Urteil des BPatG vom 18.03.2009

BPatG: stand der technik, patentanspruch, fig, abhängigkeit, fahrzeugbau

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 2/06
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
18. März 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 195 47 724.3-22
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 18. März 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Bertl, der Richterin Pagenberg sowie der Richter Dipl.-Ing. Groß
und Dr.-Ing. Scholz
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse E 05 B - hat die
am 20. Dezember 1995 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 15. No-
vember 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Pa-
tentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin und Be-
schwerdeführerin.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse E 05 B des Patentamts vom 15. November 2005 aufzuhe-
ben und das Patent mit folgenden Unterlagen gemäß Haupt- und Hilfsantrag zu
erteilen:
Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Patentansprüche 2 bis 9 vom Anmeldetag
Beschreibung, Seite 1 vom 7. Juli 2005
Beschreibung, Seite 2 bzw. 2a, überreicht in der mündlichen Ver-
handlung,
Beschreibung Seiten 3 bis 13 sowie Zeichnungen vom Anmelde-
tag.
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Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet unter Einfügung der Gliede-
rungsbuchstaben a) bis g):
„a)
Schloss (1), insbesondere für Kraftfahrzeugtüren,
b) mit einer mit einem Schließkeil (1.5) oder dergleichen zu-
sammenwirkenden und von einer Sperrklinke (1.3) in einer
Verriegelungsstellung arretierbaren Drehfalle (1.1),
c)
wobei die Sperrklinke von einer Stelleinrichtung betätigbar ist
und die Drehfalle zumindest in eine Öffnungsstellung bringt,
dadurch gekennzeichnet,
d) daß die Stelleinrichtung ein Elektromotor ist und
e) die Steuerung des Elektromotors (1.7) in Abhängigkeit von
Öffnungs- bzw. Schließbefehlen erfolgt und
f)
daß zwischen der Sperrklinke (1.3) und der Stelleinrichtung
Übertragungselemente angeordnet sind,
g) durch die die Bewegung des Elektromotors (1.7) umgewan-
delt und untersetzt wird, um die Sperrklinke (1.3) zu betäti-
gen.“
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des Haupt-
antrags dadurch, dass im Merkmal g) zwischen die Worte „und untersetzt“ einge-
fügt ist „durch ein Untersetzungsgetriebe“.
Als Aufgabe ist in der ursprünglichen Beschreibung (S. 2 Abs. 1) und in der ge-
mäß Hilfsantrag 1 überreichten Beschreibung (S. 2 Abs. 4) jeweils angegeben, ein
Schloss bereitzustellen, das in seinem Wirkungsgrad verbessert und im Aufbau
kompakt ist und zuverlässig arbeitet.
Die Anmelderin vertritt die Ansicht, beim Schloss gemäß der US 4 948 183 werde
die Sperrklinke nicht durch den Motor betätigt. Dort werde die Sperrklinke manuell
in die eine Richtung und durch eine Feder in die andere Richtung bewegt.
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Auch auf Vorhalt des Senats, dass die Drehfalle auf einer starr am Gehäuse mon-
tierten Welle gelagert sei und deshalb nicht über diese Welle mit dem Motor in
Verbindung stehen könne, meint sie, dass der Motor die Drehfalle betätigen
würde.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Fachmann, ausgehend von dem in der
EP 0 589 158 A1 beschriebenen Schloss keinen Anlass habe, statt des dort vor-
gesehenen Stellantriebs und Hebels einen Elektromotor und ein Untersetzungsge-
triebe vorzusehen. Wenn ihm dort die auf die Sperrklinke ausgeübte Kraft nicht
genüge, würde er lediglich die Hebelverhältnisse ändern.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hatte keinen Erfolg, weil der Gegenstand des jeweili-
gen Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag nicht patentfähig ist.
1. Fachmann
Als zuständiger Fachmann ist hier ein Fachhochschul-Diplomingenieur der Fach-
richtung Maschinenbau anzusehen, der Kenntnisse auf dem Gebiet der Konstruk-
tion von Kraftfahrzeug-Türschlössern aufzuweisen hat. Einem solchen Fachmann
sind auch Schlösser bekannt, die elektrisch betätigt werden. Insoweit hat er auch
wenigstens die elektrotechnischen Kenntnisse, die einem Maschinenbauer zuzu-
rechnen sind.
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2. Zum Verständnis des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1
Gemäß dem Merkmal f) und dem hilfsantragsgemäß ergänzten Merkmal g) wird
die Bewegung des Elektromotors (1.7) durch die Übertragungselemente (Fig. 1:
1.7 bis 1.10) umgewandelt und untersetzt, wobei die Übertragungselemente durch
das Untersetzungsgetriebe gebildet sind (S. 6 Abs. 2 der urspr. Offenbarung).
3. Hauptantrag und Hilfsantrag 1
Aus der EP 0 589 158 A1 ist bekannt ein
a) Schloss, insbesondere für Kraftfahrzeugtüren (Sp. 10 Z. 14,
15),
b) mit einer mit einem Schließkeil (3) oder dergleichen zusam-
menwirkenden und von einer Sperrklinke (5) in einer Verriege-
lungsstellung (Fig. 1) arretierbaren Drehfalle (2),
c)
wobei die Sperrklinke (5) von einer Stelleinrichtung (14, 15)
betätigbar ist und die Drehfalle (2) zumindest in eine Öff-
nungsstellung bringt (Sp. 4 Z. 9 bis 22),
f)
und zwischen der Sperrklinke (5) und der Stelleinrichtung (14,
15) Übertragungselemente (6, 16) angeordnet sind (siehe wei-
tere Ausführungen unten).
Als elektrische Stelleinrichtung (14, 15) ist hier eine Spule (14) mit beweglichem
Innenkern (15) vorgesehen (Fig. 1: 15, 15’, 15’’). Zwischen dieser Stelleinrichtung
(14, 15) und der Sperrklinke (5) ist ein auf einer Achse (6) gelagerter Hebel (16)
vorgesehen, so dass dieser Hebel und diese Achse die Übertragungselemente
bilden (Sp. 4 Z. 9 bis 18), mit denen wegen der unterschiedlich langen Hebelarme
eine Untersetzung möglich ist. Bei einer solchen Untersetzung wird gemäß den
Hebelgesetzen eine kleinere Kraft an der Stelleinrichtung (14, 15) umgesetzt in ei-
ne größere Kraft an der Sperrklinke und ein größerer Weg (15’, 15’’) an der Stell-
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einrichtung (14, 15) in einen kleineren Weg an der Sperrklinke (5). Damit wird
auch hier die Bewegung der Stelleinrichtung umgewandelt und untersetzt.
Damit ist weiterhin aus der EP 0 589 158 A1 in teilweiser Übereinstimmung mit
den Merkmalen e) und g) bekannt (Unterscheidungen kursiv),
dass die Steuerung der (14, 15) in Abhängigkeit
von Öffnungs- bzw. Schließbefehlen erfolgt (Sp. 3 Z. 51 bis Sp. 4
Z. 5) und
durch die Übertragungselemente die Bewegung der
(14, 15) umgewandelt und untersetzt wird, um die Sperrklinke
(5) zu betätigen.
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsan-
trag 1 gemäß den Merkmalen d), e) und g) von dem aus der EP 0 589 158 A1 be-
kannten Schloss dadurch,
dass die Stelleinrichtung ein ist und
dass die Übertragungselemente durch ein
gebildet sind
Ausgehend von einem Schloss, wie es die EP 0 589 158 A1 zeigt, erkennt der
Fachmann zum einen, dass die dortige Stelleinrichtung (14, 15) ständig bestromt
sein muss, um die Übertragungselemente (6, 16) bzw. die Sperrklinke (5) in einer
bestimmten Position zu halten (Sp. 4 Z. 9 bis 18) und zum andern entnimmt er der
Druckschrift, dass im Falle höheren Kräftebedarfs zum Betätigen der Sperrklinke
(5) eine Veränderung der Hebelverhältnisse, d. h. eine Verlängerung des Hebel-
arms zu einer Vergrößerung des Schlosses führen würde. Dabei sieht er auch,
dass der Hub (15’, 15’’) der Stelleinrichtung nicht unbegrenzt ist.
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Damit hat der Fachmann sowohl Anlass unter Wirkungsgradgesichtspunkten von
einer dauerhaften Bestromung wegzukommen als auch Anlass, aufgrund kon-
struktiver - im Fahrzeugbau üblicher - Bedürfnisse eine Vergrößerung des
Schlossaufbaus zu vermeiden.
Die anmeldungsgemäße Aufgabe (überreichte Beschreibung S. 2 Abs. 4), ein
Schloss bereitzustellen, das in seinem Wirkungsgrad verbessert und im Aufbau
kompakt ist und zuverlässig arbeitet, stellt sich sonach in der Praxis von selbst.
Als zuverlässig arbeitende Stelleinrichtung zur elektrischen Betätigung von
Schlössern für Kraftfahrzeugtüren ist dem Fachmann nicht nur aus seiner maschi-
nenbaulichen Praxis, sondern auch aus der US 4 948 183 (Fig. 5, 6) ein Elektro-
motor (58) mit Untersetzungsgetriebe (65 bis 73) bekannt. Ein solcher Elektromo-
tor als Stelleinrichtung muss nur im Betätigungsfall bestromt werden und ist, wie
die Figur 6 der US 4 948 183 zeigt, auch in Zusammenhang mit einem Unterset-
zungsgetriebe kleinbauend.
Durch die, für den Fachmann naheliegende, Zusammenfassung des Schlosses
nach der EP 0 589 158 A1 mit dem Elektromotor gemäß US 4 948 183 wird dann
erreicht, dass durch die Übertragungselemente die Bewegung des Elektromotors
umgewandelt und durch ein Untersetzungsgetriebe - das die Übertragungsele-
mente bildet - untersetzt wird (Merkmale d), e) und g)).
Damit ist der Fachmann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegen-
stand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gelangt.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist von dem enger gefassten Patentan-
spruch 1 nach Hilfsantrag umfasst und beruht somit - wie dieser - nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
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4.
weils rückbezogenen Ansprüche teilen sein Schicksal.
Bertl
Pagenberg
Groß
Dr. Scholz
Be