Urteil des BPatG vom 11.03.2005

BPatG: allgemeiner begriff, unterscheidungskraft, unternehmen, verkehrsdurchsetzung, fahrrad, spielzeug, fahrzeug, verbreitung, internet, verbraucher

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 126/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 303 03 028.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
den Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, den Richter Schwarz und die Richte-
rin Prietzel-Funk am 24. Mai 2005
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beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für
Klasse
25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
11. März 2005 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
zwei Beschlüsse, einen davon im Erinnerungsverfahren ergangen, die Anmeldung
der Marke
Velotaxi
teilweise, und zwar für
„bespielte analoge und digitale Datenträger, insbesondere CD’s,
DVD’s und Videobänder; Druckerzeugnisse, Fotografien; Waren
aus Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten;
Taschen und Beutel; Spiele und Spielzeug“
als nicht unterscheidungskräftige Angabe gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem angemelde-
ten Zeichen werde ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender
beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet. Das Wort „Velotaxi“ sei zwar lexikalisch
nicht nachweisbar, es werde jedoch bereits zur Beschreibung von Fahrrädern, mit
denen Taxidienstleistungen erbracht würden, benutzt. Da es mittlerweile in vielen
Großstädten Fahrradtaxis gebe, sei dem Großteil der Verbraucher ein solches
Beförderungsmittel bekannt. Das Wort „Velo“ habe sich auch im deutschen
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Sprachgebrauch seit langem als Synonym für „Fahrrad“ etabliert. In Verbindung
mit dem Wort „Taxi“ erschließe sich dem durchschnittlich informierten, aufmerk-
samen und verständigen Verbraucher ohne weiteres der damit verbundene Sinn.
Daher würden die Abnehmer der mit dem Zeichen „Velotaxi“ versehenen Daten-
träger, Druckerzeugnisse, Fotografien, Spiele und Spielzeuge dieses Wort nicht
als Herkunftshinweis, sondern als Teil einer Inhaltsbeschreibung ansehen, näm-
lich dass diese Waren „Velotaxis“ zum Gegenstand hätten. Im Zusammenhang mit
Waren aus Leder und Lederimitationen sowie Taschen als Beuteln sei das Zei-
chen als Hinweis auf den Einsatz dieser Waren in oder an einem Fahrradtaxi ver-
stehen. Ein darüber hinausgehender nicht beschreibender Inhalt sei für die bean-
spruchten Waren nicht erkennbar.
Für sämtliche zurückgewiesenen Waren sei auch ein Freihaltebedürfnis – insbe-
sondere auch aufgrund der stetig zunehmenden Verbreitung von Fahrradtaxis -
erkennbar. Es müsse sämtlichen Fahrradunternehmen freistehen, den Begriff
„Velotaxi“ auf als Werbematerial dienenden Datenträgern und Druckereierzeug-
nissen zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen zu verwenden. Ebenso
müsse der Begriff als Hinweis für den Einsatzzweck von Waren aus Leder, Le-
derimitationen, Taschen und Beuteln freigehalten werden, da diese Waren speziell
für Fahrradtaxis angeboten werden könnten. Velotaxis könnten auch der Ge-
genstand von Spielen und Spielzeug sein.
Soweit Voreintragungen des Zeichens aus dem Jahr 1997 existierten, habe dies
keinen Einfluss auf die vorliegende Anmeldung. Hinzu komme, dass der Bekannt-
heitsgrad von Fahrradtaxis, deren Verbreitung im Lauf der Jahre beständig zuge-
nommen habe, stark gestiegen sei, so dass schon aus diesem Grunde kein An-
spruch auf zukünftige Eintragungen ergeben könne.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Er hält das angemel-
dete Zeichen für alle beanspruchten Waren für unterscheidungskräftig und nicht
freihaltebedürftig. Die Benutzung des Wortes „Velo“ sei in Deutschland völlig un-
üblich. Die Links im deutschsprachigen Internet verwiesen entweder direkt auf das
Unternehmen des Anmelder oder eines Lizenznehmers, oder es werde Bezug auf
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sein Unternehmen genommen. Der Begriff „Velotaxi“ werde im deutschsprachigen
Raum ausschließlich durch den Anmelder verwendet. Sein Unternehmen habe mit
dem Konzept, auch in Deutschland Fahrrad-Rikscha-Dienste anzubieten, eine
„gewisse ‚Berühmtheit’“ erlangt bzw. für eine starkes Aufsehen im In- und Ausland
gesorgt. Das Zeichen „Velotaxi“ werde speziell für die Fahrradtaxis des Anmelders
bzw. seiner Lizenznehmer bzw. die damit verbundenen Dienstleistungen benutzt
und nicht als allgemeiner Begriff für „Fahrradtaxi“. Es besitze eine hohe Verkehrs-
geltung.
Der Anmelder beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Den hilfsweise gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung
hat der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders nach Zustellung der Termins-
ladung zurückgenommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat die Markenstelle
ausgeführt, dass der Eintragung für die beanspruchten Waren das absolute
Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Mar-
kenG entgegensteht.
Nach dieser Vorschrift können Marken nicht eingetragen werden, denen für die
angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH GRUR
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2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 20005, 258, 259 Roximycin). Dabei ist
grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch
so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwin-
den. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren
oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vorder-
grund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es
sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremd-
sprache handelt, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden
Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterschei-
dungsmittel verstanden wird (stdg. Rspr., BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – markt-
frisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; Ströbele/Hacker, Markengesetz,
7. Aufl., § 8 Rn. 70 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist ei-
nerseits auf die in Anspruch genommenen Waren, andererseits auf die vermutete
Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständi-
gen Durchschnittverbrauchers dieser Waren abzustellen (EuGH, GRUR 2003,
604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2). Werden zwei rein beschrei-
bende Begriffe zu einem einzigen zusammengesetzt, so bleibt der Gesamtbegriff
ungeachtet des Vorliegens einer Wortneuschöpfung von der Eintragung ausge-
schlossen, wenn sich durch die Wortkombination kein über den bloß beschreiben-
den Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender
Sinngehalt ergibt (EuGH GRUR 2004, 680, 682, EG 43 – biomild).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke die Eignung zur Identifi-
zierung der Herkunft der beanspruchten Waren. Sie entbehrt jeder Unterschei-
dungskraft, weil die in ihr enthaltene beschreibende Aussage „Fahrradtaxi“ voll-
ständig im Vordergrund steht. Sie besteht aus zwei Wörtern, die sich ausschließ-
lich in der Beschreibung des Inhalts der angebotenen Waren erschöpfen. Insofern
ist das von der Markenstelle mit zutreffender Begründung angeführte Eintra-
gungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu bejahen, das der Senat nach er-
neuter eigener Prüfung ebenfalls für gegeben ansieht.
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Hinzuzufügen ist lediglich Folgendes: Bei dem Begriff „Velotaxi“ handelt es sich
um einen Gattungsbegriff, der gleichbedeutend ist mit dem Verkehrsmittel Fahr-
radtaxi. Das Wort „Velo“ entstammt dem schweizerisch/französischen Sprach-
gebrauch für Fahrrad, was auch der Anmelder nicht in Abrede stellt. Das Wort ist
im Geltungsbereich des Markengesetzes jedoch entgegen der Auffassung des
Anmelders bekannt und wird ohne weiteres als Synonym für Fahrrad verstanden,
selbst wenn seine Verwendung in der Alltagssprache selbst ungebräuchlich sein
dürfte. Jedoch sind der Begriff „Velodrom“ und dessen Bedeutung als geschlosse-
nes oder offenes Radrennstadion bekannt. Das Wort „Velo“ wird zudem im Zu-
sammenhang mit Fahrrädern ständig verwendet. So nennt der ADFC München
beispielsweise seine Fahrradverkehrskonferenz „Velo City 2007“, ebenso gibt es
„Velo-Konzerte“ als Unterhaltung für eine Pause bei einer Fahrradtour u.ä. Der
Anmelder selbst verwendet zudem den Begriff auf der Homepage seines Unter-
nehmens im Sinne eines Gattungsbegriffs für ein Fahrzeug (die „Velotaxler“, das
„Velotaxi-Fahren“, „Velotaxi ist … ein Fahrzeug für Veranstaltungen wie Messen
Events…“, „Velotaxi ist das ideale Fahrzeug für Stadtrundfahrten…, … hervorra-
gendes Transportmittel“). Gattungsbegriffe werden im Allgemeinen jedoch vom
Verbraucher nicht – jedenfalls nicht ohne Verkehrsdurchsetzung - als Hinweis auf
den Hersteller der damit gekennzeichneten Waren aufgefasst.
Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, können sich die hier angemeldeten
Datenträger ohne weiteres inhaltlich mit Velotaxis, etwa namentlich mit der be-
triebswirtschaftlichen Seite sowie der effizienten Vermarktung des Geschäftsmo-
dells eines Velotaxi-Unternehmens befassen. Dasselbe trifft zu für Druckereier-
zeugnisse und Fotografien, etwa im Rahmen ihrer Verwertung als Werbematerial
für das Geschäftsmodell oder die Nutzung von Velotaxis. Taschen und Beutel aus
Leder bzw. Lederimitation können ebenfalls ohne weiteres der Verwendung an
oder in Velotaxis dienen, etwa zur Aufnahme von zu transportierenden Gegens-
tänden. Bei den angemeldeten „Spielen“ und „Spielzeug“ kommt ihre Herstellung
und der Vertrieb zu Werbezwecken für Velotaxis in Betracht, denn es ist nicht un-
üblich, dass Spiele und Spielzeug als Marketing- bzw. Mitgehartikel für Kunden
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entwickelt und hergestellt werden, die sich inhaltlich mit dem zu bewerbenden Ge-
genstand, hier dem Velotaxi-Modell, befassen.
Danach kann dahinstehen, ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist. Dies liegt allerdings mit der Argumentation der Mar-
kenstelle äußerst nahe.
Ohne Erfolg macht der Anmelder geltend, das Zeichen „Velotaxi“ besitze bei den
beteiligten Verkehrskreisen hohe Verkehrsgeltung. Soweit er damit eine Eintra-
gung der angemeldeten Marke kraft Verkehrsdurchsetzung im Sinne von § 8
Abs. 3 MarkenG begehrt, sind die Voraussetzungen hierfür weder dargelegt noch
sonst ersichtlich. Die Eintragung einer Marke kraft Verkehrsdurchsetzung kommt
ausschließlich für die Waren und Dienstleistungen in Betracht, für die eine Ver-
kehrsdurchsetzung nachgewiesen worden ist. Daher muss der Anmelder grund-
sätzlich für alle in Anspruch genommenen Waren und Dienstleistungen die Durch-
setzung glaubhaft machen (BGH GRUR 2001, 1042, 1043 – REICH UND
SCHÖN; BPatG GRUR 1998, 57, 58 – ; In-
gerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl. § 8 Rn. 327; Ströbele/Hacker, Markengesetz,
7. Aufl., § 8 Rn. 473 m.w.N.). Zwar ist anhand der Internet-Recherchen, die der
Senat zur besseren Nachvollziehbarkeit des Vortrags des Anmelders vorgenom-
men hat, ohne weiteres festzustellen, dass das Geschäftsmodell des Anmelders
mit Velotaxis eine recht weite Verbreitung in Deutschland und darüber hinaus
auch in einigen weiteren Staaten gefunden hat und in diesem Zusammenhang mit
dem Stichwort „Velotaxi“ im Internet in großer Zahl Links aufzufinden sind, die
ganz überwiegend auf den Anmelder bzw. sein Geschäftsmodell und die mit ihm
verbundenen Unternehmen hinweisen. Daraus lässt sich aber auch nicht ansatz-
weise ein Indiz für die erforderliche Verkehrsdurchsetzung des Zeichens für die
hier konkret zur Frage stehenden Waren ableiten, so dass es eines Hinweises
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seitens des Gerichts auf die mangelnde Glaubhaftmachung der (pauschalen) Be-
hauptung des Anmelders nicht mehr bedurfte.
Dr. van Raden
Schwarz
Prietzel-Funk
Na