Urteil des BPatG vom 08.06.2005

BPatG: unterscheidungskraft, verkehr, schokolade, fremdsprache, freihaltebedürfnis, mitbewerber, patent, geschäft, wortmarke, verbraucher

BPatG 154
6.70
Bundespatentgericht
32 W (pat) 97/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Juni 2005
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 2026632
(hier: Löschungsverfahren S 280/01)
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2005 durch Richter Viereck als Vorsitzenden,
Richter Dr. Albrecht und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die für
Kakao und Kakaopulver, insbesondere Instantpulver, kakaohaltige
Getränkepulver; Schokolade und Schokoladewaren, insbesondere
Schokoladetafeln, auch in Form portionierter Einzelstücke; Prali-
nen, auch mit flüssiger Füllung, insbesondere aus Weinen und
Spirituosen, und Riegel, insbesondere gefüllte Riegel, auch mit
Karamell und/oder Nüssen und/oder Nusssplittern; Back- und
Konditorwaren; Dauerbackwaren, auch solche mit Überzügen aus
Fettglasuren oder Schokolade und Nuss- oder Mandelsplittern;
Zuckerwaren, insbesondere Kaubonbons; geformte Schokolade
und Zuckerwaren, insbesondere Figuren und Figurensortimente
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seit dem 15. Dezember 1992 eingetragene Wortmarke
Pralinerie
ist Löschungsantrag wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse gestellt
worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, "Pralinerie" werde vom deutschen
Verkehr ohne weiteres als rein beschreibende Etablissementbezeichnung für ein
Geschäft verstanden, in dem vorwiegend Pralinen angeboten bzw. vertrieben
werden. Der Bezeichnung fehle daher die erforderliche Unterscheidungskraft. Au-
ßerdem habe zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits ein hochgradiges Freihaltebe-
dürfnis bestanden, das auch heute noch gegeben sei.
Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag widersprochen. Bei "Pralinerie"
handele es sich um eine in Deutschland nicht bekannte Phantasiebezeichnung,
die unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Lö-
schungsantrag mit Beschluss vom 9. Januar 2003 zurückgewiesen. Ein Freihalte-
bedürfnis der inländischen Mitbewerber an der Bezeichnung "Pralinerie" als Sorti-
mentsbezeichnung könne nach der House of Blues-Entscheidung des BGH
(GRUR 1999, 988) nicht mehr bejaht werden. Das Wort "Pralinerie" sei weder in
einem Lexikon der deutschen oder französischen Sprache aufgeführt noch in ei-
nem sonstigen Nachschlagewerk enthalten. Die angegriffene Marke habe sowohl
im Eintragungszeitpunkt als auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Markenab-
teilung die erforderliche Unterscheidungskraft aufgewiesen. "Pralinerie" sei nicht
geeignet, die Waren der angegriffenen Marke unmittelbar zu beschreiben. Für die
Unterscheidungskraft spreche auch die in den Verwendungsbeispielen festge-
stellte Mehrdeutigkeit. Dass "Pralinerie" kein gebräuchliches Wort der deutschen
Sprache oder einer bekannten Fremdsprache sei, ergebe sich auch daraus, dass
dieses Wort in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom
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24./25./26. Dezember 2004 in einem Artikel mit der Überschrift "Ein Kunststück
aus Zucker gekocht" nicht erwähnt werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Löschungsantragstel-
lerin. "Pralinerie" sei nicht nur als Name eines Etablissements schutzunfähig, son-
dern auch als Sortimentsbezeichnung. Als Sortimentsbezeichnung habe "Praline-
rie" im Hinblick auf die beanspruchten Waren einen unmittelbar beschreibenden
Charakter, und es bestehe insoweit ein Freihaltebedürfnis. Als übliche Etablisse-
mentbezeichnung und üblich gebildete Sortimentsbezeichnung fehle "Pralinerie"
auch die erforderliche Unterscheidungskraft. Aus "Pralinerie" lasse sich der Hin-
weis entnehmen, dass es sich hier – neben einer Sortimentsbezeichnung – auch
um den Namen einer Verkaufsstätte handeln könne, die sich auf die Herstellung
und/oder den Vertrieb von Pralinenspezialitäten festgelegt habe. Dass "Pralinerie"
in Wörterbüchern als Gattungs- und/oder Sortimentsbezeichnung noch nicht auf-
genommen worden sei, spiele keine Rolle. Die Hinzufügung von "erie" an Pro-
duktbezeichnungen sei in Deutschland sprachüblich, wie sich aus Fundstellen wie
z.B. "Brasserie, Biscuiterie, Confiserie, Chokolaterie, Porzellanerie, Nougaterie,
Knabberie" ergebe.
Die Löschungsantragstellerin beantragt,
den Beschluss vom 9. Januar 2003 aufzuheben und die Löschung
der Marke 2026632 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf nach ihrer Auffassung vergleichbare Eintragungen durch das
Deutsche Patent- und Markenamt, wie z.B. Marzipanerie, oder Panerie. Es lägen
keine Nachweise vor, dass "Pralinerie" von dem deutschen Verbraucher als Eta-
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blissementbezeichnung verwendet oder angesehen werde. Bei diesem Wort han-
dele es sich weder um eine Etablissement- noch um eine Sortimentsbezeichnung.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schrift-
sätze der Beteiligten, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache keinen
Erfolg. Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag gelöscht, wenn sie entgegen
§ 8 MarkenG eingetragen wurde und das Schutzhindernis noch im Zeitpunkt der
Eintragung besteht (§ 54, § 50 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Es ist nicht
feststellbar, dass Schutzhindernisse des §
8 Abs.
2 Nr.
1 und 2 MarkenG
bestanden und bestehen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Kann demnach
einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschrei-
bender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich um ein gebräuchli-
ches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom
Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird,
so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterschei-
dungskraft fehlt (BGH BlPMZ 2004, 30 – Cityservice).
Der angegriffenen Marke "Pralinerie" kann das erforderliche Mindestmaß an Un-
terscheidungskraft weder für den Zeitpunkt der Eintragung im Dezember 1992
noch für den Zeitpunkt dieser Entscheidung im Juni 2005 abgesprochen werden.
"Pralinerie" ist weder ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache noch einer
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bekannten Fremdsprache. In deutschsprachigen Lexika ist dieses Wort ebenso
wenig nachweisbar wie in fremdsprachigen Lexika. Insoweit besteht auch ein Un-
terschied zu der vom erkennenden Senat für nicht eintragbar gehaltenen Marke
"Biscuiterie" (= Keksfabrik)
– Beschluss vom 28.
Januar
1998,
Az.: 32 W (pat) 4/97.
Zwar führt das Fehlen einer lexikalischen Nachweisbarkeit noch nicht zwangsläu-
fig zur Bejahung der Unterscheidungskraft (BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch).
Dies betrifft jedoch nur Ausdrücke, deren beschreibender Aussagegehalt so deut-
lich und unmißverständlich ist, dass ihre Funktion als sachbezogene Begriffe im
Vordergrund steht. Bei dem Wort "Pralinerie" ist ein derart im Vordergrund stehen-
der Sinngehalt – anders etwa als bei marktfrisch – nicht feststellbar. In Bezug auf
die neben Pralinen geschützten Waren der angegriffenen Marke läßt sich ein un-
mißverständlicher beschreibender Aussagegehalt nicht feststellen. Für Pralinen ist
der von der Löschungsantragstellerin aufgezeigte Bedeutungsgehalt, nämlich,
dass es sich bei "Pralinerie" um eine Etablissementbezeichnung für ein Geschäft
handele, in dem Pralinen verkauft werden, nur eine denkbare Begriffsbedeutung.
Im Übrigen wird ein Teil der angesprochenen deutschen Verbraucher mit "Praline-
rie" überhaupt keinen Begriffsinhalt verbinden und den Begriff für ein Phantasie-
wort halten. Für diesen Teil des Verkehrs ist der Begriffsinhalt unklar und ver-
schwommen, so dass ein unmißverständlicher beschreibender Aussagegehalt in-
soweit nicht feststellbar ist.
2. Der Löschungsantrag kann auch nicht erfolgreich auf ein Schutzhindernis ge-
mäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift sind sol-
che Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen,
oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffen-
heit oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Unter dieses Schutzhin-
dernis fallen nur eindeutige Angaben, die Produktmerkmale bezeichnen. Die Eig-
nung eines Begriffs als Merkmalsbezeichnung ist gegeben, wenn er tatsächlich
beschreibend verwendet wird, wobei dies bei einem Löschungsantrag gemäß § 50
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Abs. 1 und 2 MarkenG sowohl für den Zeitpunkt der Eintragung (hier im Dezember
1992) als auch für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (im
Juni 2005) der Fall sein muß.
Dies kann im vorliegenden Fall für "Pralinerie" jedenfalls für den Zeitpunkt der
Eintragung der angegriffenen Marke im Dezember 1992 nicht mit der gebotenen
Sicherheit festgestellt werden. Eine entsprechende Verwendung durch einen Mit-
bewerber der Markeninhaberin im Jahr 1992 wurde von der Löschungsantragstel-
lerin nicht belegt und konnte auch vom Senat nicht ermittelt werden. Ob der Marke
"Pralinerie" zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das Ein-
tragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann daher als
nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
3. Die Auferlegung von Kosten (§ 70 Abs. 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Weder ist eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofs (§ 83 Abs. 2 MarkenG).
Richter Viereck ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
verhindert.
Dr. Albrecht
Dr. Albrecht
Kruppa
Hu