Urteil des BPatG vom 04.03.2004

BPatG: verwechslungsgefahr, bestandteil, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, verkehr, software, erstellung, internet, erkenntnis, bildmarke

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 121/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 398 61 665
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 4. März 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems so-
wie der Richterin Sredl und des Richters Engels
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 3. April 2002 aufgehoben und die Löschung der ange-
griffenen Marke 398 61 665 angeordnet.
G r ü n d e
I.
Die Marke 398 61 665
WinWASI
ist am 5. März 1999 für „Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung“ in
das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der älteren Marke 2 014 445
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die am 22. Mai 1992 für „Technische Beratung, gutachterliche Tätigkeit, System-
analyse und Forschung für Umweltschutz und Wasserwirtschaft; Erstellung, An-
passung und Einrichtung von Computerprogrammen für umweltrelevante Informa-
tions- Planungs- und Entscheidungsprogramme; Serviceleistungen, nämlich An-
wendung dieser Computerprogramme für Dritte und Einrichtung geografischer
Informationssysteme; komplette Systemlösungen, nämlich Computer mit Compu-
terprogrammen für umweltrelevante Informations-, Planungs- und Entscheidungs-
prozesse; auf Datenträger aufgezeichnete Computerprogramme; Programmdo-
kumentationen und Benutzeranleitungen für erstellte Computerprogramme“ ein-
getragen worden ist, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle hat mit Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes vom
3. April 2002 die Gefahr von Verwechslungen verneint und den Widerspruch zu-
rückgewiesen.
Zwar bestehe teilweise Identität der Dienstleistungen bei (noch) normaler Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Nach dem maßgeblichen Gesamtein-
druck sei der erforderliche Markenabstand jedoch gewahrt. In klanglicher Hinsicht
sei dies durch die zusätzliche Anfangssilbe der angegriffenen Marke gewährleis-
tet. Ein isoliertes Gegenüberstellen nur des Bestandteils „-WASI“ sei auszuschlie-
ßen, auch wenn es sich bei dem weiteren Bestandteil „Win“ um eine Abkürzung
für das Betriebsprogramm „Window/Windows“ handele. Es bestehe auch keine
assoziative VG. Hier fehle es an der Wesensgleichheit der Bestandteile „-Wasi“
und „WASY“. Zudem erinnere die angegriffene Marke nicht an die Widerspruchs-
marke, da diese einen Bildbestandteil enthalte. „-WASI“ besitze in der jüngeren
Marke auch nicht die Eigenständigkeit, dass dieser Wortteil sich beim Hören gleich
aufdränge, abgesehen davon, dass es bereits fraglich sei, ob eine mittelbare Ver-
wechslungsgefahr auch in klanglicher Hinsicht angenommen werden könne. Viel-
mehr wirke die angegriffene Marke als einheitliches Wort. Abgesehen davon
könne „WASY“ in der älteren Marke nur eine geringe Kennzeichnungskraft bean-
spruchen, weil es sich um die Bezeichnung einer bestimmten Schrift-
art/Zeichensatz handele.
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Hiergegen hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 30. April 2002 Be-
schwerde erhoben mit dem Antrag,
den angegriffenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Maßgeblich sei der Gesamteindruck der Marken. Unverständlich sei, warum die
Markenstelle von einer beschreibenden Angabe des Wortes WASY ausgehe,
denn eine irgendwie geartete Beschreibung als Schrifttype/Zeichensatz für die ge-
schützten Dienstleistungen bestehe erkennbar nicht. Daher komme diesem Wort
normale Kennzeichnungskraft zu. Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen
könnten identisch sein, was sich auch daraus ergebe, dass unter der Firma „B…“
eine Software unter dem Namen „WinWasi 3.0“ zur Berechnung der
Kalzitsättigung von Mischwasser angeboten werde. Entgegen der Auffassung der
Markenstelle unterschieden sich die Marken durch die Vorsilbe „Win-„ bzw den
Bildbestandteil der Widerspruchsmarke nicht ausreichend voneinander, denn dem
Wort WASY der Widerspruchsmarke komme prägende Wirkung zu, während die
einfache grafische Darstellung eines Vierecks keine Unterscheidungskraft bean-
spruchen könne. Da in der angegriffenen Marke die Vorsilbe „Win-„ den Einsatz in
Windows-Software beschreibe, wie sich auch aus dem Beispiel „WinWord“ er-
gebe, stünden sich infolge der zu erwartenden Abspaltung von „Win“ die Wörter
„Wasi“ und „WASY“ verwechselbar gegenüber. Auch mittelbare klangliche Ver-
wechslungen sei zu befürchten, weil der Verkehr die Widerspruchsmarke als Win-
dows-Version der angegriffenen Marke sehen könnte, denn die Endungen böten
weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht eine Unterscheidungshilfe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keine Anträge gestellt und sich auch
zur Sache nicht geäußert.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat Erfolg, denn zwischen den
Marken besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne des
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so dass der angefochtene Beschluß der Markenstelle für
Klasse 42 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen ist.
Nachdem Benutzungsfragen nicht aufgeworfen worden sind, ist bei der Beurtei-
lung der Waren- bzw Dienstleistungs-Ähnlichkeit von der Registerlage auszuge-
hen. Danach können sich wegen der im Dienstleistungsverzeichnis der jüngeren
Marke verwendeten Oberbegriffe die Kennzeichen auf identischen Dienstleis-
tungsbereichen begegnen. Auch wenn es sich dabei um Dienstleistungen handeln
kann, die mit Überlegung ausgewählt und in Anspruch genommen werden, kön-
nen sie sich mangels anderer Anhaltspunkte nicht nur an Fachkreise, sondern
auch an das breite Publikum richten, so dass in entscheidungserheblichem Um-
fang mit mündlichen Benennungen der Marken zu rechnen ist.
Die Widerspruchsmarke, die aus einem Wort und einer Grafik besteht, kann in ih-
rer Gesamtheit wohl eine normale Kennzeichnungskraft beanspruchen. Ob die
Kennzeichnungskraft des Wortes „WASY“ stark eingeschränkt ist, wie die Marken-
stelle meint, erscheint zweifelhaft. Zwar verbirgt sich hinter diesem Bestandteil die
Abkürzung für „Waldi’s symbol font“ oder auch „wasy font“, die für einen be-
stimmten Symbol-Zeichensatz steht und in Datenverarbeitungsprogrammen ent-
halten ist, um bestimmte Sonderzeichen darzustellen. Die Bezeichnung „WASY“
stellt jedoch eine an sich originell gebildete Kombination dar, die sich aus dem
Familiennamen des als Autor genannten Roland Waldi und den Anfangsbuchsta-
ben des Begriffs „symbol“ zusammensetzt. Daß sich die Bezeichnung zu einer
Sachangabe für fonts dieser Art entwickelt hat, kann der Senat weder den Inter-
net-Ausdrucken der Markenstelle noch den eigenen Recherchen mit hinreichender
Sicherheit entnehmen. Zumindest käme eine solche Angabe nicht für alle ge-
schützten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke in Betracht.
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände sind an den Markenabstand
zur Vermeidung der Kollisionsgefahr durchaus mittlere Anforderungen zu stellen,
die hier jedoch nicht erfüllt sind. Die angemeldete Marke ist dem kennzeichnenden
Bestandteil der Widerspruchsmarke nach Auffassung des Senats so stark ange-
nähert, daß eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet und die
Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.
Hierbei geht auch der Senat von dem Grundsatz aus, daß zur Beurteilung der
markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marke in ih-
rer registrierten Form abzustellen ist, da sich ihr Schutzbereich nach dem Schutz-
gegenstand der gewählten Gesamtgestaltung bestimmt (vgl BGH MarkenR 2000,
134, 137 "ARD-1"), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige
Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes
Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl
Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 24, 348, 362 mit weiteren Nachwei-
sen). Dieser Grundsatz schließt aber die Erkenntnis ein, daß auch einzelnen Zei-
chenbestandteilen unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prä-
gende Kennzeichnungskraft zukommen kann und dann bei einer Übereinstim-
mung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Ver-
wechslung der beiden Gesamtzeichen zu bejahen ist (ständige Rspr des BGH, vgl
MarkenR 1999, 161, 162 - LORA DI RECOARO).
So hat der Verkehr hier zunächst keine Veranlassung, sich bei der Widerspruchs-
marke maßgeblich an dem Bildelement zu orientieren, da dessen Darstellung trotz
der Größe gegenüber dem kennzeichnenden Wortbestandteil der Widersprechen-
den, der zugleich Firmenbestandteil ist, in den Hintergrund tritt, denn nach der
Erfahrung orientiert sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke eher am Wortbe-
standteil als einfachster Bezeichnungsform der angebotenen Ware bzw Dienst-
leistung (vgl BGH GRUR 1996, 198, 200 - Springende Raubkatze; GRUR 1999,
52, 53 - EKKO BLEIFREI). Jedenfalls bei der Prüfung der klanglichen Verwechs-
lungsgefahr (anders als bei der visuellen Wahrnehmung) prägt hier das Wortele-
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ment den Gesamteindruck der Kombination von Wort und Bild (vgl hierzu BGH
MarkenR 1999, 57, 59, 60 - Lions - und BGH GRUR 1999, 733, 735 - LION
DRIVER; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND).
In klanglicher Hinsicht wird der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maß-
gebliche Gesamteindruck der Marken dadurch entscheidend bestimmt, daß das
Wort „WASY“ der Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke „WinWASI“
identisch oder zumindest hochgradig ähnlich enthalten ist, da sich beide Wortbe-
standteile nur durch die Endbuchstaben „I/Y“ unterscheiden. In diesem Zusam-
menhang geht der Senat davon aus, dass der Buchstabe „Y“ zumindest in Endun-
gen überwiegend wie „I“ ausgesprochen wird, wie es zB auch in den Wörtern
„Baby“ oder der Abkürzung des weiblichen Vornamens „Gaby“ üblich ist. Zu Recht
weist die Widersprechende darauf hin, dass die Silbe „Win“ in der angegriffenen
Marke auf die Eignung und den Einsatz der so bezeichneten Computerprogramme
für das „Windows“- Betriebsprogramm hindeutet, so wie es einige weitere Be-
zeichnungen gibt, die in vergleichbarer Weise gebildet sind. So kennzeichnet der
Begriff „Winword“ die Einsetzbarkeit des Wortbearbeitungsprogramms unter „Win-
dows“-Betriebssoftware. Gleiches gilt für die in der Anlage der Widersprechenden
in ihrem Schriftsatz vom 28. Juni 2002 aufgeführten Beispiele von „Win“-Software-
Produkten wie „WinZip“, „WinDrivers“, „WinFax“ oder „WinFiles“ (vgl auch PAVIS
PROMA, Kliems: BPatG 25 W (pat) 110/01 – AgroWIN; PAVIS PROMA, Knoll:
30
W(pat)
219/94 – WINSKETCH # wincash; PAVIS PROMA, Kliems:
27 W (pat) 183/00 PROCON-WIN = ProCom). Auf dieser Linie liegt auch die Zu-
sammenstellung „WinApp“ (vgl Oliver Rosenbaum, Chat-Slang Lexikon der Inter-
net-Sprache, 2. Aufl 1999, Carl Hanser Verlag München Wien), die als Abkürzung
für „Windows Application“ ein Anwendungsprogramm für Windows umschreibt.
Der Verkehr wird daher in „Win“ lediglich das Einsatzgebiet der Computerpro-
gramme erkennen, dem Wortteil „WASI“ aber den eigentlich kennzeichnenden
Charakter der jüngeren Marke beimessen, was sich auch deshalb anbietet, als
dieser in der Gesamtkombination durch die optische Trennung und seine in Groß-
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buchstaben gehaltene Schreibweise herausgehoben ist. Zwar ist zweifelhaft, ob
die zum Problem der prägenden Bestandteile von mehrgliedrigen oder kombinier-
ten Markenwörtern ergangene Rechtsprechung (vgl BGH GRUR 1996, 126 –
BERGER LAHR / BERGER) auch auf Markenwörter zu beziehen ist, die aus ei-
nem Wort bestehen (vgl dazu BGH GRUR 1999, 735 – MONOFLAM /
POLYFLAM; BPatG GRUR 2002, 438 – WISCHMAX / Max; Ströbele/Hacker,
MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 339 mwN). Der vorliegende Fall unterscheidet sich
allerdings dadurch von den genannten Entscheidungen, dass in der angegriffenen
Marke die unterschiedlichen Bestandteile „Win“ und „WASI“ durch die Schriftart
voneinander abgesetzt sind, wenngleich sie in einem Wort geschrieben werden.
Hierdurch tritt die beschreibende Bedeutung der Abkürzung „Win“ deutlicher her-
vor, so dass auch insoweit die Betonung auf dem Bestandteil „WASI“ liegt.
Unter diesen Umständen reicht die Abweichung der Markenwörter in den Endun-
gen nicht aus, um Verwechslungen im Verkehr entgegen zu wirken, zumal sich
der Unterschied in den Endbuchstaben „I/Y“ allenfalls in optisch-bildlicher Hinsicht,
nicht aber bei mündlichen Beschreibungen oder Benennungen bemerkbar macht.
Letztlich kann allerdings dahinstehen, ob unter der Annahme, dass der Bestandteil
„WASI“ die angegriffene Marke prägt, die Verwechslungsgefahr bereits in unmit-
telbarer Hinsicht zu bejahen ist. Zumindest unter dem Gesichtspunkt des Mitein-
ander-in-Verbindung-Bringens gemäß § 9 Abs 1 Nr 2, 2. Halbsatz MarkenG sind
die Marken verwechselbar. Diese Art von Verwechslungen ist nicht nur auf den
Gesichtspunkt von Marken-Serienbestandteilen beschränkt, sondern umfasst auch
solche Fälle, in denen die als unterschiedlich erkannten Marken wegen Überein-
stimmungen in Teilbereichen oder aus anderen Gründen auf die gleiche betriebli-
che Herkunft der Waren bzw Dienstleistungen oder auf sonstige Verbindungen der
Hersteller oder Anbieter schließen lassen (vgl EuGH GRUR 1998, 922 – Canon).
Hierfür können auch abweichende Elemente Bedeutung erhalten, wenn sie zB
wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den
übereinstimmenden Bestandteil lenken und diesen als den eigentlich kennzeich-
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nenden Teil erscheinen lassen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9,
Rdnr 491 ff mwN; BPatG GRUR 2002, 438 – WISCHMAX / Max). Eine solche
Konstellation liegt hier vor, denn der Anfangsbestandteil der angegriffenen Marke
„win“ weist, wie schon oben dargelegt, auf das Einsatzgebiet der „WASI“-Produkte
für „Windows“-Betriebssoftware hin. Die Annahme, dass unter der Bezeichnung
„WinWASI“ vertriebene Erzeugnisse der Widersprechenden zuzuordnen seien,
liegt daher nahe.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der angegriffene Beschluß daher
aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Engels
Sredl
Na