Urteil des BPatG vom 06.11.2002

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, bestandteil, beschwerde, gesamteindruck, gold, verkehr, beurteilung, kennzeichnungskraft, gefahr)

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 164/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 397 24 653
hat der 28. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 6. November 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Stoppel sowie der Richterin Schwarz-Angele und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e
I
Eingetragen für eine Vielzahl von Waren der Klassen 1, 3 und 4 vor allem aus
dem Bereich der technischen Fette und Öle sowie Reinigungsmittel ist seit dem
397 24 653
CHARAT
Widerspruch eingelegt hat die Inhaberin der für
"Technische Öle und Fette; Schmiermittel, Staubabsorbie-
rungs- und Staubbindemittel; feste, flüssige und gasförmige
Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe); Leuchtstoffe;
Kerzen, Dochte"
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1 084 232
TITAN CARAT
die seit dem 12. November 1985 eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch allein wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die zunächst auf
die von der Markeninhaberin bereits im Verfahren vor der Markenstelle erhobene
Nichtbenutzungseinrede Benutzungsunterlagen einreicht und im übrigen rügt,
dass die Markenstelle bei der Frage der Markenähnlichkeit nicht berücksichtigt
habe, dass die Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "CARAT" geprägt
werde, weil es sich bei dem verbleibenden Wort "TITAN" um den Stammbestand-
teil einer Markenserie der Widersprechenden handele, den der Verkehr aus zahl-
reichen Kombinationsmarken der Widersprechenden auf dem betroffenen Waren-
gebiet kenne und bei der Produktbezeichnung weglasse. Ohnehin sei "TITAN"
kennzeichnungsschwach, da er mittelbar als Inbegriff für einen "kraftstrotzenden"
Werkstoff einen Hinweis auf die hohe Haltbarkeit und Wirksamkeit von Motoren-
ölen" gebe.
Die Widersprechende beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Lö-
schung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie erhält ihre Nichtbenutzungseinrede aufrecht und schließt sich den Ausführun-
gen der angefochtenen Beschlüsse an, wobei sie ergänzend auf die höchstrichter-
liche Rechtsprechung zur Frage der Verwechslungsgefahr bei Kombinationszei-
chen verweist, Danach sei eher "TITAN" in der Widerspruchsmarke kollisionsbe-
gründend, weil "CARAT" lediglich einen qualitätsbetonenden Zusatz auf "beson-
ders hochkarätige und wertvolle" Ware darstelle. Auch eine mittelbare Verwechs-
lungsgefahr scheide aus, da die Widerspruchsmarke als Einheit wirke und
"CARAT" allenfalls als Qualitätsangabe verstanden werde.
II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Die Mar-
kenstelle hat zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Ver-
gleichsmarken verneint, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Was die Benutzungslage der Widerspruchsmarke angeht, so hält der Senat die
gegen die zur Glaubhaftmachung eingereichten Unterlagen erhobenen Einwände
nach einer summarischen Prüfung eher nicht für durchgreifend. Doch kann diese
Frage letztlich dahinstehen, weil dem Widerspruch mangels einer relevanten Ver-
wechslungsgefahr zwischen den Streitzeichen der Erfolg ohnehin zu versagen ist.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles, wobei die Wechselbeziehung zwischen den in
Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke beachtet werden muss.
Was die Ähnlichkeit der Waren betrifft, stehen sich nach der hier maßgeblichen
Registerlage teilweise identische bzw. hochgradig ähnliche Waren gegenüber, so
dass grundsätzlich bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ein strenger Maß-
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stab anzulegen ist, zumal sich sämtliche Waren an Endverbraucher richten. Der
danach erforderliche deutliche registerrechtliche Abstand zur älteren Wider-
spruchsmarke wird von der jüngeren Marke jedoch eingehalten.
Zunächst sind die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedli-
chen Länge nicht miteinander zu verwechseln, und genau so wenig kann eine Ver-
wechslungsgefahr allein schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die sich
gegenüberstehende Marken identische Bestandteile aufweisen, so dass die
Gefahr von Verwechslungen, wie auch die Beteiligten richtig erkannt haben, nur
dann in Betracht kommt, wenn der jüngeren Marke der Bestandteil "Carat" der
Widerspruchsmarke isoliert kollisionsbegründend gegenübergestellt wird.
Grundsätzlich wird einer Marke durch ihre Eintragung Schutz nur in der eingetra-
genen Form gewährt, da im Eintragungsverfahren nur die Schutzfähigkeit der
angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft wird. Daraus folgt jedoch nicht,
dass bei der Prüfung der Gefahr von Verwechslungen zwischen einer jüngeren
Marke und einer älteren Widerspruchsmarke ausnahmslos von der jeweiligen
Marke in ihrer Gesamtheit auszugehen ist. Maßgebend ist vielmehr jeweils der
Gesamteindruck der betreffenden Marke, der in Ausnahmefällen auch durch einen
von mehreren Bestandteilen bestimmt werden kann. Kollisionsbegründend ist ein
solcher Bestandteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn
er den Gesamteindruck der Marke dergestalt prägt, dass neben ihm ein weiterer
oder mehrere andere Bestandteile in den Hintergrund treten.
Setzt sich eine Marke - wie hier zumindest nach der Behauptung der Widerspre-
chenden die Widerspruchsmarke - aus einem Serienstamm und einem weiteren
Bestandteil zusammen, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Stammbestandteil
etwa deshalb in den Hintergrund tritt, weil die angesprochenen Verkehrskreise
sich vorrangig anhand einer in der Marke neben dem Stamm enthaltenen anderen
Bezeichnung orientieren. Als maßgebliche Kriterien für die Beurteilung dieser
Frage kommt es neben der Bekanntheit oder zumindest Erkennbarkeit des
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Stammbestandteils auch auf die Kennzeichnungskraft des neben diesem in der
Widerspruchsmarke enthaltenen Bestandteils sowie die Bezeichnungsgewohnhei-
ten auf dem maßgeblichen Warensektor an (BGH GRUR 2002, 342 "Astra/Estra-
Puren" mwNachw.).
Dass vorliegend die Widersprechende für ihren Stammbestandteil einen "hohen
Bekanntheitsgrad" in Anspruch nimmt, wird auch von der Markeninhaberin nicht in
Abrede gestellt; soweit die Widersprechende aus diesem Umstand allerdings
schließt, dass schon deshalb der weitere Bestandteil "Carat" den Gesamteindruck
der Widerspruchsmarke präge, kann dem nicht gefolgt werden. Das wäre nur
dann der Fall, wenn sich die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise auf
dem hier relevanten Warengebiet bei aus mehreren Bestandteilen zusammenge-
setzten Marken tatsächlich ausschließlich an dem weiteren Bestandteil orientieren
oder diesem gegenüber anderen Warenkennzeichnungen eine vergleichsweise
stärkere Bedeutung zumessen würden. Hierfür liegen aber keinerlei Anhaltspunkte
vor. Vielmehr ist unübersehbar, dass bei Mineralölprodukten die Vermarktungs-
strategien verstärkt auf die Herausstellung der Herstellerangabe setzen ("Shell",
"Aral" usw), um so den Verbraucher an Produkte eines bestimmten Unternehmens
zu binden. Diese Praxis ist indes nicht durchgängig, sondern ersichtlich auch
abhängig von der Kennzeichnungskraft der jeweils gewählten Produktbezeich-
nung; je griffiger und einschlägiger die Produktmarke ist, um so mehr tritt der
Stammbestandteil als überflüssig in den Hintergrund. Nur dann kann die kenn-
zeichnungskräftige Produktbezeichnung Vorrangstellung erhalten und wird vom
Verkehr als die eigentliche Warenkennzeichnung angesehen mit der Folge, dass
in markenregisterrechtlicher Sicht dieser Bestandteil damit den Gesamteindruck
der Marke prägt. So liegen die Dinge aber im vorliegenden Fall gerade nicht, da es
sich bei dem in beiden Marken klanglich identischen Wort "Carat" um einen im
Kontext der beanspruchten Waren Begriff mit stark beschreibenden Anklang han-
delt, der sich als weit bekannte Maßeinheit zur Wertbestimmung von Gold oder
Edelsteinen auch als allgemeiner Hinweis auf die besondere Hochwertigkeit der
hier betroffenen Waren eignet und vom Verkehr auch entsprechend aufgefasst
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wird. Dementsprechend wird dieses Wort im Automobilsektor allgemein und sogar
speziell im Bereich der Motorenöle und Schmierstoffe eingesetzt. Ausweislich der
tatsächlichen Feststellungen des Senats, die in der mündlichen Verhandlung vor-
gelegen haben, gibt es die Automodelle "Caravelle Carat" und "Polo Carat" von
VW oder das Reifenmodell "Fulda Carat". Bei Motorenöl stößt man u.a. auf die
Produkte "Labo Carat SAE 0W-30" und "Black Gold Carat Semisynthetic 10W40",
"Black Gold Carat-S" und "Black Gold Bio Carat". Bei Schmiermitteln wird
"MOLYDUVAL Carat Spray" angeboten.
Dass die Widersprechende den Begriff "Carat" selbst in diesem eher beschreiben-
den Sinn versteht, zeigt ein Blick auf die von ihr reklamierte Zeichenserie mit
"TITAN", die durchweg mit beschreibenden Zusätzen wie "TURBO", "Longdrive",
"Supergear" oder (bei nicht eingetragenen Kennzeichnungen) "UNIVERSAL",
"MIX", "Truck" gebildet ist.
Im Ergebnis führt die Schwäche des Bestandteils "Carat" dazu, dass er den
Gesamteindruck der Widerspruchsmarke wenn überhaupt, so allenfalls mitprägen
kann mit der Folge, dass bei der Beurteilung der eine Verwechslungsgefahr
begründende Markenähnlichkeit eine Verkürzung auf diesen Bestandteil nicht
zulässig ist, sondern nach wie vor von der Widerspruchsmarke als Ganzes auszu-
gehen ist
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheidet damit ersichtlich aus. Für eine
assoziative Verwechslungsgefahr bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte, zumal
eine solche auch nicht geltend gemacht worden ist.
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Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Widersprechenden
keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, MarkenG § 71.
Stoppel Schwarz-Angele
Paetzold
Fa