Urteil des BPatG vom 03.02.2004

BPatG (marke, gefahr, kleine unternehmen, druck, verkehr, steuer, verwechslungsgefahr, wiedergabe, klasse, beschwerde)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 91/02
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 396 28 488
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2004 durch Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Schermer sowie der Richterin Eder und des Richters Schwarz
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse
des deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 1998
und vom 21. Februar 2002 aufgehoben.
2.
Die Löschung der Marke 396 28 488 wird aufgrund der Widersprüche
aus den Marken 1 185 833, DD 653 129 und 891 373 jeweils in vol-
lem Umfang angeordnet.
Gründe
I.
Gegen die am 20. Januar 1997 u.a. für die Waren und Dienstleistungen
„09: Meßgeräte, insbesondere elektrische Meßgeräte, Druckmeß-
geräte, Temperaturmeßgeräte, alle vorgenannten Waren soweit in
Klasse 9 enthalten, außer Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung
und Wiedergabe von Ton und Bild; 42: Entwicklung von industrie-
meßtechnischen Geräten“
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veröffentlichte farbige Eintragung (schwarz/rot) der Wort-Bildmarke 396 28 488
Abb. 1 am Ende
ist Widerspruch erhoben worden
1. aus der Wortmarke 1 185 833
EMERSON
am 30. September 1992 eingetragen für Waren der Klassen 6, 7, 8, 9, 11, u.a. für
„Geräte zur Bestimmung von Temperatur für gewerbliche Zwecke,
Geräte zur Bestimmung von Druck und Dichte, Strömung und pH-
Wert für die Prozeßüberwachung und Steuer- bzw. Regelung der
Wasserbehandlung; automatische Temperaturregler für gewerbli-
che Zwecke; temperaturempfindliche Bimetallscheiben für Rege-
lungszwecke; Heizungs-, Kühl- und Lüftungs-Steuer- und Regel-
geräte; Über- und Unterdruck-Meßgeräte; mechanisch betätigte
Ventile (aus Metall) für Maschinen und zur Steuerung des Flusses
von Strömungsmitteln in Tanks; Naß- und Trocken-Unterdruckge-
neratoren für den Werkstatteinsatz; Anzeigegeräte und Aufzeich-
nungsgeräte zur Messung der Füllhöhe, der Dichte, des Gewichts,
der Massenströmung und des Feuchtigkeitsgehalts von indus-
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triellen Prozeßstoffen; Benzinmeßgeräte; druck- und temperatur-
elektrische Steuer- und Regelgeräte für gewerbliche Zwecke oder
in Wohnvierteln zur permanenten Befestigung an Gebäuden oder
für den Verkauf an Hersteller der ursprünglichen Ausrüstungen,
Mengenanzeiger; Meßschreiber für Fluide sowie mit diesen zu-
sammen einsetzbare Einrichtungen, nämlich Strömungsmeßge-
räte zur Messung, Anzeige, Aufzeichnung und Steuerung- bzw.
Regelung von Fluidströmungen, Ölmeßgeräte, Füllstandmeßge-
räte, Gasströmungs-Eichgeräte und Drehzahlmesser; Einbruch-,
Rauch- und Feuermelder; elektromagnetisch betätigte Ventile und
Überspannungsschutzgeräte für Klima- und Kühlanlagen; flamm-
erfassende halbleitergesteuerte Steuer- und Regelgeräte für Öl-
brenner; temperatur- und flüssigkeitsdruckempfindliche elektrische
Schalter für kommerzielle und gewerbliche Zwecke oder für den
Verkauf an Hersteller der ursprünglichen Ausrüstungen; Ther-
mostate und Thermostatregler; elektronische Bewegungs- und
Stellungsgeber, insbesondere für den Einsatz mit Strömungs-
messgeräten und Füllstandsanzeigen; durch Ansteuerung mit
elektrischem Strom, elektromagnetisch oder durch Temperatur-
oder andere Änderungen physikalischer Bedingungen selbsttätig
geschaltete Ventile“
2. aus der am 14. Mai 1993 für Waren der Klassen 6, 7, 8, 9 und 11 eingetragenen
Wort-Bildmarke DD 653 129
Abb. 2 am Ende
3. aus der am 13. März 1972 für Waren der Klassen 4, 6, 7, 8, 9, 11 und 12 ein-
getragenen Wort-Bildmarke 891 373
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Abb. 3 am Ende
Die Widerspruchsmarken 2 und 3 sind u.a. jeweils geschützt für die Waren
„wissenschaftliche Apparate und Instrumente zur Forschung in
Laboratorien; Regelgeräte; Thermostate, Kontaktgeber, Detekto-
ren; Relais, Sequenzer (Folgeschalter), Transformatoren; Ventile;
Fließmessungs-, Fühl-, Demodulier-, Übertragungs- und Steuer-
Instrumente und -Apparate; Meßgeräte, Meldetafeln, Lehren,
Eichgeräte, Alarm- und Signal-Instrumente und -Apparate; Meß-
latten und Meßbänder“.
Die Markenstelle für Klasse 9 hat die Widersprüche in zwei Beschlüssen, von de-
nen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen mangelnder Verwechs-
lungsgefahr der Marken zurückgewiesen. Selbst bei Anlegung strengster Maß-
stäbe an den Markenabstand im Hinblick auf die verwechslungsfördernde Waren-
lage sei die Ähnlichkeit der Markenwörter „EMERS“ und EMERSON“ wegen der
zusätzlichen Buchstabenfolge „ON“ derart ausgeprägt, dass der Unterschied von
den angesprochenen Verkehrskreisen auch bei ungünstigen Übermittlungsbedin-
gungen nicht überhört werde. Bei Wahrnehmung der Marken in ihrer registrierten
Form seien auch schriftbildliche Verwechslungen mit Sicherheit ausgeschlossen.
Der Erinnerungsprüfer hat ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die zusätzli-
chen Schlusslaute „ON“ des Kennzeichens „EMERSON“ zu einem deutlichen
klanglichen Abstand zu dem Wortbestandteil „EMERS“ der angegriffenen Marke
führten, zumal das „S“ in EMERS“ bei der mündlichen Wiedergabe stimmlos
bleibe, in „EMERSON“ dagegen stimmhaft anklinge und zwar auch bei englischer
Aussprache. Aufgrund der Endung „SON“ wirke „EMERSON“ außerdem als skan-
dinavischer Name, was die klangliche Unterscheidung zusätzlich erleichtere. Der
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erhebliche Wortlängenunterschied wirke auch der Gefahr schriftbildlicher Ver-
wechslungen mit Sicherheit entgegen. Schließlich komme auch eine assoziative
Verwechslungsgefahr nicht in Betracht, weil der Bestandteil „EMERS“ im Rahmen
von „EMERSON“ nicht als eigenständiges Stammwort wirke, das durch die Hin-
zufügung der Endung „ON“ abgewandelt sei.
Gegen den am 1. März 2002 zugestellten Beschluss wendet sich die Widerspre-
chende mit der Beschwerde. Die Beschwerdeschrift enthält im Betreff die Angabe:
„Widerspruch aufgrund der Marke 1 185 833 „E EMERSON“. In dem von der Wi-
derspechenden eingereichten Original des Empfangsbekenntnisses, das den Ein-
gangsstempel des Patentamts vom 31. März 2002 trägt, sind unter den jeweiligen
Aktenzeichen der drei Widerspruchsmarken drei Beschwerden und drei Abbu-
chungsaufträge über je 200 Euro aufgeführt. Als Einzahlungstag der drei Be-
schwerdegebühren ist in der Zahlungsanzeige des Patentamts der 31. März 2002
angegeben.
Zur Begründung ihrer Beschwerden trägt die Widersprechende vor, dass zwischen
den Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 der angegriffenen Marke
und den Waren der Widerspruchsmarken teilweise Identität und im übrigen Ähn-
lichkeit bestehe. In Wechselwirkung dazu reiche der noch nicht einmal mittlere
Abstand zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken nicht
aus, um Verwechslungen auszuschließen. Wie von der Markenstelle zutreffend
dargelegt, werde der Gesamteindruck der Marken jeweils von den Wortbestand-
teilen „EMERS“ und EMERSON“ geprägt. Selbst in dem Fall, dass der Verkehr bei
der mündlichen Wiedergabe der Marken den Bildbestandteil mit berücksichtige,
könnten diese sowohl in der angegriffenen Marke als auch in den Widerspruchs-
marken nur mit „E“ benannt werden. Damit könne aber insbesondere die Gefahr
klanglicher Verwechslungen der Marken nicht ausgeschlossen werden, denn die
zusätzlichen, typischen Endungscharakter aufweisenden Laute „ON“ in
„EMERSON“ träten angesichts der weitgehenden Übereinstimmung in dem Be-
standteil „EMERS“ akustisch in den Hintergrund und seien daher nicht geeignet,
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den Marken einen unterschiedlichen Klangeindruck zu verleihen. Das gelte umso
mehr, als schon wegen des amerikanischen Firmensitzes der Widersprechenden
häufig mit einer englischen Aussprache von „EMERSON“ zu rechnen sei, bei der
die Endsilbe ohnehin klanglich kaum in Erscheinung trete.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die Verwechslungs-
gefahr mit allen Widerspruchsmarken festzustellen und die Lö-
schung der angegriffene Marke für alle gleichen und ähnlichen
Waren und Dienstleistungen anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat im Beschwerdeverfahren das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ins-
gesamt wie folgt beschränkt:
„Industriemesstechnische Geräte, nämlich Druckmessgeräte,
Temperaturmessgeräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Entwicklung
von industriemesstechnischen Geräten, nämlich Druck und Tem-
peraturmessgeräten, soweit in Klasse 42 enthalten“.
Er macht er geltend, dass es sich bei den von den Marken erfassten Waren – an-
ders als in dem der „salvent/Salventerol“-Entscheidung (BGH GRUR 1998, 924)
zugrunde liegenden Fall - um Produkte für industrielle Zwecke handele, die von
den angesprochenen Fachkreisen nicht mündlich im Laden gekauft, sondern re-
gelmäßig anhand von Fachkatalogen auf Sicht unter Angabe der jeweiligen Be-
stell-Nummern erworben würden. Entsprechendes gelte für die Dienstleistungen.
Die Gefahr klanglicher Verwechslungen der Marken sei schon deshalb ausge-
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schlossen. Im übrigen stelle die Silbe „SON“ in „EMERSON“ eine für skandinavi-
sche Namen typische und bekannte Endung mit der Bedeutung „-sohn“ dar. Sie
werde vom Verkehr daher als beachtlicher Teil des Namens aufgefasst und bei
der Aussprache auch entsprechend berücksichtigt. Auch die Gefahr assoziativer
Verwechslungen scheide aus, weil die Widersprechende nicht über eine Zeichen-
serie mit dem Bestandteil „EMERS“ verfüge.
In der mündlichen Verhandlung hat der Markeninhaber die Einrede der mangeln-
den Benutzung der drei Widerspruchsmarken erhoben, insbesondere was Druck-
und Temperaturmessgeräte betrifft. Der Vertreter der Widersprechenden hat die
Nichtbenutzungseinrede als verspätet gerügt und erklärt, dass die Widerspre-
chende nach seinen Informationen auch im Bereich der Meß- und Medizintechnik
tätig sei.
II.
Die Widersprechende hat drei jeweils auf eine Widerspruchsmarke gestützte Be-
schwerden zulässig erhoben (66 Abs. 1 und 2 MarkenG). In der Beschwerdeakte
befindet sich zwar nur eine die Widerspruchsmarke 1 185 833 betreffende Be-
schwerde. In dem von der Widersprechenden vorgelegten Empfangsbekenntnis
sind aber drei Beschwerden und drei Abbuchungsaufträge aufgeführt, deren Ein-
gang das Patentamt unter dem innerhalb der Beschwerdefrist liegenden Datum
vom 31. März 2002 bescheinigt hat. Gleichzeitig sind dem Konto des Patentamts
drei Beschwerdegebühren gutgeschrieben worden. Da für eine auf mehrere Wi-
dersprüche desselben Inhabers gestützte Beschwerde nur eine Gebühr zu zahlen
ist, sind zwei Gebühren zurückzuerstatten.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil die Gefahr von Verwechslun-
gen mit der angegriffenen Marke mit den drei Widerspruchsmarken besteht (§§ 42
Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Die angegriffene Marke ist daher aufgrund
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der Widersprüche gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG jeweils in vollem Umfang
zu löschen.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind sämtliche Waren der Wider-
spruchsmarken Zugrundezulegen. Die von dem Markeninhaber erstmals in der
mündlichen Verhandlung hinsichtlich aller Widerspruchsmarken erhobene Nicht-
benutzungseinrede war gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i.Vm. §§ 282 Abs. 2, 296
Abs. 2 MarkenG als verspätet zurückzuweisen. Die Einrede war bereits im Verfah-
ren vor der Markenstelle zulässig und zwar bezüglich der Widerspruchsmarke
891 373 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (vgl BGH GRUR 1998, 938,
939 – DRAGON; 1999, 54, 55 – Holtkamp) und bezüglich der Widerspruchsmar-
ken 1
185
833 und DD
653
129 mit Ablauf der Benutzungsschonfrist am
30. September 1997 bzw 14. Mai 1998 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG. Da
der Markeninhaber die Einrede erst im Termin zur mündlichen Verhandlung erho-
ben hat, ohne das verspätete Vorbringen zu entschuldigen, und die Widerspre-
chende auf die Einrede eine Benutzung für Meßgeräte geltend gemacht hat, liegt
gemäß § 296 Abs. 2 ZPO sowohl die Voraussetzung der groben Nachlässigkeit
als auch der Verzögerung des Beschwerdeverfahrens vor, weil der Widerspre-
chenden Gelegenheit zur Glaubhaftmachung der Benutzung hätte gegeben wer-
den müssen.
Die Waren der angegriffenen Marke können auch nach der Beschränkung auf „in-
dustriemesstechnische Geräte, nämlich Druckmessgeräte, Temperaturmess-ge-
räte, soweit in Klasse 9 enthalten“ von dem für die Widerspruchsmarken DD
653 129 und 891 373 geschützten Oberbegriff „Meßgeräte“ identisch umfaßt sein.
Hinsichtlich der Waren „Geräte zur Bestimmung von Temperatur für gewerbliche
Zwecke, Geräte zur Bestimmung von Druck und Dichte, Strömung und ph-Wert für
die Prozessüberwachung und Steuer- bzw Regelung der Wasserbehandlung;
Über- und Unterdruckmessgeräte“ der Widerspruchsmarke 1 185 833 besteht
engste Ähnlichkeit. Darüber hinaus liegen auch zahlreiche weitere Waren des
Meß-, Regel- und Steuerbereichs der Widerspruchsmarke 1 185 833 im zumindest
engeren Ähnlichkeitsbereich der Waren der jüngeren Marke.
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Auch die in Klasse 42 beanspruchte Dienstleistung „Entwicklung von industrie-
messtechnischen Geräten, nämlich Druck- und Temperaturmessgeräten“ der an-
gegriffenen Marke sind den Meß-, Steuer- und Regelgeräten der Widerspruchs-
marken ähnlich. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit von Wa-
ren und Dienstleistungen liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die
betreffenden Waren und Dienstleistungen aus demselben oder gegebenenfalls
wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 1998, 922, 924
Rdn. 29, 30 – Canon). Bei dieser Beurteilung ist insbesondere darauf abzustellen,
ob der Verkehr annimmt, der Hersteller der mit der Widerspruchsmarke gekenn-
zeichneten Waren trete auch als Erbringer der Dienstleistungen auf, die unter der
angegriffenen Marke angeboten werden (BGH GRUR 1989, 347 –
MICROTRONIC; 1999, 731, 733 – Canon II; 2004, 241, 243 - GeDIOS). Diese
Voraussetzung ist hier erfüllt, denn Unternehmen, die Meßgeräte für industrielle
und gewerbliche Zwecke herstellen, haben vielfach eigene Entwicklungsabteilun-
gen, die für dritte Unternehmen spezielle Geräte nach deren individuellen Vorga-
ben entwerfen und dann entsprechend fertigen. Die Entwicklungstätigkeit ist ihrer
Art nach also nicht ausschließlich eine unternehmensinterne unselbständige Vor-
stufe des Herstellungsprozesses. Sie kann auch als eigenständige Dienstleistung
erbracht werden, die unabhängig davon, ob sie selbständig in Rechnung gestellt
oder in dem Preis des fertigen Geräts enthalten ist, in unmittelbarem Wettbewerb
zu Dienstleistungen steht, die nur auf die technische Entwicklung von Meßgeräten
gerichtet sind, wie etwa Ingenieurdienstleistungen. Der Verkehr wird daher die
Dienstleistung der Entwicklung von industriemeßtechnischen Geräten ohne weite-
res demselbem Unternehmen zurechnen, das die Geräte herstellt.
In Wechselwirkung zu dem verwechslungsfördernden Faktor der Identität oder en-
gen Ähnlichkeit der durch die Marken erfaßten Waren und Dienstleistungen und
der ohne Zweifel normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, muss
die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand in klanglicher, bildlicher und be-
grifflicher Hinsicht halten, damit ein ungestörtes Nebeneinanderbestehen im Ge-
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schäftsverkehr gewährleistet ist (stRspr., vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22)
– Sabèl/Puma). GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 25) – Lloyd; BGH GRUR 2003,
1044, 1045 – Kelly; GRUR 2004, 240 – MIDAS/MedAS). Dabei genügt für die An-
nahme einer Verwechslungsgefahr in der Regel bereits die hinreichende Überein-
stimmung in einer Hinsicht (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 25) – Lloyd;
BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions; 2003, 1044, 1045 – Kelly; 2004, 240 –
MIDAS/MedAS).
Im vorliegenden Fall weist die angegriffene Marke jedenfalls in ihrem Klangein-
druck einen beachtlichen Grad von Ähnlichkeit mit den Widerspruchsmarken auf.
Sie enthält neben dem Wortbestandteil „EMERS“ einen darüber angeordneten
bildhaft dargestellten Buchstaben „E“, dem zwar eine ihren visuellen Gesamt-
eindruck mitprägende Wirkung zukommen mag (vgl dazu BGH GRUR 1999, 241,
244 – Lions). Bei der mündlichen Benennung wird das „E“ dagegen im Regelfall
unberücksichtigt bleiben, weil es für den Verkehr ohne weiteres als eine Wieder-
gabe des Anfangsbuchstabens des Wortbestandteils „EMERS“ in grafischer Form
erkennbar ist. Damit kommt der Buchstabendarstellung nur die Bedeutung einer
dem alleinigen Kennwort „EMERS“ hinzugefügten schmückenden Initiale ohne
eigenständigen Aussagegehalt zu.
Auch die bildlich ausgestalteten Widerspruchsmarken Wort-Bildmarken
DD 653 129 und 891 373 werden in ihrem klanglichen Gesamteindruck durch den
Wortbestandteil „EMERSON“ geprägt, weil er die einfachste Form der mündlichen
Benennung darstellt, während sich der Bildbestandteil kaum konkret bezeichnen
läßt (stRspr.,vgl BGH 2000, 506, 508 - ATTACHE/TISSERAND; 2002, 167, 169 –
Bit/Bud). Der Ansicht der Widersprechenden, der Verkehr sehe darin ein „E“, kann
nicht gefolgt werden, denn das zackige Gebilde erinnert eher an einen Blitz als
Symbol für Elektrizität. Aber selbst wenn das Bildelement auf den Wortbestandteil
„EMERSON“ bezogen und daher als Fantasiedarstellung des Anfangsbuchsta-
bens „E“ aufgefaßt werden sollte, wird der Verkehr die Widerspruchsmarken aus
den bereits oben dargelegten Gründen nur mit „EMERSON“ mündlich wiederge-
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ben. Die weitere Widerspruchsmarke 1 185 833 besteht ohnehin nur aus dem
Wort „EMERSON“.
Die sich somit gegenüberstehenden Markenwörter „EMERS“ und „EMERSON“
stimmen aber aufgrund ihrer gemeinsamen und besonders charakteristischen ei-
gentümlichen Lautfolge „EMERS“ im Klangeindruck so weitgehend überein, dass
die zusätzliche Endung „ON“ nicht ausreicht, um die Gefahr klanglicher Ver-
wechslungen auszuschließen. Da das Markenwort „EMERSON“ erkennbar den
Charakter eines Nachnamens hat, dessen Endung „SON“ auf eine Zugehörigkeit
zum skandinavischen oder englischen Sprachraum hindeutet, wird die letzte Silbe
bei der Aussprache vielfach ohne Wiedergabe des Vokals „O“ nur kurz und kaum
betont als „SN“ anklingen, wie dies bei englischen Wörtern mit der Endsilbe „son“
die Regel bildet (Winston, Johnson, Madison, mission usw) und in den Sprachle-
xika auch in entsprechender Lautschrift (sn) verzeichnet ist. Eine Wiedergabe mit
ganz klar und deutlich hervorgehobener Endung „on“ wird daher eher die Aus-
nahme bilden. Damit besteht aber in besonderem Maße die Gefahr, dass der Ver-
kehr bei der akustischen Wahrnehmung des Wortes „EMERS“ selbstverständlich
annimmt, er habe den – zugleich das Firmenschlagwort der Widerprechenden bil-
denden - Namen „EMERSON“ mit seinem für den Gesamteindruck wesentlichen
charakteristischen Wortstamm „EMERS“ vor sich und die Endung „ON“ nur über-
hört. Diese mag zwar anders als bei der Marke „Salventerol“ keine Endung sein,
die unter dem Aspekt ihrer Branchenüblichkeit nur eine geringfügig prägende Be-
deutung hat (vgl BGH GRUR 1998, 924, 925 – salvent/Salventerol). Das ändert
aber nichts daran, dass der Anfangsbestandteil „EMERS“ in EMERSON“ sich dem
Gehör in erster Linie einprägt, während die Endlaute „SON“ akustisch stark zu-
rücktreten, zumal sie nicht im betonten Wortbereich liegen wie etwa die Endlaute
„ol“ in „Salventerol“.
Die Gefahr von Verwechslungen infolge Verhörens ist auch nicht deshalb ausge-
schlossen, weil sich die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke nur
an industrielle Abnehmer wenden. Diese Verkehrskreise begegnen den Kenn-
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zeichnungen ihres Tätigkeitsbereich zwar im allgemeinen mit erhöhter Aufmerk-
samkeit. Der Grad der klanglichen Ähnlichkeit der Markenwörter ist aber doch so
beachtlich, dass selbst der aufmerksamere Fachverkehr der Gefahr des Verhö-
rens unterliegen kann. Das gilt umso mehr, als zu den Abnehmern von industrie-
messtechnischen Druck- und Temperaturmessgeräten große und kleine Unter-
nehmen aus allen Branchen gehören, die neben (Druck-und Temperatur-) Regel-
und Steuergeräten auch Druck- und Temperaturmeßgeräte benötigen, etwa als
Bestandteil ihrer Produktionsanlagen. Mit der Größe des Abnehmerkreises nimmt
aber auch die Zahl verwechslungsbegründender Begegnungen der Marken zu.
Der Ansicht des Markeninhabers, die Gefahr klanglicher Verwechslungen scheide
im Bereich der industrietechnischen Messgeräte praktisch aus, weil diese Waren
in der Regel schriftlich anhand von Listen und Bestellnummern gekauft würden,
kann nicht gefolgt werden. Nach der „Lloyd“-Entscheidung des EuGH (aaO) kann
dem Faktor der klanglichen Verwechslungsgefahr zwar im Einzelfall je nach Art
der durch die Marken erfassten Waren und Dienstleistungen keine oder jedenfalls
keine relevante Bedeutung zukommen. Dies wird umso eher anzunehmen sein, je
spezieller, hochwertiger und kostspieliger die betreffenden Waren sind – entspre-
chendes gilt für die Dienstleistungen – und je fachspezifischer und exklusiver da-
mit auch der angesprochene Abnehmerkreis ist. Von einem begrenzten Abneh-
merkreis kann aber, wie bereits oben ausgeführt, bei industrietechnischen Tempe-
ratur- und Druckmessgeräten allgemein, ohne bestimmte fachliche Spezialisie-
rung, keinesfalls ausgegangen werden. Folglich läßt sich auch nicht ausschließen,
dass die Marken im mündlichen Geschäftsverkehr in einem noch relevanten Um-
fang aufeinandertreffen, etwa bei telefonischen Bestellungen oder Anfragen im
Groß- oder Zwischenhandel, bei Empfehlungen und Auskünften unter Fachleuten
oder in Fachgesprächen auf Kongressen, Tagungen oder Messen, und daher we-
gen ihres beachtlichen Ähnlichkeitsgrades irrtümlich füreinander gehalten werden.
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Es besteht kein Anlass, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Dr. Schermer
Eder
Schwarz
Na
Abb. 1
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Abb. 2
Abb. 3