Urteil des BPatG vom 18.10.2007

BPatG (wiedereinsetzung in den vorigen stand, erledigung des verfahrens, patg, antrag, stundung, beschwerde, mitteilung, patent, anmeldung, grund)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 35/04
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
_______________________
betreffend die Patentanmeldung P 42 32 122.0
(hier: Rücknahmefiktion gemäß § 58 Abs. 3 PatG)
den Vorsitzenden
Richter Schülke, die Richterin Püschel und den Richter Rauch
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts in der Sitzung vom 18. Oktober 2007 durch
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beschlossen:
1.
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
8. Dezember 2003 - Prüfungsstelle für Klasse H 01 H - wird aufge-
hoben.
2.
Dem Anmelder wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskosten-
hilfe gewährt und Rechtsanwalt L… als Vertreter beige-
ordnet.
G r ü n d e
I.
Der Anmelder reichte am 25. September 1992 beim Patentamt eine Patentanmel-
dung mit der Bezeichnung „Leuchtender Regler und Schaltknopf“ ein. Auf seinen
Antrag wurde ihm Verfahrenskostenhilfe für das gesamte Patenterteilungsverfah-
ren bewilligt. Ebenso wurden dem Anmelder antragsgemäß verschiedene Jahres-
gebühren gestundet, zuletzt auf Grund eines mit Schreiben vom
4. September 1998 gestellten Antrags die dritte bis siebte Jahresgebühr bis zum
30. September 1999. Dieser Antrag bezog sich nicht nur auf die vorliegende, son-
dern auch auf weitere vom Anmelder getätigte Patentanmeldungen, u. a. auf die
Anmeldungen P 43 32 972.1 und P 43 32 974.8.
Nachdem am 4. Oktober 2000 beim Patentamt ein weiterer Stundungsantrag ein-
gegangen war, teilte das Patentamt dem Anmelder mit Schreiben vom
9. November 2000 mit, dass seine Anmeldung erloschen sei, nachdem er bis zum
30. September 1999 weder die Jahresgebühren gezahlt noch erneut ihre Stun-
dung beantragt habe.
Der Anmelder stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, er habe rechtzeitig
einen weiteren Stundungsantrag gestellt. Zum Nachweis übersandte er u. a. die
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Kopie eines Schreibens vom 10. September 1999, woraus zu ersehen sei, dass
das Patentamt einen von ihm rechtzeitig gestellten Stundungsantrag nicht zur
Kenntnis genommen habe.
Schließlich teilte das Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse H 01 H - dem Anmel-
der mit Schreiben vom 8. Dezember 2003 nochmals mit, dass seine Patentanmel-
dung wegen Nichtzahlung der dritten Jahresgebühr mit Ablauf des
1. Oktober 1999 als zurückgenommen gelte, nachdem bis zum Ablauf der Stun-
dungsfrist weder eine Zahlung geleistet noch ein erneuter Stundungsantrag ge-
stellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne gemäß
§ 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nicht mehr beantragt werden.
Gegen diese Mitteilung wandte sich der Anmelder mit seinem Schreiben vom
6. Januar 2004, eingegangen am 10. Januar 2004, welches das Deutsche Patent-
und Markenamt dem Bundespatentgericht als Beschwerde vorlegte.
Der Anmelder beantragt sinngemäß
- die Aufhebung der Mitteilung des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 8. Dezember 2003;
- hilfsweise: die Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung eines
Antrags auf Stundung der bislang aufgelaufenen Jahresgebüh-
ren bzw. auf Gewährung für Verfahrenskostenhilfe für diese
Gebühren,
- die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde-
gebühr;
- die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdever-
fahren.
Außerdem stellt er einen weiteren Antrag auf Gewährung von Stundung bzw.
Verfahrenskostenhilfe für die Jahresgebühren.
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Der Senat hat die Akten der Patentanmeldungen P 43 32 972.1 und P 43 32 974.8
beigezogen. Auch für diese Anmeldungen bzw. Patente wurden dem Anmelder die
Jahresgebühren gestundet. So beschloss das Patentamt auf Grund des auch zum
vorliegenden Verfahren eingereichten Schreibens vom 4. September 1998, das
am 29. September 1998 eingegangen war, die Stundung der sechsten Jahresge-
bühr. Auf Grund desselben Schreibens, das der Anmelder am 30. Januar 1999
nochmals eingereicht hatte, wurde ihm in den beiden genannten Verfahren durch
Bescheide vom 4. Oktober 1999 auch die jeweils siebte Jahresgebühr gestundet.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Beschwerde ist als statthaft anzusehen, weil sie sich gegen einen Be-
schluss i. S. d. § 73 Abs. 1 PatG richtet. Ob ein Beschluss vorliegt, ist nach stän-
diger Rechtsprechung nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung einer Ent-
scheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Unter einem Be-
schluss ist danach eine Entscheidung zu verstehen, durch die eine abschließende
Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte,
PatG, 7.
Aufl., §
73 Rn.
22
ff. m.
w.
N.). Durch die Mitteilung vom
8. Dezember 2003 wollte das Deutsche Patent- und Markenamt abschließend
feststellen, dass die Anmeldung infolge Nichtzahlung der dritten Jahresgebühr als
zurückgenommen zu gelten habe. Es handelt sich demnach bei dieser Mitteilung
der Sache nach um einen Beschluss.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Da die Mitteilung vom
8. Dezember 2003 nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und auch nicht
förmlich zugestellt worden war, hat keine Beschwerdefrist zu laufen begonnen. Die
Beschwerdeeinlegung und die Stellung des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für
die Beschwerdegebühr (§§ 129, 130 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 6 Abs. 1 Pat-
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KostG, Nr. 401 300 des Gebührenverzeichnisses - Anlage zu § 2 Abs. 1 Pat-
KostG) waren somit rechtzeitig.
2. Der Beschluss vom 8. Dezember 2003 ist zu Unrecht ergangen.
a) Gemäß § 17 Abs. 1 PatG musste der Anmelder für das dritte und jedes fol-
gende Jahr, gerechnet vom Anmeldetag an, eine Jahresgebühr entrichten. Der
Anmelder machte aber von der Möglichkeit des § 18 Abs. 1 Satz 1 PatG in der bis
zum 31. Januar 2001 gültigen Fassung Gebrauch, wonach einem Patentanmelder
bei Nachweis seiner Mittellosigkeit die Gebühren für das dritte bis zwölfte Jahr bis
zum Beginn des dreizehnten Jahres auf Antrag gestundet werden konnten. Auf
Grundlage dieser Vorschrift stundete das Patentamt die dritte und die später fällig
werdenden Jahresgebühren bis einschließlich der siebten Jahresgebühr bis zum
30. September 1999.
b) Sofern der Anmelder vor Ablauf dieser Frist keinen weiteren Stundungsantrag
gestellt hätte, müsste seine Anmeldung tatsächlich - wie vom Patentamt festge-
stellt - gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zurückgenommen gelten. Jedoch hat der An-
melder von der Möglichkeit zur Stellung eines erneuten Stundungsantrags
Gebrauch gemacht hat, und zwar - wie man den Akten der Verfahren
P 43 32 972.1 und P 43 32 974.8 entnehmen kann - dadurch, dass er seinen An-
trag vom 4. September 1998, der schon als Grundlage für die Stundung der sieb-
ten Jahresgebühr gedient hatte, am 30. Januar 1999 noch einmal eingereicht hat.
Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 4. September 1998 hat der Anmelder die
„Stundung der diesjährigen Jahresgebühren“ beantragt. Man könnte dies zwar so
auslegen, dass er damit nur die im Jahr 1998 fällig gewordenen Jahresgebühren
gemeint hat. Nachdem er das Schreiben jedoch im Jahr 1999 noch einmal ver-
schickt hat, ist sein Wortlaut ebenso auf dieses Jahr beziehen. Das Patentamt
selbst hat das Schreiben in den beiden anderen genannten Verfahren so ausge-
legt, und es hat sich dadurch, dass es im vorliegenden Verfahren den Stundungs-
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antrag im Jahr 1999 als nicht gestellt angesehen hat, in Widerspruch zu seinem
Verhalten in diesen anderen Fällen gesetzt.
Auf die Frage, ob das Schreiben des Anmelders vom 10. September 1999 tat-
sächlich beim Patentamt eingegangen ist, kommt es demnach - ebenso wie auf
den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag - nicht an.
3. Da sich somit die Beschwerde als erfolgreich erweist, ist dem Anmelder
Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen (§§ 129, 130
Abs. 1 Satz 1 PatG, § 114 ZPO). Nachdem ihm in den verschiedenen Anmelde-
verfahren über viele Jahre hinweg Stundungen und Verfahrenskostenhilfe für Jah-
resgebühren gewährt wurden, so etwa in den Verfahren P 43 32 972.1 und
P 43 32 974.8 zuletzt im Oktober 2006, kann davon ausgegangen werden, dass
beim Anmelder auch heute noch die persönlichen und wirtschaftlichen Vorausset-
zungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe vorliegen.
Die Beiordnung des Rechtsanwalts L… für das Beschwerdeverfahren
erscheint zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich (§ 133 PatG).
4. Im weiteren Verfahren wird das Patentamt nicht nur über den Antrag auf Stun-
dung der dritten bis achten Jahresgebühren, sondern auch über die weiteren
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Stundungs- und Verfahrenskostenhilfeanträge bzgl. der später fällig gewordenen
Jahresgebühren zu entscheiden haben.
Schülke Püschel
Rauch
Pr