Urteil des BPatG vom 20.02.2008

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
20. Februar 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 05 437.4-13
7 W (pat) 23/04
Verkündet am
ng. Tödte sowie der Richter Eberhard, Dr.-Ing. Pösentrup
und Dipl.-Ing. Schlenk
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2008 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dipl.-I
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse F 02 P des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 17. Oktober 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung:
Einrichtung zum Steuern des Klopfvorgangs ei-
ner Brennkraftmaschine
Anmeldetag: 8.
Februar
2000
unter Inanspruchnahme der jap. Priorität 11-285493 vom 6. Okto-
ber 1999.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhand-
lung am 20. Februar 2008,
Beschreibung und Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift, wo-
bei in der Beschreibung Spalte 7 der letzte Absatz ab Zeile 57 ge-
strichen wird.
G r ü n d e
I
Die Patentanmeldung 100 05 437.4-13 mit der Bezeichnung
Einrichtung zum Steuern des Klopfvorgangs einer Brennkraftma-
schine
- 3 -
ist von der Prüfungsstelle für Klasse F 02 P des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts mit Beschuss vom 17. Oktober 2003 zurückgewiesen worden. Zur Be-
gründung ist im Beschluss angegeben, dass der Gegenstand der Anmeldung nicht
erfinderisch sei, da er sich für den Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise
aus einer Zusammenschau der DE 197 33 869 A1 (1) und der DE 196 45 572 A1
(2) ergäbe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie legt in
der Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 6 vor und macht geltend, dass der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und
erfinderisch sei. Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu er-
teilen mit den in der mündlichen Verhandlung am 20. Febru-
ar 2008 überreichten Patentansprüchen 1 bis 6, Beschreibung und
Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift, wobei in der Beschrei-
bung Spalte 7 der letzte Absatz ab Zeile 57 gestrichen wird.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:
Einrichtung zum Steuern des Klopfvorgangs einer Brennkraftma-
schine, umfassend:
verschiedene Sensoren (4) zum Erfassen der Betriebsbedingun-
gen einer Brennkraftmaschine;
eine Ionenstrom-Erfassungseinrichtung (3) zum Erfassen eines
Ionenstroms, der durch eine Zündkerze (2) während der Verbren-
nung in der Brennkraftmaschine fließt;
eine Klopfpegel-Bestimmungseinrichtung (12) zum Bestimmen der
Signale des Klopfpegels (N) entsprechend zu dem Klopfzustand
der Brennkraftmaschine auf Grundlage des Ionenstroms;
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eine Mittelungseinrichtung (13A) zum Bestimmen eines Wertes für
einen durchschnittlichen Klopfpegel (AVE2) durch Mitteln der Sig-
nale des Klopfpegels;
eine Hintergrundpegel-Bestimmungseinrichtung
(14A) zum Be-
stimmen eines Hintergrundpegels
(BGLA) auf Grundlage des
Wertes für den durchschnittlichen Klopfpegel (AVE2);
eine Klopfbeurteilungseinrichtung (15) zum Beurteilen eines Klopf-
zustands der Brennkraftmaschine durch Vergleichen der Signale
des Klopfpegels (N) mit dem Hintergrundpegel (BGLA); und
eine Steuergrößen-Bestimmungseinrichtung (7) zum Bestimmen
der Steuergröße der Brennkraftmaschine auf Grundlage der Be-
triebsbedingungen der Brennkraftmaschine und des Beurteilungs-
ergebnisses durch die Klopfbeurteilungseinrichtung (15); wobei
ferner vorgesehen ist:
eine Transienten-Beurteilungseinrichtung
(16) zum Beurteilen,
dass die Betriebsbedingungen in einem transienten Zustand sind,
und Ausgeben eines Transienten-Beurteilungssignals (H); und
eine Durchschnittswert-Korrektureinrichtung (17) zum Verkleinern
des Wertes für den durchschnittlichen Klopfpegel (AVE2) bei Aus-
gabe des Transienten-Beurteilungssignals (H) von der Transien-
ten-Beurteilungseinrichtung (16),
wobei anschließend für eine vorgegebene Zeitperiode (T) eine
nochmalige Verkleinerung des Wertes für den durchschnittlichen
Klopfpegel (AVE2) verhindert wird.
Nach der geltenden Beschreibung Spalte 6, Zeilen 49 bis 55 liegt die Aufgabe vor,
eine Einrichtung zum Steuern des Klopfvorgangs einer Brenn-
kraftmaschine bereitzustellen, die den Hintergrundpegel auf einem
optimalen Wert selbst während des transienten Zustands hält und
somit verhindert, dass die Signale des Klopfpegels fehlerhaft als
- 5 -
diejenigen des Rauschpegels erfasst werden, wobei die Zuverläs-
sigkeit verbessert wird.
Die Patentansprüche 2 bis 6 sind auf Merkmale gerichtet, die eine Einrichtung
zum Steuern des Klopfvorgangs einer Brennkraftmaschine nach Patentanspruch 1
weiter ausgestalten sollen.
Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik die Druckschriften
DE 197 33 869 A1 (1)
DE 196 45 572 A1 (2)
DE 39 21 616 C2 (3)
DE 32 49 614 C2 (4)
DE 29 39 690 C2 (5)
genannt worden.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und sachlich ge-
rechtfertigt. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung dar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, da aus keiner der zum Stand der
Technik genannten Druckschriften alle Merkmale des Patentanspruchs 1 hervor-
gehen. Den Klopferfassungsvorrichtungen bzw. Verbrennungs- oder Zündungs-
steuer- und Regelsysteme nach den Druckschriften (1) - (5) fehlt die Erkenntnis,
dass in einem transienten, also instationären Motorzustand, wie bspw. Beschleu-
nigen oder Abbremsen andere Verhältnisse zwischen Klopfpegel- und durch-
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schnittlichem Klopfpegelsignal (AVE2) herrschen als bei einem stationären Be-
triebszustand. Um auch dann eine verbesserte Erkennung des „Klopfens“ sicher-
zustellen, wird erfindungsgemäß deshalb beim Ausgeben eines Transienten-Be-
urteilungssignals H ein Verkleinern des Wertes für den durchschnittlichen Klopf-
pegel (AVE2) für eine vorgegebene Zeitperiode (T) vorgenommen.
Der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1
beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Entgegenhaltungen dem
Durchschnittsfachmann, hier einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung
Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von
Klopfregelungen bei Brennkraftmaschinen, keine Anregungen zum Auffinden des
Gegenstands des Patentanspruchs 1 geben können.
Die DE 197 33 869 A1 (1) beschreibt eine Vorrichtung zur Erfassung eines
Verbrennungszustands einschließlich einer Klopferfassung bei Brennkraftmaschi-
nen, bei der eine Zeitgeberverarbeitungsschaltung ein Freischalt-/Sperrerfas-
sungssignal erzeugt, das es ermöglicht, ein durch Schaltvorgänge der Zündspule
bewirktes Rauschsignal En, siehe z. B. Figur 4 und zugehörige Beschreibung, aus
einem lonenstrom-Messsignal zu entfernen. Dazu wird das störende Signal des
Zündspulenbetriebs durch eine zeitabhängige Sperrung der Auswerteelektronik
weggelassen, also durch ein Freischalt-/Sperrerfassungssignal maskiert. Durch
diese Maskierung wird, wie in Spalte 9 Zeilen 28 bis 37 erläutert, ein verbessertes
Signal-Rauschverhältnis ermöglicht. Weiterhin werden auch Filterschaltungen
13, 23 beschrieben, die eine Klopffrequenzkomponente von einem lonenstrom-
Messsignal abziehen und ein Klopfsignal ausgeben, welches das Auftreten von
Klopfen anzeigt (Spalte 2, Zeilen 60 bis 63). Diese Filterschaltungen 13, 23 sind
hier dazu vorgesehen, aus einem hochfrequenten lonenstrom-Messsignal
Klopfsignalkomponenten herauszufiltern, die das Auftreten eines Klopfvorgangs
anzeigen. Sie sind deshalb hinsichtlich ihrer Funktion lediglich vergleichbar mit der
Filtereinrichtung
11 gemäß der Erfindung, können jedoch nicht mit der
erfindungsgemäßen Mittelungseinrichtung gleichgesetzt werden, welche ein
- 7 -
(zeitliches) Mitteln zur Bildung eines durchschnittlichen Klopfpegels vornimmt, der
wiederum durch Vergleich mit dem aktuellen Pegel ein Beurteilen eines Klopf-
zustandes zulässt.
In der DE 196 45 572 A1 (2), siehe insbesonders Anspruch 3, wird eine Korrektur
der Zählwerte für die Klopfimpulse auf Grundlage des in dieser Druckschrift nicht
näher beschriebenen „Betriebszustands“ der Brennkraftmaschine aufgezeigt, wo-
bei bei wachsender Drehzahl der Zählwert erhöht werden kann (Spalte 3, Zeilen 1
bis 16). Weiter wird eine allgemeine Verbesserung des Signal/ Rauschverhältnis-
ses des Klopfsignals (Spalte 2, Zeilen 2 bis 10) und eine abhängig von der Dreh-
zahl oder Ladewirkungsgrad des Motors eingestellte Impulszählung oder Verzöge-
rung bzw. Einstellung des Zündzeitpunktes (Spalte 12, Zeilen 8 bis 22) aufgezeigt.
Nicht offenbart jedoch wird hier eine besondere Erfassung des Vorliegens einer
Drehzahländerung, d. h. eines transienten Betriebszustands, währenddessen sich
die Brennkraftmaschine nicht in einem stationären Zustand befindet, sondern eine
Beschleunigung oder Verzögerung über der Zeit vorliegt und; zugeordnet, eine
besondere Klopfsignalerfassung.
Nach Anspruch 6 wird das Ausmaß der Zündzeitpunktverzögerung auf Grundlage
eines 2-dimensionalen Kennfeldes der Drehzahl und des Ladungswirkungsgrads
der Brennkraftmaschine bestimmt, während nach Anspruch 8 ein gefilterter Wert
als Hintergrundwert aus den Zählwerten der Zählvorrichtung berechnet wird, der
mit den momentanen Zählwerten verglichen wird und dann die Zündzeitpunktver-
zögerung beeinflusst.
Auf die der Erfindung zugrunde liegende Problematik der richtigen Erkennung und
Zählung der einzelnen Klopfimpulse bei transienten also instationären Betriebszu-
ständen geht diese Schrift deshalb nicht ein.
An keiner Stelle führt (2), oder auch (1) den Fachmann zu einer solchen Verkleine-
rung eines Wertes für einen durchschnittlichen Klopfpegel bei Ausgabe eines
Transienten-Beurteilungssignals, also ein erzwungenes Verringern eines durch-
schnittlichen Klopfpegels AVE2 um einen vorgegebenen Wert bei Auftreten eines
- 8 -
transienten Betriebszustands, um die Empfindlichkeit einer Klopfsignalerfassung
geeignet anzupassen, die sich im weiteren Verlauf wieder an den Normalwert
annähert. Auch eine Kombination der Entgegenhaltungen (1) und (2) führt deshalb
nicht zur erfindungsgemäßen Lehre.
Die übrigen im Prüfungsverfahren ermittelten Schriften DE 39 21 616 C2 (3),
DE 32 49 614 C2 (4) und DE 29 39 690 C2 (5) behandeln andersartige Problem-
stellungen.
Die DE 39 21 616 C2 (3) befasst sich mit einer verbesserten Erfassung von
Selbstzündungen, abhängig von Parametern bspw. Lufttemperatur, Wasser-
dampfdruck, Kühlmitteltemperatur oder leichtes Klopfen durch einen Klopfsensor
(Sp. 5, Z. 1 - 13); weiterhin können ein Drehmomentsensor oder ein Zylinder-
drucksensor bzw. eine Auswertung des Ionenstroms oder die Abnahme der Dreh-
zahl als Indikator für die Feststellung des „Klopfens“ verwendet werden (siehe ins-
bes. Ansprüche 13 und 16 – 18).
Bei der DE 32 49 614 C2 (4) soll für eine Brennkraftmaschine ein von verschiede-
nen Variablen bspw. Kurbelwinkel abhängiger „X“–Wert definiert werden. Mit Hilfe
einer Zündzeitpunktregelung soll „X“ ständig so geregelt werden, dass eine auto-
matische Anpassung an Betriebsvariable wie unterschiedliche Kraftstoffarten,
Brennraumtemperatur, Luftdruck oder Ablagerungen im Brennraum erfolgt.
In der DE 29 39 690 C2 (5) soll ohne besonderen Geberaufwand eine schnelle
und exakte Zündzeitpunktregelung verwirklicht werden. Dies soll durch Vergleich
eines „Istwertes“ von in bestimmtem Abstand zur Zündstelle angeordneten Ionen-
stromsonden mit einem vom Kurbelwinkel abhängigen „Sollwert“ erreicht werden.
Da sich aufgrund andersartigen Aufbaus und Aufgabenstellung bei (1) bis (5) das
der Erfindung zugrunde liegende Problem nicht ergibt, bei Brennkraftmaschinen
während des transienten Zustands den Hintergrund- oder Rauschpegel auf einem
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optimalen Wert zu halten und somit zu verhindern, dass die Signale des Klopfpe-
gels fehlerhaft als diejenigen des Rauschpegels erfasst werden, ist diesen Schrif-
ten auch kein Hinweis auf die erfindungsgemäße Gestaltung nach Patentan-
spruch 1 zu entnehmen. Dort wird bei Auftreten eines transienten Betriebszu-
stands die Ausgabe eines Transienten-Beurteilungssignals und dadurch eine ein-
malige erzwungene und definierte Verkleinerung des Wertes für einen durch-
schnittlichen Klopf- bzw Rauschpegel bewirkt und somit die Empfindlichkeit der
Klopfsignalerfassung verbessert. Diese nähert sich dann im weiteren Zeitverlauf
wieder an den Normalwert an.
Somit ergibt sich, dass auch eine Zusammenschau von zwei oder mehreren
Druckschriften nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen kann.
Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
Ihm können sich die Patentansprüche 2 bis 6, die vorteilhaften Ausgestaltungen
des Gegenstands des Patentanspruchs 1 beinhalten, als echte Unteransprüche
anschließen.
Tödte Eberhard
Dr.
Pösentrup
Schlenk
Cl