Urteil des BPatG vom 20.11.2006

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 14/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 48 716.9-33
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 20. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
1) Es wird festgestellt, dass eine Beschwerde nicht erhoben
wurde.
2) Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.
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G r ü n d e
I.
Der Anmelder hatte beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Antrag vom
2. Oktober 2001 die Erteilung eines Patents für die als „Erdstrahlen-Abschirm Ge-
webe (Gelege) EAG“ bezeichnete Erfindung beantragt und wurde durch Zwi-
schenbescheid der Prüfungsstelle für Klasse A 61 N vom 12. Juni 2002 auf di-
verse Mängel der Anmeldeunterlagen, wie ua eine unklare Bezeichnung und feh-
lende Patentansprüche hingewiesen. Ihm wurde gleichzeitig Gelegenheit gege-
ben, die genannten Mängel binnen zwei Monaten zu beseitigen. Nachdem keine
Reaktion seitens des Anmelders erfolgte, wurde durch Beschluss der Prüfungs-
stelle vom 23. September 2002 die Patentanmeldung unter Hinweis auf die nach
wie vor bestehenden Mängel zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde am
7. Oktober 2002 durch die Post zugestellt.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2002, welches am 31. Oktober beim Deutschen
Patent- und Markenamt einging, bat der Anmelder um die Gewährung einer
Nachfrist von 4 Wochen für eine Stellungnahme unter Hinweis auf einen beilie-
genden Verrechnungsscheck von 200 Euro, der - wie auch bereits weitere voran-
gegangene Einzahlungen - keine Angabe eines Verwendungszwecks enthielt.
Dieser wurde am 31.
Oktober
2002 als allgemeine Zahlung (Gebühren-
code 310000) gut geschrieben und erst am 6. Februar 2003 als Gebührenzahlung
für eine Beschwerdegebühr (Gebührencode 411200) umgebucht.
Aufgrund des Gesuchs um Fristverlängerung im Schreiben des Anmelders vom
29. Oktober 2002 wurde diesem durch Verfügung vom 4. November 2002 trotz
des bereits zwischenzeitlich erlassenen und zugestellten Zurückweisungsbe-
schlusses vom 23.
September
2002 eine Fristverlängerung bis zum
30. November 2002 gewährt. Mit Schreiben vom 27. November 2002, welches am
28. November 2002 beim Patentamt einging, reichte der Anmelder unter Hinweis
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auf den Zwischenbescheid vom 12. Juni 2002 weitere Anmeldeunterlagen ein,
u.
a. Patentansprüche sowie eine Erfinderbenennung. Mit Verfügung vom
24. Februar 2003 wurde schließlich das Verfahren unter Nichtabhilfe der Be-
schwerde dem Bundespatentgericht vorgelegt.
II.
Nach Auffassung des Senats fehlt es an der Einlegung einer Beschwerde im
Sinne des § 73 PatG, da der Schriftsatz vom 29. Oktober 2002, welcher am
31. Oktober beim Deutschen Patent- und Markenamt einging, nicht als gegen den
Beschluss der Prüfungsstelle vom 23. September 2002 gerichtete Beschwerde-
schrift ausgelegt werden kann und der Anmelder auch keine sonstige Erklärung
abgegeben hat, welche als Beschwerde verstanden werden könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Prozesshandlungen und -erklärungen nach
den geltenden Grundsätzen einer am wirklichen und erkennbar erklärten Willen
orientierten Auslegung gemäß §§ 133 ff. BGB, insbesondere auch am wohlver-
standenen Interesse des Erklärenden auszulegen (vgl. Thomas/Putzo ZPO,
27. Aufl., Einl. II Rdn. 16a, Einl. III Rdn. 16; BGH NJW 2001, 3789-3790 m. w. N.;
Schulte PatG, 7. Aufl., Einl. Rdn. 108 sowie Rdn. 110). Nicht zulässig ist es aller-
dings, einer Erklärung nachträglich den Sinn zu geben, der dem Erklärenden am
besten dient, wenn der eindeutige Wortlaut einer derartigen Auslegung entgegen-
steht (BGH NJW-RR 2002, 646; Zöller ZPO, 25. Aufl., Vor § 128 Rdn. 25). Ist da-
nach für die Auslegung eines Schriftsatzes als Beschwerdeschrift nicht wesentlich,
ob dieser Schriftsatz als „Beschwerde“ bezeichnet ist, so ist andererseits aber we-
sentlich, ob der Schriftsatz oder jedenfalls hiermit in Zusammenhang eingereichte
Urkunden, wie zum Beispiel eine Einzugsermächtigung oder ein Verrechnungs-
scheck, überhaupt den Willen des Erklärenden zur Anfechtung erkennen lassen
(vgl. hierzu auch Schulte PatG 7. Aufl., § 73 Rdn. 64 und Rdn. 65 m. w. H). Daran
fehlt es aber vorliegend, da weder der Inhalt des Schriftsatzes vom
29. Oktober 2002 noch der Verrechnungsscheck einen derartigen Willen erkennen
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lassen, sondern der Schriftsatz vom 29. Oktober 2002 eindeutig auf die Gewäh-
rung einer Fristverlängerung gerichtet war. Dieser enthält die ausdrückliche, an
den Prüfer gerichtete Bitte, eine Nachfrist für eine Stellungnahme zu gewähren,
und ist deshalb auf Fortführung des Verfahrens durch den Prüfer und nicht auf
Überprüfung des durch den Beschluss der Prüfungsstelle vom
23. September 2002 vor der Prüfungsstelle abgeschlossenen Verfahrens gerich-
tet. In diesem Sinne hatte es offensichtlich auch die Prüfungsstelle verstanden, da
sie dem Anmelder versehentlich mit der Verfügung vom 4. November 2002 als
Reaktion auf den Schriftsatz vom 29. Oktober 2002 eine Fristverlängerung bis
zum 30. November 2002 gewährte, obwohl dies wegen des bereits durch Be-
schluss abgeschlossenen Verfahrens ohne Wirkung sein musste. Ebenso wurde
erst im Nachhinein hinsichtlich der gebührenmäßigen Bearbeitung die ohne An-
gabe eines Verwendungszwecks am 31. Oktober 2002 gebuchte Einzahlung von
200 Euro am 6. Februar 2003 als Gebührenzahlung für eine Beschwerdegebühr
angesehen und umgebucht.
Unter Berücksichtigung des Aussagegehalts des Schriftsatzes vom
29. Oktober 2002 und der dargelegten Gesamtumstände, insbesondere der Zah-
lung ohne Bestimmungsangabe, kann demnach auch die Beifügung eines Ver-
rechnungsschecks über 200 Euro - im Übrigen einer Zahlungsweise, welche nach
der dem Beschluss der Prüfungsstelle vom 23. September 2002 beigefügten zu-
treffenden Belehrung über Zahlungshinweise zu dieser Zeit wegen der seit
1. Januar 2002 geltenden Fassung der PatKostZV schon nicht mehr als zulässig
war - nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis führen, auch wenn der Betrag
der Höhe nach der Beschwerdegebühr entspricht.
Auch hat der Anmelder trotz des Hinweises des Senats vom 2. Juni 2006, dass
der Schriftsatz vom 29. Oktober 2002 nach vorläufiger Auffassung nicht als Be-
schwerdeschrift ausgelegt werden könne, sich hierzu weder geäußert noch jemals
behauptet, dass er eine Beschwerde habe einlegen wollen. Aus diesem Grunde
kommt auch eine Umdeutung des Schriftsatzes vom 29. Oktober 2002 in eine Be-
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schwerdeschrift gemäß § 140 BGB nicht in Betracht, da diese einen entsprechen-
den Willen des Erklärenden voraussetzt (vgl. Palandt BGB 57. Aufl., § 140
Rdn. 8).
Da es mithin an einer Beschwerde im Sinne von § 73 PatG mangelt, war die
Rückzahlung des als Beschwerdegebühr verbuchten Betrages von 200 Euro an-
zuordnen. Zur Klarstellung war ferner der Feststellungsausspruch zu treffen, dass
eine Beschwerde im Sinne von § 73 PatG nicht erhoben wurde.
gez.
Unterschriften