Vorbenutzung der Gerätschaften hat die Einspre-
chende Zeugenbeweis angeboten. Zu den mit den vorgelegten Unterlagen be-
schriebenen Türsprechanlagen hat die Einsprechende vorgetragen, dass es sich
dabei um Hauskommunikationsanlagen mit Bussystemen handle, und bei den
Bussystemen gelangten übliche Schaltungskomponenten, wie Schaltaktoren und
Bus-Transceiver, zur Anwendung.
Wegen der weiteren von der Einsprechenden vorgelegten Unterlagen und Nach-
weise wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 25. November 2004 neue Patentan-
sprüche 1 bis 4 vorgelegt und hat sinngemäß beantragt,
das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten, und zwar auf Grund-
lage der vorgelegten Patentansprüche 1 bis 4.
Die Patentinhaberin ist - wie mit Schreiben vom 29. September 2008 schriftsätz-
lich angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit hinzugefügten Gliederungszeichen 1)
bis 5)):
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"1. 1) Hauskommunikationsanlage mit mindestens einer an ei-
nen
Bus (12)
angeschlossenen
Hauptsteuereinrich-
tung (10), die dazu ausgelegt ist, Steuersignale an den
Bus (12) abzugeben,
2) mindestens einer an den Bus (12) angeschlossenen
Untersteuereinrichtung (18), die dazu ausgelegt ist, Steu-
ersignale auf dem Bus (12) auszuwerten und eine steuer-
bare Einrichtung (20) in vorgegebener Weise anzusteuern,
sofern die Auswertung ergibt, dass die Steuersignale vor-
gegebene Kriterien erfüllen,
3) wobei die Untersteuereinrichtung (18) über den Bus (12)
mit Energie versorgt wird und einen ersten Energiespei-
cher (C1) zum Puffern von Energie für die Auswertung,
4) einen zweiten Energiespeicher (C2) zum Puffern von
Energie für die Ansteuerung der steuerbaren Einrich-
tung (20)
5) sowie eine Prioritätsschaltung aufweist, die sicherstellt,
dass der zweite Energiespeicher (C2) nur aufgeladen
wird, wenn der erste Energiespeicher (C1) in einem vor-
bestimmten Maße geladen ist.“
Die Einsprechende führt aus, der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1
sei nicht neu, beruhe zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
II.
Der zulässige Einspruch führt zum Widerruf des Patents, weil der Gegenstand des
Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist dem Fachmann durch die offenkundig vor-
benutzten Türsprechanlagen gemäß den Unterlagen E1 oder E4, auch Hauskom-
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munikationsanlagen, vgl. den Untertitel zu E1, i. V. m. dem durch die Schaltungs-
unterlagen E7 bis E9 belegten Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt.
Fachmann ist hier ein Elektroingenieur, der Hauskommunikationsanlagen entwi-
ckelt und vertraut ist mit deren Einsatz vor Ort, insbesondere auch mit den Verfah-
ren zum sicheren Betreiben solcher Türanlagen.
Die gemäß den Unterlagen E1 und E4 bekannt gewordenen Hauskommunikati-
onsanlagen verwenden zur Verbindung der einzelnen Komponenten jeweils eine
Bus-Technologie, vgl. E1, S. 2, Abschnitt „i2-Bustechnologie“ und S. 3 Schaltbild,
und E4, S. 11, 14, 22, 25, jeweils 2-Draht-Bussystem. Die aus E1 als bekannt ent-
nehmbaren Wohnungsstationen (BUS-Haustelefon BHT-100) geben durch Betäti-
gung einer entsprechenden Taste Steuersignale an den Bus der Anlage ab, um
z. B. ein in einem Elektroverteiler angeordnetes Lichtsteuergerät (BUS-Treppen-
lichtautomat BLA-100) anzusteuern, bei letzterem handelt es sich um einen „Intel-
ligenten Treppenhauslicht-Automat mit Busschnittstelle“ (vgl. E1, S. 3, Geräteauf-
listung und Schaltbilder, S 4, Abschnitte „Haustelefon BHT-100“ und „Lichtautomat
BLA-100“). Der Fachmann versteht demnach das bekannte Haustelefon und das
Lichtsteuergerät als Hauptsteuereinrichtung resp. als eine Untersteuereinrichtung
i. S. d. Streitpatents (vgl. Streitpatentschrift, Seite 3, Abschnitte [0024] und [0025] -
BGH, GRUR 2007, 859-862 - Informationsübermittlungsverfahren I; Merkmale 1)
und 2) des Patentanspruchs 1). Des Weiteren erfolgt, wie bei Bus-Systemen all-
gemein üblich, auch bei den bekannten Hauskommunikationsanlagen die Ener-
gieversorgung der an den Bus angeschlossenen Untersteuereinrichtungen über
den Bus, vgl. E1, S. 3 und 4, Strangversorgung BSV-100 + TR-810 - Teil Merk-
mal 3). Entsprechendes gilt auch für die aus E4 als bekannt entnehmbare Haus-
kommunikationsanlage, vgl. insbesondere S. 14, Abschnitt „2-Draht Gerätebe-
schreibung“, bspw. unter 1., 2., 3. und 5., i. V. m. den Anschlussplänen auf den
S. 22 und 25.
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Nachdem nicht zuletzt Betreiber und Nutzer einer Hauskommunikationsanlage ei-
nen möglichst störungsfreien Betrieb vor allem ohne Totalausfall der Anlage for-
dern, sieht sich der Fachmann veranlasst, schaltungstechnische Maßnahmen,
insbesondere zur Sicherung der Energieversorgung, zu ergreifen, vgl. E1, S. 2,
Abschnitt „i2-Bustechnologie“, vorletzter Spiegelpunkt, und auch E4, S. 14, Ab-
schnitt „2-Draht Gerätebeschreibung“, bspw. unter 3.. Solche zur Sicherung der
Energieversorgung bei Bus-Systemen übliche Schaltungsmaßnahmen sind dem
Fachmann aus seinem Fachwissen heraus geläufig, belegt bspw. durch die Un-
terlagen E7 i. V. m. E8. Die in den genannten Unterlagen beschriebenen Schal-
taktoren (Untersteuereinrichtungen) sehen jeweils einen ersten Energiespeicher
vor zum Puffern von Energie für die Auswertung, vgl. E8, Schaltbilder „instabus
Schaltaktor 4fach 16A REG“, „instabus Schaltaktor 6fach REG“ und „EIB TP-
Schaltaktor Kompakt- 8 fach (4x6A/16A) REG“, jeweils Energiespeicher (Konden-
sator) C4 - Rest Merkmal 3). Des Weiteren weisen die bekannten Untersteuerein-
richtungen einen zweiten Energiespeicher auf zum Puffern von Energie für die An-
steuerung der steuerbaren Einrichtung, vgl. wiederum die vorgenannten Schaltbil-
der nach E8, jeweils Energiespeicher (Kondensator) C10, insbesondere das
Schaltbild „EIB TP-Schaltaktor Kompakt- 8 fach (4x6A/16A) REG“, dort ist der ge-
nannte Energiespeicher explizit der „Energieversorgung Relais“, mithin der An-
steuerung der steuerbaren Einrichtung, zugeordnet - Merkmal 4). Die aus E7
i. V. m. E8 als bekannt entnehmbaren Untersteuereinrichtungen weisen außerdem
auch jeweils eine Prioritätsschaltung auf, die sicherstellt, dass der zweite Energie-
speicher nur aufgeladen wird, wenn der erste Energiespeicher in einem vorbe-
stimmten Maße geladen ist. Eine solche Prioritätsschaltung erschließt sich dem
Fachmann ohne weiteres aus den dargestellten schaltungstechnischen Gegeben-
heiten, insbesondere unter Berücksichtigung der jeweiligen Zuordnung des ersten
und zweiten Energiespeichers zu den zu speichernden Energien (Spannungen) für
die Auswertung der Steuersignale auf dem Bus (E8: VCC) und für die Ansteue-
rung der steuerbaren Einrichtung (E8: VAST) - Merkmal 5). Nur ergänzend sei zu
diesem Sachverhalt auf die Daten des in den Schaltungen nach E8 zur Anwen-
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dung gelangenden integrierten Schaltkreises IC1 FZE 1065E gemäß Datenblatt
E9 verwiesen, vgl. insbesondere S. 3, Abschnitt „BUS SEPARATION“.
Damit ist der Fachmann ohne erfinderische Überlegungen zum Gegenstand des
geltenden Patentanspruchs 1 gelangt.
Dr. Hartung
Martens
Dipl.-Ing. Gottstein
Dipl.-Ing. Kleinschmidt
Pr