Urteil des BPatG vom 27.06.2005

BPatG: begriff, world wide web, elektronische datenverarbeitung, beschreibende angabe, internet, unterscheidungskraft, eugh, unternehmen, herkunft, kreis

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 155/05
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 304 11 665.3
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
14. März 2006 durch …
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 vom 27. Juni 2005 aufgehoben.
G r ü n d e
I
des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der u. a. für
„Interfaces (Schnittstellengeräte oder -programme für Computer);
Computer-Software (gespeichert); Computer-Programme (gespei-
chert); Dateiverwaltung mittels Computer; organisatorisches Pro-
jektmanagement im EDV-Bereich; Systematisierung von Daten in
Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Compu-
terdatenbanken; Aktualisieren von Computer-Software; Bereit-
stellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Computerbe-
ratungsdienste; Computersystem-Design; Datensicherung; Daten-
speicherung; Datenverwaltung auf Servern; Design von Computer-
Software; Dienstleistungen einer Datenbank; Dienstleistungen ei-
nes EDV-Programmierers; digitale Datenaufbereitung, digitale
Datenverarbeitung; EDV-Beratung; elektronische Datenverarbei-
tung für Dritte; Erstellen von Programmen für die Datenverarbei-
tung; Hard- und Softwareberatung; Implementierung von EDV-
Programmen in Netzwerken; Installieren von Computerprogram-
men, Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausge-
nommen physische Veränderung), Konzeption von Web-Seiten;
Kopieren von Computer-Programmen; Lizenzierung von Software;
Pflege und Installation von Software; technisches Projektmana-
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gement im EDV-Bereich; Vermietung von Computer-Software;
Wartung von Computersoftware“
als Bildmarke in den Farben „orange, grau“ beanspruchten Kennzeichnung
teilweise, nämlich für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen, nach § 37
Abs. 1, § 8 Abs.
Begründung zurückgewiesen, das aus dem Begriff „Web“ als bekannter Bezeich-
nung für das Internet sowie dem Fachausdruck „cycle“ für „Programmschleife“ zu-
sammengesetzte Markenwort weise lediglich beschreibend darauf hin, dass die
zurückgewiesenen Waren aus sich wiederholenden Programmteilen bestünden
und die zurückgewiesenen Dienstleistungen unter Anwendung solcher Programm-
teile erbracht würden. Dass der Begriff „cycle“ auch andere Bedeutungen haben
könne, stünde dem bestehenden Freihaltungsbedürfnis genauso wenig entgegen
wie der fehlende lexikalische Nachweis des Gesamtbegriffs „web cycle“. Auch die
grafische Ausgestaltung der Gesamtmarke könne eine Schutzfähigkeit nicht be-
gründen, da sie werbeüblich sei und vom beschreibenden Begriffsinhalt der Wort-
elemente nicht wegführe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Eintragung der Anmelde-
marke auch für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen anstrebt. Sie
hält die angemeldete Marke in der erforderlichen Gesamtbetrachtung mit der Be-
gründung für unterscheidungskräftig, dass es sich um eine ungewöhnliche Kombi-
nation der einzelnen Wortbestandteile handele und die Anmeldemarke eine spe-
ziell hergestellte grafische Darstellung enthalte, der ein unübliches und auffallen-
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des Design zugrunde liege. Auch stehe der Eintragung kein Freihaltungsbedürfnis
entgegen, weil schon die Wortbestandteile wegen der Mehrdeutigkeit der beiden
Begriffe nicht beschreibend seien und auch nicht ersichtlich sei, aus welchem
Grund die Mitbewerber ein Interesse an der Benutzung des Markenwortes hätten;
schließlich stehe auch die ungewöhnliche grafische Gestaltung der Annahme ei-
nes Freihaltungsbedürfnisses entgegen.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen stellt die angemeldete Bezeichnung entgegen der Auffassung
der Markenstelle weder eine unter das Eintragungsverbot des nach § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG fallende beschreibende Angabe dar, noch kann ihr nach § 8 Abs. 2
Nr.
1 MarkenG das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft
abgesprochen werden.
1.
Entgegen der Ansicht der Markenstelle steht der Eintragung der Anmelde-
marke kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz entgegen,
denn nach dieser Vorschrift sind nur solche Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH,
MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] – DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen
oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Wa-
ren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Wa-
renverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeut-
same Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU;
GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder
Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin
Card). Wie sich dem Wort „“ im Gesetzestext entnehmen lässt, kann
ein Freihaltungsbedürfnis bei einer bildlich gestalteten Marke nur dann angenom-
men werden, wenn auch ihre Bildelemente in irgendeiner Weise die betroffenen
Waren beschreiben. Dies scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil nichts dafür
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ersichtlich ist, dass die besondere Schreibweise der Wortelemente und die ge-
wählten Farben - ungeachtet der an dieser Stelle nicht ausschlaggebenden Frage
ihrer Werbeüblichkeit - mögliche Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben
könnte.
2.
Der Anmeldemarke kann in ihrer Gesamtheit auch nicht die nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, also
nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH
MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35]
- Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502,
503 – St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) ihre Eignung, vom durch-
schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrau-
cher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2)
als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen ei-
nes Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu wer-
den. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl.
BGH, GRUR
1995, 408 [409] –
PROTECH; BGH GRUR
2001, 413, 415 -
SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft nämlich nur dann,
wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft
der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem Unter-
nehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistun-
gen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH
GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service;
BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION)
oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263
- Unter uns; WRP 2000, 298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner
with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER;
GRUR 2001, 735, 736 – „Test it.“; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft)
der Fall ist. Einen solchen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsin-
halt wird der Verkehr aber der Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit nicht entneh-
men.
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Allerdings geht auch der Senat mit der Markenstelle davon aus, dass die Einzel-
begriffe, aus welchen die angemeldete Bezeichnung zusammengesetzt ist, in Be-
zug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen nur in dem von der
Markenstelle genannten Sinne von maßgeblichen Teilen der angesprochenen
Verkehrskreise - dies ist wegen der Art der betroffenen Waren und Dienstleistun-
gen die Allgemeinheit - verstanden werden. Bei dem Begriff „Web“ handelt es sich
um den allseits bekannten üblichen Ausdruck für das „world wide web“, also das
Internet, und der weitere Begriff „cycle“ steht für „
, , ,
Zyklus“ (vgl.
= relaxed&relink=on
§Hdr=on&spellToler=on&search=cycle), wobei es sich entgegen der Ansicht
der Anmelderin bei den vorgenannten Begriffen nicht um Mehrdeutigkeiten,
sondern um Synonyma handelt, also an den jeweiligen Zusammenhang
angepasste verschiedene Ausdrücke, denen jeweils dieselbe (Grund-) Bedeutung
- nämlich „Kreis, Zyklus“ - zu Grunde liegt. Zutreffend hat die Markenstelle auch
unter Hinweis auf einschlägige Computerlexika dargelegt, dass der Begriff „cycle“
im hier relevanten spezifischen Zusammenhang mit Software und den damit in
Verbindung stehenden Dienstleistungen ein Fachausdruck für (Programm-)
Schleifen ist, also einer „Folge von Anweisungen oder Befehlen eines Programms,
die mehrmals hintereinander durchlaufen werden kann“ (vgl. Duden - Deutsches
Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003 [CD-ROM]).
Auch wenn damit die Übersetzung der Wortteile als „Web-, Netz- oder Internet-
(Programm-)Schleife“ für die angesprochenen Verkehrskreise nahe liegt, steht
nicht zu erwarten, dass sie dem Gesamtbegriff nur eine die betroffenen Waren
und Dienstleistungen beschreibende Sachaussage entnehmen werden. Zwar
weist der Begriff „Web“ darauf hin, dass die damit gekennzeichnete Software spe-
ziell für das Internet bestimmt und geeignet ist, wie dies etwa bei jedem Browser-
Programm, das heutzutage meist fest integrierter Bestandteil des Betriebspro-
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gramms ist, der Fall ist. Auch wenn damit der Marke eine deutlich sprechende
Tendenz innewohnt, führt die Verbindung mit dem weiteren Begriff von der An-
nahme eines im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts wieder
weg. Soweit nämlich der Begriff „cycle“ von den über zumindest rudimentäre
Kenntnisse der Programmierung verfügenden Teilen des Verkehrs im Sinne des
Fachausdrucks „(Programm)Schleife“ verstanden wird, werden diese die Verwen-
dung dieses Ausdrucks als eher befremdlich erachten, weil heutzutage nahezu
jedes EDV-Programm über Schleifen verfügt, deren Vorhandensein in der Regel
sogar als geradezu zwingend erforderlich anzusehen ist; für den über Grundla-
genkenntnisse der Programmierung verfügenden Verbraucher ist dieser Umstand
dabei derart selbstverständlich, dass er kaum erwartet, hierauf eigens hingewie-
sen zu werden; da es für ihn daher nahe liegt, mit der Verwendung dieses Begriffs
in der Anmeldemarke eine völlig andere Bedeutung zu verbinden, als in ihm nur
eine auf diesen selbstverständlichen Umstand hinweisende Sachangabe zu se-
hen, wird er eher dazu neigen, ihn als Hinweis auf die Herkunft der gekennzeich-
neten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen anzuse-
hen.
Selbst wenn Teile des Verkehrs den Begriff „cycle“ aber mit der vorgenannten Be-
deutung in Verbindung bringen würden, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass
sie damit auch seine Kombination mit dem weiteren Begriff „Web“ nur als waren-
beschreibend ansähen. Bei Programmschleifen handelt es sich nämlich um eine
Software-Eigenschaft, nicht aber um ein Merkmal des Internets selbst, auf wel-
ches sich der Begriff „cycle“ durch seine Verbindung mit dem vorangestellten
Begriff „Web“ allein bezieht; denn das Internet als „weltweiter Verbund von Com-
putersystemen, in dem verschiedene Dienste angeboten werden“ (vgl. Duden
- Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.) stellt weder eine (Programm-)Schleife
dar noch ist es eigens für solche bestimmt und geeignet. Durch die Verbindung
beider Einzelworte erhält die Gesamtbezeichnung mithin in den Augen des Ver-
kehrs einen über die bloße Aneinanderreihung ihrer Einzelbestandteile hinausge-
henden und damit von ihrem möglichen beschreibenden Inhalt wegführenden Be-
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deutungsgehalt, welcher der Annahme eines rein beschreibenden Inhalts auch der
Kombination ihrer Einzelbestandteile entgegensteht (vgl. EuGH GRUR 2004, 680,
681 [Rz.
39
ff.] –
BIOMILD; EuGH GRUR
2004, 674, 679 [Rz.
104]
- POSTKANTOOR).
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die angesprochenen Verkehrskreise mit
der Wortkombination nach einigem Nachdenken die Aussage verbinden, hiermit
solle auf für das Internet bestimmte Programme hingewiesen werden, welche
- was sie nach dem oben Gesagten aber als selbstverständlich und damit eher
nichtssagend ansähe - Programmschleifen enthalten. Eine solche Bedeutung er-
schlösse sich dem Verkehr aber erst nach Durchführung einer Reihe von analysie-
renden Gedankenschritten, zu denen er im Allgemeinen nicht neigt (st. Rspr., vgl.
BGH GRUR 1992, 515, 516 – Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH).
Vielmehr kann daher der Wortkombination allenfalls die Eigenschaft eines spre-
chenden Zeichens zukommen, dem aber das erforderliche Mindestmaß an Unter-
scheidungskraft nicht abzusprechen ist.
Dies wird schließlich auch durch die grafische Gestaltung der Gesamtmarke un-
termauert. Zwar ist der Markenstelle darin zuzustimmen, dass sowohl der ge-
wählte Schrifttyp als auch die unterschiedliche farbige Markierung der beiden Ein-
zelworte als auch die besondere Schreibweise des Buchstabens „b“ je für sich
genommen dem entspricht, was insbesondere in der Werbung allgemein anzu-
treffen ist. Dies würde der Verneinung der Schutzfähigkeit aber nur entgegenste-
hen, wenn auch die vorliegend gewählte ganz konkrete Verbindung dieser grafi-
schen Elemente und hierbei insbesondere die konkret gewählte Farbgebung als
allgemein werbeüblich anzusehen wäre; hierfür sind aber Anhaltspunkte weder
seitens der Markenstelle festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. Damit
kann der Anmeldemarke unabhängig von der Frage, ob die Wortfolge für sich ge-
nommen wegen eines rein beschreibenden Bedeutungsgehalts die Schutzfähig-
keit abzusprechen wäre, jedenfalls infolge der ganz konkreten grafischen Gestal-
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tung letztlich das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abge-
sprochen werden.
Für die erforderliche Unterscheidungskraft spricht schließlich auch der Umstand,
dass nach der vom Senat durchgeführten Internet-Recherche bei Eingabe der
Wortfolge „web cycle“ bzw. „webcycle“ in der Suchmaschine GOOGLE ganz
überwiegend nur Treffer ausgewiesen werden, welche auf das von der Anmelderin
unter dieser Bezeichnung vertriebene Computerprogramm hinweisen.
Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die Eintra-
gung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG versagt hat,
war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle
aufzuheben.
gez.
Unterschriften