Urteil des BPatG vom 30.10.2002

BPatG (Energie, Zeichen, Strom, Gas, Bezug, Saarland, Unterscheidungskraft, Verbindung, Transport, Bezeichnung)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 357/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. Oktober 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 53 030.0
hat der 29. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) auf
Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2002 durch die Vorsitzende
Richterin Grabrucker sowie die Richter Baumgärtner und Guth
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Marken-
stelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Okto-
ber 1999 und vom 25. August 2000 aufgehoben.
Gründe:
I
Die Wortmarke
„SaarEnergie“
soll für die Waren und Dienstleistungen
Dienstleistungen in bezug auf Erzeugung, Beschaffung,
Transport und Vertrieb von leitungsgebundener Energie, ins-
besondere von Strom, Gas, Wärme und ähnlichen Energie-
trägern.
Dienstleistungen in bezug auf Planung, Genehmigung, Fi-
nanzierung, Konstruktion, Bau und Betrieb von Anlagen zur
Erzeugung und zum Transport von Strom, Wärme und Gas.
Reparatur und Wartung derartiger Anlagen.
Fossilbefeuerte Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke,
zur Erzeugung von Strom und Wärme; Leitungssysteme zum
Transport von Strom, Gas, Wärme mit allen Einzelkompo-
nenten.
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Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und
forstwirtschaftliche Zwecke, wie ökologische Bodenbearbei-
tung.
Düngemittel
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren er-
ging, zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung sei freihaltungsbedürftig, da
sie – unabhängig von der Art der Energieerzeugung – darauf hinweise, dass es
sich um Energie aus der Saarregion handle und damit eine rein geografische Her-
kunftsangabe sei. Derartige kollektive Angaben müsse jeder Gewerbetreibende
verwenden können, zumal in Gebieten wie beispielsweise dem Saarland auch
mehrere Stromversorger ansässig sein könnten.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass
das angemeldete Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft besitze und nicht
freihaltebedürftig sei. „SaarEnergie“ sei eine weder lexikalisch noch im Internet als
beschreibende Sachangabe nachweisbare Wortneuschöpfung, die auf Grund ihrer
mangelnden Spezifizierung des konkretisierungsbedürftigen Begriffs „Energie“
nicht geeignet sei, Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu
beschreiben. Die Markenstelle habe das angemeldete Zeichen in nicht zulässiger
Weise in seine Bestandteile zerlegt. Es komme aber nicht darauf an, ob „Saar“
oder „Energie“ ohne Unterscheidungskraft seien. Maßgeblich sei allein die Marke
in ihrer Gesamtheit. Diese weise allenfalls auf den Sitz eines Unternehmens im
Saargebiet hin. Da der Verkehr an ähnlich gebildete Firmenbezeichnungen ge-
wöhnt sei, werde er bei markenmäßigem Gebrauch des angemeldeten Zeichens
einen Herkunftshinweis erkennen und keinen Hinweis auf „Energie aus dem
Saarland“. Hierzu trage auch die markentypische Binnengroßschreibung und der
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Gebrauch der Wortzusammensetzung in Alleinstellung bei. Schließlich verweist
die Anmelderin noch auf eine Vielzahl gleich gebildeter und eingetragener Marken.
Die Anmelderin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, da der Eintragung des angemeldeten Zei-
chens kein Freihaltungsbedürfnis gem. § 8 Abs.2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht
und „SaarEnergie“ auch die nach § 8 Abs.2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unter-
scheidungskraft aufweist.
1.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr
u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, des Wertes, der Herkunft
oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistun-
gen dienen oder dienen können. Nach Auffassung des Senats kommt dem
Zeichen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine unmittel-
bar beschreibende Bedeutung zu. Die Internet-Recherche hat unter dem
Suchbegriff „Saarenergie“ ausschließlich Treffer ergeben, die auf ein Un-
ternehmen hinweisen, während ein beschreibender Gebrauch im Zusam-
menhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht festge-
stellt werden konnte.
Das angemeldete Zeichen setzt sich, wegen der Großschreibung des je-
weils ersten Buchstaben der einzelnen Wortteile deutlich erkennbar, aus
den beiden Bestandteilen „Saar“ und „Energie“ zusammen. Die Saar ist ein
Fluß, der über eine Länge von 246 km durch Frankreich, das Saarland und
Rheinland-Pfalz fließt (BROCKHAUS DIE ENZYKLOPÄDIE in 24 Bänden,
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20. Aufl. 1996). Der zweite Bestandteil „Energie“ bedeutet die „Fähigkeit,
Arbeit zu leisten“ und allgemein „Tatkraft, Kraft, Schwung, Nachdruck“
(Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2001) bzw. die „Fähigkeit eines
Stoffes, Körpers od. Systems, Arbeit zu verrichten, die sie aus Wärme, Be-
wegung o. Ä. herleitet“ (Duden Das Fremdwörterbuch, 7., neu bearbeitete
und erweiterte Auflage, 2001).
Die „Saar“ als Fluß ist grundsätzlich nicht ohne weiteres als Herkunftsan-
gabe geeignet, da die Angabe der geographischen Herkunft einer Ware
oder von Dienstleistungen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG übli-
cherweise die Angabe des Ortes ist, an dem die Ware hergestellt oder von
wo aus die Dienstleistungen erbracht werden oder werden könnten, was
normalerweise bei einem Gewässer nicht der Fall ist (vgl. EuGH GRUR 99,
723, 725 f - Chiemsee). Vorliegend lässt sich feststellen, dass sich die Saar
über mehrere Regionen erstreckt und daher geografisch nicht festgelegt ist,
aber dennoch das Wort "Saar" häufig als schlagwortartiger Hinweis auf ei-
nen regionalen Bezug zum Saarland gebraucht wird. Dies gilt beispiels-
weise für öffentliche Institutionen wie den Landesjugendring-Saar, die VGS
Verkehrsverbund-Gesellschaft Saar, eine Veranstaltung wie die Musikfest-
spiele Saar, oder für Untergruppierungen politischer Parteien (CDU-Saar;
SPD-Saar; FDP-Saar), für sonstige Vereinigungen wie den DGB-Saar, die
AGV Saar der saarländischen Bauwirtschaft, den Saar-Sängerbund, den
HVS Handballverband Saar, den filmbüro-saar eV., und auch für Medien-
unternehmen wie Saar TV, Digitalradio Saar, Medienladen Saar. Daraus
folgt aber nicht, daß das Zeichen „SaarEnergie“ konkrete, insbesondere
verkehrswesentliche Eigenschaften der hier beanspruchten Waren und
Dienstleistungen beschreibt oder beschreiben könnte. Im Zusammenhang
mit der Stromerzeugung aus Flüssen wird sprachüblich nicht von „Wasser-
energie“ gesprochen, sondern von „Wasserkraft. Im Gegensatz zu den ver-
gleichbar gebildeten Begriffen „Windenergie“, „Sonnenenergie“ oder „Solar-
energie“ verfügt „SaarEnergie“ über keinen konkreten Bezug zur Energie-
quelle Wasser. Es wird zwar an jedem größeren Fluß mithilfe von Wasser-
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kraftwerken Strom erzeugt, und auch sonstige Energieträger werden in ver-
schiedensten Regionen produziert. Üblicherweise werden sie aber nicht mit
dem Namen des Flusses oder des Gebietes in Verbindung mit dem Begriff
"Energie" bezeichnet. Der regionale Hinweis läßt für den jeweiligen Ener-
gieträger dessen spezifische Eigenschaften nicht erkennen. Insbesondere
ist der abstrakte Sammelbegriff „Energie“ unabhängig von jeglichen geo-
grafischen Bezügen, aus denen sich keine Schlüsse auf Art oder Beschaf-
fenheit der „Energie“ ziehen lassen. Daraus ergibt sich, dass im vorliegen-
den Zusammenhang mit „Energie“ das Wort „Saar“ kein geografischer Hin-
weis ist, der von den beteiligten Verkehrskreisen - Fachleute sowie das
breite Publikum, der Abnehmer von Strom, Gas, oder Wärme –, gegenwär-
tig allgemein mit Energieträgern in Verbindung gebracht wird oder dies ver-
nünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist (EuGH a.a.O.). Daher kann
mit dem Zeichen keine verkehrswesentliche Eigenschaft der hier bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen bezeichnet werden.
Hinsichtlich der Dienstleistungen in Klasse 37 die sich auf Erzeugung, Be-
schaffung, Transport und Vertrieb von leitungsgebundener Energie, insbe-
sondere von Strom, Gas, Wärme und ähnlichen Energieträger beziehen,
werden nämlich keine Energieträger selbst beansprucht. Welche konkreten
Eigenschaften hier angesprochen sein könnten, ist nicht ersichtlich. Ebenso
wenig bezeichnet das Zeichen die hierzu in Verbindung stehenden Dienst-
leistungen in bezug auf die Planung, Genehmigung, Finanzierung, Kon-
struktion, und den Bau und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung und zum
Transport von Strom, Wärme und Gas sowie deren Reparatur und Wartung,
sowie für die von Energieträgern weit entfernten chemischen Erzeugnisse
für gewerbliche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, wie ökologi-
sche Bodenbearbeitung und die Waren „Düngemittel“ oder deren Eigen-
schaften. Auch wesentliche Eigenschaften eines Kraftwerks werden mit
dem Begriff „SaarEnergie“ nicht beschrieben, selbst wenn dort Kohle aus
dem Saarland verfeuert wird.
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Das Markenwort hat, wie dargestellt, keinen konkreten Inhalt, so dass auch
kein Funktionszusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen besteht. Aber auch im Falle eines derartigen Zusammenhangs
könnte nicht auf eine Bestimmungsangabe geschlossen werden (vgl. EuG
GRUR Int, 2002 751 – CARCARD).
Ein Bedürfnis etwaiger Mitbewerber, die Bezeichnung im hier beanspruch-
ten Bereich für konkrete Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen zu
benutzen, kann daher weder für den gegenwärtigen Zeitpunkt festgestellt
werden noch bestehen Anhaltspunkte für eine entsprechende zukünftige
Entwicklung
2.
In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weist
das Zeichen „SaarEnergie“ auch die gemäß § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG erfor-
derliche geringe Unterscheidungskraft auf.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke inne-
wohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für
die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unterneh-
mens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (BGH
GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE m.w.N.). Diese fehlt einer Wortmarke nur
dann, wenn ihr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein im Vor-
dergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann
oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer
bekannten Fremdsprache handelte, das vom Verkehr - etwa auch wegen
einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches
und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würde (BGH a.a.O.
- INDIVIDUELLE). Nach den oben unter 1. getroffenen Feststellungen be-
sitzt "Saar Energie" zu den in der Klasse 1 beanspruchten Waren keinerlei
Zusammenhang. Im übrigen weist das Zeichen zwar einen gewissen Bezug
zu den Waren und Dienstleistungen auf, hat aber auf Grund seiner Abs-
traktheit und Unschärfe keinen im Vordergrund stehenden sachbeschrei-
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benden Gehalt. Hinzu kommt, worauf die Anmelderin zu Recht hingewiesen
hat, dass sich in verschiedenen Industriezweigen und Branchen die Übung
herausgebildet hat, Unternehmenskennzeichnungen zu bilden, die sich aus
dem Namen eines Flusses oder einer Region und einem weiteren Begriff,
der sich am Unternehmensgegenstand orientiert, zusammensetzen, z.B. in
der Schwerindustrie (Rheinmetall, Saarstahl) und bei den vorliegend rele-
vanten Energieversorgern wie z. B. "Ruhrpower, "RuhrEnergie", „Ruhrgas“,
"Bayernstrom", "Gelsenwärme", "Badengas", "Saar Ferngas". Vor dem
Hintergrund einer solchen branchenspezifischen Benutzungspraxis er-
scheint eine Berufung auf mangelnde Unterscheidungskraft kaum möglich
(28 W (pat) 181/02, Beschluß v. 4.12.2002). Die vorliegend angesproche-
nen Verkehrskreise werden das angemeldete Zeichen „SaarEnergie“ in sei-
ner maßgebenden Gesamtheit daher ohne weiteres mit einem Unterneh-
men in Verbindung bringen.
"SaarEnergie" weist in Verbindung mit den in den Klassen 7 und 37 bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen als "sprechendes Zeichen" darauf
hin, daß das Unternehmen geografisch an der Saar/dem Saarland behei-
matet ist und mit der Energieversorgung im weitesten Sinn zu tun hat.
Grabrucker Baumgärtner
Guth
Cl