Urteil des BPatG vom 07.05.2008

BPatG (unterscheidungskraft, bezug, schokolade, marke, bezeichnung, verkehr, verwendung, eintragung, eignung, angabe)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 67/07
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 62 870.4
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ichters Viereck
und der Richterin Dr. Kober-Dehm in der Sitzung vom 7. Mai 2008
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des R
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 27. November 2006 und vom 18. April 2007 aufge-
hoben.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Privat Schokolade
ist als Wortmarke für die Waren
"Kaffee, Tee, Kakao, Zucker; Reis, Tapioca; Sago, Kaffeeersatz-
mittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und
Konditorwaren, Speiseeis"
zur Eintragung in das Register angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschlüssen vom 27. November 2006 und vom 18. April 2007, von
denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unter-
scheidungskraft zurückgewiesen. Auch wenn die angemeldete Marke nach den
Ausführungen der Anmelderin in ihrer Gesamtheit für die beanspruchten Waren
möglicherweise nicht beschreibend sein möge, fehle ihr dennoch die Eignung, auf
die betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Waren hinzuweisen.
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Die mit der Warenangabe "Schokolade" kombinierte Angabe "Privat" habe die
werbemäßige Funktion, auf eine persönliche, vertraute Atmosphäre hinzuwirken
und den Kunden persönlich anzusprechen. Aus Voreintragungen könne die An-
melderin keinen Anspruch auf Eintragung ihrer Anmeldung herleiten. Zur Veran-
schaulichung der Verwendung des Begriffs "Privat" hat die Markenstelle der An-
melderin die Ergebnisse ihrer Internetrecherche übermittelt.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht
geltend, dass die angemeldete Bezeichnung unterscheidungskräftig sei. Es handle
sich um eine ungewöhnliche, phantasievolle Wortneuschöpfung, die lexikalisch
nicht nachweisbar sei. Sie werde im Verkehr nur von der Anmelderin verwendet
und dies ausschließlich in markenmäßiger Form. Die Wortverbindung weise in
Bezug auf die beanspruchten Waren keinen eindeutig im Vordergrund stehenden,
beschreibenden Sinngehalt auf. Dies gelte jedenfalls für den Bestandteil "Privat".
Dieser Begriff stelle im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren weder eine
Qualitätsangabe dar noch fehle ihm - anders als die Markenstelle annehme - des-
halb die Unterscheidungskraft, weil er lediglich werbemäßig auf eine "persönliche,
vertraute Atmosphäre" hinweise. Ohnehin könne die Verneinung der Unterschei-
dungskraft nicht auf eine solche Interpretation gestützt werden, weil der Bestand-
teil "Privat" danach allenfalls die Art und Weise des Vertriebs der Waren be-
schreibe, nicht jedoch Eigenschaften der Waren.
Die Anmelderin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Die an-
gemeldete Marke ist hinsichtlich der beanspruchten Waren weder wegen fehlen-
der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch als beschreibende
freihaltungsbedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintra-
gung ausgeschlossen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen
anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke
besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu gewähr-
leisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229, 230 [Nr. 27 ff.] - BioID; BGH GRUR
2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Keine
Unterscheidungskraft kommt zunächst solchen Bezeichnungen zu, die einen be-
schreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren ohne
Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschrei-
benden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie
als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch;
GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unter-
scheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die
beanspruchte Ware zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger be-
schreibender Bezug zu der betreffenden Ware hergestellt wird (BGH GRUR 2006,
850, 854 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - BONUS). Die Eignung,
Produkte ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen
Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deut-
schen Sprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in
der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterschei-
dungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850, 854 -
FUSSBALL
WM 2006; GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043, 1044
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- Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Nach diesen Grundsätzen kann der ange-
meldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren die erforderliche
Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Zwar mag dem Begriff "Schokolade" in Alleinstellung in Bezug auf einen Teil der
beanspruchten Waren die Eignung zur Unterscheidung der betrieblichen Herkunft
fehlen, weil er insoweit lediglich entweder auf ein mögliches Endprodukt (Kakao)
oder auf den Inhaltsstoff bzw. die Geschmacksrichtung (Kaffee, Kaffeeersatzmit-
tel, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis) hinweist. Jedoch kann der
angemeldeten Bezeichnung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Zeichens
(vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) weder
hinsichtlich der genannten noch hinsichtlich der weiteren beanspruchten Waren,
bei denen bereits ein Bezug zu "Schokolade" nicht ersichtlich ist, ein ausschließ-
lich produktbeschreibender oder lediglich anpreisender Charakter entnommen
werden. Denn eine merkmalsbeschreibende Bedeutung des Bestandteils "Privat"
in der Verbindung mit dem Begriff "Schokolade" ist nicht feststellbar. Insbesondere
gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ausdruck "Privat" in Bezug auf "Scho-
kolade" oder im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als Qualitätsan-
gabe oder als beschreibender Hinweis auf eine persönliche, vertraute Atmosphäre
verstanden wird. Die von der Markenstelle zur Verwendung des Begriffs "Privat"
im Internet ermittelten Fundstellen betreffen ausschließlich den Versicherungsbe-
reich und den Wirtschaftsverkehr, wo der Angabe "privat" in der Tat eine be-
schreibende Bedeutung zukommen kann (Privatversicherungen im Unterschied zu
gesetzlichen Versicherungen bzw. Angebote von privat an privat im Unterschied
zu Angeboten gewerblicher Anbieter). Eine entsprechende spezifische Verwen-
dung des Ausdrucks "Privat" auf dem hier in Rede stehenden Lebensmittelsektor
- anders als auf dem Gebiet der Weine und Schaumweine (Stichwort: "Privat-Cu-
vée) - lässt sich jedoch weder aus den von der Markenstelle ermittelten Fundstel-
len noch aus sonstigen Umständen ableiten. Vielmehr bleibt die Wortkombination
in Bezug auf die beanspruchten Waren unspezifisch und verschwommen, so dass
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nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verkehr das Zeichen als betriebli-
chen Herkunftshinweis auffasst.
Die angemeldete Bezeichnung ist auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von
der Eintragung als Marke ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind solche
Marken dem Registerschutz nicht zugänglich, die ausschließlich aus Angaben be-
stehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Be-
stimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren dienen können.
Aufgrund ihres unspezifischen Aussagegehalts ist die Bezeichnung "Privat Scho-
kolade" nicht geeignet, Merkmale der beanspruchten Waren im Sinne des § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unmittelbar zu beschreiben.
Die angefochtenen Beschlüsse waren daher aufzuheben.
Hacker Viereck
Kober-Dehm
Cl