Urteil des BPatG vom 08.08.2003

BPatG (marke, bestandteil, verwechslungsgefahr, kaffee, kennzeichnungskraft, verhältnis zu, verkehr, kakao, schokolade, gesamteindruck)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 124/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 02 453
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
23. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der
Richter Merzbach und Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wort- Bildmarke
ist am 5. April 2002 unter der Nummer 302 02 453 in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden, und zwar für die
folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 29, 30, 32 und 43:
"Synthetisch hergestellte Süßstoffe und Süßungsmittel;
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Kaffeeweißer;
Kaffee, Kakao, Schokolade, Schokolade- und Zuckerwaren, ins-
besondere Riegel, auch unter Zusatz von Milch- und Frucht-
produkten, Nüssen und/oder Getreideprodukten; feine Back- und
Konditorwaren; Kaffee-, Kakao- und Schokoladengetränke, auch
unter Zusatz von Milchprodukten und/oder Aromatisierungsmitteln
und/oder Süßungsmitteln, diese Produkte auch in Instantform;
natürliche Süßstoffe und Süßungsmittel;
Kaffee-, Kakao- und Schokoladenpräparate für die Herstellung von
alkoholfreien Getränken; alkoholfreie Getränke, auch solche unter
Zusatz von Kaffee, Kakao, Schokolade, Milchprodukten und/oder
Fruchtprodukten;
Dienstleistungen eines Restaurationsbetriebes."
Dagegen hat die Inhaberin der am 17. Juni 1997 angemeldeten Gemeinschafts-
marke
GRAN
die am 19. Mai 2006 unter der Nummer 573 576 beim Harmonisierungsamt für
den Binnenmarkt für die folgenden Waren der Klassen 3, 5 und 30
"
Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische
Öle, Seifen, Zahnputzmittel;
Pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesund-
heitspflege, mit Ausnahme von Dermatika, insbesondere Salben
für pharmazeutische Zwecke, diätetische Lebensmittel für medizi-
nische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwe-
cke (sämtliche zuvor genannten Waren weder in Granulatform
noch als gekörnte Substanz); Pflaster und Verbandmaterial;
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Gebäck, Kleingebäck, Karamellen, Kekse, Kuchen, Lakritze, Leb-
kuchen, Makronen, Malzbiskuits, Mandelkonfekt, Marzipan, Scho-
kolade, Traubenzucker für Nahrungszwecke; Gerstengraupen,
Gerstenmehl, Gerstenschrot, Getreideflocken, Getreidepräparate,
Gewürze, Gewürzmischungen, Gewürznelken, Glukose für Nah-
rungszwecke, Gluten für Nahrungszwecke, Hafer, Hafergrütze,
Haferkerne, Honig, Ingwer, Kartoffelmehl für Speisezwecke, ge-
mahlener Mais, gerösteter Mais, Cornflakes, Maismehl, Malz für
Nahrungszwecke, Mühlenprodukte, Muskatnüsse, Würzzuberei-
tungen für Nahrungsmittel, Makkaroni, Nudeln, Safran, Sago, Sel-
leriesalz, Senfmehl, Stärke für Nahrungszwecke, Stärkeprodukte
für Nahrungszwecke, Teigfermente, Vanille, Vanillin, Würzmittel,
Zimt; Kaffee, Kaffee-Ersatz, Kaffee-Ersatzstoffe auf pflanzlicher
Grundlage, Kaffeegetränke, Kakao, Kakaoerzeugnisse, Kakaoge-
tränke, Schokoladengetränke, Tee, nicht medizinische Kräuter-
tees"
eingetragen wurde, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 8. August 2003 und vom 29. Januar 2009,
von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewie-
sen.
Die Markenstelle ist der Auffassung, dass sich die Vergleichsmarken zwar auf
teilweise identischen und teilweise ähnlichen Waren begegnen könnten, die an-
gegriffene Marke aber den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte.
Die Widerspruchsmarke weise eine normale Kennzeichnungskraft auf. Beim Ver-
gleich der gegenüberstehenden Marken fielen aber insbesondere die Bildbestand-
teile der angegriffene Marke ins Gewicht, während die Widerspruchsmarke eine
reine Wortmarke sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass die angegriffene
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Marke durch den Wortbestandteil "BIOGRAN" geprägt werde, liege keine rele-
vante Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke vor. Das Wortelement "BIOGRAN"
könne nicht in seine Bestandteile "BIO" und "GRAN" zerlegt werden, insbesondere
könne "BIO" nicht vollständig abgespalten werden. Eine unmittelbare Verwechs-
lungsgefahr scheide insgesamt aus. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr
komme nicht in Betracht. Der Verkehr werde die angegriffene Marke, die anders
als die Widerspruchsmarke Bildelemente enthalte, nicht als Weiterentwicklung der
Widerspruchsmarke ansehen und der Widersprechenden zuordnen. Die Wider-
sprechende verfüge zudem nicht über eine Markenserie mit der Hauptmarke
"GRAN". Es sei auch generell nicht üblich, Marken aus dem Bereich "Lebens-
mittel, Getränke" mit dem Präfix "BIO" zu ergänzen und damit auf eine Pro-
duktserie mit Bioprodukten hinzuweisen. Die von der Widersprechenden genannte
Entscheidung
des
Bundespatentgerichts
vom
10. November 2003
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30 W (pat) 220/02 stehe dieser Einschätzung nicht entgegen, da insoweit auf die
Bekanntheit als Firmenschlagwort und eine besonders starke Kennzeichnungs-
kraft der dortigen Widerspruchsmarke abgestellt worden sei.
Gegen die vorgenannten Beschlüsse der Markenstelle richtet sich die Beschwerde
der Widersprechenden.
Aus ihrer Sicht sei eine erhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Ver-
gleichsmarken gegeben. Zwar bestehe die angegriffene Marke aus einem Wort,
doch setze sich dieses aus den zwei Bestandteilen "BIO" und "GRAN" zusammen.
Der Präfix "BIO" werde als Abkürzung für "biologisch" oder "aus biologischem
Landbau" verstanden, sei daher nicht unterscheidungskräftig, während der weitere
Bestandteil "GRAN" als zumindest durchschnittlich kennzeichnungskräftig zu er-
achten sei. Die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verbraucher verlagere sich
auf diesen Wortbestandteil. Der Bildbestandteil der angegriffene Marke führe nicht
dazu, dass die Verwechslungsgefahr entfalle. Der Verkehr werde dem Wortbe-
standteil die prägende Bedeutung zumessen. Der Bildbestandteil der angegriffene
Marke zeige eine Ähre, die bei einer Vielzahl von "Bio-Marken" verwendet werde
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und hinter den Wortbestandteil zurücktrete. Ferner sei eine mittelbare Verwechs-
lungsgefahr gegeben, weil das Element "BIO" häufig auf eine "Bio-Produktlinie"
desselben Unternehmens hinweise. Auch die Widersprechende vertreibe eine
"Bio-Produktlinie". Das Element "BIO" werde stets produktbeschreibend verwen-
det, so dass der Verkehr davon ausgehe, bei den mit der angegriffene Marke ge-
kennzeichneten Produkten handele es sich um eine "Bio-Produktlinie" der Wider-
sprechenden. Der vorliegende Fall unterscheide sich im Übrigen von der Senats-
entscheidung vom 30. Oktober 2009 - 25 W (pat) 71/09. Während es sich dort bei
dem Markenelement "Lektra" um einen Phantasiebegriff gehandelt habe, könne
die Widerspruchsmarke "GRAN" als Abkürzung für "Granulat" verstanden werden,
so dass insoweit eine andere Fallgruppe gegeben sei.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 8. August 2003 und vom
29. Januar 2009 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus ihrer Sicht ist zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr
gegeben. Sie bezieht sich auf die Senatsentscheidung vom 30. Oktober 2009 -
25 W (pat) 71/09; der vorliegende Sachverhalt sei entsprechend zu beurteilen und
eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Es bestehe auch kein Anlass, den Be-
standteil "BIO" in der angegriffene Marke abzuspalten. Die von der Widerspre-
chenden vorgelegten Beispiele für "Bio-Produktlinien" aus ihrem Hause wider-
sprächen dem nicht, da der Bestandteil "BIO" sich dort räumlich und gestalterisch
von den übrigen Kennzeichenelementen abhebe, was bei der angegriffene Marke
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gerade nicht der Fall sei. Das Bildelement der angegriffene Marke führe zu einem
zusätzlichen Abstand von der Widerspruchsmarke. Die von der Widersprechenden
vorgelegten Beispiele seien anders gestaltet. Zudem handele es sich bei den
Wortbestandteilen dieser Beispiele überwiegend um glatt beschreibende Anga-
ben, so dass erst die bildliche Darstellung die Unterscheidungskraft dieser Marken
begründe. Schließlich fehle jeder Nachweis, für welche Waren diese Marken ein-
getragen seien und benutzt würden.
Ferner hatte die Widersprechende hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen
Verhandlung beantragt. Sie hat diesen Antrag nach Terminsbestimmung zurück-
genommen, worauf der Termin zur mündlichen Verhandlung abgesetzt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zwischen der Widerspruchsmarke
und der angegriffenen Marke besteht keine Verwechslungsgefahr (§§ 9 Abs. 1
Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG), so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht
zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
1.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237,
238 - PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung
bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der
Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Wider-
spruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander un-
abhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der
Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-In-
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terConnect; BGH MarkenR 2009, 399 – Augsburger Puppenkiste; Ströbe-
le/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).
a)
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist für die Frage der
Warenidentität bzw. der Warenähnlichkeit die Registerlage maßgebend.
Danach können sich die Vergleichsmarken teilweise auf identischen
und teilweise auf ähnlichen Waren begegnen. Für die Waren "Kaffee,
Kakao, Schokolade, Kakaogetränke und Schokoladengetränke" sind
beide Vergleichsmarken registriert. Aber selbst soweit es um diese im
Identitätsbereich liegenden Waren geht, die für die Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr am kritischsten sind, hält die angegriffene Marke den
gebotenen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.
b)
Dabei wird eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke unterstellt. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke ist nicht dargetan. Es kann ferner dahingestellt bleiben,
ob die Widerspruchsmarke in Bezug auf einzelne Waren, für die sie ein-
getragen ist, in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt ist. Zwar hat die
Widersprechende vorgetragen, dass das Markenwort "Gran" als Abkür-
zung von "Granulat" zu verstehen sei, was eine Schwächung der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke nahelegen könnte. Denn dann
könnte sich ein beschreibender Bezug der Widerspruchsmarke zu Wa-
ren wie z. B. "Kaffee" oder "Schokolade" ergeben, und zwar hinsichtlich
der Konsistenz, da die vorgenannten Produkte auf dem Markt auch in
Form von Granulaten angeboten werden. Ob die Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke deswegen tatsächlich geschwächt ist, ist je-
doch nicht entscheidungserheblich, da auch bei einer unterstellten
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine
Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht zu bejahen
ist.
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c)
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist zwischen den gegenüber-
stehenden Marken nicht gegeben. Für den markenrechtlichen Vergleich
der sich gegenüberstehenden Marken ist der Gesamteindruck maßgeb-
lich. Hierbei ist grundsätzlich eine zergliedernde Betrachtungsweise ein-
zelner Markenbestandteile zu vermeiden, zumal der Verkehr eine Mar-
ke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysieren-
den Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 170 m. w. N.). Die angegriffene Marke enthält
in ihrem Wortbestandteil "Biogran" an dessen Anfang die Silbe "Bio", so
dass sich gegenüber der Widerspruchsmarke "Gran" dadurch in der Sil-
bengliederung, der Vokalfolge, der Silbenzahl und auch im Sprach-
rhythmus deutliche Unterschiede ergeben. Eine schriftbildliche und
klangliche Verwechslungsgefahr ist bei einem Vergleich der Marken-
wörter in ihrer Gesamtheit aufgrund dieser Unterschiede nicht gegeben.
Der Bestandteil "-gran" prägt die angegriffene Marke auch nicht derart,
dass die Anfangssilbe "Bio" im Rahmen ihres Gesamteindrucks weitge-
hend in den Hintergrund tritt.
Auch wenn bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit die sich gegen-
überstehenden Zeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in
ihrem Gesamteindruck zu vergleichen sind, ist es nicht ausgeschlos-
sen, dass unter Umständen ein Bestandteil oder mehrere Bestandteile
eines komplexen Kennzeichens für dessen Gesamteindruck prägend
sein können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile
weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der
Marke nicht mitbestimmen (BGH GRUR 2008, 903, 904, Tz. 18 -
SIERRA ANTIGUA). Auch wenn diese Grundsätze gemäß der Recht-
sprechung des BGH auch bei einem aus mehreren Bestandteilen zu-
sammengesetzten "Einwortzeichen" in Betracht kommen können (vgl.
BGH GRUR 2008, 905, Tz. 26 -Pantohexal), ist unter diesem Aspekt
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zwischen den Vergleichsmarken eine unmittelbare Verwechslungsge-
fahr zu verneinen, da der Bestandteil "Bio-" nicht in dieser Form in den
Hintergrund tritt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Bildelement
der angegriffenen Marke, das eine stilisierte Ähre darstellt, in Bezug auf
zumindest eine Reihe von Waren der angegriffenen Marke als be-
schreibend anzusehen und deswegen im Gesamteindruck nicht zu be-
rücksichtigen wäre.
Der Bestandteil "Bio" ist ein Wortbildungselement mit verschiedenen
Bedeutungen, und zwar
"das Leben betreffend; Lebensvorgänge; Lebewesen; Lebens-
raum",
"gesund, natürlich, ohne chemische Zusätze",
"in irgendeiner Weise mit organischem Leben in Beziehung ste-
hend"
(Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. aktualisierte Aufl., 2007,
S. 202). Dieses Wortbildungselement ist mit diesen Bedeutungen in der
deutschen Sprache in eine Reihe von mehrgliedrigen Substantiven ein-
gefügt worden wie z. B. "Bioethik", "Bioladen" oder "Biochemie", denen
ein eindeutiger Sinngehalt zugeordnet werden kann und bei denen der
Bestandteil "Bio" als eigenständiger, begriffsbestimmender Wortbe-
standteil innerhalb dieser Fachausdrücke hervortritt. Solche Begriffsbil-
dungen existieren auch im Bereich der hier betroffenen Waren, z. B.
"Biokaffee", "Bioschokolade", "Biokakao", die im Verkehr verwendet
werden.
Mit Blick auf die angegriffene Marke liegt es aber insoweit anders, als
der Wortbestandteil "Bio" mit dem weiteren Bestandteil "-gran" kombi-
niert ist. Dieser Bestandteil steht für sich betrachtet zwar zum einen für
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die Abkürzung einer alten, in Deutschland heute nicht mehr verwende-
ten Maßeinheit, und stellt zum anderen die Abkürzung für "granuliert,
granurös" dar (vgl. Lexikon der Abkürzungen, zusammengefasst und
herausgegeben von Koblischke, 1994, S. 230). Zwar können, wie be-
reits ausgeführt, Waren, für die die angegriffene Marke registriert ist, in
Form von Granulaten auf dem Markt angeboten werden. Dann aber
könnte dem Wortelement der angegriffenen Marke die Gesamtbedeu-
tung "Biogranulat" zukommen. Innerhalb dieses Gesamtbegriffs weisen
die Bestandteile "Bio-" und "-gran", wie ausgeführt, jeweils für sich eige-
ne Sachbezüge hinsichtlich der vorgenannten Waren auf, die gleich-
rangig nebeneinander stehen. Soweit ein Bedeutungsgehalt der
Schlusssilbe "-gran" in dem Markenwort "Biogran" nicht erkannt wird,
verschmilzt zudem die Anfangssilbe "Bio-" mit dem weiteren Wortbe-
standteil "-gran" zu einer einheitlichen Lautfolge, ohne dass eine Auf-
spaltung in einen rein beschreibenden Bestandteil "Bio-" und einen
kennzeichnenden Bestandteil "-gran" naheliegend wäre.
Vielmehr wird der Verkehr bei "Biogran" von einem einheitlichen Mar-
kenwort ausgehen, wobei schon im Hinblick auf die Kürze des Bestand-
teils "-gran" und dessen Endungscharakter im konkreten Markenwort ei-
ne Prägung der Gesamtbezeichnung durch diesen Bestandteil nach
Auffassung des Senats ausgeschlossen ist.
d)
Ferner ist auch unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbin-
dungbringens der Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr gem.
§ 9 Abs. 1 Nr.2 letzter Halbsatz MarkenG nicht zu bejahen.
In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes (GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE) und des Bundes-
gerichtshofes (GRUR 2006, 859 - Malteserkreuz; GRUR 2008, 903 -
SIERRA ANTIGUA; GRUR 2008, 905 - Pantohexal; GRUR 2008, 909 -
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Pantogast) zwar anerkannt, dass einem Bestandteil in einer zusam-
mengesetzten Marke auch dann eine selbständig kennzeichnende und
kollisionsbegründende Stellung zukommen kann, wenn dieser Bestand-
teil das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komple-
xen Kennzeichnung nicht dominiert oder prägt.
Dies kommt zum einen in Betracht, wenn die gegenüberstehenden Zei-
chen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm
mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfol-
genden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen,
dem gleichen Inhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Tz. 33 -
Pantohexal). Zwar ist aus dem Markenregister ersichtlich, dass für die
Widersprechende eine Reihe von mehrgliedrigen Marken mit dem Be-
standteil "-gran" registriert waren und auch noch sind. Jedoch ergibt
sich hieraus nichts darüber, ob und in welchem Umfang diese Marken
im Inland benutzt werden, zumal aus dem Markenregister auch ersicht-
lich ist, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Marken auch wieder ge-
löscht wurde, vielfach auf Antrag der Widersprechenden. Im übrigen hat
die Widersprechende zur Benutzungslage von registrierten und in Kraft
befindlichen "Gran-Marken" nichts vorgetragen. Aber auch dann, wenn
zugunsten der Widersprechenden eine Benutzung von Marken zu un-
terstellen wäre, die in gleicher Weise wie die angegriffene Marke drei-
silbig und mit der Endung "-gran" gebildet sind, wäre nicht von einer
kollisonsbegründenden Stellung dieses Bestandteils auszugehen. Die
Kürze und der Endungscharakter dieses Bestandteils innerhalb solcher
Zeichenbildungen sprechen dagegen, dass die Widerspruchsmarke und
dessen Serienzeichencharakter dort wiedererkannt wird, und zwar auch
dann, wenn ein Teil der für die Widersprechenden registrierten Marken
in gleicher wie die angegriffene Marke dreisilbig und mit der Endsilbe
"gran" gebildet sein sollte. Denn der Bestandteil "gran" ist als Schluss-
silbe innerhalb solcher dreisilbiger Markenworte als die Kennzeich-
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nungskraft dieser Bezeichnungen vorrangig gegenüber den übrigen Be-
standteilen bestimmendes Element nur eingeschränkt geeignet und
kommt daher als Stammbestandteil einer Markenserie nur unter beson-
deren Voraussetzungen wie insbesondere eine starke Gewöhnung des
Verkehrs in Richtung Verkehrsbekanntheit in Betracht, was vorliegend
aber in keiner Weise ersichtlich ist.
Zum anderen kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gege-
ben sein, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestand-
teil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird,
in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen
eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der
Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den
angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird,
dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich mit-
einander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH GRUR 2008,
905, Tz. 37 - Pantohexal). Zwar ist die Widerspruchsmarke hier iden-
tisch in die angegriffene Marke als Bestandteil übernommen worden.
Sie ist jedoch nicht mit einem Serienzeichen oder einem Unterneh-
menskennzeichen der Markeninhaberin kombiniert worden. Vielmehr
ergibt sich in Bezug auf die angegriffene Marke, wie ausgeführt, ein ein-
heitlicher Gesamtbegriff, so dass auch eine Verwechslungsgefahr im
weiteren Sinne nicht gegeben ist.
2.
Da bereits hinsichtlich solcher Waren, die identisch für die angegriffene Mar-
ke und die die Widerspruchsmarke registriert sind, das Vorliegen einer Ver-
wechslungsgefahr i. S. d. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG zu verneinen
ist, gilt dies erst recht für die übrigen Waren der angegriffenen Marke, soweit
diese im Verhältnis zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchs-
marke als lediglich ähnlich zu erachten sind. Daher war der Widerspruch ins-
gesamt zurückzuweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
- 14 -
3.
Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden wer-
den, nachdem die Widersprechende ihren diesbezüglichen Antrag zurückge-
nommen hat (§ 69 MarkenG).
4.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71
Abs. 1 MarkenG).
Knoll
Merzbach
Metternich
Hu