Urteil des BPatG vom 04.10.2000

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BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 199/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
4. Oktober 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 397 14 873
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel sowie der Richterinnen Grabrucker und Martens
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 27. September 1999 aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 14 027 wird die
Löschung der angegriffenen Marke 397 14 873 für "Fahrzeuge,
technische Beratung" angeordnet.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 12. Juni 1997 unter anderem für die Waren "Fahrzeuge" sowie für
die Dienstleistung "technische Beratung" eingetragene Wortmarke 397 14 873
smartech
ist Widerspruch erhoben aus der älteren Wortmarke 395 14 027
SMART
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die seit dem 1. Juli 1996 unter anderem für
"Kraftfahrzeuge und deren Teile; technische Beratung und Er-
stellen von technischen Gutachten"
eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich lediglich gegen die oben genannten
Waren bzw Dienstleistungen der Markeninhaberin.
Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken mit der
Begründung verneint, es sei nicht zulässig, aus der jüngeren Marke die der Wi-
derspruchsmarke entsprechende Buchstabenfolge "smart" isoliert zum Ähnlich-
keitsvergleich herauszugreifen, da die jüngere Marke einen einheitlichen Begriff
darstelle, der sich nach der natürlichen Silbengliederung in "smar" und "tech" auf-
gliedere.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der
Auffassung, die jüngere Marke werde wie "smart-tech" wiedergegeben, wobei der
fehlende zweite Buchstabe "t" nicht auffalle, und sei durch den Bestandteil "smart"
geprägt, dem von Haus aus eine normale Kennzeichnungskraft zukomme.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Widerspruch
im beantragten Umfang stattzugeben.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie führt aus, die Widerspruchsmarke besitze bezogen auf den Anmeldezeitpunkt
der jüngeren Marke allenfalls eine geringe Unterscheidungskraft. Der Verwechs-
lungsgefahr stünden eine unterschiedliche Zeichenlänge und Wortkontur der
Marken entgegen. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr komme nicht in
Betracht, zumal "smart" nicht als selbständiger Wortstamm in der jüngeren Marke
enthalten sei.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Zwischen der
angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht nach Auffassung des
Senats die Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalles zu beurteilen. Hierzu gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad
der Widerspruchsmarke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das an-
gegriffene Zeichen zu ihr hervorrufen kann sowie der Grad der Ähnlichkeit zwi-
schen den beiden Marken und den damit gekennzeichneten Waren oder Dienst-
leistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der
Marken auf deren Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die sie un-
terscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Dabei
kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbrau-
cher wirkt.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht vorliegend für die im Tenor
genannten Waren und Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen, da in-
soweit von identischen Waren und Dienstleistungen auszugehen ist. Das hat zur
Folge, daß an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand erhöhte An-
forderungen zu stellen sind, denen sie im Ergebnis nicht mehr gerecht wird. Dabei
hat der Senat mangels Anhaltspunkten für eine Schwächung von "smart" auf dem
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vorliegenden Warengebiet eine normale Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke zugrunde gelegt und berücksichtigt, daß dort breite Verkehrskreise
die Produkte nachfragen bzw Dienstleistungen in Anspruch nehmen, wobei dieser
im Grunde kollisionsfördernde Umstand allerdings dadurch kompensiert wird, daß
der Verkehr wegen der generell höheren Preiskategorien im Kraftfahrzeugbereich
und als ohnehin durchschnittlich informierter und aufgeklärter Verbraucher Kenn-
zeichnungen mit gesteigerter Aufmerksamkeit begegnet.
Demnach kommen sich die Marken im Ergebnis zu nahe. Zwar bestehen zwi-
schen ihnen keine unmittelbar bildlichen oder begrifflichen Übereinstimmungen,
jedoch wirkt bereits der Umstand, daß die Widerspruchsmarke vollständig in der
angegriffenen Marke enthalten ist, kollisionsfördernd und zwar vor allem in klan-
glicher Hinsicht und angesichts des Erfahrungssatzes, wonach das undeutliche
Erinnerungsbild von den Übereinstimmungen in den Marken stärker geprägt wird
als von den Abweichungen. Diese Gemeinsamkeiten stehen auch am eher be-
achteten Wortanfang der Zeichen und prägen den Gesamteindruck der jüngeren
Marke, wohingegen das unterschiedliche Wortende klanglich deutlich abfällt und
wegen seines verbrauchten Sinngehalts eher vernachlässigt wird. Das angefügte
beschreibende Kürzel "tech" kann somit eine Unterscheidbarkeit nicht herbeifüh-
ren, zumal sich die Abweichung in der Schreibweise durch Weglassen des zwei-
ten Buchstabens "t" klanglich ohnehin nicht auswirkt, sondern allenfalls für die im
gegebenen Zusammenhang unerhebliche Bildwirkung der Marke Bedeutung hat
(vgl BGH BlPMZ 1998, 467 - salvent/salventerol). Kommt daher der weiteren
Buchstabenfolge "(t)ech" gegenüber dem den Gesamteindruck der angegriffenen
Marke prägenden Bestandteil "smart" nur eine geringe Bedeutung zu, kann ange-
sichts der bestehenden Identität der Waren und Dienstleistungen eine Ver-
wechslungsgefahr im Umfang des beschränkt eingelegten Widerspruchs nicht
verneint werden.
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Bei dieser Sach- und Rechtslage war der Beschwerde der Widersprechenden
stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang
anzuordnen.
Besondere Gründe dafür, einer der Beteiligten die Kosten des Verfahrens aus Bil-
ligkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), liegen nicht vor.
Stoppel Grabrucker Martens
Mü/prö