Urteil des BPatG vom 13.04.2000

BPatG: patent, gesamteindruck, arzneimittel, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, behandlung, erfahrung, urlaub, vergleich, markenregister

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 120/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 394 04 459
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 13. April 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Kliems sowie der Richter Brandt und Engels
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
1) Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke
wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 10. Februar 1999 aufgehoben,
soweit die Löschung der angegriffenen Marke wegen des
Widerspruchs aus der Marke 2 084 974 angeordnet worden ist.
2) Der Widerspruch aus der Marke 2 084 974 wird zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
SILOSAN
tragen worden und im Wege der Teillöschung noch geschützt für
"Kardiaka".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 14. November 1994 für
"Pharmazeutische Erzeugnisse und Substanzen für die Behand-
lung und/oder Linderung von Erkrankungen und Störungen des
Magen-Darm-Bereiches"
PYLOZAN
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
einen Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes vom 10. Februar 1999 die
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Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der ange-
griffenen Marke angeordnet.
Zwar bestehe nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffe-
nen Marke eine Indikationsverschiedenheit, jedoch gehörten beide Medikamen-
tengruppen zum Kernbereich der Arzneimittel und würden auch im Wege der
Selbstmedikation gegen leichtere Erkrankungen eingesetzt. Danach seien strenge
Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, der bei anzunehmender
durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in klanglicher
Hinsicht nicht mehr eingehalten sei. Die deutlicheren Unterschiede in den An-
fangslauten "S" und "P" stellten aufgrund der Ähnlichkeit der Marken im übrigen
kein ausreichendes klangliches Gegengewicht dar, so daß mit Verwechslungen im
erheblichem Umfang gerechnet werden müsse.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, die
sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag
gestellt hat.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Bei der nach wie vor bestehenden Warennähe reichten die Unterschiede der Mar-
kenwörter nicht aus, um eine klangliche Verwechslungsgefahr hinreichend sicher
auszuschließen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle
für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze
der Beteiligten Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig und hat auch
in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne
von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene
Widerspruch gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen ist.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren nicht aufgeworfen sind, ist bei
den Waren von der Registerlage auszugehen. Die sich danach gegenüberste-
henden "Kardiaka" der angegriffenen Marke und die Waren "Pharmazeutische Er-
zeugnisse und Substanzen für die Behandlung und/oder Linderung von Erkran-
kungen und Störungen des Magen-Darm-Bereiches" auf Seiten der Wider-
spruchsmarke sind zwar ohne weiteres ähnlich im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 Mar-
kenG, jedoch weisen diese Erzeugnisse eine recht deutliche Indikationsverschie-
denheit auf, die sich entsprechend verwechslungsmindernd auswirkt. Da die Wa-
ren auch rezeptfrei erhältliche Arzneimittel umfassen können, sind allerdings End-
verbraucher als Verkehrskreise und mündliche Markenbenennungen uneinge-
schränkt zu berücksichtigen.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat mangels entgegenstehender Anhalts-
punkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem nor-
malen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände reichen die Abweichungen der
Markenwörter insbesondere in ihren jeweiligen Anfangsbestandteilen aus, um die
Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG in jeder Hin-
sicht noch hinreichend sicher auszuschließen.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken "SILOSAN" und "PYLOZAN" zwar bei
gleicher Silbenzahl und gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in den Mittel-
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und Endsilben ("-LO-SAN" bzw "-LO-ZAN") weitgehend überein. Auch unter Be-
rücksichtigung dieser Gemeinsamkeiten vermitteln die Marken jedoch schon auf-
grund der markanten Unterschiede in den Anfangssilben "SI-" bzw "PY-" einen
hinreichend verschiedenen Gesamteindruck. Zunächst weisen die Anfangskonso-
nanten "S" und "P" einen völlig anderen Klangcharakter auf. Da in entschei-
dungserheblichem Umfang allein von einer Aussprache des "Y" in der Wider-
spruchsmarke wie "ü" auszugehen ist (vgl hierzu DUDEN, Aussprachewörterbuch,
3. Aufl, S 95), heben sich zusätzlich auch die Laute "i" und "y" voneinander ab.
Dabei tritt der Klangunterschied der hier zudem betonten Anfangssilben um so
mehr hervor, als Wortanfänge ohnehin regelmäßig stärker als die übrigen Mar-
kenteile beachtet werden (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 "Indorektal/Indohexal").
Auch wenn im Vergleich dazu der klangliche Unterschied zwischen den Anlau-
ten "S" bzw "Z" der jeweiligen Endsilben zwar geringer, wegen der stimmhaften
Aussprache des "S" gegenüber der Aussprache des "Z" wie "ts" mit scharfem s-
Laut jedoch noch hörbar ausgeprägt ist, gewährleisten die genannten Abwei-
chungen jedenfalls zusammen ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der
sich gegenüberstehenden Bezeichnungen. Dabei ist auch von Bedeutung, daß die
Bezeichnungen lediglich in der jeweiligen Mittelsilbe "-LO-" identisch überein-
stimmen, deren Einfluß auf das Gesamtklangbild noch dadurch gemindert wird,
daß sie sich im ohnehin weniger auffälligen Wortinneren befindet und die Beto-
nung beider Marken gerade nicht auf diesem Wortteil liegt.
Beim schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen übli-
chen Wiedergabeformen ebenfalls einen ausreichenden Abstand ein. Die figürli-
chen Abweichungen zwischen den Buchstaben "SI" bzw "PY" am Wortanfang so-
wie "S" bzw "Z" am Anfang der Schlußsilben führen auch unter Berücksichtigung
der Übereinstimmungen im übrigen zu einem nicht verwechselbaren Gesamtein-
druck. Bei einer Schreibweise der Markenwörter mit großem Anfangsbuchstaben
und nachfolgender Kleinschreibung kommt durch die nur in der Widerspruchs-
marke enthaltene Unterlänge des "y" ein weiteres Unterscheidungsmerkmal hinzu.
Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfah-
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rungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung
der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Zudem
steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner
beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr
sorgfältig ist und daher Markenverwechslungen weniger unterliegt als End-
verbraucher, mehr im Vordergrund.
Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle, soweit die Lö-
schung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke
2 084 974 angeordnet worden ist, aufzuheben und der Widerspruch zurückzuwei-
sen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Richter
Engels
hat Urlaub und
kann daher nicht
unterschreiben.
Kliems
Brandt