Urteil des BPatG vom 20.02.2002

BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, zukunft, wortmarke, begriff, markenschutz, patent, telekommunikation, organisation, datenträger

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 103/01
_______________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 93 430.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 20. Februar 2002 unter Mitwirkung des Richters Kraft als Vorsitzen-
dem sowie der Richterinnen Eder und Dr. Hock
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 2. Mai 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Mit dem vorgenannten Beschluß hat die Markenstelle für Klasse 37 des Deut-
schen Patent- und Markenamts die für die Waren
"Computersoftware; Computerprogramme; Geräte zur Aufzeich-
nung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetauf-
zeichnungsträger; optische Datenträger.
Bauwesen, insbesondere Erstellung und Verteilung von Aus-
schreibungen, Einholung und Auswertung von Angeboten,
Durchführung von CAD-Planungen, CAD-Koordination, Mitwirkung
bei Entscheidungsfindung z. B. durch Firmenauswahl (auch Planer
oder Gutachter), Projektkommunikationsdienstleistungen, Termin-
planung, Wissensmanagement und -austausch, Projektmanage-
ment, einschließlich Berechnung und Überwachung von Kosten,
Projektsteuerung, Bündelung von Ausschreibungen oder Ange-
boten, Projektdokumentation; bautechnische Beratung, technisch
und wirtschaftliches Controlling, einschließlich Kostenerfassung
und Kostenplanung, sämtliche vorstehend genannten Dienstlei-
stungen jeweils auch online, z. B. über das Internet; Reparaturwe-
sen; Installationsarbeiten.
- 3 -
Telekommunikation, einschließlich Bereitstellung und elektroni-
sche Übertragung von Daten, Informationen, Bildern, Programmen
und Dokumenten, auch über Internet oder andere Online-Dienste;
Application Service Providing; Betreiben eines elektronischen In-
formations-, Kommunikations- und/oder Datenübertragungs- oder
-vermittlungsdienstes; Bereithalten und Anbieten von Waren und
Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken, ein-
schließlich interaktivem Zugriff, Teilnahmemöglichkeit an elektro-
nischen Auktionen oder Bieterverfahren oder unmittelbarer Be-
stellmöglichkeit; Betreiben eines Teledienstes zur Erbringung von
Dienstleistungen des Bauwesens; Datenübermittlungsdienste,
Datenmehrwertdienste, Netzmanagementdienste und technische
Bereitstellung von Multimediadiensten; Betrieb einer Online-Platt-
form.
Organisation und Durchführung von Online-Auktionen und Bieter-
verfahren; Internetdienstleistungen; Erstellung und Lieferung von
Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen von In-
genieuren."
angemeldete Wortmarke
BuildingAgency
gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG wegen des Bestehens eines Freihalte-
bedürfnisses und wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Zu-
rückweisung ist im wesentlichen damit begründet, daß die werbeüblich ausge-
staltete Bezeichnung der Gattung einer bestimmten Vertriebs- oder Dienstlei-
stungsstätte einem Freihaltungsbedürfnis unterliege. Eine solche Angabe stelle
der englische Begriff "BuildingAgency" dar, der wohl mit "Bauagentur" zu überset-
zen sei. Die Errichtung eines Bauwerks sei ein äußerst komplexer Vorgang. Die
- 4 -
angemeldete Bezeichnung sei deshalb gerade für das hier beanspruchte vielfäl-
tige Waren- und Dienstleistungsspektrum als beschreibend anzusehen, da hier
offensichtlich nicht ein Bauträger oder ein reines Bauunternehmen Markenschutz
begehre, sondern eine Agentur, die mehr für die Organisation und die Vernetzung
komplexer Vorhaben verantwortlich zeichne. Unter Agentur verstehe man im
Deutschen keineswegs nur die Nachrichtenagentur, sondern generell die Vertre-
tung, Vermittlung, ganz zu schweigen von dem vielfältigen Bedeutungsgehalt des
englischen Begriffs "agency". Da ein großer Teil des angesprochenen Verkehrs
die Anmeldung nur im Sinne einer gattungsmäßigen Festlegung des Typus des
Erbringers der Dienstleistungen verstehen werde, fehle dem Zeichen auch die er-
forderliche Unterscheidungskraft.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter. Ih-
rer Ansicht nach verbietet sich eine schematische Gleichsetzung des fremdspra-
chigen Zeichens mit einer vermuteten deutschen Übersetzung. Unbeschadet der
für den Verkehr wesentlich näher liegenden Übersetzung der angemeldeten
Marke mit "Gebäudeverwaltung" oder "Gebäudeversicherung" werde der Verkehr
bei einer zeichenmäßig verwendeten fremdsprachigen Angabe, selbst wenn der
Begriff als solcher geläufig wäre, ohne analysierende Deutung und unbefangen
eher an einen Herkunftshinweis denken. Als neue Wortschöpfung sei
"BuildingAgency" prägnant und daher geeignet, aufgrund eines Wieder-
erkennungseffektes als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen zu dienen, zumal die englischen Wortbestandteile
vielfältige Bedeutungen aufwiesen. Auch diese Mehrdeutigkeit spreche für die
erforderliche Unterscheidungskraft des eigenartig zusammengeschriebenen
Gesamtzeichens. Mit der Bedeutung "Bauagentur" besitze die angemeldete Marke
entgegen der Annahme der Markenstelle für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen auch keinen unmittelbar beschreibenden Charakter. Die
Beschreibung eines kaufmännischen Unternehmens müsse nicht notwendig auch
der unmittelbaren Beschreibung der in einem solchen Betrieb angebotenen Waren
und Dienstleistungen dienen. Kein Mitbewerber sei darauf angewiesen, sich oder
- 5 -
die von ihm angebotenen Waren mit der angemeldeten Bezeichnung zu
beschreiben.
Dementsprechend beantragt die Anmelderin sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet, denn der be-
gehrten Eintragung stehen die Schutzhindernisse des § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2
MarkenG nicht entgegen.
1. Nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind nur Kennzeichnungen von der Eintra-
gung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr
ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Be-
zeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistun-
gen dienen können. Zu den nach dieser Vorschrift vom Markenschutz ausge-
schlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführ-
ten, sondern auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für den umwor-
benen Abnehmerkreis irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf
die betreffenden Waren selbst beschreiben (vgl BGH GRUR
1998, 813
- CHANGE; BlPMZ 1999, 410 - FOR YOU) und die entweder bereits als Sachaus-
sage benutzt werden oder deren Benutzung als Sachaussage aufgrund konkret
feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (vgl BGH
GRUR 1995, 408 - PROTECH). Der Beurteilung ist dabei die angemeldete Be-
zeichnung in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen und keine zergliedernde Be-
trachtungsweise vorzunehmen (BGH MarkenR 2000, 420 - Rational Software
Corporation). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die Anmeldung
"BuildingAgency" jedoch nicht.
- 6 -
Eine Verwendung der um Schutz nachsuchenden Bezeichnung als beschreibende
Angabe für die von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen
hat die Markenstelle nicht belegt. Ebensowenig hat der Senat die erforderlichen
Feststellungen zu treffen vermocht. Ein auf gegenwärtiger Benutzung beruhendes
aktuelles Freihaltebedürfnis der angemeldeten Marke als beschreibende Sach-
aussage ist deshalb nicht nachweisbar. Ebensowenig liegen konkrete Tatsachen
vor, die dafür sprechen könnten, daß die Gesamtbezeichnung "BuildingAgency" in
Zukunft als beschreibende Angabe für die versagten Produkte und Dienstleistun-
gen dienen könnte. Zwar ist mit der Markenstelle davon auszugehen, daß die aus
den beiden englischsprachigen Bestandteilen "Building" und "Agency" zusam-
mengesetzte Bezeichnung mit "Bauagentur" übersetzt werden kann. Mit dieser
Bedeutung stellt die angemeldete Wortkombination jedoch noch keine konkret be-
schreibende Sachaussage dar, die auf eine bestimmte für den Verkehr bedeut-
same Eigenschaft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen selbst Bezug
nimmt, denn diesem Sinngehalt läßt sich zB nicht entnehmen, welche konkreten
Eigenschaften die unter dieser Bezeichnung angebotenen Computerprogramme
oder Aufzeichnungsgeräte bzw Planungs- und Organisationsleistungen auszeich-
nen. Es kommt hinzu, daß die angemeldete Marke auch mit "Gebäudeverwaltung"
oder mit "Gebäudeversicherung" übersetzt werden kann. Auch wegen der Mehr-
deutigkeit der angemeldeten Bezeichnung kann nicht davon ausgegangen wer-
den, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen
in Zukunft eine Benutzung der Gesamtbezeichnung als eindeutige Sachangabe
erfolgen könnte. Gegen eine derartige Annahme spricht im übrigen auch, daß die
Bezeichnung "BuildingAgency" trotz der Verwendung der englischen Sprache als
ein Hinweis auf eine Firma verstanden werden kann, die ua "Magnetaufzeich-
nungsträger" oder "optische Datenträger" vertreibt oder auf dem Gebiet des Bau-
wesens und der Telekommunikation bestimmte Dienstleistungen erbringt. Dieser
Feststellung steht jedoch zusätzlich entgegen, daß "BuildingAgency" im Verkehr
auch für die in einem derartigen Geschäftsbetrieb veräußerten Waren und er-
brachten Dienstleistungen als Bezeichnung besonderer Merkmale dienen kann
(vgl dazu BGH GRUR 1999, 988 - HOUSE OF BLUES).
- 7 -
2. Ebensowenig kann der Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8
Absatz 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne
dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Ver-
kehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren
und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unterneh-
men aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab an-
zulegen, dh, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um die-
ses Schutzhindernis zu überwinden, zumal der Verkehr ein als Marke verwende-
tes Zeichen in aller Regel aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner
analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann einer Wortmarke kein für die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschrei-
bender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um eine
gebräuchliche Bezeichnung, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür,
daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und
damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH MarkenR 1999, 349 - YES).
Hiervon ausgehend kann der Bezeichnung "BuildingAgency" nicht die erforderli-
che Unterscheidungseignung abgesprochen werden: Eine beschreibende Sach-
aussage, die auf bestimmte Eigenschaften der in Frage stehenden Waren oder
Dienstleistungen selbst Bezug nimmt, stellt diese Bezeichnung - wie dargelegt -
nicht dar. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte vor, daß der Verkehr etwa durch
eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in der Werbung als schlagwort-
artige Aussage daran gewöhnt sein könnte, in ihr in Bezug auf die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen keine Marke mehr zu sehen.
Kraft Eder
Dr.
Hock
br/prö