Urteil des BPatG vom 23.11.2006

BPatG (marke, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, bestandteil, benutzung, verkehr, beschwerde, verhandlung, gesamteindruck, klasse)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 72/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. November 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 300 37 185
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 23. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 16. Mai 2000 angemeldete Marke
CENTELLAVERA
ist am 7. Dezember 2000 für die Waren
"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarkosmetik; Pharma-
zeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate
für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizini-
sche Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis von Vita-
minen, Proteinen, Enzymen, essentiellen Aminosäuren, Mineral-
stoffen, Spurenelementen und/oder anderer Lebensbausteine,
soweit in Klasse 5 enthalten, Vitamine und Vitaminpräparate so-
wohl für medizinische als auch für nichtmedizinische Zwecke;
Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis von Proteinen, Enzymen,
essentiellen Aminosäuren, Mineralstoffen, Spurenelementen
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und/oder anderer Lebensbausteine, soweit in Klasse 29 enthalten;
konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse;
Speiseöle und -fette; alkoholfreie Getränke, Getränke und Säfte
aus Obst, Gemüse und sonstigen Pflanzen, Sirupe und andere
Präparate für die Zubereitung von Getränken"
unter der Nummer 300 37 185 in das Markenregister eingetragen worden. Die
Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 11. Januar 2001.
Die Inhaberin der seit 29. Januar 1986 eingetragenen Marke 1 087 216
Lavera
und seit 2. Dezember 1999 eingetragenen Marke 399 33 970
lavera Neutral
jeweils eingetragen für die Waren
"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputz-
mittel, Parfümerien, Fußpflegemittel, dekorative Kosmetika; phar-
mazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die
Gesundheitspflege; alkoholfreie Getränke"
hat dagegen Widerspruch eingelegt. Das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der
Marke 1 087 216 ist seit 4. Juli 1989 und hinsichtlich der Marke 399 33 970 seit
9. Juli 2001 abgeschlossen.
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Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken wurde teilweise
bestritten, nämlich hinsichtlich der Waren "pharmazeutische Erzeugnisse sowie
chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; alkoholfreie Getränke", und
zwar hinsichtlich der Marke 1 087 216 mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2004 und
hinsichtlich der Marke 399
33
970 in der mündlichen Verhandlung vom
23. November 2006, wobei hinsichtlich der letzteren Einrede der Vertreter der Wi-
dersprechenden geltend macht, dass die Einrede verspätet sei und deren Berück-
sichtigung zu einer Verfahrenverzögerung führen würde.
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 3. Februar 2004 wurden durch eine Prüferin des höheren Dienstes die
Widersprüche zurückgewiesen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarken und teilweiser Warenidentität oder Wa-
renähnlichkeit wurde eine Verwechslungsgefahr mit den Widerspruchsmarken
verneint. In Bezug auf die Marke 1 087 216 sei aufgrund der verschiedenen Län-
gen und der Vokalfolge eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in klanglicher und
in schriftbildlicher Hinsicht ausgeschlossen. Eine Prägung der angegriffenen
Marke durch "lavera" sei nicht ersichtlich, so dass auch keine assoziative Ver-
wechslungsgefahr vorläge. Aus den gleichen Gründen sei auch eine Verwechs-
lungsgefahr mit der Marke 399 33 970, deren Gesamteindruck wegen des be-
schreibenden Charakters des Bestandteils "Neutral" von dem Bestandteil "lavera"
geprägt werde, ausgeschlossen.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei durch intensive langjährige
Benutzung gesteigert. Die Beschwerdeführerin sei im Naturkosmetikbereich der
zweitgrößte Anbieter, was auch aus dem "Branchenreport Naturkosmetik 2004"
ersichtlich sei. Die mit den Widerspruchsmarken gekennzeichneten Waren würden
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nicht nur in Naturkostläden, sondern auch in Drogerien vertrieben und würden
häufig ausgezeichnet. Die Marken wiesen eine sehr hohe Nennung in der Presse
auf. Außerdem könne man auch aus der Abbildung von mit der Widerspruchs-
marke gekennzeichneten Waren in einer Entscheidung des 30.
Senats
(30 W (pat) 123/97) entnehmen, dass die erhöhte Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke gerichtsbekannt sei. Der Beschwerdeführerin gehörten zudem
mehrere Marken mit dem Bestandteil "lavera". Es läge eine hochgradige Waren-
ähnlichkeit und zum Teil auch Warenidentität vor. Es bestünden daher hohe An-
forderungen an den erforderlichen Markenabstand, um eine Verwechslungsgefahr
zu vermeiden. Dieser werde jedoch nicht eingehalten. Vielmehr sei die Wider-
spruchsmarke 1 087 216 "Lavera" bzw. der den Gesamteindruck der Wider-
spruchsmarke 399 33 970 "lavera Neutral" prägende Bestandteil "lavera" bei der
angegriffenen Marke "CENTELLAVERA" voll übernommen worden. Eine Usurpa-
tion der Widerspruchsmarke sei unzulässig. Hinzu komme, dass der Anfangsbe-
standteil "CENTEL" einen beschreibenden Anklang habe, da er auf die Pflanze
"Centella asiatica" und damit auf einen Inhaltsstoff zurückgehe. Es sei daher damit
zu rechnen, dass der Verkehr in dem Bestandteil "LAVERA" den eigentlichen
kennzeichnenden Teil der angegriffenen Marke sehe, zumindest aber die Marken
gedanklich miteinander in Verbindung bringe, zumal die Widersprechende weitere
Marken mit diesem Bestandteil habe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass die Widerspruchsmarken eine erhöhte
Kennzeichnungskraft hätten, vielmehr sei mit der Markenstelle nur von einer
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Die Waren, für die eine Be-
nutzung der Widerspruchsmarke unstreitig gestellt worden sei, seien nicht allen
Waren der angegriffenen Marke ähnlich. Ein Lippenstift habe beispielsweise nichts
mit einem Gemüsesaft oder einem Nahrungsergänzungspräparat zu tun. Die Be-
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schwerdegegnerin habe nicht die Widerspruchsmarken usurpiert, sondern ihrer-
seits eine Serie von Marken kreiert, welche sich aus einem Pflanzennamen und
dem Wort "VERA" zusammensetzten. Entsprechend sei die angegriffene Marke
aus dem Bestandteil "CENTELLA" des Pflanzennamens "Centella Asiatica" und
dem Wort "VERA" (das Wahre) zusammengesetzt. Man werde in der angegriffe-
nen Marke nicht das Wort "lavera" herauslesen, da der Verkehr die Marke nicht in
"CENTEL-LAVERA" zergliedere. Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung
teilweise bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke 399 33 970 hält die Be-
schwerdegegnerin die Verspätungsrüge nicht für gerechtfertigt. Da sie bereits eine
rechtserhaltende Benutzung hinsichtlich der Widerspruchsmarke 1 087 216 "La-
vera" bestritten habe und bei der Widerspruchsmarke 399 33 970 lediglich der
schutzunfähige beschreibende Bestandteil "Neutral" hinzukomme, hätte eine
(fehlende) Benutzung der einen Widerspruchsmarke auch eine (fehlende) Benut-
zung der anderen Widerspruchsmarke bedeutet.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Proto-
kolls der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2006 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg,
da keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Benutzungsfragen können dahingestellt bleiben, denn selbst wenn man von den
jeweils eingetragenen Waren ausgeht, ist eine Verwechslungsgefahr zu vernei-
nen.
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, bemisst sich nach dem Zusammenwirken der
Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren
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und Dienstleistungen und der Identität oder Ähnlichkeit der Marken, wobei diese
Faktoren in einer gewissen Wechselbeziehung zueinander stehen.
Ausgehend von teilweiser Warenidentität und selbst wenn man zugunsten der Wi-
dersprechenden eine durch langjährige Benutzung gesteigerte Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarken unterstellt, sind die Zeichen insgesamt so unter-
schiedlich, dass nicht mit rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist. Aller-
dings weist der Senat hinsichtlich der geltend gemachten gesteigerten Kennzeich-
nungskraft auf die bereits in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Be-
denken hin, die sich insbesondere auf die für die Beurteilung der Bekanntheit der
Widerspruchsmarke relevanten Verkehrskreise (eine Beschränkung auf derzeitige
Käufer von Naturkosmetik erscheint zu eng), auf die Nennung der Widerspruchs-
marke im Beschluss des 30. Senats des BPatG in der Sache 30 W (pat) 123/97
(daraus folgt keine "Gerichtsbekanntheit" im Sinne des § 291 ZPO) und auf die
behauptete Verwendung einer Markenserie mit "Laverana" beziehen.
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck der Zeichen
maßgeblich (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 111).
In der Gesamtheit unterscheiden sich die Marken in der Zeichenlänge, Silbenzahl,
Vokal- und Konsonantenfolge sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus durch die
am Zeichenanfang der angegriffenen Marke stehenden Buchstaben bzw. Laute
"Centel" schriftbildlich und klanglich so deutlich, dass nicht mit Verwechslungen zu
rechnen ist. Zwar ist rein formal die Widerspruchsmarke bzw. der den Gesamtein-
druck der Widerspruchsmarke 399 33 970 prägende Bestandteil "lavera" in der
angegriffenen Marke vollständig enthalten, jedoch tritt dieser Bestandteil in der
angegriffenen Marke nicht selbstständig kennzeichnend hervor, da die angegrif-
fene Marke ein einheitliches Wort bildet, welches nicht zergliedert wird und es
keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Verkehr die angegriffene Marke deutlich
in "CENTEL-LAVERA" aufteilt. Wenn der Verkehr überhaupt eine Zäsur innerhalb
der Marke vornimmt, dann wird er allenfalls die angegriffene Marke als eine Zu-
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sammenfügung der beiden Begriffe "CENTELLA" (Hinweis auf die Pflanze "Cen-
tella Asiatica") und "VERA" ansehen. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass er
die Zäsur gerade zwischen den beiden Buchstaben "ll" macht, zumal dies bei der
als Wortelement verwendeten, nicht unüblichen Wortendung "ella" dem natürli-
chen Sprachgefühl widerspricht. Dem steht auch die von der Widersprechenden
geltend gemachte - und zu ihren Gunsten unterstellte - erhöhte Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarken nicht entgegen. Selbst wenn eine unterstellte ge-
steigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei anderen Wortkombina-
tionen dazu führen könnte, dass die Widerspruchsmarke auch in einer zusam-
mengeschriebenen Wortkombination noch als eigenständiger Bestandteil erkannt
werden könnte, trifft dies jedenfalls auf die vorliegend angegriffene Marke wegen
der aufgezeigten Besonderheiten nicht zu.
Mit einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines gedanklichen In-
verbindungbringens der angemeldeten Marke mit den Widerspruchsmarken ist
ebenfalls nicht zu rechnen. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass
die Widersprechende eine Zeichenserie benützt, in welche die angegriffene Marke
sich so einfügen würde, dass der Verkehr annähme, es handele sich um eine
weiter Marke der Widersprechenden. Soweit die Widersprechende auf die Marken
"LAVEMED", "LAVERE", "LAVELA", "LAVEDENT", "LAVEDOL" und "LAVERI"
hinweist, enthalten diese Marken nicht einmal vollständig die Buchstabenfolge
"LAVERA". Soweit die Widersprechende darauf hinweist, dass sie auch die Mar-
ken "BELLAVERA", "LAVERANA" und "AMLAVERA" habe, ist zum einen zu be-
rücksichtigen, dass über deren Benutzung keine Kenntnisse vorliegen, und dass
allein aus der Inhaberschaft der Marken nicht geschlossen werden kann, dass der
Verkehr diese Marken auch kennt. Außerdem ist die Wortbildung dieser Marken
untereinander und im Vergleich zu den Widerspruchsmarken unterschiedlich, so
dass auch insoweit die Annahme nicht nahe liegt, der Verkehr werde alle Marken,
die formal die Buchstabenfolge "LAVERA" aufweisen, der Widersprechenden zu-
rechnen, selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden unterstellt, dass ihre
Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufweist. In den Mar-
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ken "BELLAVERA", "LAVERANA" und "AMLAVERA" hat die Buchstabenfolge
"LAVERA" nicht den Charakter eines eigenständig hervortretenden Stammbe-
standteils und ist auf unterschiedliche Weise mit den übrigen Buchstaben der je-
weiligen Marke verknüpft.
Die Beschwerde der Widersprechenden konnte somit keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
gez.
Unterschriften