Urteil des BPatG vom 19.03.2001

BPatG: unterscheidungskraft, form, verkehr, markenregister, werbung, patent, unternehmen, erfahrung, irreführung, markt

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 145/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 84 765.3
hat der 32.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
25. September 2002 durch den Richter Dr. Albrecht als Vorsitzenden, Richter
Sekretaruk und Richterin k.A. Bayer
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen
Patent- und Markenamts – Markenstelle für Klasse 30 - vom
19. März 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister für
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konser-
viertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gal-
lerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Eier, Milch und
Milchprodukte; Speiseöle und –fette, Kaffee, Tee, Kakao,
Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und
Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwa-
ren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz,
Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Bewir-
tung von Gästen
ist die farbige (blau/weiß) Bildmarke
siehe Abb. 1 am Ende
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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft bzw. Täuschungseignung der
Marke zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht
geltend, dass der Bildbestandteil der Marke seit 18. November 1996 unter der
Nr. 396 15 500 in das Markenregister der Bundesrepublik Deutschland eingetra-
gen sei. Die nun beanspruchte Marke unterscheide sich davon lediglich durch den
Schriftzug "Milch"; dies könne an der Schutzfähigkeit der Marke nichts ändern.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet; der Eintragung der angemeldeten Marke
in das Markenregister stehen weder die Schutzhindernisse der fehlenden Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch das eines Freihaltebe-
dürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und auch nicht das Schutzhin-
dernis der Täuschungseignung (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) entgegen.
a) Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende, konkrete Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren
oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unterneh-
men aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es nämlich, die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu
gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von
einem großzügigen Maßstab auszugehen (ständige Rechtsprechung; BGH,
BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE). Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestand-
teilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit der Marke darauf
zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls in einem ihrer Bestandteile, den
geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (BGH BlPMZ 2001,
397 - antiKALK).
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Dem Bildbestandteil der angemeldeten Marke fehlt nicht jegliche Unterschei-
dungskraft. Er besteht aus einem Rechteck, das etwa im oberen Teil blau einge-
färbt, in den unteren drei Vierteln diagonal getrennt blau und weiß gefärbt ist und
in diesem Bereich mittig den Schriftzug "Milch" trägt, der im farblichen Kontrast
zum jeweiligen Hintergrund gestaltet ist.
Abbildungen fehlt jegliche Unterscheidungskraft - neben den Fällen der Warenab-
bildung oder für die Art der Ware typischen oder zur Erreichung einer technischen
Wirkung erforderlichen Merkmalen, die ersichtlich nicht vorliegen - nur dann, wenn
es sich um einfache geometrische Formen, oder einfache graphische Elemente
handelt, die - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung oder
aber auch auf Warenverpackung oder sogar in Geschäftsbriefen üblicherweise in
bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (vgl. BGH BlPMZ
2001, 241 - Jeanshosentasche). Bei der vorliegenden Marke handelt es sich nicht
ausschließlich um eine solche einfache geometrische Form. Die Marke ist zwar als
Rechteck gestaltet. Allerdings beschränkt sie sich darauf nicht, sondern enthält
zusätzliche graphische Elemente. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese
ihrerseits in der Werbung oder auch auf Warenverpackung oder in Geschäftsbrie-
fen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden.
Weder die Markenstelle, noch der Senat konnten in dieser Weise gestaltete Ver-
packungen auf dem Markt feststellen.
b) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung aus-
geschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Ver-
kehr ua zur Bezeichnung der Art, oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der
Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dem Bildbestandteil der Marke kann
keinerlei beschreibender Sinngehalt entnommen werden, so dass auch dieses
Schutzhindernis nicht eingreift.
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c) Die Marke ist - soweit andere Waren und Dienstleistungen als Milch bean-
sprucht werden - auch nicht wegen Täuschungseignung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4
MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Unter dieses Schutzhindernis fallen
Marken, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art oder die
Beschaffenheit der Waren und Dienstleistungen zu täuschen. Voraussetzung der
Täuschungseignung ist die Erweckung eines irreführenden Eindrucks. Dabei ist
nach dem Verbraucherbild des Europäischen Gerichtshofs auf einen durchschnitt-
lich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher
abzustellen. Im Eintragungsverfahren muss die Täuschungseignung ersichtlich
sein (§ 37 Abs. 3 MarkenG); schon die Möglichkeit einer rechtmäßigen Benutzung
schließt im Registerverfahren die Täuschungseignung aus. Ist demgemäß eine
Markenbenutzung ohne Irreführung des Verkehrs möglich, greift deshalb das
absolute Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht (vgl. BGH, GRUR
2002, 540 - Omeprazok). Auch für diejenigen Waren, die nicht Milch sind bzw. ent-
halten können, ist eine nichttäuschende Verwendung ohne weiteres (z.B. in Form
eines kleinen Aufklebers oder Warenanhängers vorstellbar, so dass die Verwen-
dung der Marke nicht in jedem Fall irreführend sein muss.
Dr. Albrecht
Sekretaruk
Bayer
br/Fa
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Abb. 1