Urteil des BPatG vom 19.12.2006

BPatG (marke, finanzwesen, bezeichnung, werbung, beschreibende angabe, versicherungswesen, verwechslungsgefahr, beschwerde, geschäftsführung, eintragung)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 276/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke 301 02 916.4
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 19. Dezember 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke
wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 27. September 2004 auf-
gehoben, soweit die Löschung der Eintragung der Marke
301 02 916.4 auf Grund des Widerspruchs aus der Marke
395 12 098.5 für die Dienstleistung „Werbung“ angeordnet
worden ist. Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 301 02 916.4
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eingetragen für die Dienstleistungen
„Finanzdienstleistungen, Versicherungswesen, Finanzwesen, Fi-
nanzplanung, Geldgeschäfte, Immobilienwesen; Unternehmens-
verwaltung, Werbung, Geschäftsführung, Büroarbeiten“
ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 395 12 098.5
INTEGRA
eingetragen am 1. Dezember 1995 für die Dienstleistungen
„Büroarbeiten; Versicherungswesen, Finanzwesen; Geldge-
schäfte; Immobilienwesen; Bauwesen, Reparaturwesen, soweit in
Klasse 37 enthalten; Installationsarbeiten, soweit in Klasse 37
enthalten“.
Gegen die Eintragung der älteren Marke ist Widerspruch eingelegt worden. Das
Verfahren wurde am 5. April 2003 abgeschlossen.
Mit Beschluss vom 27. September 2004 hat die Markenstelle für Klasse 36 die
Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 301 02 916.4 angeordnet. Sie
hat darin ausgeführt, dass die sich gegenüber stehenden Dienstleistungen „Fi-
nanzwesen“ (einschließlich „Finanzdienstleistungen“ und „Finanzplanung“), „Ver-
sicherungswesen“, „Geldgeschäfte“, „Immobilienwesen“ sowie „Büroarbeiten“
identisch seien. Die weiteren Dienstleistungen der jüngeren Marke („Unterneh-
mensverwaltung“, „Werbung“ und „Geschäftsführung“) lägen im entfernteren Ähn-
lichkeitsbereich, da ein Zusammenhang auf der Ebene der geschäftlichen Angele-
genheiten bestehe. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Schutzum-
fangs der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke den notwendigen Ab-
stand zu ihr nicht ein. Die Anmeldemarke werde in rechtserheblichem Umfang mit
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dem Wort „Integral“ benannt, da dieses gegenüber den Bildbestandteilen die ein-
fachste und kürzeste Bezeichnungsform darstelle. Demgegenüber weise der Be-
standteil „Financial - Planning“ auf den Tätigkeitsbereich des Inhabers der jünge-
ren Marke hin und sei demzufolge als nicht zu berücksichtigende glatt beschrei-
bende Angabe anzusehen. Damit stünden sich die Bezeichnungen „Integral“ und
„INTEGRA“ gegenüber, die sich lediglich am Ende durch den klangschwachen
Konsonanten „l“ unterscheiden würden. Insofern seien die beiden Marken in
klanglicher Hinsicht ähnlich und damit insgesamt verwechselbar.
Gegen den Beschluss hat der Inhaber der angegriffenen Marke Beschwerde ein-
gelegt, mit der er einen bestimmten Antrag nicht gestellt hat. Zur Begründung hat
der Beschwerdeführer ausgeführt, dass zwar die beiderseitigen Dienstleistungen
teilweise identisch seien. Doch seien die zu vergleichenden Marken von ihrem
Gesamteindruck her nicht verwechselbar. Selbst wenn sich lediglich die Begriffe
„Integral“ und „INTEGRA“ gegenüber stehen würden, so sei für den klanglichen
Eindruck nicht allein die Silbenzahl, sondern insbesondere die Folge der betonten
Vokale bestimmend. Diese Kriterien stimmten bei den zu vergleichenden Marken
nicht überein. Der zusätzliche Buchstabe „l“ wirke sich dahingehend aus, dass der
Bestandteil „Integral“ auf der letzten Silbe, während die Bezeichnung „INTEGRA“
auf der mittleren Silbe betont werde. Gerade der letzte Konsonant verleihe dem
Wort „Integral“ erst einen konkreten Inhalt. Mit ihm könne entweder eine mathe-
matische Bezeichnung oder der Gesamtbegriff „Integral Financial - Planning“ in
Verbindung gebracht werden, mit dem die Arbeitsweise des Inhabers der ange-
griffenen Marke beschrieben werde. Demgegenüber stelle die Bezeichnung
„INTEGRA“ einen Phantasiebegriff ohne Sinn und Inhalt dar. Auch eine bildliche
Verwechslungsgefahr sei insbesondere deshalb nicht gegeben, weil die weiteren
Bestandteile „Financial - Planning“ und die Hinterlegung des Wortes „Integral“ mit
zu berücksichtigen seien. Die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung zwi-
schen beiden Marken bestehe ebenfalls nicht, da sich die eine lediglich aus einem
Wort, die andere hingegen aus drei Wörtern zusammensetze.
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Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat der Inhaber der an-
gegriffenen Marke darüber hinaus die Benutzungseinrede erhoben, zu der ihm das
Amt vor Erlass des Beschlusses mitgeteilt hat, dass sie wegen fehlenden Ablaufs
der Benutzungsschonfrist noch nicht zulässig sei.
Eine Stellungnahme des Widersprechenden zu der Beschwerde ist nicht einge-
gangen. Vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat er geltend gemacht,
dass der Anfangsbestandteil der angegriffenen Marke identisch mit der Wider-
spruchsmarke sei, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. Zu-
dem seien die zu vergleichenden Dienstleistungen identisch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke ist zulässig und teilweise
begründet.
1. Auch im Beschwerdeverfahren kann die bereits vor dem Deutschen Patent-
und Markenamt erhobene Benutzungseinrede nicht berücksichtigt werden. Die
ältere Marke ist selbst Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens gewesen, so
dass an die Stelle des Zeitpunkts der Eintragung der Zeitpunkt des Abschlusses
des Widerspruchsverfahrens, also vorliegend der 5. April 2003, tritt (§ 43 Abs. 1
i. V. m. § 26 Abs. 5 MarkenG). Demzufolge ist die Benutzungsschonfrist auch
noch nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde abgelaufen. Un-
abhängig von der Frage, ob die Benutzungseinrede im Beschwerdeverfahren
nochmals erhoben werden müsste, ist sie somit als unzulässig anzusehen.
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2. Die sich gegenüber stehenden Dienstleistungen sind mit Ausnahme von „Wer-
bung“ im Verzeichnis der angegriffenen Marke identisch oder ähnlich.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, sind die Tätigkeiten „Versiche-
rungswesen“, „Finanzwesen“, „Geldgeschäfte“, „Immobilienwesen“ und „Büroar-
beiten“ identisch in beiden Verzeichnissen enthalten. Die von der jüngeren Marke
weiterhin beanspruchten „Finanzdienstleistungen“ und „Finanzplanung“ fallen un-
ter den Oberbegriff „Finanzwesen“ der Widerspruchsmarke. Insofern ist auch im
Hinblick auf diese Tätigkeiten Identität gegeben.
Zwischen „Unternehmensverwaltung“ auf Seiten der Anmeldemarke und „Finanz-
wesen“ auf Seiten der Widerspruchsmarke besteht mittlere Ähnlichkeit (vgl. Rich-
ter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13.
Auflage,
Seite 359, linke Spalte). Teil der Unternehmensverwaltung kann das Finanzwesen
sein, so dass sachliche Berührungspunkte zwischen beiden Dienstleistungen vor-
handen sind.
Zwischen der Dienstleistung „Geschäftsführung“ der angegriffenen Marke und „Fi-
nanzwesen“ der älteren Marke besteht mittlere Ähnlichkeit (vgl. Richter/Stoppel,
a. a. O., Seite 359, linke Spalte). Da Geschäfte auch im Bereich des Finanzwe-
sens geführt werden können, weisen die beiderseitigen Tätigkeitsfelder Gemein-
samkeiten auf. Im Übrigen ist auch die Ähnlichkeit zwischen „Geschäftsführung“
und „Immobilienvermittlung“, die der Dienstleistung „Immobilienwesen“ der Wider-
spruchsmarke zuzurechnen ist, zu bejahen (vgl. Richter/Stoppel, a.
a.
O.,
Seite 361, linke Spalte).
Die von der Markenstelle angenommene Ähnlichkeit im Hinblick auf die Dienst-
leistung „Werbung“ der jüngeren Marke besteht hingegen nicht. Sie kann zwar im
weiteren Sinn eine geschäftliche Angelegenheit darstellen. Allerdings reicht die
Zuordnung der zu vergleichenden Dienstleistungen zu einem gemeinsamen
sprachlichen Oberbegriff, der aber als solcher in beiden Verzeichnissen nicht ent-
halten ist, regelmäßig nicht zur Bejahung der Ähnlichkeit aus. Dies gilt jedenfalls
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für breit gefächerte, umfangreiche Oberbegriffe mit hohem Abstraktionsgrad (vgl.
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 9, Rdnr. 60 m. w. N.), zu denen
auch geschäftliche Angelegenheiten zu zählen sind. Werbung hat in erster Linie
den Zweck, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens vorzustellen,
anzupreisen und zum Kauf bzw. zur Inanspruchnahme anzuregen. Die dem ge-
schäftlichen Bereich zuzurechnenden Dienstleistungen der Widerspruchsmarke,
insbesondere „Büroarbeiten“, „Versicherungswesen“, „Finanzwesen“, „Geldge-
schäfte“ und „Immobilienwesen“, haben demgegenüber andere Schwerpunkte und
wenden sich - anders als Werbung - nicht an die Allgemeinheit, sondern an be-
stimmte fachlich interessierte Kreise. Insofern wurde beispielsweise die Ähnlich-
keit zwischen „Werbung“ und „Büroarbeiten“ als zweifelhaft und zwischen „Wer-
bung“ und „Finanz- und Versicherungswesen“ wegen Zweckverschiedenheit als
nicht gegeben angesehen (vgl. Richter/Stoppel, a. a. O., Seite 376, rechte Spalte).
3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als normal einzustufen.
Die Bezeichnung „INTEGRA“ lässt sich lexikalisch nicht nachgewiesen. Sie erin-
nert an das Adjektiv „integral“ als Umschreibung für „ein Ganzes ausmachend“
bzw. „vollständig“ oder an das in der Mathematik verwendete Substantiv „Integral“
(vgl. Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache, 21. Auflage, Seite 374).
Trotz dieser damit verbundenen Assoziationen ist mit der Widerspruchsmarke ein
klar erkennbarer beschreibender Sinngehalt nicht verbunden.
4. Die sich gegenüber stehenden Marken sind unmittelbar verwechselbar. In der
angegriffenen Marke besitzt der Bestandteil „Integral“ nicht nur eine selbständig
kennzeichnende Stellung (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE), son-
dern prägt auch ihren Gesamteindruck (vgl. u.
a. BGH GRUR
2004, 865
- Mustang). Dies setzt voraus, dass die übrigen Markenteile für die angesproche-
nen Verkehrsteilnehmer in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamtein-
druck vernachlässigt werden können Vorliegend wird die Bezeichnung „Integral“
durch ihre Schriftgröße, ihre Stellung im oberen Bereich der jüngeren Marke und
durch die rautenförmige Umrahmung besonders hervorgehoben.
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Demgegenüber fällt der weitere Markenbestandteil „Financial - Planning“ wegen
seiner Größe und schmucklosen Ausgestaltung nicht so stark auf. Zudem be-
schreibt er die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen. Auf-
grund des Bindestrichs (unabhängig von den zusätzlichen Leerräumen) handelt es
sich um einen Gesamtbegriff, dem ein Großteil des Verkehrs die im Deutschen
fast gleichlautende Bedeutung „Finanzplanung“ beimessen wird (vgl. Pons, Groß-
wörterbuch, Englisch-Deutsch, 1. Auflage, Seiten 319 und 664). Zudem setzt sich
die Wortfolge aus im Inland weitgehend geläufigen Begriffen des englischen
Grundwortschatzes zusammen. Einen sachlichen Bezug zum Bereich der Finanz-
planung weisen alle Dienstleistungen der jüngeren Marke auf. Dies wird teilweise
bereits durch ihre Bezeichnung deutlich („Finanzdienstleistungen“, „Finanzwesen“,
„Finanzplanung“ oder „Geldgeschäfte“). Auch im Rahmen des Versicherungs- und
Immobilienwesens kommt es auf die Finanzplanung an. Zu nennen sind hierbei
beispielsweise die Entrichtung der Versicherungsbeiträge, die Höhe und Auszah-
lung etwaiger Versicherungssummen oder die Finanzierung eines Hauses durch
Kredite. Bezüglich Unternehmensverwaltung sowie Geschäftsführung macht die
Wortfolge „Financial - Planning“ deutlich, dass das Unternehmen und die Ge-
schäfte auf der Grundlage einer soliden Finanzplanung geführt werden bzw. mit
Hilfe dieser Tätigkeiten eine Finanzplanung entwickelt wird. Im Hinblick auf Büro-
arbeiten kann ihr die Aussage entnommen werden, dass diese Dienstleistungen
im Finanzbereich erbracht werden oder finanzplanerischen Zwecken (z. B. Kos-
tenprognosen, Steuerbuchhaltung, Bilanzerstellung) dienen.
Die hinter dem Bestandteil „Integral“ befindliche Graphik in der jüngeren Marke ist
zwar deutlich erkennbar, dennoch kommt ihr keine prägende Bedeutung zu. Die
Raute weist parallele und aufeinander zulaufende Linien auf, wodurch ein dreidi-
mensionaler Eindruck entsteht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie vor-
nehmlich den Wortbestandteil „Integral“ umrahmen und hervorheben soll. Dem-
zufolge besitzt die Graphik nur eine schwache Kennzeichnungskraft. Zudem wer-
den zur Bezeichnung einer Marke regelmäßig die Wörter als einfachste und kür-
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zeste Bezeichnungsform herangezogen. Dies gilt zumindest für die klangliche
Verwechslungsgefahr (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9, Rdnr. 296).
Damit stehen sich die Bezeichnungen „Integral“ und „INTEGRA“ gegenüber. Beide
unterscheiden sich lediglich dadurch, dass erstgenannte zusätzlich den Buchsta-
ben „l“ am Ende aufweist. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass das Wort „Integral“
- wie oben bereits ausgeführt - einen Sinngehalt aufweist, der der Gefahr von
Verwechslungen entgegenwirken kann. Hierbei kommt es jedoch maßgeblich dar-
auf an, ob er sich für den Verkehr deutlich aufdrängt (vgl. BGH GRUR 1967, 246
- Vitapur). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da „Integral“ mehrere Bedeutungen
haben kann. Zudem fallen Abweichungen am Wortende weniger auf (vgl. BGH
GRUR 1966, 432 - Epigran I). Auch ist der Konsonant „l“ als solcher klangschwach
und führt zu keiner Änderung der Silbenzahl. Zwar bewirkt er, dass die Bezeich-
nung „Integral“ eher auf der letzten Silbe betont wird, während beim Wort
„INTEGRA“ die Betonung mehr auf der zweiten Silbe liegt. Jedoch reicht eine un-
terschiedliche Aussprache der Silben für sich alleine zur phonetischen Abgren-
zung nicht aus. Folglich ist angesichts der fast vollständigen Identität der Ver-
gleichszeichen eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen.
5. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer mittelbaren Verwechslungsgefahr sind
nicht erkennbar. Insbesondere weist die Widerspruchsmarke „INTEGRA“ bzw. die
wesensgleiche Bezeichnung „Integral“ keinen Hinweischarakter auf den Inhaber
der älteren Marke auf. Weder gibt es hierfür entsprechende Belege noch ist hierzu
seitens des Widersprechenden etwas vorgetragen worden. Weitere Unterfälle der
assoziativen Verwechslungsgefahr kommen vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.
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6. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bestand kein Anlass, aus Gründen
der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.
gez.
Unterschriften