Urteil des BPatG vom 26.05.2000

BPatG: beschreibende angabe, verkehr, käufer, verarbeitung, kennzeichnung, bestandteil, wand, werkstoff, mitbewerber, beratung

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 10/00
_______________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 09 038.2
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 26. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler so-
wie der Richterinnen Dr. Schermer und Pagenberg
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse des
Patentamts vom 9. März 1998 und vom 29. September 1999 auf-
gehoben.
BPatG 152
10.99
- 2 -
G r ü n d e
I
Beim Patent ist die Bezeichnung
"PROGLAS"
für die Waren und Dienstleistungen
"Glasscheiben und Fensterglas, insbesondere Isolierglasscheiben
und andere Funktionsgläser, jeweils als Halbzeug oder als Fertig-
erzeugnis für Bauzwecke und für die Fahrzeugverglasung; glas-
technische Beratung für die Verarbeitung und den Vertrieb von
Glasscheiben und Fensterglas, insbesondere Isolierglasscheiben
und andere Funktionsgläser; Marketing und Durchführung von
Werbemaßnahmen"
zur Eintragung als Marke angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 19 hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von de-
nen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2
MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie auf den Beanstandungsbe-
scheid Bezug genommen, in dem ausgeführt worden ist, daß die angemeldete
Bezeichnung "PROGLAS" aus einem beschreibenden Hinweis auf professionel-
les Glas bestehe, das für jede Verwendung uneingeschränkt geeignet sei. In
bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bringe "PROGLAS" zum Aus-
druck, daß sie sich professionell mit allen Fragen in Verbindung mit der Verar-
beitung und dem Vertrieb von Glas befaßten.
- 3 -
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde beantragt die Anmelderin
(sinngemäß) die Aufhebung beider Beschlüsse des Patentamts.
II
Die Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Marke entbehrt weder jeglicher
Unterscheidungskraft noch ist sie als beschreibende Angabe zugunsten der Mitbe-
werber freizuhalten. Ihrer Eintragung stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2
Nr 1 und 2 MarkenG daher nicht entgegen.
Bei der angemeldeten Bezeichnung "PROGLAS" handelt es sich um eine Wort-
neubildung, der keine ohne weiteres verständliche Sachaussage über die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen entnommen werden kann. Entgegen der
Ansicht der Markenstelle trifft es insbesondere nicht zu, daß der Wortbestandteil
"PRO" von den angesprochenen Verkehrskreisen ausschließlich im Sinne von
"Profi, professionell" aufgefaßt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, daß "PRO im
Deutschen in erster Linie als Ausdruck der Zustimmung für etwas bekannt und ge-
bräuchlich ist (Pro und Contra, prowestlich). Ferner hat es die Bedeutung von "je,
jeweils" (pro Jahr, pro Stück). Als Kurzform für "Profi" kommt dem Wort "PRO" da-
gegen jedenfalls im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eine eher unterge-
ordnete Bedeutung zu. Auch wenn diese Kurzform nicht nur im Bereich des Sports
als Bezeichnung für einen Profisportler üblich sein mag, zB Golfpro, Tennispro (so
DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., Bd 7, S 3012),
sondern zum Teil auch in der Werbesprache ganz allgemein für eine Person ver-
wendet werden mag, die ein Profi ist, dh eine Tätigkeit professionell ausübt und
beherrscht, folgt daraus nicht, daß dem inländischen Verkehr "PRO" ebenso
geläufig ist wie "Profi" und daß er diese Kurzform in allen beliebigen
Wortzusammenhängen ohne weiteres dem Wort "Profi" gleichsetzt.
Unter diesen Voraussetzungen kommt der Wortkombination "PROGLAS" nicht die
ohne weitere Überlegung eindeutig im Vordergrund stehende Bedeutung von
- 4 -
"Profiglas" zu. Der angesprochene Verkehr, der über den möglichen Sinngehalt
einer Kennzeichnung im allgemeinen keine weiteren analysierenden Betrachtun-
gen anstellt, faßt "PROGLAS" im allgemeinen als Phantasiewort auf. Es bedarf
schon einiger Überlegungen, um der Bezeichnung "PROGLAS" eine auf die Wa-
ren und Dienstleistungen bezogene Aussage zu entnehmen. Dabei wird der Ver-
kehr dem Bestandteil "PRO" in erster Linie die bekannte Hauptbedeutung von "für,
dafür" beimessen und mit "PROGLAS" möglicherweise die Vorstellung einer
Aufforderung an den Käufer verbinden, sich für Waren aus dem Werkstoff Glas zu
entscheiden, oder darin einen Hinweis des Herstellers auf seinen besonderen
Einsatz für die Glastechnik im Bereich der Funktionsgläser sehen. Sofern er
"PRO" als Kurzwort für "Profi" kennt, kann er "PROGLAS" bei einigem Nachden-
ken auch im Sinne von "Profiglas" auffassen, obwohl diese Deutung eher fernliegt,
denn gerade bei den angemeldeten, in erster Linie für Fachabnehmer bestimmten
Glasscheiben und sonstigen Funktionsgläsern handelt es sich nicht um Waren, die
herkömmlicherweise mit der Bezeichnung "Profi" beworben werden, um den
Käufer darauf hinzuweisen, daß es sich um qualitätsmäßig hochwertige, in jeder
Hinsicht funktionstüchtige Waren handelt, wie sie (sogar) auch der Profi benutzt.
In Anbetracht des mehrdeutigen mögliche Assoziationen in verschiedener Rich-
tung auslösenden Sinngehalts der angemeldeten Bezeichnung kann ihr nach an-
erkannter Rechtsprechung weder jegliche betriebskennzeichnende Eigenart ab-
gesprochen werden noch bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme,
daß die derzeit als beschreibende Angabe nicht nachweisbare Wortkombination
"PROGLAS" zumindest künftig von den Mitbewerbern als Sachhinweis auf Glas
vom Profi oder für den Profi(abnehmer) ernsthaft benötigt wird (vgl BGH GRUR
1995, 408 "PROTECH"; 1995, 269 "U-KEY"). Mit entsprechender Begründung hat
das Bundespatentgericht im übrigen bereits zahlreiche vergleichbare Wortkom-
binationen als schutzfähig erachtet (vgl ua Mitt 1983, 238 "PRO LOCK"; ferner
27
W
(pat)
92/97 vom 29.9.1998 "PRO Comfort" für Schuhwaren;
26 W (pat) 109/99 vom 1.9.1999 "PRO WAND" ua für Wandkonstruktionen;
28
W
(pat)
179/98 vom 27.10.1999 "Pro Arte" für Musikinstrumente;
- 5 -
32
W
(pat)
158/99 vom 15.12.1999 "ProChart" für ua Erstellen von
EDV-Programmen). Auch das HABM hat mit Entscheidung vom 8.9.1999 die Be-
zeichnung "PRO CARE" für ua ärztliche Geräte als eintragbar angesehen (vgl
PAVIS PROMA, Bender).
Winkler Pagenberg
Dr.
Schermer
Cl