Urteil des BPatG vom 13.03.2006

BPatG: marke, glaubhaftmachung, anerkennung, vitamin, reinigungsmittel, verzicht, stillschweigend, zugang, verhandlungsgrundsatz, form

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 25/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. März 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die angegriffene Marke 398 47 826
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 13. März 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse
der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 28. Oktober 2003 und vom 2. April 2002 aufgeho-
ben, soweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke we-
gen des Widerspruchs aus der IR-Marke 517 064 angeordnet wor-
den ist.
Der Widerspruch aus der IR-Marke 517 064 wird auch insoweit zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Eingetragen am 6. November 1998 , veröffentlicht am 10. Dezember 1998, unter
398 47 826 – nach Teillöschung – für folgende Waren:
Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische
Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Reini-
gungsmittel; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für
die Gesundheitspflege; chemische Erzeugnisse für die Gesund-
heitspflege; Medizinprodukte soweit in Klasse 05 enthalten; diäte-
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tische Erzeugnisse für medizinische Zwecke auch für Kinder und
Kranke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke,
nämlich Vitamin- und/oder Mineralstoffpräparate und/oder Pflan-
zenextrakte; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke;
Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der
Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen; Pflaster, Ver-
bandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Des-
infektionsmittel; orthopädische Artikel, insbesondere Fixier-
bandagen, ausgenommen orthopädische Strumpfwaren und ortho-
pädische Miederwaren, Medizinprodukte soweit in Klasse
10
enthalten; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportgeräte, auch Gym-
nastikgeräte und Muskelaufbaugeräte, Medizinprodukte soweit in
Klasse 28 enthalten; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische
Zwecke, nämlich Vitamin- und/oder Mineralstoffpräparate
und/oder Pflanzenextrakte; Nahrungsergänzungsmittel für nicht-
medizinische Zwecke auf der Basis von Proteinen;
ist die Marke
Balinea.
Widerspruch wurde erhoben am 9. März 1999 aus der IR Marke 517 064
Ballerina
eingetragen seit dem 7. August 1987 für die Waren
Préparations pour blanchir, préparations pour lessiver; préparati-
ons pour laver la vaisselle, préparations pour nettoyer, polir, dé-
graisser et abraser; savons, serviettes imprégnées de savon de
toilette, serviettes abrasives.
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Peignes, éponges; brosserie, instruments et matériel de net-
toyage; serviettes imprégnées de préparations pour blanchir, les-
siver, laver la vaisselle, nettoyer, polir et dégraisser.
Deren Benutzung ist bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten worden.
Die Widersprechende hat in den Schriftsätzen vom 29.
März
2001 und
20. Dezember 2002 Ausführungen zur Benutzung der Widerspruchsmarke für
Haushaltstücher gemacht und Unterlagen insbesondere eidesstattliche Versiche-
rungen über hierzu erzielte Umsätze für die Zeiträume 1994 bis 1998 sowie 2000
dazu vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 hat die angegriffene Marke in zwei Beschlüssen
- einen davon im Erinnerungsverfahren ergangen - teilweise gelöscht für die Wa-
ren
„Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Reinigungsmittel“
und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Die Benutzung der Wider-
spruchsmarke sei nachgewiesen, Jahresumsätze in Höhe von 331.000 DM im
Jahr 1998 könnten bei einem Produkt aus dem Niedrigpreisbereich nicht als ge-
ringfügig angesehen werden. Auch ein Rückgang der Umsatzzahlen im Jahr 2000
beim Lizenznehmer spreche noch nicht gegen eine wirtschaftlich sinnvolle Be-
nutzung. Die strengen Anforderungen an den Markenabstand halte die angegrif-
fene Marke in klanglicher Hinsicht nicht ein.
Die Inhaberin der jüngeren Marke hat Beschwerde eingelegt, eine Begründung ist
nicht zu den Akten gelangt.
In der mündlichen Verhandlung hat sie unter anderem erklärt, dass sie die Einrede
der Nichtbenutzung aufrechterhalte.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Wider-
spruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Äußerung der Widersprechenden zur Sache ist im Beschwerdeverfahren
nicht zur Akte gelangt. In der mündlichen Verhandlung erklärt sie unter anderem,
sie sei davon ausgegangen, dass die Einrede der Nichtbenutzung nicht aufrecht-
erhalten werde, da im Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen Verhandlung kei-
ne Äußerung der Inhaberin der angegriffenen Marke erfolgt sei. Sie rügt das Wie-
deraufgreifen der Einrede der Nichtbenutzung als verspätet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die angefochtenen Be-
schlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache schon deshalb Erfolg, weil die Wider-
sprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht gem.
§ 43 Abs. 1 i. V. m. § 26 MarkenG glaubhaft gemacht hat, obwohl die Inhaberin
der angegriffenen Marke die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG kumu-
lativ mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke bereits im
Verfahren vor dem Patentamt zulässig erhoben hat (vgl. hierzu BGH GRUR 1998,
938, 939 - DRAGON; Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl. § 43 Rdn. 6, 32).
Eine einmal in der Vorinstanz zulässigerweise erhobene Einrede der mangelnden
Benutzung ist insoweit auch für alle weiteren Instanzen rechtswirksam, da die Ein-
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rede damit in das Verfahren eingeführt ist. Die Widersprechenden hat diese zu
beachten und im anschließenden Rechtsmittelverfahren von sich aus die Benut-
zung der Widerspruchsmarke für den jeweils maßgeblichen Zeitraum glaubhaft zu
machen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 43 Rdn. 77).
Anhaltspunkte dafür, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke auf die Einrede
der Nichtbenutzung verzichtet hätte, um diese dann in der mündlichen Verhand-
lung wiederaufzugreifen, sind nicht ersichtlich.
Dabei kann die Einrede der Nichtbenutzung grundsätzlich ohne Rechtsverlust
einstweilen fallengelassen werden, weil ein Wiederaufgreifen jederzeit möglich ist.
Dies ist nur nach Erklärungen nicht mehr möglich, die eindeutig als Anerkennung
der Benutzung im Sinne eines Verzichts auf die Nichtbenutzungseinrede zu be-
werten sind, wobei an die Voraussetzungen eines solchen Verzichts bzw. der An-
erkennung der Benutzung strenge Anforderungen zu stellen sind. So reicht das
bloße Nichtweiterverfolgen der Einrede oder das Schweigen des Einredenden auf
die ihm zugestellten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung insoweit
nicht aus, nicht einmal die Erklärung, die Einrede werde „nicht weiter aufrechter-
halten“, ist als ein das Wiederaufgreifen ausschließender Verzicht gewertet wor-
den (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 Bayer/BeiChem; Ströbele/Hacker a. a. O.
§ 43 Rdn. 49).
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat – auch nicht stillschweigend – die Ein-
rede der mangelnden Benutzung fallengelassen. Dies kann auch nicht aus dem
Umstand gefolgert werden, dass sie im Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen
Verhandlung keine Beschwerdebegründung abgegeben hat und sich auch sonst
nicht zur Sache geäußert hat. Da eine Beschwerdeerklärung ausreichend ist, die
erkennen lässt, welche Entscheidung in welchem Umfang angefochten wird, sind
Anträge und Begründungen nicht erforderlich (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 66
Rdn. 66, 67). Da die Markenstelle ihre Entscheidungen auf die nachgewiesene
Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für beide maßgebli-
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chen Zeiträume nach § 43 Abs. 1 gestützt hat und diese Entscheidungen durch
die Beschwerde in vollem Umfang angegriffen sind, war für die Widersprechende
damit erkennbar, dass die mangelnde Benutzung weiter im Streit steht.
Mit der zulässigen Erhebung der Nichtbenutzungseinrede und deren Aufrechter-
haltung entstand für die Widersprechenden damit die Obliegenheit, die rechtser-
haltende Benutzung der Widerspruchsmarke für eingetragene Waren für den Zeit-
raum von Dezember 1993 bis Dezember 1998 und für den Zeitraum der letzten
fünf Jahre vor Zugang dieser Entscheidung bei den Verfahrensbeteiligten, also
von 2001 bis 2006 glaubhaft zu machen. Glaubhaft zu machen ist dabei die Ver-
wendung der Marke für die maßgeblichen Waren nach Art, Zeit, Ort und Umfang.
Aus den vorgelegten Unterlagen muss sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in
welchem Zeitraum, in welchem Gebiet und in welchem Umfang die Benutzung
erfolgt ist. Diese Erfordernisse müssen insgesamt erfüllt sein. Fehlen z. B.
Angaben über Zeit bzw. einen Zeitraum oder Umfang der Benutzung, liegt keine
ausreichende Glaubhaftmachung vor (Ströbele/Hacker a.
a.
O. §
43 Rdn.
32
m. w. N.; § 26 Rdn. 74; 195).
Ob die Widersprechende mit den im patentamtlichen Verfahren eingereichten
Schriftsätzen vom 29. März 2001 und vom 20. Dezember 2002 nebst Anlagen
eine Benutzung für den Zeitraum Dezember 1993 bis Juli 1998 hinreichend glaub-
haft gemacht hat, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Denn die
Widersprechende hat auf die auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig er-
hobene Nichtbenutzungseinrede nichts unternommen, um eine Benutzung für den
weiteren Zeitraum von 2001 bis 2006 darzutun und glaubhaft zu machen; die ur-
sprünglich im Verfahren vor dem Patentamt bereits eingereichten Unterlagen
enthalten hierzu keinerlei tatsächliche Angaben und ermöglichen damit auch nicht
die Feststellung der Benutzung gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 26 MarkenG für die-
sen Zeitraum. Umsätze sind nur für den Zeitraum von 1994 bis 1998 und für 2000
angegeben, die zudem in den letzten Jahren stark rückläufig waren. Mangels be-
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rücksichtigungsfähiger Waren (vgl. §§ 43 Abs. 1 Satz 3, 43 Abs. 2 Satz 2 Mar-
kenG) ist der Widerspruch zurückzuweisen.
Der im Rahmen des Benutzungszwangs herrschende Beibringungs- und Verhand-
lungsgrundsatz gibt keine Veranlassung zu gerichtlichen Aufklärungshinweisen
(vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 43 Rdn. 71 m. w. N.; BPatG GRUR 2000, 900, 902
- Neuro-Vibolex).
Angesichts der besonderen Sachlage im vorliegenden Fall liegen (noch) keine
Billigkeitsgründe vor, der Widersprechenden gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die
Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Ein entsprechender Kostenan-
trag war nicht gestellt. Die Widersprechende, die im patentamtlichen Verfahren
Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt hat, hat im Beschwerdeverfahren
nicht eine ausdrücklich erhobene Nichtbenutzungseinrede bewusst ignoriert, son-
dern es vielmehr übersehen, neue Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorzulegen,
zumal im Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen Verhandlung keine Äußerun-
gen in der Sache mehr gemacht wurden.
gez.
Unterschriften