Urteil des BPatG vom 23.04.2008

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BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 346/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. April 2008
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 101 58 681
BPatG 154
08.05
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 23. April 2008 unter Mitwirkung des Richters
Dipl.-Ing. Bülskämper als Vorsitzenden, der Richterin Friehe sowie der Richter
Dipl.-Ing. Reinhardt und Dr.-Ing. Höchst
beschlossen:
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechter-
halten:
- Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Septem-
ber 2004,
- Patentansprüche 2 bis 9, Beschreibung und Zeichnungen ge-
mäß Patentschrift.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 30. November 2001 angemeldete und am 29. Januar 2004 veröf-
fentlichte Patent mit der Bezeichnung
"Mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach"
ist Einspruch eingelegt worden. Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass
die Gegenstände der Patentansprüche des Streitpatents nicht mehr neu seien
oder durch den Stand der Technik zumindest nahegelegt seien. Zur Stützung ihres
Vorbringens verweist sie auf die Druckschriften:
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DE 42 03 229 C2
DE 44 35 222 C1
US 2,704,225
DE 199 62 070 A1
DE 43 16 485 A1
DE 199 34 673 C1
DE 101 08 493 A1.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhal-
ten:
- Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Septem-
ber 2004,
- Patentansprüche 2 bis 9 sowie
- Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt;
hilfsweise:
- Patentanspruch 1, als Hilfsantrag überreicht in der mündlichen
Verhandlung,
- im Übrigen wie Hauptantrag.
Sie meint, dass der Gegenstand, für den mit Patentanspruch 1 Schutz begehrt
wird, durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen
noch nahegelegt sei.
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Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
Mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach, mit mindestens zwei starren
Dachteilen (2, 3), die mittels einer Dachkinematik zwischen einer
Schließposition, in der die Dachteile eine gemeinsame, durchge-
hende Dachaußenhaut bilden, und einer geöffneten Ablageposi-
tion zu verstellen sind, wobei in Ablageposition die Dachteile (2, 3)
übereinander liegend angeordnet sind und ein Dachteilpaket bil-
den,
dadurch gekennzeichnet,
dass benachbarte Dachteile (2, 3) an einem gemeinsamen Grund-
rahmen (6) gehalten und jedes dieser Dachteile (2, 3) über jeweils
eine Dachteilkinematik (7, 8) relativ zu dem Grundrahmen (6) in
eine angehobene Position verstellbar ist, wobei der Grundrah-
men (6) als Dachbauteil ausgeführt ist und zum Öffnen des Fahr-
zeugdaches (1) der Grundrahmen (6) einschließlich der Dachtei-
le (2, 3) in einen Ablageraum im Fahrzeug zu versetzen ist.
Zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag sowie zu den für Haupt- und Hilfsantrag
gleichlautenden Unteransprüchen 2 bis 9 wird auf die Akte verwiesen.
Im Erteilungsverfahren wurden noch folgende, von der Einsprechenden nicht auf-
gegriffene Druckschriften berücksichtigt:
DE 196 43 225 C1
DE 196 35 536 C1
DE 196 42 152 A1.
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II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG
a. F. begründet.
Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat er insoweit Erfolg, als er zur Be-
schränkung des Patents führt.
Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung einen Diplom-Ingenieur der
Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluss zugrunde, der bei ei-
nem Kraftfahrzeughersteller oder Zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion
von öffnungsfähigen Fahrzeugdächern betraut ist und auf diesem Gebiet über
mehrjährige Erfahrung verfügt.
1. Das geltende Patentbegehren nach Hauptantrag ist zulässig. Gegenteiliges hat
auch die Einsprechende nicht vorgetragen.
Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf den erteilten Patentanspruch 1 zurück i. V. m.
der Beschreibung der Patentschrift S. 3, Abs. 0022, Fig. 2 und 3 sowie S. 5,
Abs. 0025. Die Patentansprüche 2 bis 9 stimmen mit den erteilten Patentansprü-
chen 2 bis 9 überein. Der erteilte Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem ursprüngli-
chen Patentanspruch 1 unter Einbeziehung von Angaben aus der ursprünglichen
Beschreibung S. 2, letzter Absatz und S. 5, vorletzter Absatz. Die erteilten Patent-
ansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 9. Die
Beschreibung der Patentschrift entspricht der ursprünglichen Beschreibung mit er-
gänzenden Angaben zum Stand der Technik. Die Figuren 1 bis 5 wurden ur-
sprünglich eingereicht.
2. Das Streitpatent betrifft ein mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach, bei dem min-
destens zwei starre Dachteile in einer Schließposition eine gemeinsame, durchge-
hende Dachaußenhaut bilden und die Dachteile in eine geöffnete Ablageposition
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zu verstellen sind. In der Ablageposition sind die Dachteile übereinander liegend
angeordnet und bilden ein Dachteilpaket. Nach der Beschreibung hängen beim
Stand der Technik bei derartigen Fahrzeugdächern die Dachteile an einer kinema-
tischen Kette. Die Absenkung der Dachteile relativ zueinander erfolge mit Hilfe von
Viergelenkkinematiken, wobei das vordere Dachteil über jeweils eine Viergelenkki-
nematik mit dem jeweils folgenden Dachteil gekoppelt sei. Das hintere Dachteil sei
kinematisch an die Karosserie gekoppelt. Die Dachteile könnten jedoch auch un-
abhängig voneinander über jeweils eine Verstellkinematik an die Karosserie ge-
koppelt sein. Dadurch werde das optische Erscheinungsbild im Sichtbereich des
Innenraums beeinträchtigt, ein hoher konstruktiver Aufwand und Einbauraum er-
forderlich sowie die Dachstabilität nicht verbessert. Das zugrunde liegende Pro-
blem sei daher, ein mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach zu schaffen, welches sich
in Schließposition durch ein ansprechendes optisches Erscheinungsbild auszeich-
ne und dessen Stabilität mit einfachen Mitteln verbessert sei. Zur Lösung ist vor-
gesehen, benachbarte Dachteile an einem gemeinsamen Grundrahmen zu halten,
der als Dachbauteil ausgeführt ist. Jedes der Dachteile ist über jeweils eine Dach-
teilkinematik relativ zu dem Grundrahmen in eine angehobene Position verstellbar,
und zum Öffnen des Fahrzeugdaches ist der Grundrahmen einschließlich der
Dachteile in einen Ablageraum zu versetzen. Durch die Angabe, dass die Dachtei-
le eine durchgehende Dachaußenhaut bilden, ist festgelegt, dass Dachteile und
Grundrahmen als Dachbauteil zwei unterschiedliche nicht gleichzusetzende Ge-
genstände bilden. Insbesondere kann der Grundrahmen nicht Bestandteil der
durchgehenden Außenhaut sein. Der Begriff "Grundrahmen" ist für diesen Hinter-
grund ganz allgemein als ein Teil der Dachkonstruktion zu verstehen, der benach-
barte Dachteile hält. Seine körperliche Ausgestaltung bleibt offen. Er ist als ein in
sich starres Gebilde aufzufassen, das von einzelnen Lenkern, Hebeln oder Kop-
peln von Dachteilkinematiken zu unterscheiden ist.
3. Das so dem Streitpatent zu entnehmende, zweifellos gewerblich anwendbare
mehrteilige Hardtop-Fahrzeugdach ist neu.
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Aus der DE 42 03 229 C2 ist die Konstruktion eines mehrteiligen Hardtop-Fahr-
zeugdaches, mit einem vorderen 4 und einem hinteren 5 starren (vgl. Sp. 2, Z. 16
bis 25) Deckel bekannt, die zwischen einer Schließposition, in der die Dachteile
eine gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut bilden (vgl. Fig. 1), und einer
geöffneten Ablageposition zu verstellen sind (vgl. Fig. 9). Die Deckel 4 und 5 sind
in Ablageposition übereinander liegend angeordnet (vgl. Fig. 7) und bilden mit ei-
nem hinteren Dachteil 7 sowie mit seitlichen Dachteilen 6a und 6b ein Paket. Die
Deckel 4 und 5 können dabei unter (vgl. Fig. 7) oder über (vgl. Sp. 7, Z. 9 bis 15)
das hintere Dachteil 7 verfahren werden. Über die Angabe hinaus, dass für die
Deckel 4 und 5 Führungsschienen vorgesehen sind, bleibt offen, wie der Antriebs-
mechanismus gestaltet sein könnte.
Somit unterscheidet sich dieses Fahrzeugdach vom beanspruchten dadurch, dass
bei ihm ein gemeinsamer Grundrahmen für die starren Dachteile 4, 5, 7, 6a, 6b als
Dachbauteil nicht vorgesehen ist und dass für jedes dieser Dachteile oder jedes
benachbarte Paar dieser Dachteile jeweils eine Dachteilkinematik, die das Verstel-
len in eine relativ zu dem Grundrahmen angehobene Position ermöglicht, auch
nicht vorgesehen ist. Insbesondere kann der Auffassung der Einsprechenden nicht
gefolgt werden, dass das hintere Dachteil 7 einen Grundrahmen im Sinne des
Streitpatents darstellen würde. Vielmehr ist dieses Dachteil 7 Bestandteil einer ge-
meinsamen durchgehenden Dachaußenhaut in einer Schließposition des Daches.
Zudem ist bei dem bekannten Fahrzeugdach nicht beschrieben, dass zum Verfah-
ren jeder der Deckel 4 und 5 jeweils eine (separate) wie auch immer ausgestaltete
Dachteilkinematik vorgesehen ist oder dass es darauf ankommen könnte.
Diese Unterschiede sind auch bei dem aus der DE 44 35 222 C1 bekannten mehr-
teiligen Hardtop-Fahrzeugdach vorhanden. Nach Auffassung der Einsprechenden
wird der Grundrahmen dort durch das hintere Dachteil 7 gebildet und die mindes-
tens zwei starren Dachteile durch mehrere Deckel 6, die sich in Öffnungsposition
unter oder über das hintere Dachteil legen (vgl. Fig. 4 i. V. m. Sp. 4, Z. 43 bis 48).
Dieser Auffassung kann aus vorstehend genannten Gründen nicht gefolgt werden.
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Die weiteren von der Einsprechenden genannten Druckschriften US 2,704,225
(vgl. insb. Fig. 2), DE 199 62 070 A1 (vgl. Fig. 3), DE 43 16 485 A1 (vgl. Fig. 3),
DE 199 34 673 C1 (vgl. Fig. 8), DE 101 08 493 A1 (vgl. Fig. 2) sowie die bereits im
Streitpatent zitierte DE 196 42 152 A1 (vgl. Fig. 5) zeigen jeweils ein Klappverdeck
für Fahrzeuge mit drei oder vier starren Dachteilen. Unterhalb der Dachteile ist ein
Hebelgetriebe in Form einer kinematischen Kette und ggf. eines Hauptlenkerge-
triebes vorgesehen. Die Getriebe haben die Aufgabe, den Ablauf einer Zwangs-
steuerung beim Öffnen und Schließen des Daches zu gewährleisten, wobei die
vorderen Dachteile mit dem jeweils folgenden Dachteil über eine Vielgelenkkine-
matik, insbesondere Viergelenkkinematik, gekoppelt sind. Durch den Aufbau der
Kette aus seriell gekoppelten Vielgelenken sowie aus einem evtl. angeschlosse-
nen Hauptlenkergetriebe ergibt sich beim Öffnen und Schließen des Klappver-
decks eine bestimmte Kinematik. Die Dachteile bilden in der Schließposition eine
gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut und in der Ablageposition ein Dach-
teilpaket und sind dabei übereinander liegend angeordnet. Einen Grundrahmen im
Sinne des Streitpatents bilden die hinteren Dachteile dabei nicht. Auch ist für jedes
der Dachteile jeweils eine eigene Dachteilkinematik zum Verstellen der Dachteile
in eine angehobene Position nicht vorhanden.
In den beiden weiteren im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften sind Hard-
top-Fahrzeugdächer beschrieben, die noch geringere Gemeinsamkeiten mit dem
beanspruchten Fahrzeugdach aufweisen. Aus der DE 196 43 225 C1 ist ein Ein-
baumodul für ein Kraftfahrzeugverdeck bekannt, für das der Aufbau des Verdecks
nicht beschrieben ist. Bei der Dachkonstruktion nach der DE 196 35 536 C1 ist je-
des der starren Dachteile über jeweils einen eigenen Antriebsmechanismus unmit-
telbar an der Karosserie gelagert (vgl. Patentanspruch 1 und Sp. 3, Z. 19 bis 32).
Demnach unterscheiden sich sämtliche aus dem angeführten Stand der Technik
bekannten Fahrzeugdächer durch zumindest ein Merkmal von dem beanspruchten
Hardtop-Fahrzeugdach. Insbesondere ist bei keinem der bekannten Fahrzeugdä-
cher ein beweglicher Grundrahmen im Sinne des Streitpatents vorgesehen, zu
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dem jedes der Dachteile über jeweils eine Dachteilkinematik relativ verstellbar ist.
Das beanspruchte Hardtop-Fahrzeugdach ist daher neu.
4. Das mehrteilige Hardtop-Fahrzeugdach nach dem geltenden Patentanspruch 1
des Hauptantrags ergibt sich für einen Fachmann auch nicht in naheliegender
Weise aus dem Stand der Technik.
Eine Zusammenschau der bekannten Fahrzeugdächer liefert keine über die Ein-
zelbetrachtung hinausgehende Erkenntnisse. Die Konstruktionen nach der
DE 42 03 229 C2 oder der DE 44 35
222
C1 einerseits und die nach den
US 2,704,225,
DE 199 62 070 A1,
DE 43 16 485 A1,
DE 199 34 673 C1,
DE 101 08 493 A1 und DE 196 42 152 A1 andererseits sind nicht kompatibel. Sie
veranlassen den Fachmann allenfalls, das eine Konstruktionsprinzip mit in Füh-
rungsschienen geführten Deckeln durch ein anderes mit an einem Hebelgetriebe
gehaltenen Deckeln zu ersetzen oder umgekehrt vorzugehen. Die Anregung, ei-
nen beweglichen gemeinsamen Grundrahmen für die starren Dachteile des Da-
ches als Dachbauteil vorzusehen und für jedes der Dachteile oder für (zwei) be-
nachbarte Dachteile jeweils eine Dachteilkinematik vorzusehen, können sie jedoch
nicht bieten. Zwar kennt der Fachmann Fahrzeugdächer, bei denen jeweils ein ge-
trennter Antriebsmechanismus für jedes Dachteil vorgesehen ist (vgl.
DE 196 35 536 C1 a. a. O.). Dort sind die Dachteile an der Karosserie gehalten,
die einem Rahmen entspricht. Ein bewegter Grundrahmen im Sinne des Streitpa-
tents, der die getrennten Antriebsmechanismen für die Dachteile halten könnte, ist
im Stand der Technik jedoch nicht vorgesehen. Zudem bleibt offen, wie die an der
Karosserie getrennt vorgesehenen Antriebsmechanismen in eine der beiden ande-
ren grundlegenden Konstruktionen eingebracht werden könnten. Zu der bean-
spruchten Lösung führt der Stand der Technik demnach nicht.
Die Hardtop-Fahrzeugdach nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist demnach
patentfähig, und mit ihm sind es auch die Gegenstände der weiteren Patentan-
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sprüche 2 bis 9, die sämtlich auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar be-
zogen sind. Bei dieser Sachlage erübrigen sich Erörterungen zum Hilfsantrag.
Bülskämper Friehe
Reinhardt
Dr.
Höchst
Ko