Urteil des BPatG vom 21.11.2002

BPatG (antragsteller, marke, einstweilige verfügung, strohmann, beschwerde, rechtskraft, versicherung, verfügung, verhandlung, patent)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 70/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
2. März 2004
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 2 031 692
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 2. März 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Winkler sowie der Richterinnen Pagenberg und Dr. Hock
beschlossen:
1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antrag-
steller auferlegt.
G r ü n d e
I
Der Antragsteller hat am 4. Oktober 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt
die Teillöschung der am 4. März 1993 für verschiedene Waren der Klassen 1
und 4 in das Register eingetragenen Marke
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für
„Technische Öle und Fette (keine Speiseöle und -fette und keine
ätherischen Öle); Schmiermittel“
gemäß § 50 Abs 1, Nr 3 MarkenG beantragt.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach recht-
zeitigem Widerspruch durch Beschluß vom 21. November 2002 den Löschungs-
antrag zurückgewiesen und entschieden, dass Kosten weder auferlegt noch er-
stattet werden. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Schutzfähigkeit der
Marke sich aus deren graphischer Gestaltung ergebe. Auf die Frage, ob die be-
griffliche Zusammensetzung der Marke schutzfähig sei, was in einer Entscheidung
über die entsprechende Wortmarke verneint worden sei, komme es deshalb nicht
mehr an.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Löschungsan-
tragstellers.
Er trägt vor, dass weder die Wortbestandteile noch die graphische Ausgestaltung
der Marke deren Schutzfähigkeit begründen könnten.
Er beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 21. November 2002
aufzuheben und die Marke 2 031 692 bezüglich der Waren „tech-
nische Öle und Fette (keine Speiseöle und -fette und keine ätheri-
schen Öle); Schmiermittel“ wegen Nichtigkeit gemäß § 50 Abs 1
Nr 3 MarkenG zu löschen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen und die Kos-
ten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Beide Beteiligte regen an,
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Antragsgegnerin macht - abgesehen von sachlichen Erwägungen – geltend,
dass der Antragsteller als Strohmann für die „R…
GmbH“ tätig
werde. Bereits mit Beschluss vom 25. November 1994 habe das Patentamt einen
Löschungsantrag der R…
GmbH gegen die nun erneut
angegriffene Marke zurückgewiesen. Zutreffend habe das Deutsche Patent- und
Markenamt ferner mit Beschluss vom 25. Mai 2001 einen erneuten (zweiten)
Löschungsantrag der R…
GmbH betreffend die verfahrensge-
genständliche Bildmarke wegen entgegenstehender Rechtskraft zurückgewiesen.
Für die Strohmanneigenschaft des Antragstellers in diesem Verfahren spreche ein
Schriftsatz der Anwälte der R…
GmbH vom 22.
April
2003 in der im
Rahmen von Vergleichsverhandlungen von Herrn
C… bzw der R…
GmbH angeboten worden sei, dass der Antragsteller dieses Verfahrens
auf seinen Löschungsantrag - ohne Gegenleistung - verzichte. Es sei daher davon
auszugehen, dass der Antragsteller dieses Verfahrens lediglich vorgeschoben
werde, um die Rechtskraftwirkungen der früheren Entscheidungen zu unterlaufen.
Nur deshalb stehe es im Ermessen des Herrn
C… bzw der R…
GmbH auch über den Löschungsantrag des Antragstellers zu verfügen, ohne dass
dieser überhaupt den Verhandlungen beitrete.
Zur Frage der „Strohmanneigenschaft“ erwidert der Antragsteller, dass es sich bei
einem Markenlöschungsverfahren um ein sog. Popularverfahren handle, das ge-
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mäß § 54 Abs 1 Satz 2 MarkenG von jeder Person angestrengt werden könne. Auf
die Strohmanneigenschaft komme es daher nicht an. Im übrigen habe die
Antragsgegnerin, die die Beweislast für die von ihr aufgestellten Behauptungen
trage, die Strohmanneigenschaft des Antragstellers nicht bezeugen können.
Darüber hinaus handle es sich bei dem Antragsteller dieses Verfahrens nicht um
einen „Strohmann“. Dies ergebe sich aus der in der mündlichen Verhandlung vom
2. März 2004 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung, in der seine Beziehungen
zur R… GmbH detailliert dargelegt seien.
Das Gericht hat die Parteien durch Zwischenbescheid vom 18. November 2003
darauf hingewiesen, dass die behauptete „Strohmanneigenschaft“ des Antrag-
stellers verfahrenserheblich sei, und auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
„Indorektal II“ (GRUR 1993, 969 ff.) Bezug genommen. Im übrigen wird auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung und die zwischen den Beteiligten gewech-
selten Schriftsätze Bezug genommen.
II
Der Löschungsantrag ist gemäß § 54 MarkenG iVm §§ 322, 325 ZPO unzulässig,
da der Antragsteller als “Strohmann“ für die R…
GmbH tätig
geworden ist, deren Löschungsantrag bereits rechtskräftig abgewiesen worden
war. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
1. Die Frage der „Strohmanneigenschaft“ ist grundsätzlich im Löschungsverfahren
gemäss § 54 MarkenG entscheidungserheblich.
Nach ganz herrschender Meinung lässt das durch einen Löschungsantrag eröff-
nete kontradiktorische Verfahren nicht ohne weiteres die Wiederholung eines
rechtskräftig zurückgewiesenen Antrags zu. Vielmehr verhindern insoweit die
Grundsätze der materiellen Rechtskraft gemäß §§ 322, 325 ZPO, dass derselbe
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Löschungsgrund vom selben Antragsteller erneut zur Überprüfung gestellt wird
(Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, 2003, § 54 Rdz 13). Die bindende Wirkung
der rechtskräftigen Entscheidung schließt jedoch nicht aus, dass derselbe Lö-
schungsgrund auf Antrag eines Dritten in einem neuen Löschungsverfahren erör-
tert wird.
Nach allgemeiner Meinung steht ein sogenannter „Strohmann“ der rechtskräftig
abgewiesenen Partei grundsätzlich gleich (vgl Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325
Rdz 3). Dies gilt nicht nur für den Zivilprozess, sondern auch im markenrechtlichen
Löschungsverfahren. So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Indo-
rektal II“ (BGH GRUR 1993, 969 ff.) ausgeführt, dass der Vortrag der Markeninha-
berin in diesem Verfahren nicht als bedeutungslos angesehen werden dürfe, wo-
nach die (jetzige) Löschungsantragstellerin in dem zu entscheidenden Verfahren
wirtschaftlich und ihrer Geschäftsführung nach mit der früheren gleichzusetzen
und lediglich als „Strohmann“ vorgeschoben worden sei, um etwaige Rechtskraft-
wirkungen der früheren Entscheidung zu unterlaufen. Denn, so der Bundesge-
richtshof, falls dieser Vortrag sich als zutreffend erweise, könne das Vorgehen der
jetzigen Löschungsantragstellerin als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein, mit
der Folge, dass sie die Rechtskraftwirkung der früheren Entscheidung hinzuneh-
men hätte und sich nicht darauf berufen könne, dass sie gegenüber der früheren
Antragstellerin rechtlich selbständig sei.
2. Im vorliegenden Verfahren ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der
Löschungsantragsteller als „Strohmann“ für die R… GmbH tätig ist.
Dafür spricht zum einen bereits der zeitliche Ablauf der gestellten Löschungsan-
träge. Mit Beschluss vom 25. November 1994 hat das Patentamt einen Lö-
schungsantrag der damaligen Antragstellerin, der R…
GmbH,
gegen die nunmehr erneut angegriffene Marke zurückgewiesen. Dieser Beschluss
wurde mit Ablauf der Beschwerdefrist rechtskräftig. Das Patentamt hat weiterhin
mit Beschluss vom 25. Mai 2001 einen erneuten Löschungsantrag der R…
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GmbH hinsichtlich der Bildmarke 2 031 692 wegen entgegenstehender
Rechtskraft zurückgewiesen. Wenige Monate später, nämlich am 4. Oktober 2001,
hat der Antragsteller nun in diesem Verfahren seinerseits einen - darüber hinaus
seinem Wortlaut nach identischen Löschungsantrag - bezüglich der streitge-
genständlichen Marke gestellt.
Dass der Antragsteller dieses Verfahrens im Interesse der an der erneuten Antrag-
stellung gehinderten R…
GmbH tätig wird, belegt ferner das Schrei-
ben der Anwälte der R…
GmbH vom 22.
April
2003, das im Rah-
men von Vergleichsverhandlungen zwischen der Markeninhaberin und der
R…
GmbH bzw Herrn C… gefertigt worden ist. In diesem
Schreiben wird von den Anwälten des Herrn
C… bzw der R…
GmbH angeboten, dass der Antragsteller dieses Verfahrens auf seinen
Löschungsantrag verzichten würde. Von einer Gegenleistung für den Antragsteller
ist dabei keine Rede. Auch ist der Löschungsantragsteller den Vergleichsverhand-
lungen zwischen Herrn
C… bzw der R…
GmbH und
der Markeninhaberin ersichtlich zu keinem Zeitpunkt offiziell beigetreten.
Auch die vom Antragsteller vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 8. De-
zember 2003 kann den Vorwurf der „Strohmanneigenschaft“ nicht entkräften,
sondern spricht vielmehr dafür, dass der Antragsteller im Interesse der R…
GmbH fungiert. Aus dieser eidesstattlichen Versicherung ergibt sich,
dass der Antragsteller ua für die R…
GmbH als freier Handelsver-
treter (auf Provisionsbasis) tätig gewesen ist. Als solcher hat er zunächst das von
der R…
GmbH an ihn gelieferte Produkt „SLICK
50“ vertrieben, bis
ihm Herr
C… mitgeteilt hat, dass er ihn mit diesem Produkt nicht mehr
beliefern könne. Daraufhin hat der Antragsteller auf eigene Kosten seine Verkaufs-
unterlagen und -informationen auf das Produkt „NOVOSLICK 50“ umgestellt, bis
auch dieses wegen einer im Jahre 1993 ergangenen, ua auf die angegriffene
Marke gestützten einstweiligen Verfügung nicht mehr geliefert werden konnte.
Hierauf hat der Antragsteller Herr
C… auf die ihm entstandenen Kosten
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und Provisionsverluste hingewiesen. Dieser hat ihm versichert, sich daran zu
beteiligen, sofern es ihm gelänge, die Markeninhaberin für diese Kosten haftbar zu
machen. Die von Herrn
C… seinerzeit durchgeführten Löschungsverfahren
seien nun allerdings, so der Antragsteller, teilweise aus finanziellen Gründen
gescheitert. Der Ausgleich seiner Kosten und Provisionsverluste sei jedoch erst
nach Löschung (ua) der angegriffenen Marke möglich; erst dann könne die
genannte einstweilige Verfügung aus der Welt geschafft werden.
Diese Ausführungen ergeben, daß der Antragsteller mit der Einleitung dieses
Löschungsverfahrens zwar auch eigene Interessen verfolgen mag. Sein Tätigwer-
den kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Hinter-
grundes gewürdigt werden. Soweit dies dem Vortrag der Beteiligten entnommen
werden kann, handelt es sich hierbei im wesentlichen um markenrechtliche
Auseinandersetzungen der R…
GmbH mit der Antragsgegnerin.
Das vom Antragsteller eingeleitete Löschungsverfahren soll - wie bereits die
früheren Löschungsanträge der R…
GmbH
- ersichtlich in erster
Linie dem Ziel dienen, der im Jahre 1993 ergangenen einstweiligen Verfügung die
(Anspruchs-)Grundlage zu entziehen. Adressat der genannten einstweiligen
Verfügung war indessen nicht der Antragsteller selbst. Daraus folgt, daß der
Antragsteller, der im übrigen auf Frage des Senats eingeräumt hat, noch heute als
freier Handelsvertreter für die R…
GmbH tätig zu sein, primär in
fremder Sache handelt.
Bereits die bisher genannten Umstände ergeben zur Überzeugung des Senats
ausreichend die „Strohmanneigenschaft“ des Antragstellers. Hinzu kommt jedoch
noch folgender weiterer Gesichtspunkt: In der mündlichen Verhandlung vom
2. März 2004 hat sich der Vertreter des Antragstellers auf die Frage des Gerichts,
ob die Kosten des Löschungsverfahrens (intern) vom Antragsteller selbst oder von
der R…
GmbH getragen würden, dahingehend erklärt, daß er das
nicht wisse. Diese Einlassung mit „Nichtwissen“ ist vorliegend zu Lasten des
Antragstellers zu würdigen.
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Zwar ist grundsätzlich der Antragsgegner (Markeninhaber) für ihm günstige
Tatsachen und damit auch für die Frage der „Strohmanneigenschaft“ des
Antragstellers darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht
ausnahmslos und uneingeschränkt und bedarf insbesondere für Fälle wie hier, in
denen der eigentlich beweispflichtige Prozessbeteiligte außerhalb des Gesche-
hensablaufs steht und den Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann, während
der anderen Partei die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich
und auch zuzumuten ist (BGH GRUR 1963, S 270 - Bärenfang), einer Ergänzung.
Solchen Schwierigkeiten bei der Art und Weise der Beweisführung ist dadurch
Rechnung zu tragen, dass der nicht Darlegungs- und Beweispflichtige näher
vorträgt und erst danach die beweispflichtige Partei alsdann die entgegen-
stehenden Tatsachen vorzutragen hat (BGH GRUR 1993, S 288 - Malibu). Im
vorliegenden Fall bedeutet das: Die Antragsgegnerin kann keine Angaben dazu
machen, wer auf der Seite des Antragstellers die Kosten des Löschungsverfah-
rens übernimmt. Dem Antragsteller ist es jedoch ohne weiteres möglich, zu dieser,
seinen Wahrnehmungsbereich betreffenden Frage Stellung zu nehmen. Hierzu
besteht angesichts der in der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers
vorgetragenen, zwischen ihm und der R…
GmbH bestehenden
Abreden auch Anlaß. Wenn der Antragsteller sich hierzu mit „Nichtwissen“ erklärt,
ist dies in Fällen wie dem vorliegenden jedenfalls nicht ausreichend und zu seinen
Lasten auszulegen, mit der Folge, dass auch dieser Aspekt für und nicht gegen
die „Strohmanneigenschaft“ des Antragstellers zu berücksichtigen ist.
3. Das Gericht sieht keine Notwendigkeit, die Rechtsbeschwerde gemäß § 83
Abs 2 MarkenG zuzulassen. Insbesondere ist keine Rechtsfrage von grundsätzli-
cher Bedeutung zu entscheiden. Der Bundesgerichtshof hat bereits in der zitierten
Entscheidung „Indorektal II“ ausgeführt, dass die Strohmanneigenschaft im Lö-
schungsverfahren entscheidungsrelevant ist. Die Einführung des neuen Marken-
rechts führt in diesem Zusammenhang zu keiner anderen Beurteilung; dies gilt
insbesondere deshalb, weil sich bezüglich der insoweit einschlägigen Vorschriften
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durch das neue Markengesetz keine einschneidenden Änderungen ergeben ha-
ben.
4. Die
Kostauferlegung
beruht auf § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG. Es entspricht der
Billigkeit, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Wie ausgeführt, wurde der Antragsteller als „Strohmann“ für die R…
GmbH tätig. Dieser Gesellschaft war aus dem zweiten Löschungs-
verfahren (Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2001)
bekannt, dass ein erneuter Löschungsantrag wegen entgegenstehender Rechts-
kraft unzulässig ist. Nachdem die R…
GmbH gegen diesen Be-
schluß Beschwerde eingelegt hatte, sind ihr - nach Rücknahme der Beschwerde –
mit Senatsbeschluß vom 17. Dezember 2002 (Az 33 W (pat) 204/01) überdies die
Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden, da sie ihr Interesse am
Erlöschen des Markenschutzes in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichts-
punkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden
Situation durchzusetzen versucht hatte. Der Antragsteller des vorliegenden Lö-
schungsverfahrens kann nun nicht besser gestellt sein als die Antragstellerin des
früheren Löschungsverfahrens, für die er - nach Überzeugung des Senats - als
„Strohmann“ tätig geworden ist.
Winkler Pagenberg Dr.
Hock
Cl