Urteil des BPatG vom 26.11.2003, 27 W (pat) 30/03
BPatG (marke, bestandteil, verkehr, gefahr, verwechslungsgefahr, unternehmen, zeichen, kennzeichnung, klasse, beschwerde)
- Entschieden
- 26.11.2003
- Schlagworte
- Marke, Bestandteil, Verkehr, Gefahr, Verwechslungsgefahr, Unternehmen, Zeichen, Kennzeichnung, Klasse, Beschwerde
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 30/03
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
BPatG 152
10.99
betreffend die Marke 300 33 797
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie die Richter
Dr. van Raden und Schwarz
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. November 2003 aufgehoben.
Die Löschung der Marke 300 33 797 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 910 781 angeordnet.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren "Bekleidungsstücke und Schuhwaren" erfolgte farbige
(blau, rot, orange, gelb grün) Eintragung der Wort-/Bildmarke
ist Widerspruch erhoben worden aus der ua für die Waren
"Oberbekleidungsstücke einschließlich gewirkter und gestrickter
Bekleidungsstücke; Schuhwaren, Kopfbedeckungen"
eingetragenen Wortmarke 2 910 781
"zero".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch wegen mangelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen. Auch unter Anlegung
strengster Maßstäbe seien die Marken nicht verwechselbar. Die jüngere Marke
werde nicht von dem Bestandteil "zero" in der Weise geprägt, dass das angesprochene Publikum sie nur als "zero" bezeichnen würde. Daher sei von dem Gesamtzeichen "ZERO TEN" auszugehen, das auch einen eigenen Sinngehalt, nämlich
"null zehn" habe, so dass zwei deutlich unterscheidbare Marken einander gegenüber stünden. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, weil der
Bestandteil "zero" in der jüngeren Marke keine eigenständige Kennzeichnungsfunktion habe und der Verkehr diesen nicht als Stammzeichen der Inhaberin der
älteren Marke ansehen werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung der angegriffenen
Marke anstrebt. Sie hält in Anbetracht der Warenidentität und der durch langjährige intensive Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "ZERO" jedenfalls die Gefahr mittelbarer Verwechslungen der Marken für gegeben. Bei "ZERO" handele es sich um den wesentlichen Bestandteil ihres bekannten Firmennamens. Außerdem sei sie Inhaberin einer Reihe von Marken, in denen
"ZERO" als ein auf ihr Unternehmen hinweisendes Stammwort enthalten sei. Unter diesen Umständen liege für den Verkehr die Annahme nahe, die angegriffene
Marke sei ein weiteres Zeichen ihres Unternehmens, das der Kennzeichnung einer bestimmten Kollektion oder speziell auf eine Altergruppe zugeschnittener Bekleidung diene.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn zwischen den Vergleichsmarken
besteht die Gefahr von Verwechslungen (§ 42 Abs 2 Nr 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Die Markenstelle hat zwar zutreffend ausgeführt, dass auch bei Anlegung eines
strengen Maßstabs an den erforderlichen Abstand der Marken, der wegen der verwechslungsfördernden Identität der sich gegenüberstehenden Waren und der zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geboten ist, keine
Gefahr unmittelbarer Verwechslungen besteht, weil die angegriffene Marke aufgrund ihres zusätzlichen – auch als Ziffer wiedergegebenen – Bestandteils "TEN"
insgesamt deutlich von der Widerspruchsmarke abweicht und der Verkehr keinen
Anlass hat, das Wort "TEN" bei der Wiedergabe der Marke als unbeachtlich außer
Betracht zu lassen.
Nicht auszuschließen ist dagegen, dass die Vergleichsmarken unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (3 9 Abs 1 Nr 2, 2. Halbsatz MarkenG). Der Tatbestand des gedanklichen Inverbindungbringens stellt eine besondere Fallgruppe der Verwechslungsgefahr dar (vgl EuGH GRUR Int 2000, 899, 901 Tz 34 – Marca/Adidas;
GRUR 1998, 387, 389 – PUMA/Sabèl), die dann in Betracht kommt, wenn zwei
Marken, deren Unterschiede dem Publikum bewusst sind und die daher nicht unmittelbar verwechselt werden, dennoch Gemeinsamkeiten aufweisen, die beim
Verkehr die Vorstellung hervorrufen können, dass es sich bei der jüngeren Marke
um ein weiteres Zeichen des Inhabers der älteren Marke handelt. Voraussetzung
für eine solche Annahme ist, dass beide Marken einen identischen Bestandteil
aufweisen, der als ein auf die Herkunft der Marken aus derselben betrieblichen Ur-
sprungsstätte hinweisender Wortstamm hervortritt, während die weiteren Markenteile lediglich den Eindruck einer Kennzeichnung für das betreffende Einzelprodukt
erwecken. Die Zuordnung zweier Marken zu derselben betrieblichen Herkunftsstätte liegt insbesondere dann nahe, wenn der Inhaber der älteren Marke bereits
mehrere Marken mit demselben Stammbestandteil benutzt oder wenn es sich bei
dem übereinstimmenden Bestandteil um seine Firmenkennzeichnung handelt
(BGH GRUR 1999, 587, 589 – Cefallone; GRUR 2002, 542, 544 – BIG); ferner
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 476 mwNachw).
Soweit sich die Widersprechende im vorliegenden Fall auf eine Zeichenserie mit
dem Bestandteil "ZERO" stützt (394 09 446 ZERO BASE, 398 59 095 ZERO
CONTO, GM 01066299 ZERO – THE EUROPEAN STYLE), reicht allein die Tatsache der Registrierung dieser Marken ohne Darlegung ihrer Benutzung allerdings
nicht aus, um beim Verkehr die Vorstellung hervorzurufen, die angegriffene Marke "ZERO TEN" sei ein weiteres Zeichen dieser Serie. Die Gefahr einer Zuordnung der angegriffenen Marke zu dem Unternehmen der Widersprechenden besteht aber deshalb, weil es sich bei "ZERO" nicht nur um ihre Modemarke, sondern zugleich um ihre Firmenkennzeichnung handelt, mit der sie im Bekleidungsbereich in beachtlichem Umfang marktpräsent ist. Wie die Widersprechende unbestritten vorgetragen hat und sich auch aus der vorgelegten Standortkarte ergibt,
betreibt sie allein im Inland über 120 Bekleidungsgeschäfte in den Haupteinkaufsstraßen von über 70 Städten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen,
dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucherkreise, vor allem der
jüngeren modebewussten Abnehmer, "ZERO" als Marke und Firmenkennzeichnung kennt. Bei diesen Verkehrskreisen besteht daher die Gefahr, dass sie die angegriffene Marke aufgrund ihres Bestandteils "ZERO" als Kennzeichnung der Widersprechenden auffassen, der die Angabe "TEN" als Hinweis auf eine bestimmte
Kollektion oder Kollektionsnummer innerhalb ihres Gesamtangebots beigefügt ist.
Der Auffassung der Markenstelle, die beiden englischen Zahlwörter "ZERO TEN"
bildeten einen Gesamtbegriff, in dem der Bestandteil "ZERO" nicht mit eigenständig kennzeichnender Wirkung hervortrete, kann nicht gefolgt werden. Dagegen
spricht bereits, dass es im allgemeinen nicht üblich ist, beliebige Zahlen, die in
ihrer Kombination keinen ohne weiteres verständlichen Sinngehalt vermitteln – wie
hier 0 und 10 -, in Form von Zahlwörtern aneinander zu reihen. Vor allem aber
wirkt die spezielle Gestaltung der angegriffenen Marke, in der das Zahlwort "TEN",
nicht aber auch der Bestandteil "ZERO" zusätzlich als Ziffer wiedergegeben ist,
dem Eindruck entgegen, die angegriffene Marke sei aus einer Folge zweier gleichwertig nebeneinander stehender Zahlwörter gebildet. Durch die gleichzeitige Herausstellung als Ziffer kann das Zahlwort "TEN", wie die Widersprechende zutreffend geltend macht, vom Verkehr als ein dem Stammwort und Firmenkennzeichen "ZERO" hinzugefügter Hinweis aufgefasst werden, mit dem sie eine einzelne
Produktlinie ihres Unternehmens kennzeichnet und von anderen Produkten ihres
Hauses unterscheidbar macht.
Soweit die Markenstelle auf den im Verfahren 27 W (pat) 168/99 ergangenen Beschluss des 27. Senats vom 5. Dezember 2000 verwiesen hat, in dem die Verwechslungsgefahr der Marken "BELOW ZERO" und "ZERO" verneint worden ist,
läßt sich dieser Fall mit dem vorliegenden Sachverhalt insofern nicht vergleichen,
als "BELOW ZERO" einen einheitlichen Begriff mit der bekannten Bedeutung von
"unter Null (Grad)" bildet, in dessen Rahmen dem Bestandteil "ZERO" keine selbständige Hinweiswirkung auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zukommt. Entsprechendes gilt auch für die geringe Zahl der weiteren in Klasse 25
eingetragenen Marken, in denen der Bestandteil "ZERO" jeweils mit weiteren
Wortelementen erkennbar zu einer begrifflichen Einheit verbunden ist (POINT ZE-
RO, ZERO POINT, ZERO GRAVITY, SUB ZERO, Wort-Bildmarke ZERO EIGHT
FIFTEEN). Im Rahmen solcher Gesamtkombinationen kommt dem Wort "ZERO"
ausschließlich und eindeutig die Bedeutung eines Zahlworts zu, das vom Verkehr
– anders als im Fall der angegriffenen Marke – nicht mit dem Unternehmen der
Widersprechenden in Verbindung gebracht werden kann.
Zu einer Auferlegung der Kosten des Verfahrens bestand kein Anlass (§ 71 Abs 1
MarkenG). Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren trägt jeder Beteiligte unabhängig von Obsiegen oder Unterliegen seine Kosten grundsätzlich selbst. Es
bedarf besonderer Umstände, die eine Kostenauferlegung aus Gründen der Billigkeit geboten erscheinen lassen. Solche Umstände sind weder ersichtlich noch von
der Widersprechenden aufgezeigt worden.
Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden
Pü