Urteil des BPatG vom 30.09.2002

BPatG: marke, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, eugh, eng, aufmerksamkeit, ware, lateinisch, arzneimittel, winter

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 31/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 396 02 546
BPatG 154
6.70
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 30. September 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann, der Richterin Winter und des Richters Voit
beschlossen:
Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
TILUDOR
das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am
30. September 1996.
Widerspruch erhoben haben ua die Inhaberin der am 24. März 1959 für "Arznei-
mittel, nämlich ein Herz- und Kreislaufmittel" eingetragenen Marke 723 328
GILUCOR
TILIDOL
GILUCOR
dem Patentamt bestritten worden. Die Widersprechende I hat Unterlagen zur
Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem
angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den jeweiligen Ver-
gleichsmarken verneint und ua diese Widersprüche zurückgewiesen. Ein Ausei-
TILUDOR
Konsonanten am Anfang sowohl der Gesamtwörter wie deren Schlußsilben und
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des Hinweises von "cor" auf "Herz" am Ende der Widerspruchsmarke gewähr-
TILUDOR
gen in der Vokalfolge und im Schlußkonsonanten ausreichend unterscheidbar.
Mit den Beschwerden wird geltend gemacht, der nach der Warenlage erforderliche
Abstand der Marken werde nicht eingehalten, so daß Verwechslungsgefahr be-
stehe.
Die Widersprechenden I und II beantragen sinngemäß,
den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom
19. September 2001 insoweit aufzuheben, als die Widersprüche
GILUCOR
rückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.
Eine Äußerung der Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren ist nicht zu den Ak-
ten gelangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf
die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, in der Sache aber nicht
begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungs-
gefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Widersprüche sind deshalb von
der Markenstelle gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zu Recht
zurückgewiesen worden.
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Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wech-
selbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit
der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen wer-
den kann und umgekehrt (st Rspr zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH
MarkenR 1999, 297 – HONKA; BGH MarkenR 2001, 204, 205 – REVIAN/EVIAN).
GILUCOR
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke
GILUCOR
allgemein erkennbaren, deutlich beschreibenden Bezug beinhaltet und im Zu-
sammenhang mit den Herz-und Kreislaufmitteln ein Indikationshinweis ist, er-
scheint die Gesamtmarke hinreichend phantasievoll gebildet. Allerdings wirkt sich
der Bedeutungsgehalt in der Endsilbe verwechslungsmindernd aus. "Cor" stellt
nicht nur für Fachleute, sondern auch für Endverbraucher im Zusammenhang mit
Herz- und Kreislaufmitteln einen verständlichen Hinweis auf "Herz" dar, schon we-
gen seiner häufigen Verwendung auf dem Gebiet der Herzerkrankungen. Solche
Sinnanklänge führen zwar nicht zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr (iSv
BGH GRUR 1992, 130 ff - BALL/Bally, im Grundsatz bestätigt in BGH MarkenR
2000, 130, 132 – comtes/ComTel), erleichtern aber in gewissem Umfang die Un-
terscheidbarkeit der Zeichen.
Aufgeworfene Benutzungsfragen können dahinstehen. Auch bei einer Berücksich-
tigung der Waren der Widerspruchsmarke nach der Registerlage ist eine Ver-
wechslungsgefahr nicht gegeben, selbst wenn von teils identischen, teils eng ähn-
lichen Waren ausgegangen wird, für die im Bereich der Arzneimittel eine Rezept-
pflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicher
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Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht und damit die allgemeinen
Verkehrskreise uneingeschränkt als angesprochene Verbraucher zu berücksichti-
gen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht
auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzu-
stellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung un-
terschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/-
TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 liSp – ALKA-SELTZER; EuGH Mar-
kenR 1999, 236, 239 unter 24.-Lloyd/Loints) und der insbesondere allem, was mit
der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen
pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Den danach erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke selbst im Bereich
identischer Waren noch ein. Zwar stimmen die Marken in der Vokalfolge überein
und weisen an gleicher Wortstelle die Konsonanten "L-R" auf. In den Wortanfän-
gen unterscheiden sich die Marken in klanglicher Hinsicht jedoch durch die abwei-
chenden Anfangskonsonanten "T/G". Da Wortanfänge im allgemeinen aber stär-
ker beachtet werden als die übrigen Markenteile, und hier auch die Betonung liegt,
kommt ihnen hier besonderes Gewicht zu (vgl hierzu Althammer/Ströbele Mar-
kengesetz 6. Aufl § 9 Rdn 97 mwN). Weiter ist zu berücksichtigen, daß auch die
Abweichungen in den Anfangskonsonanten der Schlußsilben (D/C) hervortreten.
Diese Abweichungen führen trotz Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten im Ge-
samteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend
verschiedenen Klangbild der Marken, weil zusätzlich der Sinngehalt von "cor" in
der Widerspruchsmarke eine relevante Merkhilfe gibt.
Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinan-
derhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der geschil-
derten Abweichungen ebenfalls gewährleistet. Hierbei ist noch zu berücksichtigen,
daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und
auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell ver-
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klingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher
auffallen.
TILIDOL
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke
TILIDOL
nen beschreibenden Bezug beinhaltet und im Zusammenhang mit Schmerzmitteln
ein Indikationshinweis ist. Allerdings trägt der Begriffsgehalt des Endbestandteils,
der ein häufig vorkommender Markenteil ist (vgl Senatsentscheidung
30 W (pat) 183/00 – ZODOL/XEDOL, PAVIS PROMA Kliems CD-ROM), zur Un-
terscheidbarkeit der Marken bei.
Unter diesen Umständen ist, auch wenn wiederum von teils identischen, teils eng
ähnlichen Waren ausgegangen wird, die Verwechslungsgefahr noch zu verneinen.
Zwar stimmen die Vergleichsmarken in der Abfolge der Konsonanten "T-L-D" ü-
berein. Indessen heben sich die Vergleichsmarken durch die abweichende Vo-
kalfolge – "I-U-O" gegenüber "I-I-O" – insbesondere durch die Wiederholung des
Vokals "I" und die durch "dol" gegebene Merkhilfe in der Widerspruchsmarke
klanglich wie schriftbildlich so deutlich voneinander ab, daß insgesamt Verwechs-
lungen nicht zu befürchten sind.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
(§ 71 Abs 1 MarkenG).
Buchetmann Winter
Voit
Hu