Urteil des BPatG vom 29.03.2007

BPatG: stand der technik, patentanspruch, perpetuatio fori, fahrzeug, schwellenwert, einspruch, neuheit, messung, abhängigkeit, beendigung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
29. März 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent 102 33 049
21 W (pat) 335/04
Verkündet am
- 2 -
- 3 -
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
ie mündliche Verhandlung vom 29. März 2007 unter Mitwirkung …
eschlossen:
uf die am 19. Juli 2002 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das
9 mit der Bezeichnung "Heizgerät mit einem Glüh-
tift/Flammwächter" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am
13. Mai
erhoben worden.
Zur Beg
reits im
Prüfung
D1: DE 198 22 140 C1
d
b
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I
A
nachgesuchte Patent 102 33 04
s
2004 erfolgt.
Gegen das Patent ist Einspruch
ründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf die be
sverfahren in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen
D2: DE 196 49 473 C2
D3: DE 100 25 953 C2 und
D4: DE 199 03 305 A1
- 4 -
sowie auf die weiteren Druckschriften
D5: DE 40 15 097 C1
7: DE 196 22 126 A1.
Die Einsprec
tentan-
spruchs 1 durch jede der Entgegenhaltungen D1, D5 und D6 neuheitsschädlich
vorweggenommen werde. Der Streitpatentgegenstand ergebe sich außerdem in
naheliegender Weise aus der Druckschrift D7. Bei den Merkmalen der Unteran-
sprüche
um absolut triviale und an sich zwin-
gende
kein
neuer Gegenstand unter Schutz gestellt.
Die Eins
Die Patentinh
chen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß
ilfsantrag mit einer anzupassenden Beschreibung.
Die Patentin
der im Verfahren befindliche
tand der Technik den Gegenständen der erteilten, nebengeordneten Patentan-
Entsprechendes gelte für
ie Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 gemäß Hilfsan-
trag.
D6: DE 197 02 339 A1 und
D
hende macht geltend, dass der Gegenstand des erteilten Pa
2 bis 9 handle es sich überwiegend
Maßnahmen. Auch im nebengeordneten Patentanspruch 10 werde
prechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
aberin beantragt,
das Patent aufrecht zu erhalten, hilfsweise mit den in der mündli-
H
haberin vertritt die Auffassung, dass
S
sprüche 1 und 10 nicht patenthindernd entgegenstehe.
d
- 5 -
Der mit Gliederungspunkten versehene, erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Heizgerät
O1
einem
Glühstift/Flammwächter,
O1a
ergiemenge sukzessiv zu verändern
ist,
O2
2a
dadurch gekennzeichnet,
K1
elt
K3
GS
(20) ein
Flamme-Aus-Signal generierbar ist."
bei dem während eines Glühstiftrampen-Zeitintervalls die pro
Zeiteinheit zugeführte En
und mit einem Steuergerät,
O
ist,
Glühstiftes/Flammwächters während des Glühstiftrampen-
Zeitintervalls ermitt
K2
GS
(20) verglichen werden
kann,
Der nebengeordnete, erteilte Patentanspruch 10 lautet:
"Verwendung eines Heizgerätes nach einem der Ansprüche 1 bis
9 bei einem Fahrzeug."
- 6 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag umfasst die Merkmale des erteilten Pa-
tentanspruchs 1, an welche sich die folgenden Merkmale aus den erteilten Unter-
ansprüchen 2 und 8 anschließen:
K4
GS
(20) durch eine Funktion R
GS
= f(t) in
Abhängigkeit der Zeit über das Glühstiftrampen-Zeitintervall
hinweg veränderlich ist,
er nebengeordnete Patentanspruch 9 gemäß Hilfsantrag lautet:
dung eines Heizgerätes nach einem der Ansprüche 1 bis
8 bei einem Fahrzeug."
II
K5
GS
= f(t) der Widerstands-
wert R
Ende
des Glühstiftes am Ende im Glühstiftrampen-Zeit-
intervall experimentell ermittelt
K6
Anfang
des
Glühstiftes am Anfang R
Ende
= f(R
Anfang
) bestimmt ist.
D
"Verwen
Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 9, der Unteransprüche 2 bis 8 ge-
mäß Hilfsantrag sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Ein-
spruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich
30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem 1. Ja-
nuar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt
worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten Zustän-
- 7 -
digkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das "Gesetz zur Ände-
rung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes"
om 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer ausdrücklichen
tober 2006 – 23 W (pat) 327/04).
ind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dar-
ss die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Fol-
erungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne ei-
)
v
entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum
zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der
fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" zuständig bleibt (vgl. hierzu BPatG
Beschl. v. 19. Ok
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beur-
teilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände
s
gelegt worden, da
g
gene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen
von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Einspruch auch
als begründet.
1
dem während eines Glühstiftrampen-Zeitintervalls die pro Zeiteinheit zugeführte
Energiemenge sukzessiv zu verändern, insbesondere zu reduzieren ist, und mit
einem Steuergerät, das mit dem Glühstift/Flammwächter betrieblich gekoppelt ist.
Ferner betrifft das Streitpatent die Verwendung eines solchen Heizgerätes bei ei-
nem Fahrzeug.
Wie in der Streitpatentschrift weiter ausgeführt ist, weisen bisher bekannte Verfah-
ren der Flammüberwachung mittels eines Glühstift/Flammwächters den Nachteil
auf, dass während der Startphase, d. h. während des Glühbetriebs des Glühstifts
keine durchgängige Überwachung der Flamme möglich sei. Dieses Problem trete
insbesondere bei kleinen Heizgeräten bis zu 5 kW Heizleistung auf. Durch einen
- 8 -
Flammabriss während der gegenwärtig nicht überwachten Startphase könne es
teilweise zu extremen Qualmemissionen kommen (Absatz [0006]).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand die Aufgabe zugrunde,
ein Fahrzeug mit einem Heizgerät bereitzustellen, bei dem auch während einer
Startphase des Heizgerätes eine durchgehende Flammüberwachung möglich ist
(Absatz [0007]).
Der hier zuständige Fachmann ist demnach ein mit der Entwicklung von Heizgerä-
re die Ansprüche 1 bis 3, die einzige Figur und die Be-
chreibung Spalte 3, Zeile 30 bis Spalte 4, Zeile 4) ist bereits ein Heizgerät mit ei-
ten befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Energietechnik.
2)
Die erteilten Patentansprüche 1 bis 9 entsprechen wörtlich den ursprünglich einge-
reichten Patentansprüchen
1 bis 9. Der erteilte nebengeordnete Patentan-
spruch 10 ist in zulässiger Weise auf die Verwendung eines Heizgerätes bei ei-
nem Fahrzeug gerichtet, während ursprünglich ein Fahrzeug mit einem Heizgerät
beansprucht worden war. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 10 sind demnach
zulässig.
a)
Druckschrift D5 bekannten Stand der Technik nicht neu. Denn aus dieser Entge-
genhaltung (vgl. insbesonde
s
O1
chem während der Glühphase die pro Zeiteinheit zugeführte Energiemenge suk-
zessiv verändert wird. Dies geschieht beim Stand der Technik zwangsläufig da-
durch, dass während der Glühphase ein konstanter Strom I an die Glühwendel (8)
des Glühstift/Flammwächters angelegt wird. Indem sich mit dem Anstieg der Tem-
peratur beim Glühen der elektrische Widerstand der Glühwendel (8) ändert, ändert
sich auch die der Glühwendel (8) zugeführte elektrische Leistung P = I x U(t), weil
- 9 -
nämlich die an der Glühwendel (7) abfallende Spannung U(t) nicht konstant sein
O1a
O2
O2a
dass der soeben erwähnte Spannungsabfall über eine nicht näher dargestellte
uswerteeinrichtung genutzt werden könne, um über eine ebenfalls nicht näher
A
dargestellte Steuereinrichtung des Heizgerätes entsprechende Schaltvorgänge
auszulösen.
Dies entspricht bereits dem ersten Merkmal des Kennzeichens des erteilten Pa-
tentanspruchs 1. Denn offensichtlich wird mit dem vorhandenen Steuergerät der
D5)
ermittelt, und zwar über den Spannungsabfall U(t) bei konstantem Strom I [Merk-
K1
oder erloschene Flamme anzeigt, muss der Spannungsabfall und damit der Wider-
K2
D5
gleich mit, ebenso wie das letzte Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 (vgl.
D5
nen entsprechende Schaltvorgänge wie bei einem üblichen zusätzlichen Flamm-
wächter ausgelöst werden (Spalte 3, letzte Zeile bis Spalte 4, Zeile 4) [Merk-
K3
eines Schwellenwertes ab.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung demgegenüber die Auf-
fassung vertreten, dass eine Messung des Widerstandswertes des Glüh-
K1
D5
möglich sei. Denn dort werde während der Glühphase (vgl. Spalte 3, Zeilen 53 bis
55) ein getakteter Gleichstrom konstanter Amplitude an die Glühwendel (8) der
Stabglühkerze (7) angelegt mit der Folge, dass der Widerstandswert der Glühwen-
- 10 -
del bei jedem Takt sofort seinen Maximalwert annähme und demnach zur Mes-
sung des den Zündvorgang charakterisierenden Temperaturverlaufs ungeeignet
sei. Eine Widerstandsmessung könne somit nur in den Pausen zwischen den ein-
zelnen Glühtakten erfolgen, innerhalb derer sich die Glühwendel wieder auf ihre
Ausgangstemperatur abkühle.
Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn die Ent-
D5
der Glühwendel für den Fall, dass es während der Glühphase zur Ausbildung ei-
ner Flamme kommt, weiter ansteigt. Entgegen der Behauptung der Patentinhabe-
n trifft es also offensichtlich nicht zu, dass bei diesem Stand der Technik der Wi-
hlt. Folglich hat die Zufuhr des getak-
ten Stroms – über den gesamten Zeitraum der Glühphase betrachtet – einen
eränderung ihres Widerstandswertes zur Folge, so dass auch die
D5
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung auf die Figur 1 des Streit-
patents verwiesen. Diese Figur zeige, dass zwischen der Glühphase beim Stand
D5
sentlicher Unterschied bestehe. Bei ihren diesbezüglichen Ausführungen verkennt
die Patentinhaberin jedoch, dass die Figur 1 des Streitpatents über den eigentli-
chen Zündvorgang, wie er im erteilten Patentanspruch 1 seinen Niederschlag ge-
ri
derstand der Glühwendel in den Zeitintervallen, in denen der Glühwendel ein
Strom konstanter Amplitude zugeführt wird, jeweils schon seinen größtmöglichen
Wert erreicht. Ebenso wenig kann nach Überzeugung des Senats aufgrund der
nicht zu vernachlässigenden Wärmekapazität der Glühwendel davon ausgegan-
gen werden, dass sich die Glühwendel innerhalb der kurzen Pausen zwischen den
einzelnen Glühtakten wieder vollständig abkü
te
sukzessiven Anstieg der Temperatur der Glühwendel und damit verbunden eine
entsprechende V
G
als Glühstiftrampen-Zeitintervall verstanden werden muss, während dessen ent-
K1
te 3, Zeilen 16 bis 22).
- 11 -
funden hat, nichts aussagt. Denn zu dem Zeitpunkt (Abszissenwert etwa "1s"), zu
em die drei abgebildeten Kurven (10, 20, 30) links oben beginnen, ist das Glüh-
weiter brennt. Das rasche Abfallen des Widerstands gemäß Kur-
e (30) und das hierdurch bedingte Unterschreiten der Schwellwertkurve (20) si-
Gegenstandes
einen Bestand.
d
stiftrampen-Zeitintervall bereits beendet. Der Ordinatenwert an der besagten Stelle
gibt nämlich den Widerstandswert des Glühstift/Flammwächters für den Fall wie-
der, dass der Zündvorgang erfolgreich beendet worden ist. Die Kurve (10) zeigt
daran anschließend den Verlauf des Widerstandswertes, falls die Flamme ord-
nungsgemäß
v
gnalisiert, dass die Flamme nach dem zunächst erfolgreichen Zündvorgang wieder
erloschen ist.
Die Figur 1 des Streitpatents lässt mit anderen Worten völlig offen, wie das den
beiden dort gezeigten Abläufen (10, 30) zeitlich vorgelagerte Glühstiftrampen-Zeit-
intervall beschaffen sein soll. Auch den übrigen Unterlagen kann nicht entnommen
werden, worin möglicherweise ein die Neuheit begründender Unterschied zwi-
schen der Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 und dem Stand der Technik ge-
D5
Folglich hat der erteilte Patentanspruch 1 mangels Neuheit seines
k
b)
die Beschreibung Spalte 1, 1. Absatz) für die Verwendung in einem Kraftfahrzeug
konzipiert ist, fehlt auch dem Gegenstand des erteilten, nebengeordneten Patent-
anspruchs 10 die erforderliche Neuheit.
- 12 -
3) Hilfsantrag
a)
prüngliche Offenbarung gedeckt ist und ob sein Gegenstand den Schutzbereich
D5
wendel
wie vorstehend dargelegt – nicht konstant ist, sondern sich mit dem sukzessiven
nun dieser Widerstandswert
K3
erglichen, so könnte der Abstand (Offset) zwischen den beiden Werten bei-
groß werden, dass eine zuverlässige Beendigung des Zündvor-
gangs nicht mehr gewährleistet ist, obgleich die Flamme längst erloschen ist. Um-
gekehrt würde ein zu geringer Abstand möglicherweise ein unbeabsichtigtes Ab-
schalten des für die Zündung erforderlichen Heizstroms bewirken.
D2
entnimmt der Fachmann die Anregung, der geschilderten Schwierigkeit in vorteil-
hafter Weise dadurch zu begegnen, dass die Schaltschwelle entsprechend dem
aktuellen Widerstandswert des Glühstiftes bzw. der Glühwendel nachgeführt wird,
dass mit anderen Worten also der Schwellenwert R
GS
K4
des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag – durch eine Funktion R
GS
= f(T) darge-
stellt wird. Wie diese Funktion im Einzelnen beschaffen ist, lässt die Druck-
D2
D2
der besagten Funktion den – zweckmäßigerweise experimentell zu bestimmenden
– Widerstandswert (Maximalwert) des Glühstiftes am Ende des Glühstiftrampen-
s
des Streitpatents erweitert, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung
beruht dieser Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen
Fachmanns.
A
erteilten Patentanspruchs 1 aufweisenden Heizgerät sieht sich der Fachmann mit
dem Problem konfrontiert, dass der tatsächliche Widerstandswert der Glüh
Anstieg der Temperatur der Glühwendel ändert. Wird
g
R
GS
v
spielsweise so
- 13 -
Zeitintervalls und den Widerstandswert zu dessen Beginn (altstart des Heizgerä-
K5
K6
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass sich der Gegenstand des Pa-
tentanspruchs 1 nach Hilfsantrag für den Fachmann in naheliegender Weise aus
dem Stand der Technik ergibt. Dieser Patentanspruch kann deshalb den Bestand
des angegriffenen Patents nicht begründen.
b)
auch der hilfsweise verteidigte, nebengeordnete Verwendungsanspruch 9.
gez.
Unterschriften