Urteil des BPatG vom 08.08.2003
BPatG (marke, bestandteil, verwechslungsgefahr, kaffee, kennzeichnungskraft, verhältnis zu, verkehr, kakao, schokolade, gesamteindruck)
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 124/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
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betreffend die Marke 302 02 453
hat  der  25. Senat  (Marken-Beschwerdesenat)  des  Bundespatentgerichts  am
23. August 2010  unter  Mitwirkung  des  Vorsitzenden  Richters  Knoll  sowie  der
Richter Merzbach und Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wort- Bildmarke
ist am 5. April 2002 unter der Nummer 302 02 453 in das beim Deutschen Patent-
und  Markenamt  geführte  Markenregister  eingetragen  worden,  und  zwar  für  die
folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 29, 30, 32 und 43:
"Synthetisch hergestellte Süßstoffe und Süßungsmittel;
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Kaffeeweißer;
Kaffee,  Kakao,  Schokolade, Schokolade-  und  Zuckerwaren,  ins-
besondere  Riegel,  auch  unter  Zusatz  von  Milch-  und  Frucht-
produkten, Nüssen  und/oder  Getreideprodukten;  feine  Back-  und
Konditorwaren;  Kaffee-,  Kakao-  und Schokoladengetränke,  auch
unter Zusatz von Milchprodukten und/oder Aromatisierungsmitteln
und/oder  Süßungsmitteln,  diese  Produkte  auch  in  Instantform;
natürliche Süßstoffe und Süßungsmittel;
Kaffee-, Kakao- und Schokoladenpräparate für die Herstellung von
alkoholfreien Getränken; alkoholfreie Getränke, auch solche unter
Zusatz  von  Kaffee,  Kakao,  Schokolade,  Milchprodukten  und/oder
Fruchtprodukten;
Dienstleistungen eines Restaurationsbetriebes."
Dagegen  hat  die  Inhaberin  der  am  17. Juni 1997  angemeldeten  Gemeinschafts-
marke
GRAN
die  am  19. Mai 2006  unter  der  Nummer  573 576  beim  Harmonisierungsamt  für
den Binnenmarkt für die folgenden Waren der Klassen 3, 5 und 30
"
Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische
Öle, Seifen, Zahnputzmittel;
Pharmazeutische  Erzeugnisse  sowie  Präparate  für  die  Gesund-
heitspflege,  mit  Ausnahme  von  Dermatika,  insbesondere  Salben
für pharmazeutische Zwecke, diätetische Lebensmittel für medizi-
nische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwe-
cke  (sämtliche  zuvor  genannten  Waren  weder  in  Granulatform
noch als gekörnte Substanz); Pflaster und Verbandmaterial;
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Gebäck, Kleingebäck, Karamellen, Kekse, Kuchen, Lakritze, Leb-
kuchen, Makronen, Malzbiskuits, Mandelkonfekt, Marzipan, Scho-
kolade,  Traubenzucker  für  Nahrungszwecke;  Gerstengraupen,
Gerstenmehl,  Gerstenschrot,  Getreideflocken,  Getreidepräparate,
Gewürze,  Gewürzmischungen,  Gewürznelken,  Glukose  für  Nah-
rungszwecke,  Gluten  für  Nahrungszwecke,  Hafer,  Hafergrütze,
Haferkerne,  Honig,  Ingwer,  Kartoffelmehl  für  Speisezwecke,  ge-
mahlener  Mais,  gerösteter  Mais,  Cornflakes,  Maismehl,  Malz  für
Nahrungszwecke,  Mühlenprodukte,  Muskatnüsse,  Würzzuberei-
tungen für Nahrungsmittel, Makkaroni, Nudeln, Safran, Sago, Sel-
leriesalz,  Senfmehl,  Stärke  für  Nahrungszwecke,  Stärkeprodukte
für  Nahrungszwecke,  Teigfermente,  Vanille,  Vanillin,  Würzmittel,
Zimt;  Kaffee,  Kaffee-Ersatz,  Kaffee-Ersatzstoffe  auf  pflanzlicher
Grundlage,  Kaffeegetränke,  Kakao,  Kakaoerzeugnisse,  Kakaoge-
tränke,  Schokoladengetränke,  Tee,  nicht  medizinische  Kräuter-
tees"
eingetragen wurde, Widerspruch erhoben.
Die  Markenstelle  für  Klasse 30  des  Deutschen  Patent-  und  Markenamts  hat  den
Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 8. August 2003 und vom 29. Januar 2009,
von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewie-
sen.
Die  Markenstelle  ist  der  Auffassung,  dass  sich  die  Vergleichsmarken  zwar  auf
teilweise  identischen  und  teilweise  ähnlichen  Waren  begegnen  könnten,  die  an-
gegriffene  Marke  aber  den  gebotenen  Abstand  zur  Widerspruchsmarke  einhalte.
Die Widerspruchsmarke weise eine normale Kennzeichnungskraft auf. Beim  Ver-
gleich der gegenüberstehenden Marken fielen aber insbesondere die Bildbestand-
teile  der  angegriffene  Marke  ins  Gewicht,  während  die  Widerspruchsmarke  eine
reine  Wortmarke  sei.  Selbst  wenn  man  davon  ausginge,  dass  die  angegriffene
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Marke  durch  den  Wortbestandteil  "BIOGRAN"  geprägt  werde,  liege  keine  rele-
vante  Ähnlichkeit  mit  der  Widerspruchsmarke  vor.  Das  Wortelement  "BIOGRAN"
könne nicht in seine Bestandteile "BIO" und "GRAN" zerlegt werden, insbesondere
könne  "BIO"  nicht  vollständig  abgespalten  werden.  Eine  unmittelbare  Verwechs-
lungsgefahr  scheide  insgesamt  aus.  Auch  eine  mittelbare  Verwechslungsgefahr
komme  nicht  in  Betracht.  Der  Verkehr  werde  die  angegriffene  Marke,  die  anders
als die Widerspruchsmarke Bildelemente enthalte, nicht als Weiterentwicklung der
Widerspruchsmarke  ansehen  und  der  Widersprechenden  zuordnen.  Die  Wider-
sprechende  verfüge  zudem  nicht  über  eine  Markenserie  mit  der  Hauptmarke
"GRAN".  Es  sei  auch  generell  nicht  üblich,  Marken  aus  dem  Bereich  "Lebens-
mittel,  Getränke"  mit  dem  Präfix  "BIO"  zu  ergänzen  und  damit  auf  eine  Pro-
duktserie mit Bioprodukten hinzuweisen. Die von der Widersprechenden genannte
Entscheidung
des
Bundespatentgerichts
vom
10. November 2003
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30 W (pat) 220/02  stehe  dieser  Einschätzung  nicht  entgegen,  da  insoweit  auf  die
Bekanntheit  als  Firmenschlagwort  und  eine  besonders  starke  Kennzeichnungs-
kraft der dortigen Widerspruchsmarke abgestellt worden sei.
Gegen die vorgenannten Beschlüsse der Markenstelle richtet sich die Beschwerde
der Widersprechenden.
Aus  ihrer  Sicht  sei  eine  erhebliche  Verwechslungsgefahr  zwischen  den  Ver-
gleichsmarken  gegeben.  Zwar  bestehe  die  angegriffene  Marke  aus  einem  Wort,
doch setze sich dieses aus den zwei Bestandteilen "BIO" und "GRAN" zusammen.
Der  Präfix  "BIO"  werde  als  Abkürzung  für  "biologisch"  oder  "aus  biologischem
Landbau" verstanden, sei daher nicht unterscheidungskräftig, während der weitere
Bestandteil  "GRAN"  als  zumindest  durchschnittlich  kennzeichnungskräftig  zu  er-
achten  sei.  Die  Aufmerksamkeit  der  angesprochenen Verbraucher verlagere  sich
auf diesen Wortbestandteil. Der Bildbestandteil der angegriffene Marke führe nicht
dazu,  dass  die  Verwechslungsgefahr  entfalle.  Der  Verkehr  werde  dem  Wortbe-
standteil die prägende Bedeutung zumessen. Der Bildbestandteil der angegriffene
Marke zeige eine Ähre, die bei einer Vielzahl von "Bio-Marken" verwendet werde
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und  hinter  den Wortbestandteil  zurücktrete. Ferner  sei  eine mittelbare  Verwechs-
lungsgefahr  gegeben,  weil  das  Element  "BIO"  häufig  auf  eine  "Bio-Produktlinie"
desselben  Unternehmens  hinweise.  Auch  die  Widersprechende  vertreibe  eine
"Bio-Produktlinie".  Das  Element  "BIO"  werde  stets  produktbeschreibend  verwen-
det, so dass der Verkehr davon ausgehe, bei den mit der angegriffene Marke ge-
kennzeichneten Produkten handele es sich um eine "Bio-Produktlinie" der Wider-
sprechenden. Der vorliegende Fall unterscheide sich im Übrigen von der Senats-
entscheidung vom 30. Oktober 2009 - 25 W (pat) 71/09. Während es sich dort bei
dem  Markenelement "Lektra"  um  einen  Phantasiebegriff  gehandelt  habe,  könne
die Widerspruchsmarke "GRAN" als Abkürzung für "Granulat" verstanden werden,
so dass insoweit eine andere Fallgruppe gegeben sei.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),
die  Beschlüsse  der  Markenstelle  für  Klasse 30  des  Deutschen
Patent-  und  Markenamts  vom  8. August 2003  und  vom
29. Januar 2009 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus  ihrer  Sicht  ist  zwischen  den  Vergleichsmarken  keine  Verwechslungsgefahr
gegeben.  Sie  bezieht  sich  auf  die  Senatsentscheidung  vom  30. Oktober 2009  -
25 W (pat) 71/09; der vorliegende Sachverhalt sei entsprechend zu beurteilen und
eine  Verwechslungsgefahr  zu  verneinen.  Es  bestehe  auch  kein  Anlass,  den  Be-
standteil  "BIO"  in  der  angegriffene  Marke  abzuspalten.  Die  von  der  Widerspre-
chenden  vorgelegten  Beispiele  für  "Bio-Produktlinien"  aus  ihrem  Hause  wider-
sprächen dem nicht, da der Bestandteil "BIO" sich dort räumlich und gestalterisch
von den übrigen Kennzeichenelementen abhebe, was bei der angegriffene Marke
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gerade nicht der Fall sei. Das Bildelement der angegriffene Marke führe zu einem
zusätzlichen Abstand von der Widerspruchsmarke. Die von der Widersprechenden
vorgelegten  Beispiele  seien  anders  gestaltet.  Zudem  handele  es  sich  bei  den
Wortbestandteilen  dieser  Beispiele  überwiegend  um  glatt  beschreibende  Anga-
ben, so dass erst die bildliche Darstellung die Unterscheidungskraft dieser Marken
begründe. Schließlich fehle jeder Nachweis, für welche Waren diese Marken ein-
getragen seien und benutzt würden.
Ferner hatte die Widersprechende hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen
Verhandlung  beantragt.  Sie  hat  diesen  Antrag  nach  Terminsbestimmung  zurück-
genommen, worauf der Termin zur mündlichen Verhandlung abgesetzt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zwischen der Widerspruchsmarke
und  der  angegriffenen  Marke  besteht  keine  Verwechslungsgefahr  (§§ 9  Abs. 1
Nr. 2,  42  Abs. 2  MarkenG),  so  dass  die  Markenstelle  den Widerspruch  zu  Recht
zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
1.
Das  Vorliegen  einer  Verwechslungsgefahr  ist  unter  Berücksichtigung  aller
Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237,
238  - PICASSO;  GRUR  1998,  387,  389 f.  - Sabèl/Puma).  Ihre  Beurteilung
bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der
Identität  oder  Ähnlichkeit  der  Marken  und  dem  Schutzumfang  der  Wider-
spruchsmarke.  Diese  Faktoren  sind  zwar  für  sich  gesehen  voneinander  un-
abhängig,  bestimmen  aber  in  ihrer  Wechselwirkung  den  Rechtsbegriff  der
Verwechslungsgefahr  (vgl.  BGH  GRUR  2008,  258  – INTERCONNECT/T-In-
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terConnect;  BGH  MarkenR  2009,  399  – Augsburger  Puppenkiste;  Ströbe-
le/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).
a)
Da  Benutzungsfragen  nicht  aufgeworfen  sind,  ist  für  die  Frage  der
Warenidentität bzw. der Warenähnlichkeit die Registerlage maßgebend.
Danach  können  sich  die  Vergleichsmarken  teilweise  auf  identischen
und  teilweise  auf  ähnlichen  Waren  begegnen.  Für  die  Waren  "Kaffee,
Kakao,  Schokolade,  Kakaogetränke  und  Schokoladengetränke" sind
beide  Vergleichsmarken  registriert.  Aber  selbst  soweit  es  um  diese  im
Identitätsbereich liegenden Waren geht, die für die Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr am kritischsten sind, hält die angegriffene Marke den
gebotenen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.
b)
Dabei wird eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke unterstellt. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke  ist  nicht  dargetan.  Es  kann  ferner  dahingestellt  bleiben,
ob die Widerspruchsmarke in Bezug auf einzelne Waren, für die sie ein-
getragen ist, in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt ist. Zwar hat die
Widersprechende vorgetragen, dass das Markenwort "Gran" als Abkür-
zung von "Granulat" zu verstehen sei, was eine Schwächung der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke nahelegen könnte. Denn dann
könnte sich ein beschreibender Bezug der Widerspruchsmarke zu Wa-
ren wie z. B. "Kaffee" oder "Schokolade" ergeben, und zwar hinsichtlich
der  Konsistenz,  da  die  vorgenannten  Produkte auf  dem  Markt  auch  in
Form  von  Granulaten  angeboten  werden. Ob  die  Kennzeichnungskraft
der  Widerspruchsmarke  deswegen  tatsächlich  geschwächt  ist,  ist  je-
doch  nicht  entscheidungserheblich,  da  auch  bei  einer  unterstellten
durchschnittlichen  Kennzeichnungskraft  der  Widerspruchsmarke  eine
Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht zu bejahen
ist.
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c)
Eine  unmittelbare  Verwechslungsgefahr  ist  zwischen  den  gegenüber-
stehenden Marken nicht gegeben. Für den markenrechtlichen Vergleich
der sich gegenüberstehenden Marken ist der Gesamteindruck maßgeb-
lich. Hierbei ist grundsätzlich eine zergliedernde Betrachtungsweise ein-
zelner Markenbestandteile zu vermeiden, zumal der Verkehr eine Mar-
ke  so  aufnimmt,  wie  sie  ihm  entgegentritt,  ohne  sie  einer  analysieren-
den  Betrachtungsweise  zu  unterziehen  (Ströbele/Hacker,  Markenge-
setz,  9. Aufl.,  § 9,  Rdnr. 170  m. w. N.).  Die  angegriffene  Marke  enthält
in ihrem Wortbestandteil "Biogran" an dessen Anfang die Silbe "Bio", so
dass sich gegenüber der Widerspruchsmarke "Gran" dadurch in der Sil-
bengliederung,  der  Vokalfolge,  der  Silbenzahl  und  auch  im  Sprach-
rhythmus  deutliche  Unterschiede  ergeben.  Eine  schriftbildliche  und
klangliche  Verwechslungsgefahr  ist  bei  einem  Vergleich  der  Marken-
wörter in ihrer Gesamtheit aufgrund dieser Unterschiede nicht gegeben.
Der Bestandteil "-gran" prägt die angegriffene Marke auch nicht derart,
dass die Anfangssilbe "Bio" im Rahmen ihres Gesamteindrucks weitge-
hend in den Hintergrund tritt.
Auch  wenn  bei  der  Beurteilung  der  Markenähnlichkeit  die  sich  gegen-
überstehenden  Zeichen  jeweils  als  Ganzes  zu  berücksichtigen  und  in
ihrem  Gesamteindruck  zu  vergleichen  sind,  ist  es  nicht  ausgeschlos-
sen, dass unter Umständen ein  Bestandteil oder mehrere Bestandteile
eines  komplexen  Kennzeichens  für  dessen  Gesamteindruck  prägend
sein  können.  Voraussetzung  hierfür  ist,  dass  die  anderen  Bestandteile
weitgehend  in  den  Hintergrund  treten  und  den  Gesamteindruck  der
Marke  nicht  mitbestimmen  (BGH  GRUR  2008,  903,  904,  Tz. 18  -
SIERRA  ANTIGUA).  Auch  wenn  diese  Grundsätze  gemäß  der  Recht-
sprechung  des  BGH  auch  bei  einem  aus  mehreren  Bestandteilen  zu-
sammengesetzten  "Einwortzeichen"  in  Betracht  kommen  können (vgl.
BGH  GRUR  2008,  905,  Tz. 26  -Pantohexal),  ist  unter  diesem  Aspekt
- 10 -
zwischen  den  Vergleichsmarken  eine  unmittelbare  Verwechslungsge-
fahr zu verneinen, da der Bestandteil "Bio-" nicht in dieser Form in den
Hintergrund tritt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Bildelement
der angegriffenen Marke, das eine stilisierte Ähre darstellt, in Bezug auf
zumindest  eine  Reihe  von  Waren  der  angegriffenen  Marke  als  be-
schreibend anzusehen und deswegen im Gesamteindruck nicht zu be-
rücksichtigen wäre.
Der  Bestandteil  "Bio"  ist  ein  Wortbildungselement  mit  verschiedenen
Bedeutungen, und zwar
•
"das  Leben  betreffend;  Lebensvorgänge;  Lebewesen;  Lebens-
raum",
•
"gesund, natürlich, ohne chemische Zusätze",
•
"in  irgendeiner Weise mit  organischem  Leben  in Beziehung  ste-
hend"
(Duden,  Das  große  Fremdwörterbuch,  4. aktualisierte  Aufl.,  2007,
S. 202). Dieses Wortbildungselement ist mit diesen Bedeutungen in der
deutschen Sprache in eine Reihe von mehrgliedrigen Substantiven ein-
gefügt worden wie z. B. "Bioethik", "Bioladen" oder "Biochemie", denen
ein eindeutiger Sinngehalt zugeordnet werden kann und bei denen der
Bestandteil  "Bio"  als  eigenständiger,  begriffsbestimmender  Wortbe-
standteil innerhalb dieser Fachausdrücke hervortritt. Solche Begriffsbil-
dungen  existieren  auch  im  Bereich  der  hier  betroffenen  Waren,  z. B.
"Biokaffee",  "Bioschokolade",  "Biokakao",  die  im  Verkehr  verwendet
werden.
Mit  Blick  auf  die  angegriffene  Marke  liegt  es  aber  insoweit  anders,  als
der  Wortbestandteil  "Bio"  mit  dem  weiteren  Bestandteil  "-gran"  kombi-
niert ist. Dieser Bestandteil steht für sich betrachtet zwar zum einen für
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die Abkürzung einer alten, in Deutschland heute nicht mehr verwende-
ten  Maßeinheit,  und  stellt  zum  anderen  die  Abkürzung  für  "granuliert,
granurös"  dar  (vgl.  Lexikon  der  Abkürzungen,  zusammengefasst  und
herausgegeben  von  Koblischke,  1994,  S. 230).  Zwar  können,  wie  be-
reits ausgeführt, Waren, für die die angegriffene Marke registriert ist, in
Form  von  Granulaten  auf  dem  Markt  angeboten  werden.  Dann  aber
könnte  dem  Wortelement  der  angegriffenen  Marke  die  Gesamtbedeu-
tung "Biogranulat" zukommen. Innerhalb dieses Gesamtbegriffs weisen
die Bestandteile "Bio-" und "-gran", wie ausgeführt, jeweils für sich eige-
ne  Sachbezüge  hinsichtlich  der  vorgenannten  Waren  auf,  die  gleich-
rangig  nebeneinander  stehen.  Soweit  ein  Bedeutungsgehalt  der
Schlusssilbe  "-gran"  in  dem  Markenwort  "Biogran"  nicht  erkannt  wird,
verschmilzt  zudem  die  Anfangssilbe  "Bio-"  mit  dem  weiteren  Wortbe-
standteil  "-gran"  zu  einer  einheitlichen  Lautfolge,  ohne  dass  eine  Auf-
spaltung  in  einen  rein  beschreibenden  Bestandteil  "Bio-"  und  einen
kennzeichnenden Bestandteil "-gran" naheliegend wäre.
Vielmehr  wird  der  Verkehr  bei  "Biogran"  von  einem  einheitlichen  Mar-
kenwort ausgehen, wobei schon im Hinblick auf die Kürze des Bestand-
teils "-gran" und dessen Endungscharakter im konkreten Markenwort ei-
ne  Prägung  der  Gesamtbezeichnung  durch  diesen  Bestandteil  nach
Auffassung des Senats ausgeschlossen ist.
d)
Ferner  ist  auch  unter  dem  Gesichtspunkt  des  gedanklichen  Inverbin-
dungbringens  der  Vergleichsmarken  eine  Verwechslungsgefahr  gem.
§ 9 Abs. 1 Nr.2 letzter Halbsatz MarkenG nicht zu bejahen.
In  diesem  Zusammenhang  hat  die  Rechtsprechung  des  Europäischen
Gerichtshofes (GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE) und des Bundes-
gerichtshofes  (GRUR  2006,  859  - Malteserkreuz;  GRUR  2008,  903  -
SIERRA ANTIGUA; GRUR 2008, 905 - Pantohexal; GRUR 2008, 909 -
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Pantogast)  zwar  anerkannt,  dass  einem  Bestandteil  in  einer  zusam-
mengesetzten Marke auch dann eine selbständig kennzeichnende und
kollisionsbegründende Stellung zukommen kann, wenn dieser Bestand-
teil das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komple-
xen Kennzeichnung nicht dominiert oder prägt.
Dies kommt zum einen in Betracht, wenn die gegenüberstehenden Zei-
chen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm
mehrerer  Zeichen  eines  Unternehmens  sieht  und  deshalb  die  nachfol-
genden  Bezeichnungen,  die  einen  wesensgleichen  Stamm  aufweisen,
dem  gleichen  Inhaber  zuordnet  (vgl.  BGH  GRUR  2008,  905,  Tz. 33  -
Pantohexal).  Zwar  ist  aus  dem  Markenregister  ersichtlich,  dass  für  die
Widersprechende  eine  Reihe  von  mehrgliedrigen  Marken  mit  dem  Be-
standteil  "-gran"  registriert  waren  und  auch  noch  sind.  Jedoch  ergibt
sich  hieraus  nichts  darüber,  ob und  in  welchem  Umfang  diese  Marken
im Inland benutzt werden, zumal aus dem Markenregister auch ersicht-
lich ist, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Marken auch wieder ge-
löscht wurde, vielfach auf Antrag der Widersprechenden. Im übrigen hat
die Widersprechende zur Benutzungslage von registrierten und in Kraft
befindlichen "Gran-Marken" nichts vorgetragen. Aber auch dann, wenn
zugunsten  der  Widersprechenden  eine  Benutzung  von  Marken  zu  un-
terstellen  wäre,  die  in  gleicher Weise  wie  die  angegriffene  Marke drei-
silbig  und  mit  der  Endung  "-gran"  gebildet  sind,  wäre  nicht  von  einer
kollisonsbegründenden  Stellung  dieses  Bestandteils  auszugehen.  Die
Kürze und der Endungscharakter dieses Bestandteils innerhalb solcher
Zeichenbildungen sprechen dagegen, dass die Widerspruchsmarke und
dessen Serienzeichencharakter dort wiedererkannt wird, und zwar auch
dann, wenn ein Teil der für die Widersprechenden registrierten Marken
in  gleicher  wie  die  angegriffene  Marke  dreisilbig  und  mit  der  Endsilbe
"gran" gebildet sein sollte. Denn der Bestandteil "gran" ist als Schluss-
silbe  innerhalb  solcher  dreisilbiger  Markenworte  als  die  Kennzeich-
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nungskraft dieser Bezeichnungen vorrangig gegenüber den übrigen Be-
standteilen  bestimmendes  Element  nur  eingeschränkt  geeignet  und
kommt daher als Stammbestandteil einer Markenserie nur unter beson-
deren Voraussetzungen wie insbesondere eine starke Gewöhnung des
Verkehrs  in  Richtung  Verkehrsbekanntheit  in  Betracht,  was  vorliegend
aber in keiner Weise ersichtlich ist.
Zum anderen kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gege-
ben sein, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestand-
teil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird,
in  der  er  neben  einem  Unternehmenskennzeichen  oder  Serienzeichen
eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der
Übereinstimmung  dieses  Bestandteils  mit  der  älteren  Marke  bei  den
angesprochenen  Verkehrskreisen  der  Eindruck  hervorgerufen  wird,
dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich mit-
einander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH GRUR 2008,
905,  Tz. 37  - Pantohexal).  Zwar  ist  die  Widerspruchsmarke  hier  iden-
tisch  in  die  angegriffene  Marke  als  Bestandteil  übernommen  worden.
Sie  ist  jedoch  nicht  mit  einem  Serienzeichen  oder  einem  Unterneh-
menskennzeichen  der  Markeninhaberin  kombiniert  worden.  Vielmehr
ergibt sich in Bezug auf die angegriffene Marke, wie ausgeführt, ein ein-
heitlicher  Gesamtbegriff,  so  dass  auch  eine  Verwechslungsgefahr  im
weiteren Sinne nicht gegeben ist.
2.
Da bereits hinsichtlich solcher Waren, die identisch für die angegriffene Mar-
ke und die die Widerspruchsmarke registriert sind, das Vorliegen einer Ver-
wechslungsgefahr i. S. d. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG zu verneinen
ist, gilt dies erst recht für die übrigen Waren der angegriffenen Marke, soweit
diese  im  Verhältnis  zu  den  Waren  und  Dienstleistungen  der  Widerspruchs-
marke als lediglich ähnlich zu erachten sind. Daher war der Widerspruch ins-
gesamt zurückzuweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
- 14 -
3.
Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden wer-
den, nachdem die Widersprechende ihren diesbezüglichen Antrag zurückge-
nommen hat (§ 69 MarkenG).
4.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71
Abs. 1 MarkenG).
Knoll
Merzbach
Metternich
Hu