Urteil des BPatG vom 27.06.2001

BPatG: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, gesamteindruck, bestandteil, bildmarke, form, einheit, inhaber, zusammensetzung

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 114/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 396 15 093
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 27. Juni 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel,
der Richterin Martens und des Richters Kunze
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 12. Dezember 1996 für eine Vielzahl von Waren, ua für
"Mützen, T-Shirts"
eingetragene Wort/Bildmarke
siehe Abb. 1 am Ende
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ist Widerspruch - beschränkt auf die Waren "Mützen" und "T-Shirts" - aus der prio-
ritätsälteren Wort- Bildmarke 2 005 451
siehe Abb. 2 am Ende
erhoben worden, die ua für die Waren
"Ober- und Unterbekleidungsstücke für Damen, Herren und Kin-
der, ..., Kopfbedeckungen,..."
geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch schon mangels Markenähnlichkeit zurückgewiesen, da es unzulässig
sei, aus der angegriffenen Marke den Wortbestandteil "Eagle" isoliert kollisionsbe-
gründend herauszugreifen, da dieser das angegriffene Zeichen, dessen Beson-
derheit gerade in der Wortkombination liege, nicht allein präge.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht,
das angegriffene Zeichen werde allein durch den Wortbestandteil "Eagle" geprägt,
da im Hinblick auf die Waren der Klasse 25 der weitere Wortbestandteil "street"
glatt beschreibend als Hinweis auf "Straßenbekleidung" wirke. Im Übrigen komme
ihrer Marke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu, was kollisionsfördernd wirke.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene
Marke im Umfang des Widerspruchs zu löschen.
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Die Markeninhaberin beantragt demgegenüber,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß für zutreffend.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Auch nach
Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Wider-
spruchsmarke keine Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken
auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein
geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähn-
lichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000,
506, 508 - ATTACHE/TISSERAND).
Was die beiderseitigen Waren betrifft, ist von Identität auszugehen. Der Wider-
spruch richtet sich gegen "Mützen", die unter die von der Widerspruchsmarke
umfaßten Ware "Kopfbedeckungen" fällt, und "T-Shirts", die "Oberbeklei-
dungsstücke" darstellen.
Der Widerspruchsmarke kommt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
Die Behauptung der Widersprechenden, zur erhöhten Kennzeichnungskraft ihrer
Marke wird durch keinen hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag gestützt.
"Eagle" ist im übrigen auch kein Bestandteil der Firmenbezeichnung der Wider-
sprechenden.
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Allerdings ist zugunsten der Widersprechenden durchaus einzuräumen, daß vor
dem Hintergrund identischer Waren und normaler Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke an den von der schutzbegehrenden Marke einzuhaltenden Ab-
stand deutliche Anforderungen zu stellen sind, zumal es sich bei den Waren um
Artikel des täglichen Bedarfs handelt, die vom Verkehr erfahrungsgemäß mit einer
gewissen Flüchtigkeit gerade gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden.
Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke im Ergebnis aber noch ge-
recht. Die Vergleichsmarken weisen im Gesamteindruck deutliche Unterschiede
auf, da die angegriffene Marke den Zusatz "street" aufweist. Eine Verwechslungs-
gefahr kann somit nur über das beiden Zeichen identische Wort "Eagle" in Be-
tracht kommen. Dem steht allerdings zunächst der für das Kennzeichnungsrecht
maßgebliche Grundsatz entgegen, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen
Verletzungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens
abzustellen ist. Denn der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen heraus-
gelösten Elementes ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre,
ohne weiteres eine Kollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen
isoliert entnommenen Elementes feststellen zu wollen.
Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck
nach" ausnahmsweise bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil über-
einstimmen, dann gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten
Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem
Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (BGH
MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH).
Diese Voraussetzungen liegen bei der schutzbegehrenden Marke aber nicht vor.
Die Vergleichszeichen sind in ihrer jeweils registrierten Form - ungeachtet der ver-
schiedenen graphischen Ausgestaltungen - nicht ähnlich, da sich der Bestandteil
"Street" der jüngeren Marke in der Widerspruchsmarke nicht wiederfindet. Die
mehrgliedrige angegriffene Marke wird auch nicht durch den Wortbestandteil
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"Eagle" allein geprägt. Bei dem weiteren Wortbestandteil "Street" handelt es sich
zwar um ein bekanntes englischsprachiges Wort. Das bedeutet allerdings nicht,
daß dieser Wortbestandteil völlig in den Hintergrund träte. Ob es ihm, wie die
Widersprechende meint, an Kennzeichnungskraft mangelt, kann dahinstehen.
Denn im Ergebnis kommt es nicht ausschließlich auf die Kennzeichnungskraft der
einzelnen Bestandteile einer Mehrwortmarke an. Vielmehr fällt der Bedeutung und
Funktion der einzelnen Teile in der Gesamtkombination eine ebenso bedeutsame
Rolle zu. Dies gilt insbesondere für Zeichen, welche ihre Einprägsamkeit und
individualisierung gerade erst durch sämtliche Bestandteile erfahren. In solchen
Fällen wird der Verkehr die Marke so verstehen, wie sie ihm gegenübertritt. Dies
ist vorliegend bei der angegriffenen Marke der Fall. Gerade die Wortkombination
von "Street" und "Eagle" macht das Besondere und Einprägsame der Marke aus,
worauf die Markenstelle bereits zurecht hingewiesen hat. Es besteht kein Anlaß
für die Annahme, daß der Verkehr das Wort "Street" in der angegriffenen Marke
vernachlässigen wird. Für die Wahrnehmung der Marke als Einheit spricht zudem
auch deren Kürze. Gerade bei kurzen Bezeichnungen, selbst wenn sie aus mehr
als einem Wort gebildet werden, besteht für den Verkehr keine Veranlassung zu
einer Verkürzung, weil die Marke sich gerade wegen ihrer Kürze und
möglicherweise prägnanten Zusammensetzung ohne weiteres als ganzes
einprägt.
Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr sind somit letztlich allein die unter-
schiedlich gebildeten Kennzeichnungen "Street Eagle" und "Eagle" einander ge-
genüberzustellen. Von daher ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ersicht-
lich auszuschließen.
Es besteht aber auch keine Gefahr, daß die Marken etwa gedanklich miteinander
in Verbindung gebracht werden. Das Vorhandensein eines übereinstimmenden
Elements in beiden Marken allein reicht noch nicht zur Annahme einer
assoziativen Verwechslungsgefahr aus. Vielmehr muß dem übereinstimmenden
Bestandteil Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommen, was
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insbesondere dann der Fall sein kann, wenn der Verkehr etwa aufgrund ähnlich
gebildeter Serienmarken bereits an den Stammbestandteil gewöhnt oder dieser
firmenmäßig in Erscheinung getreten ist. Dazu hat die Widersprechende indes
nichts vorgetragen.
Damit hatte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg.
Anlaß zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand indes nicht (§ 71
Abs 1 MarkenG).
Stoppel Martens Kunze
prö
Abb. 1
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Abb. 2