Urteil des BPatG vom 09.06.2008, 20 W (pat) 332/04
BPatG: stand der technik, patentanspruch, transport, stahl, fig, lagerung, erfahrung, bohrung, patentfähigkeit, beschädigung
- Entschieden
- 09.06.2008
- Schlagworte
- Stand der technik, Patentanspruch, Transport, Stahl, Fig, Lagerung, Erfahrung, Bohrung, Patentfähigkeit, Beschädigung
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 332/04 _______________ Verkündet am 9. Juni 2008
… (Aktenzeichen)
BESCHLUSS
In der Einspruchssache
…
betreffend das Patent 196 31 709
BPatG 154
08.05
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Bastian, den Richter Dipl.-Phys. Dr. Hartung sowie die Richterin
Martens und den Richter Dipl.-Ing. Gottstein
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Die Einsprechende macht mangelnde Patentfähigkeit geltend und beruft sich
hierzu auf die
D1 DE 196 00 728 A1
und das Konvolut
VB1, umfassend:
E1 3 Blatt technische Zeichnungen mit Stückliste, und
E2 2 Fotografien,
die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin führt im Wesentlichen aus, dass das Konvolut VB1 zwar eine
Eichnormalpalette zeige, diese aber im Gegensatz zu der beanspruchten Eichnormalpalette ausschließlich mit Handgewichten und nicht mit Rollgewichten bestückt sei. Zwar seien die dortigen Handgewichte zugegebenermaßen zylindrisch
ausgeführt, dennoch würden diese Gewichte nicht gerollt, da es bei einem Rollen
der Gewichte zu Farbabplatzern kommen könne, wodurch das Eigengewicht verändert werde und damit die Verwendung als Eichgewicht nicht mehr möglich sei.
Um eine derartige Beschädigung zu vermeiden, seien bei typischen Rollgewichten
Rollreifen vorgesehen, die bei den auf den Fotos E2 dargestellten Handgewichten
nicht ersichtlich seien. Es sei daher keinesfalls gerechtfertigt, die gezeigten Handgewichte Rollgewichten gleichzustellen. Darüber hinaus sei auch die zentrale Anordnung einer Justierkammer auf der Palette dem Konvolut VB1 nicht entnehmbar
und werde auch durch die D1, die keine Eichnormalpalette sondern ein Eichnormal beschreibe, dem Fachmann nicht nahegelegt.
Der Patentinhaber beantragt daher,
das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit
Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im
Übrigen mit den erteilten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende hält dagegen, dass der Gegenstand des Patentanspruches 1
gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag gegenüber dem Stand der Technik nach der
VB1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da sich die beanspruchte
Eichnormalpalette von der aus dem Konvolut VB1 bekannten Eichnormalpalette
nur durch die Funktionsangabe unterscheide, dass anstatt der in den Fotografien
E2 gezeigten Handgewichte die Palette mit Rollgewichten belegt werde und damit
gleichermaßen nur eine Bündelung von höheren Gewichten auf einer Palette vorgenommen werde. Der einzige verbleibende Unterschied, nämlich die Positionie-
rung der Justierkammer in der Mitte der Eichnormalpalette sei eine handwerkliche
Maßnahme, die zudem durch den Stand der Technik nach der D1 angeregt werde.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit eingefügten Aufzählungszeichen):
1. Eichnormalpalette zur Eichung von Großwaagen,
2. bestehend aus einem rechteckigen Palettenkörper,
3. sowie aus auf dem Palettenkörper angeordneten
Eichgewichten,
4. wobei der Palettenkörper selbst als Eichgewicht aus Stahl
ausgeführt ist
5. und eine Justierkammer aufweist,
6. und wobei der Palettenkörper regelmäßig angeordnete angeschweißte Stahlfüße (3) aufweist, dadurch gekennzeichnet,
dass
7. die auf dem Palettenkörper angeordneten Eichgewichte aufrecht stehende zylindrische Rollgewichte (7) sind, dass
8. der Palettenkörper eine oder mehrere Transportsicherungen
für die Rollgewichte (7) aufweist, wobei eine Transportsicherung ein an dem oder auf dem Palettenkörper umlaufender
Stahlrahmen ist, dass
9. die Justierkammer (11) ein senkrecht stehendes, unten geschlossenes und oben verschließbares Stahlrohr ist, dass
10. die Justierkammer zentral auf dem Palettenkörper angeordnet ist, und dass
11. die Palette (1) an ihren vier Ecken Stahlösen (10) aufweist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag umfasst die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 ge-
mäß Hauptantrag durch folgende Änderungen im Merkmal 7. nach Hauptantrag
(Änderungen kursiv):
7a) die auf dem Palettenkörper angeordneten Eichgewichte aufrecht stehende zylindrische Normale zum Prüfen von Waagen,
zylindrische Rollgewichte zu je 500 kg (7) sind.
II.
Der Einspruch ist zulässig. Er führt zum Widerruf des Patents.
Die Vorveröffentlichung der im Konvolut VB1 gezeigten Gegenstände ist unbestritten. Der Senat sieht sich ebenfalls nicht veranlasst, deren Vorveröffentlichung in Frage zu stellen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag beruht nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der angegriffene Gegenstand ist auf eine Eichnormalpalette für die Eichung von
Großwaagen gerichtet, auf der zylinderförmige Eichnormale angeordnet werden,
wodurch eine flexible Anwendung von Eichgewichten mit geringstem Personaleinsatz möglich ist (vgl. Patentschrift [0003]).
Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der beanspruchte Gegenstand folglich
nicht nur auf die eigentliche Konstruktion und Entwicklung von Eichkomponenten
sondern auch auf eine Lösung für deren Handhabung und Transport gerichtet.
Im vorliegenden Streitfall ist daher ein Fachmann anzusetzen, der mit der Konstruktion und Herstellung von Eichkomponenten für die Wägetechnik vertraut ist
und der sich bei Sachverständigen für Transportvorrichtungen kundig macht, wenn
es um Fragen geht, die im Zusammenhang mit der Konstruktion von stapelbaren
Transportbehältern auftreten. Diesem Durchschnittsfachmann sind deshalb auch
die auf dem Gebiet der Transportvorrichtungen vorhandenen Kenntnisse zuzu-
rechnen, die er durch eine naheliegende Erkundigung erfahren konnte (BGH
GRUR 1983, 64 - Liegemöbel).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag umfasst den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Nachdem letzterer - wie die
nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag zeigen - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht
rechtsbeständig.
Aus den technischen Zeichnungen E1 des Konvoluts VB1 entnimmt der Fachmann eine Eichnormalpalette (vgl. Blatt 1, unten rechts „Gewichtspalette 50 kg“),
die, wie aus den Fotos E2 ersichtlich, als Traggestell für Eichgewichte verwendet
wird. Derartig ausgestaltete Eichnormalpaletten werden fachüblicherweise (vgl.
BGH GRUR 1995, 330-333 - Elektrische Steckverbindung) für die Belastungsprüfung und Eichung von Großwaagen eingesetzt (Merkmal 1).
Die Eichnormalpalette besteht ersichtlich aus einem rechteckigen Palettenkörper
(Merkmal 2.), der selbst als Eichgewicht (vgl. Bezeichnung „Gewichtspalette
50 kg“) aus Stahl (vgl. Stückliste) gefertigt ist (Merkmal 4.) und auf dem Eichgewichte angeordnet sind (vgl. 50 kg-Gewichte in E2) (Merkmal 3.).
An den vier Ecken des Palettenkörpers sind in regelmäßiger Anordnung Stahlfüße
angeschweißt (vgl. Draufsicht mit erkennbaren Schweißnähten an den Vierkantrohren 1) (Merkmal 6.).
Sowohl die perspektivische Darstellung der Eichnormalpalette in der E1 als auch
die Fotos E2 zeigen auch einen umlaufenden Rahmen, der die Funktion einer
Transportsicherung für die auf ihr aufrechtstehenden zylindrischen Normale zum
Prüfen von Waagen übernimmt (Merkmale 7ateilweise und 8.).
Für den Transport sind an den vier Stahlfüßen und damit an den vier Ecken der
Palette Stahlösen angeschweißt (vgl. E1, 8 sowie E2) (Merkmal 11.).
Mit dem Detail A ist in den technischen Zeichnungen E1 der Querschnitt eines
Hohlraums dargestellt, der in einem der Stahlfüße (vgl. Draufsicht, Stahlfuß mit
Bohrung) angeordnet ist und der gemäß fachlicher Auslegung (vgl. wiederum BGH
GRUR 1995, 330-333 - Elektrische Steckverbindung) als Justierkammer genutzt
wird, um die bei der Herstellung der Palette unvermeidbaren Gewichtsschwankungen nachträglich ausgleichen zu können (Merkmale 5. und 9.).
In der Eichnormalpalette nach der VB1 ist die Justierkammer zwar in einem der
Eckfüße angeordnet, diese Positionierung ist aber nicht zwingend vorgegeben, da
der Fachmann im Hinblick auf die Zielsetzung, Abweichungen vom Sollgewicht zu
kompensieren, jeden vorhandenen Hohlraum in den Bestandteilen der Palette
(vgl. E1, Detail A) als dafür geeignet in Betracht ziehen kann und damit auch, in
Anlehnung an die stapelbaren - und damit palettenähnlichen - Eichnormale gemäß
der D1 ein in der Eichnormalpalette zentral angebrachtes senkrecht stehendes
Stahlrohr als Justierkammer (vgl. Fig. 1 und 2, Justierkammer 6) ausbilden kann
(Merkmal 10.).
Da der Fachmann im täglichen Umgang mit den Eichnormalpaletten nach der VB1
deren Vorteile hinsichtlich einer einfachen Lagerung (Stapelbarkeit), eines sicheren Transports und der variablen Zusammenstellungsmöglichkeit der zylindrischen
Eichnormale zu einer bestimmten Gesamtgewichtsgröße in Erfahrung bringen
konnte, bietet es sich dem Fachmann an, auch größere zylindrische Eichnormale,
wie die ihm ebenfalls aus E2 bekannten Rollgewichte, in gleicher Weise wie die
kleineren zylindrischen Handgewichte auf einer entsprechend dimensionierten
Eichnormalpalette anzuordnen (Merkmal 7aRest).
Damit ist der Fachmann , ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des
Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag gelangt.
Bei dieser Sachlage kann die Frage, inwieweit die Änderungen im Merkmal 7a
gemäß Hilfsantrag durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind, dahingestellt bleiben.
Dr. Bastian Dr. Hartung Martens Gottstein
Pr