Urteil des BPatG vom 13.06.2006, 27 W (pat) 192/04
BPatG: bösgläubigkeit, markt, geschäftsbetrieb, nation, inhaber, erwerb, sittenwidrigkeit, vergleich, wortmarke, beweislast
- Entschieden
- 13.06.2006
- Schlagworte
- Bösgläubigkeit, Markt, Geschäftsbetrieb, Nation, Inhaber, Erwerb, Sittenwidrigkeit, Vergleich, Wortmarke, Beweislast
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 192/04 _______________ Verkündet am 13. Juni 2006 …
(Aktenzeichen)
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
BPatG 154
08.05
betreffend die Marke 397 28 121
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2006 durch …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 26. April 2004 den auf den Löschungsgrund der Bösgläubigkeit
nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F. gestützten Antrag der Beschwerdeführerin
vom 9. September 2002 auf Löschung der am 16. Juni 1997 angemeldeten und
am 4. November 1997 im Register für „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Schmuckwaren, Uhren, Zeitmeßinstrumente; Waschmittel, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ eingetragenen Wortmarke
PNB Nation
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Eine Bösgläubigkeit des Markeninhabers sei nicht zur Überzeugung der Löschungsabteilung nachgewiesen. Der
Erwerb der Marke habe offensichtlich im berechtigten Unternehmensinteresse des
Markeninhabers gelegen, der seit 1993 einen Textilhandel betrieben habe und die
angegriffene Marke u. a. für Bekleidungsstücke angemeldet habe, um sie als gra-
fisch gestaltetes Emblem auf den Kleidungsstücken aufsticken oder aufdrucken zu
lassen; solche Waren verkaufe er seit 1998 mit wachsenden Stückzahlen. Darüber
hinaus sei die Anmeldung für ihn wegen der Exportlizenz der im Ausland hergestellten Waren erforderlich gewesen. Umstände für ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten sei nicht erkennbar. Dabei habe die Antragstellerin nicht dargetan, dass
sie mit der US-Marke „PNB Nation“ bereits einen überragenden, schutzwürdigen
Besitzstand im Ausland erworben habe; die vorgelegten Unterlagen könnten weder als Beleg für eine erforderliche Bekanntheit noch für eine intensive Benutzung
als ausreichend angesehen werden. Auch sei nicht hinreichend belegt, dass die
Antragstellerin eine Ausweitung auf den europäischen oder gar deutschen Markt
ernsthaft avisiert habe; so fehlten bereits konkrete Umsatzzahlen der Antragstellerin; auch die übrigen Unterlagen (Preislisten, Anzeigen mit redaktioneller Werbung, Zeitungsartikel) seien nicht aussagekräftig. Der Löschungsantrag sei daher
zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der
sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung der angegriffenen Marke anstrebt. Sie führt hierzu aus: Die Behauptungen des Inhabers
der angegriffenen Marke über eine Geschäftstätigkeit vor und nach Anmeldung
der angegriffenen Marke würden bestritten. Der Beschluss berücksichtige nicht
hinreichend, dass der Antragsgegner bereits in der Vergangenheit mehrere Marken zur Eintragung gebracht habe, die bereits in Deutschland oder den USA eingetragen oder auf dem Markt gewesen seien. Dem Antragsgegner sei es hierbei
nie darum gegangen, eine eigene Markenidentität für einen eigenen Geschäftsbetrieb zu begründen, sondern sich eine Reserve an Marken anzulegen, aus denen
er beim Auftreten der Inhaber der entsprechenden US-Marken als Anmelder deutscher oder von Gemeinschaftsmarken in Widerspruchsverfahren oder bei deren
Tätigwerden im inländischen Markt mit Unterlassungsansprüchen vorgehen könnte, um diese hierdurch zu einem Erwerb seiner im Inland geschützten Marken zu
veranlassen. Die Antragstellerin habe auch im Löschungsverfahren einen schutzwürdigen Besitzstand hinreichend dargetan.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 26. April aufzuheben
und die Marke 397 28 121.8 zu löschen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er führt aus: Die angefochtene Entscheidung beruhe entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht auf nicht nachweisbaren Behauptungen. Vielmehr verhalte sich
der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin widersprüchlich, indem er nunmehr bestreite, was er in zwei weiteren Löschungsverfahren, bei dem er die dortigen Antragstellerinnen vertrat, welche während des Verfahrens vor dem Amt die
von ihnen angegriffenen, ebenfalls für den Inhaber der vorliegend angegriffenen
Marke eingetragenen Marken 397 24 577 und 398 09 474 „Enyce“ von diesem
erwarben, selbst vorgetragen habe. Der Markeninhaber vertreibe unter der angegriffenen Marke seit deren Eintragung Textilien. Unter dieser Marke gebe es nur
die von ihm hergestellten Textilien im Inland zu erwerben, insbesondere keine
Kleidungsstücke der Antragstellerin; diese besitze auch nur eine in Deutschland
wenig bekannte Marke. Unrichtig sei auch, dass er in der Vergangenheit mehrere
Marken bösgläubig angemeldet habe; in der mündlichen Verhandlung vor der Markenabteilung habe er vielmehr glaubhaft dargelegt, aus welchen Gründen diese
lange zurückliegenden Anmeldungen erfolgt seien. Er habe auch niemals versucht, aus seinen Marken gegenüber angeblich älteren Rechtsinhabern Profit zu
schlagen. Erst nachdem die Antragstellerin ihm Produktfälschungen unterstellt
habe, sei er ihr gegenüber tätig geworden. Der Antragstellerin sei auch bekannt,
dass er einen inländischen Geschäftsbetrieb unterhalte. Es sei auch unrichtig,
dass er den Geschäftsbetrieb aus seiner Wohnung heraus betreibe, vielmehr be-
sitze er ein eigenes Geschäftslokal. Auch aus den Anmeldungen anderer Marken
könne eine Bösgläubigkeit nicht hergeleitet werden.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte
aufrechterhalten und vertieft.
II
A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, welche sich der Senat
anschließt, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung der angegriffenen Marke nach §§ 54, 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F. (jetzt §§ 54, 50 Abs. 1
i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG) zurückgewiesen. Auch das Beschwerdevorbringen bietet für eine abweichende Entscheidung keinen Anlass.
1.Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von
der Bösgläubigkeit eines Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung
rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Damit knüpft die Bestimmung an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders nach
§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 10 MarkenG sind daher die insoweit entwickelten Grundsätze weiter heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2004, 510, 511
– S. 100 – m. w. N.). Danach ist von einer Sittenwidrigkeit der Anmeldung
dann auszugehen, wenn der Markeninhaber entweder in Kenntnis eines
schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers mit dem Ziel gehandelt hat,
diesen Besitzstand zu stören, oder wenn er die mit der Eintragung der Marke
kraft Gesetzes verbundene Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des
Wettbewerbskampfs eingesetzt hat (vgl. BGH GRUR 1984, 210 – AROSTAR;
GRUR 1998, 1034, 1037 – Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000;
BPatG 27 W (pat) 47/01 - LE FER ROUGE, veröffentlicht auf der PAVIS CD-
ROM). Voraussetzung für eine Bösgläubigkeit ist also neben einem vorsätzlichen Eingriff des Markenanmelders in den schutzwürdigen Besitzstand des
Antragstellers vor allem der Nachweis eines sittenwidrigen Handels; hierfür
reicht die bloße Kenntnis der Benutzung des fraglichen Kennzeichens durch
einen anderen, aus welcher sich allein das Vorliegen eines vorsätzlichen Eingriffs ergibt, noch nicht aus, vielmehr müssen auf Seiten des Anmelders „besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten“, die etwa darin
liegen können, „dass der Markeninhaber das Zeichen ohne hinreichenden
sachlichen Grund für gleiche Waren hat eintragen lassen und dabei in
Kenntnis des schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers und mit dem
Ziel gehandelt hat, den Vorbenutzer in seinem Besitzstand zu stören oder ihm
den weiteren Zeichengebrauch zu sperren“ (vgl. BGH GRUR 2004, 510, 511
l. Sp. u./re. Sp. o. - S. 100). Für sämtliche Voraussetzungen ist dabei der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig, soweit sie - was wegen der zahlreichen subjektiven Voraussetzungen und der Zugehörigkeit der einzelnen
Umstände zu unternehmensinternen Vorgängen in aller Regel ausgeschlossen ist - einer Beweiserhebung von Amts wegen nicht zugänglich sind; soweit
eine Ermittlung von Amts wegen ausscheidet, trägt der Antragsteller damit
auch die Beweislast, d. h. unaufklärbare Tatsachen führen zwingend zur Zurückweisung seines Löschungsantrags.
2.Nach diesen rechtlichen Vorgaben kann aufgrund des Sach- und Streitstandes
eine Bösgläubigkeit des Markeninhabers bei Anmeldung der angegriffenen
Marke nicht festgestellt werden.
a) Dabei ist schon fraglich, ob die Antragstellerin tatsächlich über einen schutzwürdigen inländischen Besitzstand verfügte. Die hierzu vorgelegten Unterlagen belegen nämlich allenfalls äußerst geringfügige Lieferungen an einzelne
kleinere Boutiquen in Essen, Hannover, Walldorf, Würzburg und an eine Interteam GmbH unbekannten Ortes, was für einen schutzwürdigen Besitzstand
keinesfalls ausreicht. Umsatzzahlen hat die Antragstellerin nicht genannt.
Dass die Marke der Antragstellerin im Ausland, insbesondere in ihrem Heimatland Japan oder den USA, gut benutzt sein mag, ist demgegenüber ohne
Bedeutung, weil in eine Verwendung der Bezeichnung „PNB Nation“ im Ausland nicht durch Eintragung und Benutzung der angegriffenen Marke eingegriffen werden kann und im Übrigen die Antragstellerin für einen solchen
ausländischen Besitzstand ebenfalls weder etwas vorgetragen noch nachgewiesen hat. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf eine Benutzungsabsicht
unter Berufung auf die „Siroset“-Entscheidung des BGH (NJW 1967, 493)
verfängt nicht. Ungeachtet der Frage, ob diese Entscheidung, die sich ausdrücklich nur mit außermarkenrechtlichen Abwehransprüchen nach § 1 UWG
(a. F.) und § 826 BGB befasst, überhaupt für das Löschungsverfahren nach
§§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG von Bedeutung ist (was
wegen der eingangs zitierten neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur
Löschung nach den vorgenannten Vorschriften fraglich erscheint), ergeben
sich schon aus ihrem eigenen Vortrag weder ausreichende Belege für eine
(ernsthafte) Benutzungsabsicht der streitigen Kennzeichnung im Inland noch
dafür, dass diese - was aber nach der vorgennanten Entscheidung des BGH
auch bei bloßer Benutzungsabsicht zwingend erforderlich wäre - dem Inhaber
der angegriffenen Marke zum entscheidenden Zeitpunkt der Anmeldung der
hier angegriffenen Marke bekannt gewesen wäre.
b) Auch für die weiteren genannten Voraussetzungen für eine Löschung nach
§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist der Sachvortrag der
Antragstellerin nicht ausreichend, um eine Löschung der angegriffenen Marke
zu rechtfertigen. Dass der Markeninhaber - selbst unterstellt, die Anmeldungen anderer Marken seien durch einen „Strohmann“ erfolgt - mehrere ausländische, im Inland aber weder geschützte noch tatsächlich präsente Marken
als eigene deutsche Marken anmeldete, begründet grundsätzlich keine Sittenwidrigkeit; hierzu bedürfte es vielmehr schon weiteren Vortrags zu den hiermit
verbundenen Absichten, auf die allerdings indiziell aus bestimmten, über die
bloße Anmeldung hinausgehenden Aktivitäten (etwa Abmahnungen mit finanziellem Kaufangebot o. ä.) zurückgeschlossen werden kann. Hierzu hat die
Antragstellerin aber nichts vorgetragen. Auch die beiden Löschungsverfahren
S. 180/98 betr. die Bildmarke 397 24 577 und S. 193/98 betr. die Wortmarke 398 09 474 „Enyce“ geben hierfür nichts her, denn diese Verfahren
endeten unstreitig jeweils mit einem Vergleich, bei dem die jeweiligen, von
demselben Verfahrensbevollmächtigten wie die hiesige Antragstellerin vertretenen Antragstellerinnen die betroffenen Marken vom hiesigen Markeninhaber
erwarben; dass gerade dies das Ziel der Markenanmeldungen gewesen sei,
kann den Verfahren dabei nicht entnommen werden; dem steht im Übrigen
auch der Ausgang beider Verfahren entgegen, denn falls ein Verkauf an die
dortigen Antragstellerinnen von Anfang an beabsichtigt gewesen wäre, hätten
sich diese wohl auch kaum auf den Vergleich eingelassen, nachdem sie
dieselben Gründe wie die hiesige Antragstellerin für eine angebliche Bösgläubigkeit des Markeninhabers bei der Anmeldung der streitigen Marken geltend
gemacht hatten.
c) Ob der Markeninhaber - worauf die Markenabteilung allerdings ebenfalls abgestellt hatte - schließlich bereits bei Markenanmeldung eine Benutzung der
Marke beabsichtigte, ist schließlich ohne jede Bedeutung, denn wegen der
fünfjährigen Benutzungsschonfrist nach §§ 25, 43 MarkenG muss eine Benutzungsabsicht nicht bereits bei Anmeldung vorgelegen haben; ihr - im
Übrigen von der Antragstellerin weder dargelegtes noch bewiesenes - Fehlen
kann daher eine Löschung wegen Bösgläubigkeit grundsätzlich nicht rechtfertigen, was im Rückschluss auch daraus folgt, dass eine fehlende Benutzung
allein im Wege des Löschungsantrags nach §§ 49, 53 MarkenG oder bei
Widerspruch des Markeninhabers im Wege der Löschungsklage nach §§ 49,
55 MarkenG wegen Verfalls geltend gemacht werden kann.
3.Da die Markenabteilung den Löschungsantrag der Antragstellerin daher zu
Recht zurückgewiesen hat, war der hiergegen gerichteten Beschwerde der
Antragstellerin der Erfolg zu versagen.
B. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG; Anhaltspunkte
für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1
MarkenG bestehen nicht.
C. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der
höchstrichterlichen Rechtsprechung über das Vorliegen eines Löschungsgrundes aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls.
gez.
Unterschriften