Urteil des BPatG vom 24.05.2004, 30 W (pat) 32/03
BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, patent, bauwesen, winter, gesamteindruck, aufmerksamkeit, sorgfalt, form, wiedergabe
- Entschieden
- 24.05.2004
- Schlagworte
- Verwechslungsgefahr, Kennzeichnungskraft, Patent, Bauwesen, Winter, Gesamteindruck, Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Form, Wiedergabe
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 32/03 _______________ Verkündet am 24. Mai 2004
… (Aktenzeichen)
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
betreffend die angegriffene Marke 301 05 901
BPatG 154
6.70
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2004 unter Mitwirkung der Richterin Winter
als Vorsitzender sowie des Richters Schramm und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Marke TRIAPOR ist am 25. Juni 2001 unter der Nummer 301 05 901 für "Baumaterialien, nicht aus Metall; Bauwesen" in das Markenregister eingetragen
worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 26. Juli 2001.
Widerspruch erhoben hat am 10. September 2001 die Inhaberin der Marke
919 455 Liapor, eingetragen seit dem 12. Juni 1974 ua für "Baumaterialien;
Blähton", und zwar gestützt auf diese Waren.
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat Verwechslungsgefahr insbesondere unter Hinweis auf deutliche Unterschiede in den
Wortanfängen verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie meint insbesondere, dass im
Hinblick auf identische Waren der Markenabstand nicht ausreiche, zumal die Betonung bei den vorliegenden Kunstwörtern auf der Silbe "-por" liegen könne. Auch
das Schriftbild sei stark angenähert. Außerdem sei die Widerspruchsmarke intensiv benutzt.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 19 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Dezember 2002 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Eine Äußerung zur Sache seitens der Inhaber der angegriffenen Marke ist nicht zu
den Akten gelangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Es besteht auch nach
Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2
MarkenG von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnunskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der
Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden
kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB BGH GRUR 2004, 241, 242
– GeDIOS; BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II jew mwN). Nach diesen
Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke
insgesamt aus, auch wenn sie das bekannte und häufig im Bereich der Klasse 19
verwendete Wortbildungselement "-por" enthält. Die von der Widersprechenden im
Beschwerdeverfahren geltend gemachte erhöhte Kennzeichnungskraft wurde
zwar von den Inhabern der angegriffenen Marke nicht bestritten. Die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft stellt jedoch eine rechtliche Wertung dar, die
als solche weder einem Behaupten noch einem Bestreiten zugänglich ist. Daher
kann nicht schon deshalb von ihr ausgegangen werden, weil sie, wie vorliegend,
von der Inhaberin des älteren Rechts unwidersprochen behauptet worden ist.
Vielmehr sind die diese Rechtsbehauptung stützenden Tatsachen vorzutragen,
soweit sie nicht ausnahmsweise amtsbekannt sind (vgl Ströbele/Hacker MarkenG
7. Aufl § 9 Rdn 304 mwN). Amtsbekannt sind vorliegend derartige Tatsachen nicht
und Tatsachen, die diese Rechtsbehauptung stützen könnten, sind nicht dargelegt.
Ausgehend von der Registerlage und dem allein auf die Waren "Baumaterialien;
Blähton" gestützten Widerspruch können die Marken bei den "Baumaterialien" zur
Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden. Ob zwischen der Dienstleistung "Bauwesen" der angegriffenen Marke und den "Baumaterialien" der
Widerspruchsmarke überhaupt noch Ähnlichkeit bejaht werden kann (zur
Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen vgl BGH aaO – GeDIOS S 243)
bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch bei Bejahung der
Ähnlichkeit und Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von
Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken zwar bei gleicher Silbenzahl, Vokalfolge sowie gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in der Schlußsilbe "-POR"
überein. Von Bedeutung ist jedoch zunächst, dass die Übereinstimmung in dem
Endbestandteil "-POR" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und
der Markenähnlichkeit weniger ins Gewicht fällt, als dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre.
Denn bei dem Schlußelement "-POR" handelt es sich um einen beschreibenden
und damit kaum individualisierend und kennzeichnend wirkenden Hinweis auf "porös" (vgl BPatG 32 W (pat 223/95 – FRIAPORE/Liapor, veröffentlicht auf PAVIS
PROMA CD-ROM). Es ist darüber hinaus ein gebräuchliches Wortelement im Bereich von Kennzeichnungen im Baubereich und daher in einer großen Anzahl von
Drittmarken bzw Markenanmeldungen der Klasse 19 enthalten. Auch wenn von
den entsprechend gebildeten Marken tatsächlich nicht alle benutzt sein dürften,
kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht gänzlich unbeachtet
bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE - Vitapur sowie MarkenR
1999, 57, 59 - Lions). Wenngleich derartige beschreibende Zeichenelemente bei
der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mitzuberücksichtigen sind, so bewirken sie doch eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die vorderen Markenteile, hier also auf "TRIA-" bzw "Lia-". Dabei fällt noch besonders ins Gewicht, dass Wortanfänge erfahrungsgemäß ohnehin mehr als nachfolgende Wortteile beachtet werden (vgl BGH BGH GRUR 1995,
50, 53 - Indorektal/Indohexal), weshalb die hier vorhandenen Unterschiede um so
eher wahrgenommen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird der Unterschied zwischen den Konsonanten in den Anfangsbestandteilen "TRIA-" bzw "Lia-" aufgrund der deutlich
verschiedenen Klangeigenschaft der Laute "TR-" einerseits und der Laute "L-"
andererseits, auch unter noch zu berücksichtigenden ungünstigen Übermittlungsbedingungen hinreichend sicher wahrgenommen und führt zu einem nicht verwechselbaren akustischen Gesamteindruck der Marken.
Im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen üblichen
Wiedergabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist
zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas
größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das
häufig bei mündlicher Benennung entsteht. Unter diesen Voraussetzungen reichen
auch bei einer schriftlichen Wiedergabe in jeder Form der am Wortanfang der
angegriffenen Marke enthaltene zusätzliche Konsonant "R" sowie die figürlichen
Abweichungen zwischen den Buchstaben "T-" und "L-" aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.
Soweit die Widersprechende zur Begründung einer begrifflichen Verwechslungsgefahr ausführt, die Anfangsbestandteile der Marken wiesen auf Begriffe der Erdgeschichte, nämlich die Perioden "Trias" und "Lias" hin, kann dem keine kollisionsbegründende Bedeutung beigemessen werden. Abgesehen von der Frage der
Bekanntheit dieser Wörter und einer etwa beschreibenden Aussage fehlt es am
erforderlichen völlig übereinstimmenden Sinngehalt (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9
Rdn 218 mwN): wie die Widersprechende selbst dargelegt hat, handelt es sich um
unterschiedliche Perioden der Erdgeschichte, so dass "Trias" und "Lias" keine
Synonyme darstellen, auch nicht etwa für "Erdgeschichte" allgemein.
Insoweit sind auch keine Anknüpfungspunkte für eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr ersichtlich. Abgesehen vom übereinstimmenden Sinngehalt
muß sich die gedankliche Verbindung aufdrängen; sind – wie hier - mehrere Gedankenschritte oder gar spezielle Überlegungsvorgänge erforderlich, um hinreichende Gemeinsamkeiten der Marken festzustellen, kann von einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht mehr ausgegangen werden (vgl Ströbele/Hakker aaO § 9 Rdn 497).
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Winter Schramm Hartlieb
Hu