Urteil des BPatG vom 23.12.2004

BPatG: begriff, verkehr, unterscheidungskraft, bonus, eugh, unternehmen, patent, funk, rom, finanzwesen

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 38/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 304 22 614
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. Juni 2005 durch den Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, den Richter
Schwarz und die Richterin Prietzel-Funk
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 23. Dezember 2004 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
dem angefochtenen Beschluss die als Wortmarke für
„Parfümerien, Ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheits-
pflege, Haarwässer, Seifen; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillen-
etuis; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte
oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelier-
waren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;
Schreibwaren, insbesondere Kugelschreiber, Füller, Druck- und
Drehbleistifte; Waren aus Leder und Lederimitationen (soweit in
Klasse 24 enthalten), insbesondere Taschen und andere, nicht an
die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie
Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüssel-
taschen; Gürtel; Reise- und Handkoffer; Webstoffe und Textilwaren,
soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungs-
stücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“
angemeldete Bezeichnung
-MORE-
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nach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zu-
rückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Das englischsprachige Wort
„-MORE-” werde als Begriff des englischen Grundwortschatzes in seiner Bedeu-
tung „mehr“ von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres verstanden. Wie
eine Internetrecherche zeige, handele es sich bei dem Begriff „more“ um einen
sehr beliebten, aktuell und häufig auf nahezu allen Gebieten eingesetzten werbe-
üblichen Sachhinweis auf zusätzliche oder besondere Eigenschaften der angebo-
tenen Waren. Das Markenwort reihe sich damit nahtlos in die Reihe entsprechen-
der Werbeschlagworte wie z.B. „top“, „ultra“ und „extra“ ein, wobei „more“ nicht nur
in Wortverbindungen, sondern auch als eigenständiges Adverb und damit in Al-
leinstellung und ohne konkreten Warenbezug verwendet werde. Es handele sich
damit bei der Anmeldemarke um eine ohne weiteres verständliche und werbeübli-
che Sachaussage. Die mit ihr gekennzeichneten Waren würden daher nur dahin-
gehend beschrieben, dass sie über „mehr“ gegenüber den Produkten anderer An-
bieter verfügten. Hieran ändere auch die vorliegend gewählte Schreibweise nichts;
insbesondere werde der Verkehr die als solche nicht besonderes auffälligen
Bindestriche nicht als phantasievolles und charakteristisches Merkmal auffassen,
das eine Eignung zum betrieblichen Herkunftshinweis begründe. Auch der Hinweis
der Anmelderin auf die eingetragene Marke „: More !“ ändere hieran nichts, da
sich hieraus kein Eintragungsanspruch ergebe.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, die
Anmeldemarke sei kein Werbeschlagwort; die gegenteilige Behauptung der Mar-
kenstelle könne allenfalls für Verbindungen des Begriffs „more“ mit anderen Be-
standteilen zutreffen. Bei den von der Markenstelle zum Vergleich genannten an-
deren Schlagworten wie „top“, „ultra“ oder „extra“ handele es sich um häufig ein-
getragene Marken. Es sei zudem in keiner Weise ergründbar, in welche Richtung
eine werbliche Aussage zielen sollte. Dem Verbraucher erschlösse sich schon aus
der Marke nicht, für welche Waren oder Dienstleistungen sie geschützt sei. Damit
bleibe auch unklar, welche Eigenschaft hiermit angepriesen werden solle. Die In-
terpretation der Markenstelle sei lebensfremd, weil „more“ im Sinne von „mehr“
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weder die Qualität eines Produkts noch seine Wirkung beschreiben könne; dar-
über hinaus sei allein aus dem Markenwort „-MORE-” nicht ersichtlich, dass hier
tatsächlich ein „mehr“ in der Qualität der Ware erwartet werden könne; dies werde
der Verkehr vielmehr nur in Zusammenhang mit anderen Bestandteilen anneh-
men. Schließlich spreche die Eintragung des Zeichens „MORE!“ für eine Schutz-
fähigkeit, auch wenn sich hieraus kein Eintragungsanspruch ergebe.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat vermag die Auffassung der
Markenstelle, die Anmeldemarke sei mangels Unterscheidungskraft i.S.d. § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht schutzfähig, im Ergebnis nicht zu teilen.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003,
187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Phi-
lips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 –
St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom
durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-
verbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 –
SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistun-
gen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu
werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl.
BGH, GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH;; BGH GRUR 2001, 413, 415 -
SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn
die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der be-
anspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen
sehen. Dies ist nicht nur bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001,
1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR
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2001, 162, 163 m.w.N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), sondern
auch bei werbemäßigen Aussagen der Fall, die sich in beschreibenden Angaben
oder Anpreisungen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263
– Unter uns; WRP 2000, 298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Part-
ner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 – LOCAL PRESENCE, GLOBAL
POWER; GRUR 2001, 735, 736 – „Test it.“; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder
Vernunft).
Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung
nicht versagt bleiben. Einen die beanspruchten Waren beschreibenden Inhalt des
Wortes „more“ in der Bedeutung „mehr“ vermag der Senat zu erkennen. Anders
als die häufig anzutreffenden Kombinationen eines Begriffs mit den Zusätzen „and
more“, „& more“, „und mehr“ oder „+ mehr“, die – vor allem wegen der in ihnen
enthaltenen Konjunktionen - ohne weiteres darauf hinweisen, dass über den mit
dem vorangestellten Begriff bezeichneten Gegenstand hinaus noch mehr geboten
wird (vgl. etwa BPatG 29 W (pat) 132/99 – Fon + more u.a. für Telekommunika-
tion; 27 W (pat) 221/00 – SOCKS & MORE für Strumpfwaren; 25 W (pat) 24/01 –
HAIR ´N´ MORE u.a. für Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; 33 W (pat) 16/02
– BANKING & MORE u.a. für Versicherungs- und Finanzwesen; sämtlich veröf-
fentlicht auf der PAVIS CD-ROM), bleibt bei einer Verwendung des Adverbs
„More“ in Alleinstellung unklar, was hiermit zum Ausdruck gebracht werden soll.
Soweit die Markenstelle im angefochtenen Beschluss vermutet hat, der englisch-
sprachige Begriff werde auch in Alleinstellung beschreibend oder anpreisend ver-
wendet, vermochte der Senat Nachweise hierfür nicht zu finden; Verwendungsbei-
spiele für eine solche Verwendung des Begriffs werden zudem weder im ange-
fochtenen Beschluss genannt noch finden sie sich anderweitig in der Verwal-
tungsakte. Soweit die Markenstelle im angefochtenen Beschluss Werbesprüche
als Beispiele anführt, wird der Begriff „more“ in ihnen durchgängig nur in Verbin-
dung mit anderen Begriffen verwendet; hierbei handelt es sich aber um keine
Werbeaussagen, welche das Wort „more“ in Alleinstellung enthielten.
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Vielmehr deuten sowohl die über Suchmaschinen auffindbaren Internet-Webseiten
als auch die Sammlung von Werbesprüchen auf der Internetseite
http://www.slogans.de darauf hin, dass der Begriff „more“ in Werbesprüchen übli-
cherweise nicht in Alleinstellung, sondern nur in Verbindung mit anderen Begriffen
verwendet wird. Kann aber nicht einmal eine beschreibende oder werbeanprei-
sende Verwendung des Begriffs „more“ in Alleinstellung festgestellt werden, fehlt
es an Anhaltspunkten dafür, dass der Verkehr die Anmeldemarke nur als produkt-
beschreibende Angabe oder als Werbeaussage allgemeiner Art verstehen wird.
Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die hier zu beurteilende Anmel-
demarke den Begriff nicht allein, sondern in einer durch Bindestrich eingerahmten
besonderen Schreibweise enthält, die infolge ihrer Ungewöhnlichkeit zusätzlich
der Annahme entgegensteht, der Verkehr werde die angemeldete Gesamtbe-
zeichnung nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Ähnlich wie den für
schutzfähig erachteten Bezeichnungen „ABSOLUT“ (BGH GRUR 1999, 1096),
„YES“ (BGH GRUR 1999, 1089; „FOR YOU“ (BGH GRUR 1999, 1093), „LOGO“
(BGH GRUR 2000, 722), „LOOK“ (BGH GRUR 2001, 1150), aber auch „BONUS I“
(BGH GRUR 1998, 465) und „BONUS II“ (BGH GRUR 2002, 816) wird man der
Anmeldemarke daher im Ergebnis die Schutzfähigkeit nicht absprechen können.
Dies entspricht schließlich auch der Eintragungspraxis des HABM, welches insge-
samt acht Marken - davon drei als Wortmarken - eingetragen hat, in denen der
Begriff „more“ als einziger Wortbestandteil enthalten ist.
Da aus den vorstehenden Gründen auch Anhaltspunkte für ein bestehendes Frei-
haltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erkennbar sind, war auf die
Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Dr. van Raden
Prietzel-Funk
Schwarz
Na
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