Urteil des BPatG vom 06.12.2006

BPatG (marke, tabak, herkunftsangabe, stadt, ort, verwendung, bezeichnung, beschwerde, herkunft, angabe)

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 25/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 304 40 240.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 6. Dezember 2006 durch …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
08.05
- 2 -
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung der für die Waren
„Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer“
bestimmte Wortmarke
„SPRINGFIELD“
teilweise, nämlich für die Waren „Tabak; Raucherartikel“, gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG mit der Begründung zurückgewiesen, die angemeldete Marke stelle in-
soweit eine Angabe dar, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dieser
Waren dienen könne. Zwar sei nicht feststellbar, dass es sich bei der angemelde-
ten Marke um einen auf dem einschlägigen Warengebiet in die deutsche Fach-
sprache übernommenen Begriff, wie z. B. „Virginia-Tabak“, handele. Jedoch gebe
es in den Vereinigten Staaten von Amerika einige Tabakanbaugebiete, die mit
„Springfield“ bezeichnet würden, wie Springfield in Tennessee und Springfield in
Massachusetts. Für diese Orte lägen sichere Anhaltspunkte dafür vor, dass dort
auch heute noch Tabakanbau und Tabakverarbeitung betrieben würden. Noch
nicht mitberücksichtigt seien hierbei andere Orte des gleichen Namens in den
Vereinigten Staaten, wie z. B. die Stadt „Springfield“ im Staate Virginia, die ange-
sichts der Tabakerzeugung in diesem Staat ebenfalls als geografische Herkunfts-
angabe in Betracht komme. Letztlich könne dies jedoch dahingestellt bleiben, weil
eine Zurückweisung der Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bereits
dann erfolgen könne und müsse, wenn nur ein Ort, der seinem Namen nach der
angemeldeten Marke entspreche, ernsthaft als geografische Herkunftsangabe in
Betracht komme.
- 3 -
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, der
deutsche Verbraucher habe keine bestimmte Herkunftserwartung, wenn er die
angemeldete Marke sehe oder höre, weil er mit „SPRINGFIELD“ keine bestimmte
Stadt assoziieren könne. Die geografische Bezeichnung „SPRINGFIELD“ sei dem
inländischen Durchschnittsverbraucher nicht bekannt, weil es sich bei allen Orten
diesen Namens nicht um bekannte Städte handele. Im Übrigen verweist er auf
sein Vorbringen gegenüber der Markenstelle. Dort hat er auf Anforderung des
Prüfers u. a. eine Bescheinigung der Stadt „Springfield“ im Staate Wisconsin vor-
gelegt, aus der sich ergibt, dass es dort keine Tabakfarmen gibt. Im Übrigen hat
sein seinerzeitiger Vertreter auf verschiedene Eintragungen geografischer Anga-
ben für Tabak im deutschen Markenregister, wie z. B. „FLINT“, „MANHATTAN“,
„DENVER“ und „GOLDFIELD“, sowie auf die Eintragung von insgesamt
144 „SPRINGFIELD“-Marken in den USA hingewiesen, von denen zehn reine
Wortmarken seien, die für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen registriert
worden seien. Er hat ferner die Auffassung vertreten, die ihm vor der Zurückwei-
sung zugestellten Ergebnisse einer Internetrecherche ließen nicht den Schluss zu,
dass an der angemeldeten Marke für die fraglichen Waren ein aktuelles oder zu-
künftiges Freihaltungsbedürfnis bestehe.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die angemeldete Marke stellt, wie
die Markenstelle zutreffend festgestellt und begründet hat, eine Angabe dar, die
zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren „Tabak“ und „Raucherar-
tikel“ dienen kann. Ihrer Eintragung in das Markenregister steht deshalb das
Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
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Die Notwendigkeit, eine Ortsangabe nach der vorstehend genannten Bestimmung
vom Markenschutz auszuschließen, besteht nach der Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofs wegen des Gesetzeswortlauts „...dienen kann“ bereits
dann, wenn eine beschreibende Verwendung der fraglichen Ortsangabe entweder
aktuell schon feststellbar ist oder eine solche Verwendung in der Zukunft vernünf-
tigerweise zu erwarten ist (GRUR 1999, 723, 725 f., Nr. 25-37 - Chiemsee). Maß-
geblich und zugleich ausreichend ist eine realitätsbezogene Prognose, die auch
mögliche, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaft-
liche Entwicklungen berücksichtigt (BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein).
Für die angemeldete Marke ist in Bezug auf die Ware „Tabak“ bereits eine aktuelle
Verwendung als geografische Herkunftsangabe feststellbar. „SPRINGFIELD“ ist
der Name einer Anzahl von Orten, darunter auch größeren Städten, in den Verei-
nigten Staaten von Amerika. Den Namen „SPRINGFIELD“ tragen u. a. die Haupt-
stadt des Bundesstaates Illinois mit 83272 Einwohnern, eine Stadt im Staate
Massachusetts mit 174 463 Einwohnern, eine Stadt im Staate Missouri mit 95 865
Einwohnern und eine Stadt im Staate Ohio mit 82
723 Einwohnern (vgl.
Tietze/Weigt, Westermann-Lexikon der Geographie, 2. Auflage 1973, S. 360 f.).
Daneben gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl weiterer Orte des Namens
„SPRINGFIELD“, u. a. auch einen Ort dieses Namens im Staate Tennessee. Die-
ser Ort liegt seit langem im Herzen des Erzeugungsgebiets von dunklen Tabaken.
Ferner gibt es in diesem Ort zumindest ein Unternehmen, das mit Rohtabaken
handelt, worauf der Anmelder bereits von Seiten der Markenstelle vor der Be-
schlussfassung unter Hinweis auf die Internetseite „www.tobaccosupply.com“ hin-
gewiesen worden ist. Diese tatsächliche Verwendung der Ortsangabe
„SPRINGFIELD“ in Verbindung mit dem Anbau und dem Handel von Tabak ist
i. V. m. den weiteren, dem Anmelder ebenfalls bereits bekanntgegebenen Inter-
netnachweisen, wie z.
B. der Internetseite
„www.andrewsackspictures.com/tobacco1.html“, die einen Mann bei der Tabak-
ernte zeigt, wobei zu dem Bild die Angabe „Tobacco harvest, Springfield, TN“
(TN=Tennessee) gehört, und der Internetseite
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„http://migration.ucdavis.edu/rmn/more...“, die u. a. die Textpassage „Two towns,
Springfield and Shelbyville, have significant Hispanic populations, due to the
Springfield tobacco industry ...“ enthält, in besonderer Weise geeignet nachzuwei-
sen, dass die angemeldete Marke aktuell bereits zur Bezeichnung der geografi-
schen Herkunft von Tabak dient und auch weiterhin dienen kann.
Dass „SPRINGFIELD“ zugleich der Name mehrerer verschiedener Orte ist, ändert
nichts an seiner Eignung als geografische Herkunftsangabe für Tabake aus
Springfield in Tennessee (BGH a. a. O. – Lichtenstein; BPatG GRUR 2005, 677,
678 f. – Newcastle).
Ergänzend, ohne dass es hierauf für die Entscheidung noch maßgeblich an-
kommt, sei noch darauf hingewiesen, dass Bezeichnungen wie „Springfield
Tobaccos“ und „Springfield Fire-cured“ auch in einschlägigen Tabak-Fachwörter-
büchern verzeichnet sind (vgl. z.B.: Ernst Voges, Tobacco Encyclopedia, 1984,
S. 299).
Auch für die Ware „Raucherartikel“ kann die angemeldete Marke als geografische
Herkunftsangabe dienen. Unter den weiten Warenoberbegriff „Raucherartikel“ fal-
len eine VieIzahl verschiedener, aus unterschiedlichen Materialien hergestellter
Waren, wie z. B. Feuerzeuge, Aschenbecher, Zigarren- und Zigarettenetuis. Diese
Waren können von großen Industriebetrieben, aber auch von kleineren Hand-
werksbetrieben prinzipiell an jedem Ort hergestellt werden. Bei dieser Sachlage
besteht wegen der Vielzahl der größeren Städte und sonstigen Orte mit dem Na-
men „SPRINGFIELD“ eine hohe Wahrscheinlichkeit und damit auch eine grund-
sätzliche Vermutung (EuG GRUR 2004, 148, 149 – OLDENBURGER; PAVIS
PROMA 26 W (pat) 209/01 – Baden-Baden) dafür, dass dieser Ortsname auch als
geografische Herkunftsangabe für Raucherartikel dienen kann.
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Auf die nur für die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG maß-
gebliche Frage, ob der Verkehr den Ortsnamen „SPRINGFIELD“ als geografische
Herkunftsangabe kennt oder versteht, kommt es im Rahmen der Prüfung des § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht an. Die Frage, ob der angemeldeten Marke die not-
wendige Unterscheidungskraft zukommt, kann angesichts des Umstands, dass
bereits das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, dahingestellt
bleiben.
gez.
Unterschriften