Urteil des BPatG vom 20.09.2005

BPatG: marke, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verpflegung, beherbergung, haus, begriff, form, eugh, bestandteil

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 221/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. September 2005
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 300 74 796
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. September 2005 unter Mitwirkung der Richterin
Dr. Hock als Vorsitzender sowie der Richter Kätker und Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für zahlrei-
che Waren und Dienstleistungen verschiedener Klassen bestimmten Marke
300 74 796
KANDINSKY
aufgrund der für die Dienstleistung
”Beherbergung und Verpflegung von Gästen”
am 28. März 1980 eingetragenen Marke 999 955
Kempinski
am 12. Juni 2003 Widerspruch erhoben worden.
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Die Markenstelle für Klasse 36 hat den Widerspruch durch Beschluss vom
25. Juni 2004 zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass trotz der teilweisen
Dienstleistungsidentität hinsichtlich ”Beherbergung und Verpflegung von Gästen”
der erforderliche Abstand noch eingehalten werde. Die Widerspruchsmarke be-
sitze eine normale Kennzeichnungskraft. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft sei
nicht liquide. Die Widerspruchsmarke werde für eine Hotelkette im Bereich der
Luxushotellerie benutzt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass sie in
diesem Segment eine hohe Bekanntheit und Kennzeichnungskraft besitze. Dies
gelte allerdings nicht für den gesamten Bereich der ”Beherbergung und Verpfle-
gung von Gästen”, denn diese Dienstleistungen richteten sich im erheblich größe-
ren Umfang auch an allgemeine Verkehrskreise. Die sich gegenüberstehenden
Marken wiesen in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht ausrei-
chende Unterschiede auf. In schriftbildlicher Hinsicht stimmten von jeweils 9 nur 5
Buchstaben vollständig überein. Von den abweichenden Buchstaben besitze das
”p” in der Mitte der Widerspruchsmarke eine Unterlänge, die angegriffene Marke in
der eingetragenen Form keine Unterlänge und bei Wiedergabe in Groß- und Klein-
schreibung am Ende der Marke eine Unterlänge. In klanglicher Hinsicht stimmten
die Marken in den beiden letzten Silben überein, wichen jedoch in der ersten Silbe
voneinander ab. Begrifflich sei die Widerspruchsmarke ohne einen erkennbaren
Sinngehalt, die angegriffene Marke sei der Name eines bekannten Malers; dies
verstärke die Merkbarkeit der jüngeren Marke und mache es dem Publikum noch
leichter die Unterschiede zur älteren Marke ”Kempinski” zu erkennen.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
trägt vor, dass der erforderliche Markenabstand im vorliegenden Fall nicht ein-
gehalten werde und die Widerspruchsmarke von Haus aus eine graduell höher
einzustufende Kennzeichnungskraft besitze. Anhaltspunkte dafür seien, dass die
Registerlage eine Alleinstellung indiziere, die Marke keine schutzunfähigen Be-
standteile aufweise und in ihrem Gesamteindruck ein gut aussprechbares dreisil-
biges Wort sei. Diese Kennzeichnungskraft sei durch langjährige Benutzung ge-
stärkt. Die Bekanntheit einer Marke der gehobenen Hotelkategorie erreiche auch
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den Abnehmerkreis der nicht gehobenen Hoteldienstleistungen, zumal dieser
Abnehmerkreis als europäischer Durchschnittsverbraucher durchschnittlich infor-
miert, aufmerksam und verständig sei. Die Werbung für Hoteldienstleistungen zB
in Printmedien sowie Hotel- und Reisekatalogen richte sich grundsätzlich an alle
Verkehrsteilnehmer.
Die sich gegenüberstehenden Marken seien schriftbildlich verwechselbar, insbe-
sondere soweit sie in Großschreibung verwendet würden. Auch klanglich sei eine
Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen. In der deutschen Umgangssprache
herrsche zunehmend die Tendenz, englische Worte mit englischer Aussprache zu
verwenden. Diese Tendenz lege es vielen inländischen Verkehrsteilnehmern
nahe, die Anmeldemarke ”KANDINSKY” mit ihrer Anfangssilbe wie das englische
Wort ”can” zu sprechen.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Dienstleistungen
”Bewirtung, Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Betrieb
einer Bar, Organisation und Durchführung von Seminaren, Sym-
posien, Konferenzen und Kongressen” aufzuheben und insoweit
die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und trägt
vor, dass sowohl die schriftbildlichen als auch die klanglichen Unterschiede der
Marken evident seien. Die beiden Silben, die sich am Wortanfang gegenüberstün-
den, seien signifikant unterschiedlich. Auch die Laute ”p” und ”D” unterschieden
sich sowohl optisch als auch klanglich gravierend. Vorliegend komme noch die
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Besonderheit hinzu, dass der Begriff ”KANDINSKY” deutlich bekannter sei als der
Begriff ”Kempinski”. Dies habe zur Folge, dass niemand ”KANDINSKY” als ”Kaen-
dinsky” aussprechen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Ak-
teninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist nicht begründet. Zwischen den sich gegenüberstehenden
Marken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der
Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken er-
fassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich infor-
mierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen
ist (stRspr EuGH GRUR Int 1999, 734,736 – Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508
- ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu be-
rücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbeson-
dere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO – Lloyd; BGH aaO
- ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 – HONKA). Dabei stehen die
verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden
Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähn-
lichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch ei-
nen höheren Grad an Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann
(stRspr BGH GRUR 2000, 603, 604 – Cetof/Etop). Nach diesen Grundsätzen ist
vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen.
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a) Da Benutzungsfragen insoweit nicht einschlägig sind, ist hinsichtlich der
Dienstähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die Widersprechende hat
ihren Widerspruch auf einzelne Dienstleistungen aus dem Waren- und Dienstleis-
tungsverzeichnis der angegriffenen Marke beschränkt. Diese liegen jedenfalls
hinsichtlich ”Verpflegung und Beherbergung von Gästen” im Identitätsbereich und
ansonsten im Ähnlichkeitsbereich.
b) Die Widersprechende hat eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke geltend gemacht, diese bestehe von Haus aus und sei durch
Benutzung weiter erhöht worden. Dieser Vortrag wurde von der Markeninhaberin
bestritten. Diese Frage kann letztlich dahingestellt bleiben, denn auch wenn zu-
gunsten der Widersprechenden eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke unterstellt wird, halten die sich gegenüberstehenden Marken den
insoweit erforderlichen erheblichen Abstand noch ein.
c) In klanglicher Hinsicht enthalten die sich gegenüberstehenden Marken den
übereinstimmenden Bestandteil ”INSKY/i” am Wortende. Sie unterscheiden sich
jedoch im grundsätzlich stärker beachteten Anfang hinsichtlich der Vokale ”a” und
”e”. Selbst wenn ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene
Marke im Wortanfang wie den englischen Ausdruck ”can” aussprechen würde,
weil auch in der deutschen Umgangssprache englische Worte immer häufiger vor-
kommen, würde dies eine Verwechslungsgefahr nicht erhöhen. In diesem Fall
würde nämlich auch das Wortende ”SKY” englisch, nämlich wie ”skei” ausgespro-
chen, was zu einem erheblichem Unterschied im Vergleich zur angegriffenen
Marke führt. Bei der angegriffenen Marke liegt eine englische Aussprache auf-
grund der gesamten Wortbildung fern. Gegen eine Aussprache der angegriffenen
Marke am Wortanfang als ”can” spricht jedoch darüber hinaus die Assoziation mit
dem gleichnamigen bekannten Maler ”Kandinsky”.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht ist der erforderliche Abstand eingehalten. Insoweit
stehen sich jeweils Wortmarken mit 9 Buchstaben gegenüber. Bei einer Verwen-
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dung in der eingetragenen Form besitzt das ”p” in der Mitte der Widerspruchs-
marke eine Unterlänge, Unterlängen in der angegriffenen Marke sind nicht vor-
handen. Sofern die angegriffene Marke in Groß- und Kleinschreibung verwendet
wird, verstärkt eine Unterlänge am Wortende die Wahrnehmbarkeit der Unter-
schiede weiter.
In begrifflicher Hinsicht ist eine Verwechslungsgefahr ebenfalls ausgeschlossen.
Wie ausgeführt, handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Phantasie-
wort, während die Wiedererkennbarkeit und Merkbarkeit der angegriffenen Marke
durch den gleichlautenden Namen des bekannten Malers ”Kandinsky” verstärkt
wird.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der
Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens
gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Dr. Hock
Kätker
Kruppa
Cl