Urteil des BPatG vom 07.10.2003

BPatG: beschreibende angabe, internet adresse, bestandteil, international, mitbewerber, patent, firma, begriff, eugh, unterscheidungskraft

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 7/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 41 413.4
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 7. Oktober 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Ströbele sowie des Richters Guth und der Richterin Kirschneck
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
Elasto-Peptide
ist für die Waren
„chemische Präparate für industrielle Zwecke; Parfümerien, äthe-
rische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere
Hautcremes, Gesichtswasser; chemische Mittel zur Haarpflege
und Haarbehandlung“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3
des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom
21. Oktober 2002 nach vorheriger Beanstandung als beschreibende nicht unter-
scheidungskräftige und freihaltebedürftige Angabe teilweise, und zwar für alle Wa-
ren mit Ausnahme von Parfümerien, wegen fehlender Unterscheidungskraft ge-
mäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist
ausgeführt, der Bestandteil „Elasto-“ habe allgemein die Funktion eines Wortbil-
dungselements mit der Bedeutung „elastische Eigenschaften besitzend“ und finde
sich in Fachbegriffen wie zB „Elastomer“, „Elastofasern“ oder „Elastoplaste“. Es
sei daher naheliegend, zur Beschreibung von Peptiden, die elastische Eigen-
schaften hätten oder verliehen, die Wortkombination „Elasto-Peptide“ zu verwen-
den. Auf ein dem Amtsbescheid vom 18. September 2002 beigefügtes Beispiel für
die beschreibende Verwendung des Begriffs „elastopeptide“ werde hingewiesen.
Elastizität sei eine wichtige Wirkung der Haut- und Haarpflege, zu deren Herbei-
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führung auch Peptide eingesetzt würden, wie den Belegen in der Anlage zum
Beschluß entnommen werden könne. In bezug auf die von der Zurückweisung be-
troffenen Waren beschreibe die Marke somit lediglich, daß diese elastische bzw
elastizitätsspendende Peptide enthielten. Unerheblich sei, daß die angemeldete
Marke lexikalisch nicht nachweisbar sei, da es sich um eine sprachüblich gebildete
sinnvolle Wortkombination handle. Ein zumindest erheblicher Teil der angespro-
chenen Verkehrskreise werde daher in dem Begriff „Elasto-Peptide“ lediglich eine
beschreibende Sachangabe, nicht aber einen Hinweis auf die Herkunft der Waren
aus einem bestimmten Unternehmen sehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, daß die an-
gemeldete Begriffskombination weder lexikalisch noch im Internet nachweisbar
sei. Das in dem Beschluß erwähnte, dem Amtsbescheid beigefügte Verwen-
dungsbeispiel könne insoweit nicht als lexikalischer Nachweis dienen. Mithin sei
die angemeldete Marke ein Phantasiebegriff und demnach eintragbar. In diesem
Zusammenhang werde auf eine Reihe, für Waren der Klasse 3 eingetragener,
nach Auffassung der Anmelderin vergleichbarer nationaler, international re-
gistrierter und Gemeinschafts-Marken mit dem Bestandteil „Elasto-“ hingewiesen
(DE 1 051 674 „ELASTOCURE“, DE 1 147 218 “Elastowax“, IR 545121 „Elasto-
wax“, EM 2 590 123 „ELASTO-CURL“).
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Nach
Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Marke jedenfalls
das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Die Mar-
kenstelle hat daher die Anmeldung im Ergebnis zu Recht teilweise zurückgewie-
sen (§ 37 Abs 1 MarkenG).
Bei der angemeldeten Wortkombination „Elasto-Peptide“ handelt es sich um eine
im Sinn der genannten Bestimmung freihaltebedürftige Angabe, die im Verkehr zur
Bezeichnung der Beschaffenheit der betreffenden Waren dienen kann.
Ausgehend von den in der angemeldeten Marke enthaltenen Wortbestandteilen
„Elasto-“, einem Wortbildungselement mit der Bedeutung „elastische Eigenschaf-
ten besitzend, dehnbar, biegsam“ (vgl Duden, Das große Fremdwörterbuch,
2. Aufl, S 377), und dem Begriff „Peptide“, der Bezeichnung für (aus zwei oder
mehreren Aminosäuren bestehenden) Zwischenprodukten des Eiweißabbaus (vgl
Der Brockhaus in einem Band, 8. Aufl, S 686), erschließt sich der Begriffsgehalt
der angemeldeten Begriffskombination „Elasto-Peptide“ nächstliegend im Sinn von
„elastische Eigenschaften besitzende (elastische, dehnbare) Peptide“.
Die Markenstelle hat im weiteren zutreffend festgestellt, daß die angemeldete
Marke in dieser Bedeutung für die von der Zurückweisung betroffenen Waren eine
unmittelbar die Art bzw die Beschaffenheit beschreibende Angabe darstellt. Bei
„chemischen Präparaten für industrielle Zwecke“ kann es sich entweder als solche
um im Wege der chemischen Peptid-Synthese gewonnene Peptide (vgl Römpp
Lexikon Chemie, 10. Aufl, Bd 4, S 3173 f unter „Peptide“) oder aber um Präparate
handeln, die Peptide enthalten. Da Peptide insbesondere im Bereich der Körper-
und Schönheitspflege als Schutzkolloide für Dauerwellpräparate, Haarfarben,
Haarkuren, Hautpflegemittel, Seifen etc Verwendung finden (vgl i d Anlage z
Amtsbescheid v 18.09.2002: Feye Otte, Wörterbuch der Kosmetik, 3. Aufl, S 200),
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kommen sie außerdem als Inhaltsstoffe der übrigen beschwerdegegenständlichen
Waren in Betracht, die sämtlich diesem Produktbereich angehören. Dabei können
Peptide auch elastische Eigenschaften besitzen. Daß Elastizität eine Eigenschaft
von Peptiden bzw Peptidverbindungen sein kann, ergibt sich beispielsweise aus
den der Anmelderin vom Senat übermittelten Recherche-Unterlagen (vgl hierzu
on 10:
„…restructuring and strengthening activity of elastic peptide fragments…“ sowie in
zugänglichen
Aufsatz von C.J.P. Boonaert ua „Deformation of Lactococcus lactis surface in
atomic force microscopy study“ auf S 208: „…chains held together by small elastic
peptide crosslinks. …“). Weiterhin hat die Markenstelle zutreffend ausgeführt und
belegt, daß Peptide speziell in kosmetischen Erzeugnissen eine elastische bzw
elastizitätsspendende Wirkung für Haut und Haare haben (vgl hierzu in den Anla-
gen zu dem angefochtenen Beschluß die Produktbeschreibungen: „…Ein spe-
zieller Peptid-Wirkstoffkomplex aus dem Zellgewebe junger Buchentriebe verleiht
der Haut bessere Elastizität, …“ (Anlage B 1), „…Bio-Peptide regen den Zellstoff-
wechsel an und geben müder Haut Impulse für eine elastische Oberfläche. …“
(Anlage B 2)). Mithin erschöpft sich die Bedeutung der angemeldeten Begriffszu-
sammenstellung „Elasto-Peptide“ in der für die in Rede stehenden Waren rein be-
schreibenden Sachaussage, daß diese aus Peptiden mit elastischen Eigenschaf-
ten bzw Wirkungen bestehen oder solche Peptide als Inhaltsstoffe enthalten.
Der Einwand der Anmelderin, wegen des fehlenden lexikalischen Nachweises der
Wortkombination „Elasto-Peptide“ handle es sich bei der angemeldeten Marke um
ein eintragungsfähiges Fantasiewort, vermag nicht durchzugreifen. Insoweit hat
die Markenstelle zu Recht darauf hingewiesen, daß allein der fehlende Nachweis
einer beschreibenden Verwendung noch nicht die Schutzfähigkeit einer - neuen -
Begriffsbildung begründet. So ist im Hinblick auf die in der Bestimmung des § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG enthaltene Formulierung „dienen können“ auch die Möglich-
keit zu berücksichtigen, ob eine entsprechende beschreibende Verwendung der
fraglichen Angabe vernünftigerweise in Zukunft erwartet werden kann (vgl EuGH
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GRUR 1999, 723, 726 „Chiemsee“; BGH GRUR 2000, 882, 883 „Bücher für eine
bessere Welt“ WRP 2003, 1226, 1227 „Lichtenstein“). Dies ist bei einer neuen
Begriffsbildung regelmäßig dann anzunehmen, wenn sie in bezug auf die betref-
fenden Waren oder Dienstleistungen einen deutlichen und unmißverständlich be-
schreibenden Aussagegehalt besitzt, der außerdem in einer für die angesproche-
nen Verkehrskreise verständlichen üblichen Sprachform zum Ausdruck kommt (vgl
EuGH GRUR 2001, 1145, 1147 (39, 49) „Baby-dry“). Einen unmißverständlich wa-
renbeschreibenden Aussagegehalt weist die angemeldete Marke, wie dargelegt,
auf. Sie ist außerdem entsprechend vergleichbarer, jeweils mit dem Wortbildungs-
element „Elasto-“ oder dem Substantiv „Peptide“ zusammengesetzter, lexikalisch
nachweisbarer Begriffe vollkommen sprachüblich gebildet (vgl zB „Elastomer“,
„Elastofibrose“, „Elastoklasis“, „Elastomechanik“, „Elastometer“, „Elastooptik“; Du-
den aaO unter „Elasto-“; „Ploypeptide“, „Oligopeptide“, „Retropeptide“, „Antigen-
Peptide“, vgl Römpp, aaO). Jedenfalls der von den Waren angesprochene Fach-
verkehr (insbes Hersteller und Händler) wird daher die Begriffskombination
„Elasto-Peptide“ nach den bei diesem Verkehrskreis vorauszusetzenden einschlä-
gigen fachsprachigen Kenntnissen ohne weiteres als einen in eine korrekte und
verständliche Sprachform gekleideten Sachhinweis auf die stoffliche Beschaffen-
heit der betreffenden Produkte begreifen. Schon deshalb kann die angemeldete
Marke im - inländischen - Verkehr jederzeit als Beschaffenheitsangabe für die be-
schwerdegegenständlichen Waren eingesetzt werden und unterliegt insofern ei-
nem Freihaltebedürfnis der Mitbewerber.
Abgesehen davon läßt sich ein zumindest vereinzelter tatsächlicher Gebrauch des
Begriffs „elastopeptide“ in englischsprachigen Texten als Hinweis auf einen so be-
zeichneten Inhaltsstoff kosmetischer Produkte belegen (vgl hierzu in dem der An-
melderin übermittelten Internet-Ausdruck
eschrei-
bung einer Lippen- und Augencreme (Le Soin) der Firma Yves Saint Laurent:
„…Using elastopeptide and defence supplements, it moisturises and reduces the
appearance of lines and wrinkles within two weeks. …“ sowie in einem Artikel in
der Zeitschrift „European Cosmetic Markets“, Apr 1995, ebenfalls bezogen auf ein
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Produkt der Firma Yves Saint Laurent (Soin Contours Anti-Rides Raffermissant)
die Ausführungen: „…Soin Contours, therefore, claims to prevent and repair the
three principal signs of ageing to affect these areas: loss elasticity, loss of firmness
and dehydration. The formula contains elastopeptide, a soybean extract, said to
protect the skin’s elastin fibres from the destructive enzyme elastase, …” vgl den
Abdruck des Artikels in der der Anmelderin übermittelten E-Mail von Gutser Jutta).
Der im Internet belegte beschreibende Gebrauch für einschlägige Waren in engli-
scher Sprache stellt angesichts der orthographischen und begrifflichen Überein-
stimmung der Wortzusammensetzung “E(e)lastopeptide“ in der englischen und in
der deutschen Sprache (vgl Webster’s Third New International Dictionary of the
English Language, 1986, S 730 zu „elasto-“, S 1674 zu „peptide“) nicht nur einen
zusätzlichen Anhalt dafür dar, daß die Bezeichnung - künftig - auch im Inland zur
Produktbeschreibung eingesetzt werden kann, sondern läßt außerdem ein Be-
dürfnis der Mitbewerber erkennen, die Bezeichnung im internationalen Geschäfts-
verkehr zur beschreibenden Warenkennzeichnung in der Welthandelssprache
Englisch zu verwenden.
Nachdem die angemeldete Marke mithin wegen des Schutzversagungsgrunds ei-
ner beschreibenden freihaltebedürftigen Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann im weiteren dahingestellt bleiben, ob
darüber hinaus auch das in dem angefochtenen Beschluß von der Markenstelle
angenommene absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8
Abs 2 Nr 1 MarkenG vorliegt.
Soweit sich die Anmelderin schließlich auf die Registrierung von verschiedenen,
ihrer Auffassung nach vergleichbaren nationalen, international registrierten sowie
Gemeinschafts-Marken mit dem Bestandteil „Elasto-“ beruft, läßt sich hieraus auch
unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 GG) kein
Eintragungsanspruch herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintrag-
barkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Ent-
scheidung handelt, die jeweils einer eigenen Prüfung unterliegt und etwa zu Un-
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recht erfolgte frühere Eintragungen der Anmelderin nicht das Recht verschaffen,
auch weiterhin derartige Eintragungen durch das Patentamt zu erwirken (vgl BGH
GRUR 1997, 527, 528 „Autofelge“; BlPMZ 1998, 248 249 „Today“). Dies gilt erst
recht im Verhältnis zu Eintragungen von Gemeinschaftsmarken, da nach der
Rechtsprechung des EuG die Gemeinschaftsregelung für Marken eine autonomes
System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht, mit dem ihm ei-
gene Ziele verfolgt werden und dessen Anwendung von jedem nationalen System
unabhängig ist (vgl EuG GRUR Int 2003, 548, 551 (45) „BioID AG ./. HABM“).
Ebenso wie daher das HABM oder ggf der Europäische Gerichtshof in gleich oder
vergleichbar gelagerten Fällen nicht an Entscheidungen auf der Ebene eines Mit-
gliedsstaates gebunden sind, selbst wenn diese auf der Grundlage nationaler,
gemäß der Richtlinie 89/104 harmonisierter Rechtsvorschriften ergangen sind,
sind daher auch für das Deutsche Patent- und Markenamt oder das Bundespa-
tentgericht bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer nationalen Marke
Eintragungen von identischen oder vergleichbaren Gemeinschaftsmarken durch
das HABM in keiner Weise verbindlich.
Ströbele Guth
Kirschneck
Bb