Urteil des BPatG vom 27.06.2003

BPatG: marke, unterscheidungskraft, verkehr, bestandteil, eugh, werbeslogan, unternehmen, zukunft, anpreisung, verbraucher

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 297/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 34 255. 9/07
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 9. August 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Anmelderin begehrt die Eintragung der Wortfolge
wet&more
als Kennzeichnung für zahlreiche Waren der Klassen 7, 9 und 11.
Die Markenstelle für Klasse 7 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 27. Juni 2003
teilweise, nämlich für die Waren
„Haushalts- und Küchenmaschinen und -geräte (soweit in
Klasse 07 enthalten), insbesondere elektrische Küchenmaschinen
und -geräte einschließlich Zerkleinerungsgeräte, Rühr- und Knet-
geräte, Preßgeräte, Entsafter, Saftzentrifugen, Mahlgeräte,
Schneidegeräte, elektromotorische Werkzeuge, Dosenöffner,
Messerschleifgeräte sowie Maschinen und Geräte zur Bereitung
von Getränken und/oder Speisen;
Geschirrspülmaschinen; elektrische Maschinen und Geräte zur
Behandlung von Wäsche- und Kleidungsstücken einschließlich
Waschmaschinen, Wäscheschleudern, Bügelpressen, Bügelma-
schinen; elektrische Reinigungsgeräte für den Haushalt ein-
schließlich, elektrische Fensterputzgeräte und elektrische Schuh-
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putzgeräte und Staubsauger; Teile aller vorgenannten Waren,
soweit in Klasse 07 enthalten, insbesondere Schläuche, Rohre,
Staubfilter und Staubfilterbeutel, alle für Staubsauger; elektrische
Apparate und Instrumente soweit in Klasse 09 enthalten, insbe-
sondere elektrische Bügeleisen;
Fernbedienungs-, Signal- und Steuergeräte für Haushalts- und Kü-
chenmaschinen und -geräte; bespielte und unbespielte maschi-
nenlesbare Datenträger für Haushaltsgeräte; elektrische Ausgabe-
geräte für Getränke oder Speisen, Verkaufsautomaten; Datenver-
arbeitungsgeräte und Datenverarbeitungsprogramme für die
Steuerung und Bedienung von Haushaltsgeräten;
Heizungs-, Dampferzeugungs- und Kochgeräte, insbesondere
Herde, Back-, Brat-, Grill-, Toast-, Auftau- und Warmhaltegeräte,
Tauchsieder, eigenbeheizte Kochtöpfe, Mikrowellengeräte, Tee-
und Kaffeemaschinen; Kühlgeräte, insbesondere Kühlschränke,
Kühltruhen, Kühl-Gefrierkombinationsgeräte, Gefriergeräte, Eis-
maschinen und -apparate; Trockengeräte, insbesondere auch
Wäschetrockner, Wäschetrockenmaschinen, Händetrockner,
Haartrockengeräte; Lüftungsgeräte, insbesondere Ventilatoren,
Dunstfilter, Dunstabzugsgeräte und Dunstabzugshauben, Klima-
apparate sowie Geräte zur Verbesserung der Luftgüte, Luftbe-
feuchter; Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen, insbeson-
dere auch Armaturen für Dampf-, Luft- und Wasserleitungsan-
lagen, Warmwassergeräte, Speicherwassererhitzer und Durchlauf-
wassererhitzer; Geschirrspülbecken; Wärmepumpen; Speiseeis-
maschinen; Teile aller vorgenannten Waren, soweit in Klasse 11
enthalten“
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wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurück-
gewiesen. Die beanspruchte Wortfolge sei ein sprachüblich gebildeter Werbe-
slogan, der von einem beachtlichen Teil des Verkehrs in seiner Übersetzung „nass
und mehr“ verstanden werde. Im Umfang der Zurückweisung diene der Slogan zur
Bezeichnung der Zweckbestimmung, der Funktion und des Gegenstandes der
fraglichen Waren bzw. ihrer Ausstattungsmerkmale. Aufgrund seiner häufigen Ver-
wendung werde das Publikum den Bestandteil „& more“ dabei nur als wer-
beüblichen Hinweis auf zusätzliche Merkmale der Waren auffassen und nicht als
einen interpretationsbedürftigen, mehrdeutigen Begriff ansehen. Der maßgebliche
Verkehr werde die Marke daher nicht als betrieblichen Herkunftshinweis, sondern
als beschreibenden Hinweis auf die Funktion bzw. Zweckbestimmung der Waren
verstehen. Ein mögliches Freihaltungsbedürfnis könne bei dieser Sachlage un-
geprüft bleiben.
Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und trägt
vor, die beanstandete Wortfolge sei als solche sprachunüblich. Die Wortverbin-
dung sei als solche nicht gebräuchlich und vermittle den angesprochenen Ver-
kehrskreisen keinen im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalt. Sie
sei kurz und prägnant, eingängig und hebe sich deutlich von einem längeren
Werbeslogan ab. Sie entspreche damit in wichtigen Punkten den Kriterien, die der
Bundesgerichtshof für die Schutzfähigkeit von sloganartigen Wortfolgen entwickelt
habe. Außerdem sei der Verkehr durchaus an eine kennzeichnungsmäßige Ver-
wendung von vergleichbaren Wortzusammensetzungen mit dem Bestandteil „&
more“ aus einer Vielzahl von Firmenbezeichnungen gewöhnt. Auch die Recht-
sprechung habe vergleichbare Zusammensetzungen für eintragungsfähig beurteilt.
So sei etwa die Gemeinschaftsmarke „fry&more“ der Anmelderin anstandslos
eingetragen worden. Der angemeldeten Marke könne daher nicht die erforderliche
Unterscheidungskraft abgesprochen werden. An ihr bestehe zudem kein Freihal-
tungsbedürfnis. Sie sei bisher nie zur Beschreibung der fraglichen Waren ver-
wendet worden und auch für eine derartige Benutzung in absehbarer Zukunft lä-
gen keine Anhaltspunkte vor.
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II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Eintragung der
angemeldeten Marke für die beschwerdegegenständlichen Waren auch nach
Ansicht des Senats das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen
steht. Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende, konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr. BGH,
GRUR 2003, 1050 – Cityservice). Ob eine Marke diese Herkunftsfunktion erfüllen
kann, ist zum einen im Hinblick auf die Waren, für die sie angemeldet worden ist,
und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise
zu beurteilen. Dabei ist der markenrechtlichen Prüfung die mutmaßliche Wahrneh-
mung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durch-
schnittsverbrauchers der fraglichen Waren zugrunde zu legen (vgl. EuGH GRUR
2003, 514, Rz. 41 - Linde, Winward u. Rado). Keine Unterscheidungskraft besitzt
eine Marke demnach dann, wenn ihr die angesprochenen Verkehrskreise für die
fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden
beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen, aber keinen betrieblichen Herkunftshin-
weis entnehmen (BGH GRUR 2003, 342 – Winnetou).
Zutreffend hat die Markenstelle ausgeführt, dass es sich bei der angemeldeten
Marke „wet&more“ um eine sprachüblich gebildete, sloganartige Wortfolge han-
delt, die für das inländische Publikum ohne weiteres Nachdenken verständlich ist.
Die beiden Wortbestandteile „wet“ (Adj. „feucht, nass“; Subst. „die Feuchtigkeit“;
Verb „anfeuchten, benetzen, nass machen“, vgl. z. B. Internetwörterbuch LEO,
English-German Dictionary, http://dict.leo.org) und „more“ („mehr, weiter, weitere“,
vgl. nochmals Internetwörterbuch LEO, English-German Dictionary, a. a. O.) sind
den beteiligten Verkehrskreisen als Begriffe des englischen Grundwortschatzes in
ihrem entsprechenden deutschsprachigen Bedeutungsgehalt geläufig. Auch bei
fremdsprachigen Wörtern darf die Verständnisfähigkeit des inländischen Durch-
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schnittsverbrauchers nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. Ströbele in
Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 8 Rdn. 253). Dies gilt im vorliegenden Fall
umso mehr, als die Floskel „& more“ in der inländischen Werbesprache seit
langem verwendet wird und dem Publikum auf den unterschiedlichsten Waren-
und Dienstleistungsbereichen dementsprechend häufig begegnet. Mit dieser ge-
bräuchlichen Floskel wird dabei in werbeüblicher Weise auf zusätzliche Eigen-
schaften der fraglichen Waren hingewiesen, die im Zusammenhang mit dem je-
weils vorangestellten Sachbegriff stehen. Mit dem Hinweis „& more“ oder den
weiteren Abwandlungen „and more“ oder „und mehr“ soll ein möglichst breit ge-
fasster Bereich produktbezogener Merkmale umfasst werden, ohne diese im
Einzelnen - und damit in einer für die beteiligten Verkehrskreise unübersichtliche-
ren Weise - benennen zu müssen.
Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Wortfolge „wet&more“ ohne
weiteres Nachdenken in ihrem Bedeutungsgehalt „nass und mehr, feucht und
mehr“ verstehen. Da dem inländischen Publikum bereits seit längerem so genann-
te „Nass-/Trocken-“ bzw. „Trocken-/Nass-Geräte“ bekannt sind, die aufgrund spe-
zieller Eigenschaften sowohl zur Nass- als auch zur Trockenbehandlung einge-
setzt werden können, werden die angesprochenen Verbraucher der angemeldeten
Marke den für sie nahe liegenden Hinweis darauf entnehmen, dass es sich bei
diesen Waren um solche Geräte bzw. um entsprechende Zubehörteile handelt.
Unter den weit gefassten Oberbegriff „Trocken-/Nass-Geräte“ können dabei
Geräte aus völlig unterschiedlichen Produktbereichen eingeordnet werden, wie
beispielsweise Trocken-/Nassrasierer, Trocken-/Nasssauger und -Absaugsyste-
me, Wasch-/Trocken-Vollautomaten, Trocken-/Nass - Massagegeräte, Trocken-
/Nass-Dampfstrahlgeräte, Nass-/Trocken-Sägen, Nass-/Trocken-Schleifgeräte
oder etwa auch Mess- und Sensorgeräte für Nass-Trocken-Anwendungen. Die
Vorteile solcher „two in one-Produkte“ liegen auf der Hand, insbesondere machen
ihre erweiterten Verwendungsmöglichkeiten häufig den Einsatz mehrer Geräte
überflüssig. Deshalb stellt etwa auch die Produktwerbung der Anmelderin dieses
„Mehr“ an Einsatzmöglichkeiten entsprechend heraus, indem sie beispielsweise
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die Anwendungsbreite ihres Nass-Trocken-Saugers mit dem Hinweis „Ganz gleich
ob trocken oder nass…“ bewirbt (vgl. http:www.se-presse.com, dort unter
„Bodenpflege“, „Nass-Trocken-Staubsauger“).
Vor diesem Hintergrund wird sich die angemeldete Marke für die angesprochenen
Verkehrsteilnehmer nur als werbeübliche Anpreisung von „Nass-/Trocken-“ bzw.
„Trocken-/Nass-Geräten“ darstellen, selbst wenn mit ihr nur eine oberbegriffsartige
Benennung von Produkteigenschaften verbunden ist. Soweit der angemeldeten
Marke im Hinblick auf einige der fraglichen Waren eine gewisse begriffliche Unbe-
stimmtheit zukommen mag, kann dies an dem ausschließlich sachlichen Waren-
bezug nichts ändern, zumal dem inländischen Publikum die Werbepraxis vertraut
ist, durch die Verwendung von „& more“ einen möglichst weiten Bereich sachbe-
zogener Merkmale zu erfassen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob dieser
Sachbezug bei allen Produkten im gleichen Maß ausgeprägt ist. Da ein beschrei-
bender Zusammenhang im Hinblick auf alle fraglichen Waren im Vordergrund
steht, besteht keine Möglichkeit zu einer Differenzierung innerhalb des beschwer-
degegenständlichen Warenverzeichnisses.
Nach alldem ist der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft abzu-
sprechen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG). Ob ihrer Eintragung in das Register darüber
hinaus ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen
steht, lässt der Senat dahingestellt.
Der Hinweis der Anmelderin auf eine Reihe von Firmenbezeichnungen mit dem
Zusatz „& more“ führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Dies bereits
deshalb nicht, weil die namensmäßige Unterscheidungskraft i. S. v. § 5 Abs. 2
Satz 1 MarkenG nicht mit der konkreten Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG gleichgesetzt werden kann (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker,
MarkenG, 8. Aufl., § 5 Rdn. 28). So werden an die Unterscheidungskraft von Fir-
menbezeichnungen und Werktiteln regelmäßig geringere Anforderungen gestellt
als an die Unterscheidungskraft von Marken.
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Soweit die Anmelderin auf verschiedene inländische und internationale Vorein-
tragungen verweist, bleibt festzuhalten, dass aus Voreintragungen möglicherweise
vergleichbarer, aber möglicherweise auch löschungsreifer Marken kein Anspruch
auf Eintragung abgeleitet werden kann. Damit wird ein Rechtssatz umschrieben,
nach dem aus Voreintragungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit
dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG eine anspruchsbegründende Selbstbindung
der über die Schutzgewährung entscheidenden Stellen abgeleitet werden kann
(vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Rz. 62 - HENKEL). Die Entscheidung über die
Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine reine Rechts-
frage dar (vgl. BGH BlPMZ 1998, 248, 249 - TODAY; BPatGE 32, 5 – CREATION
GROSS). Eine Bindung durch Voreintragungen wäre unter rechtlichen Gesichts-
punkten auch nicht mit der Möglichkeit einer Löschung von Marken wegen Vor-
liegens absoluter Schutzhindernisse gemäß § 50 MarkenG, zu vereinbaren (vgl.
hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 25). Zudem
darf im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass es auch Entschei-
dungen gibt, in denen die Schutzfähigkeit von Wortkombinationen mit dem Be-
standteil „& more“ oder vergleichbarer Bestandteile verneint worden ist, wie bei-
spielsweise die von der Anmelderin zitierte, rechtskräftige Entscheidung
32 W (pat) 91/04 - „Choco´n´More“ (vgl. darüber hinaus auch die Entscheidungen
29 W (pat)
132/99 – FON + MORE; 29 W (pat) 248/99 – DESIGN & MORE;
33 W (pat) 16/02 – BANKING & MORE; 25 W (pat) 24/01 – HAIR’N’MORE;
29
W
(pat)
248/99 -
Design & more; 29
W
(pat)
013/01 -
OIL & MORE;
29 W (pat) 308/99 - Phone + more; 24 W (pat) 212/03 - Com & More).
Die Beschwerde der Anmelderin musste daher erfolglos bleiben. Für eine Zu-
lassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG bestand kein Anlass,
da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist,
noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Recht-
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sprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert. Die rechtliche
Würdigung des vorliegenden Falles beruht auf der Anwendung der Rechtspre-
chungsgrundsätze des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs.
gez.
Unterschriften