Urteil des BPatG vom 08.01.2003

BPatG: beschreibende angabe, bestandteil, verfügung, telekommunikation, begriff, unterscheidungskraft, rom, patent, wörterbuch, vermietung

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 66/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 86 841.3
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 24. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die
Richterin Pagenberg und die Richterin k.A. Fink
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 8. Januar 2003 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
XtraTime
ist am 27. November 2000 für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 9:
Elektrische und elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll-
oder Unterrichtsapparate und –instrumente (soweit in Klasse 9 ent-
halten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und
Wiedergabe von Ton, Bild und/oder Daten; maschinenlesbare Da-
tenaufzeichnungsträger, Chip-Karten; Datenverarbeitungsgeräte
und Computer;
Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroar-
beiten;
Klasse 38:
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Geräten und Ein-
richtungen für die Telekommunikation;
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Klasse 41:
Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42:
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung
von Datenverarbeitungsgeräten und Computern; Projektierung und
Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluss vom 8. Januar 2003 als freihaltebedürftige und nicht un-
terscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Der Verkehr erkenne in dem Be-
standteil „Xtra“ ohne weiteres die werbeübliche Schreibweise des Wortes „extra“.
Aus der Kombination mit dem weiteren Bestandteil „Time“ ergebe sich ein einheit-
licher Gesamtbegriff, der ohne weiteres im Sinne von „Extra Time“ bzw „extra, zu-
sätzliche Zeit“ verständlich sei. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen weise das Zeichen daher ausschließlich darauf hin, dass diese
ua dazu dienten, dem Kunden ein kostenloses Extra-Zeitguthaben zur Verfügung
zu stellen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Bei dem Bestandteil „Xtra“ handele es
sich nicht um eine gebräuchliche Abwandlung des Wortes „extra“. Im Übrigen sei
„extra“ im englischen Sprachgebrauch auch im Sinne von „zusätzlich, speziell“
gebräuchlich. Mangels eindeutigen Sinngehalts sei „XtraTime“ daher weder frei-
haltebedürftig noch fehle dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft.
Dementsprechend gebe es sowohl hinsichtlich des Bestandteils „Xtra“ als auch
hinsichtlich des Bestandteils „Time“ einschlägige Voreintragungen.
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Sie beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angemeldete Marke ist
weder als beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch auf Grund
fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintra-
gung ausgeschlossen.
1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind die Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbeson-
dere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger
Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen oder dienen können. Nach
dieser Vorschrift ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die Benutzung
des angemeldeten Zeichens als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine
solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Denn auch in diesem
Fall ist die Voraussetzung erfüllt, dass die in dem Zeichen enthaltene Aussage als
Sachangabe dienen kann (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE – mwN.).
Nach Auffassung des Senats stellt die angemeldete Marke für die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen keine in diesem Sinne unmittelbar beschreibende
Angabe dar, denn es lässt sich weder feststellen, dass die Bezeichnung „Xtra-
Time“ im beanspruchten Waren- und Dienstleistungsgebiet als Sachangabe ver-
wendet wird, noch finden sich hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass
sie zukünftig als solche benötigt wird.
2. Als offensichtliche Verbindung der beiden Begriffe „Xtra“ und „Time“ ist die an-
gemeldete Marke ohne weiteres im Sinne von „Extrazeit“ verständlich. Die Verbin-
dung der beiden Bestandteile entspricht sowohl den deutschen als auch den eng-
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lischen Sprachregeln. Dass „Time“ das englische Wort für „Zeit“ ist, haben Anmel-
derin und Markenstelle insoweit übereinstimmend ausgeführt. Bei „Xtra“ handelt
es sich um eine werbeübliche Abwandlung des Wortes „extra“. Die Verkürzung der
Vorsilbe „Ex“ auf den Buchstaben „X“ ist ein in der Werbesprache häufig verwen-
detes Gestaltungsmittel (vgl BPatG 24 W (pat) 270/97 - XPERTWARE; 26 W (pat)
46/01 – X-TRA; 27 W (pat) 153/97 – X-tra; 28 W (pat) 159/99 – XTREME; 28 W
(pat) 59/00 – XPERT; 30 W (pat) 3/02 - PlantXpert). In Kombination mit Substanti-
ven kennzeichnet der Begriff „Extra“ eine Sache als etwas Zusätzliches, Besonde-
res, zB Extrablatt, Extraklasse, Extrawurst (vgl Duden, Deutsches Universalwör-
terbuch, 4. Aufl 2001, CD-ROM) und gehört damit zu einem der sehr häufig in der
Allgemeinsprache vorkommenden und in ihr verwurzelten Wortbildungselemente.
3.1. Allerdings hat der Senat nicht feststellen können, dass die Angabe „XtraTime“
bzw der entsprechende deutsche Begriff „Extrazeit“ zur Beschreibung der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Art, Beschaffenheit,
Menge, Bestimmung oder sonstiger Merkmale dienen kann. Für den deutschen
Sprachgebrauch ist „Extrazeit“ zwar nicht lexikalisch belegt, aber ein im Sprach-
schatz vorhandenes umgangssprachliches Wort, das gebräuchlich ist als Aus-
druck für zusätzliche Zeit, die zur Verfügung steht oder benötigt wird. So finden
sich zB Sätze wie „Bis zu zwei Stunden Extrazeit ... koste die Felsenstrecke die
Schiffer“; „Er murkst euch ab, wenn ihr versucht Extrazeit rauszuschinden“; „Sie ...
nutzen die Extrazeit für ein aufgelockertes Verteilen des Unterrichts...“ (vgl Süd-
deutschen Zeitung 2001 (CD-ROM)). Da es sich um ein englischsprachiges Wort
handelt, ist darüber hinaus noch die für den englischen Sprachgebrauch belegte
Bedeutung zu berücksichtigen, wonach „extra time“ im Bereich des Sports „Spiel-
verlängerung“ bedeutet (vgl zB Pons, Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 1. Aufl
2002).
3.2. Aus diesen Verwendungen ergibt sich aber für die von der Anmeldung er-
fassten Waren und Dienstleistungen kein eindeutiger Aussagegehalt, der aus sich
heraus und ohne erläuternde Zusätze verständlich wäre. Für die in Klasse 9 bean-
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spruchten Waren ist dies offensichtlich, da Zeit weder hergestellt noch in irgendei-
ner Weise gespeichert oder verarbeitet werden kann. Bei den verfahrensgegen-
ständlichen Dienstleistungen kann Zeit zwar als Grundlage der Projektplanung
und Kostenkalkulation bedeutsam sein, weil eine Vielzahl von Dienstleistungen
nach Zeiteinheiten abgerechnet werden. Der Senat hat aber nicht feststellen kön-
nen, dass diese Dienstleistungen üblicherweise mit Angaben zu dem für ihre
Erbringung notwendigen Zeitaufwand im Sinne von Extrazeit bezeichnet werden,
zumal sich derartigen Angaben nichts über die Art, die Bestimmung oder sonstige
Merkmale dieser Dienstleistungen entnehmen lässt.
3.3. Dies gilt auch für die von der Markenstelle angenommene Bedeutung im
Sinne eines „Extra-Zeitguthabens“, weil insoweit der Zusammenhang zwischen
den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und dem Entstehen eines Zeit-
guthabens unklar bleibt. Ein Verständnis der angemeldeten Marke dahingehend,
dass mittels der Geräte, Apparate und Datenträger sowie der zugehörigen
Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie
Extrazeit in Form eines Gesprächsguthabens zur Verfügung gestellt wird, erfordert
nach Auffassung des Senats mehrere gedankliche Zwischenschritte. Denn ein
Zeitguthaben entsteht nicht durch Waren und Dienstleistungen unmittelbar, son-
dern wird auf Grund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen gewährt. Die
insoweit notwendigen zusätzlichen Informationen, ob beispielsweise das Zeitgut-
haben an eine bestimmte Vertragslaufzeit geknüpft ist oder als Bonus für Viel-
telefonierer gewährt wird, sind dem Begriff „XtraTime“ aber nicht zu entnehmen,
der daher auch für eine zukünftige Verwendung als Sachangabe ungeeignet er-
scheint.
3.4. Auch unter Berücksichtigung sonstiger mit dem Bestandteil „Time“ gebildeter
Wortverbindungen wie zB „Disco-Time, Swing-Time, Prime-Time“ ergibt sich
nichts anderes. In diesen Begriffen bezeichnet der Bestandteil „Time“ einen Zeit-
punkt, zu dem das im ersten Bestandteil Genannte stattfindet, veranstaltet oder zB
im Fernsehen zu sehen ist (vgl Carstensen/Busse, Wörterbuch der Anglizismen,
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2001, Band 3, S 1530). Da es sich aber bei „Extra“ um kein derartiges inhaltsbe-
schreibendes Wort handelt, ist es auch nicht in der Lage den Bestandteil „Time“ in
dieser Hinsicht inhaltlich zu präzisieren. Eine Versagung als beschreibende An-
gabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG scheidet daher aus.
4. Als eine Wortverbindung, die aus den dargelegten Gründen für die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen weder eine eindeutige im Vordergrund
stehende sachlich beschreibende noch eine allgemeine Werbeaussage enthält,
fehlt der Bezeichnung „XtraTime“ auch nicht jegliche Unterscheidungskraft.
Grabrucker Pagenberg
Fink
Cl