Urteil des BPatG vom 14.01.2009

BPatG (marke, eugh, beschreibende angabe, bundesrepublik deutschland, eintragung, beschwerde, begriff, unterscheidungskraft, publikum, verkehr)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 50/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die IR-Marke 850 434
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 14. Januar 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel,
der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Für die als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 12
"Land vehicles and their parts included in this class, internal
combustion engines for land vehicles."
international registrierte Marke
LANGTOUR
hat die Markeninhaberin Schutz in der Bundesrepublik Deutschland beantragt.
Dieser Antrag wurde von der Markenstelle für Klasse 12 IR des Deutschen Patent-
und Markenamts zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Begriff
„LANGTOUR“ werde auf dem verfahrensgegenständlichen Produktsektor bereits
verwendet und sei darüber hinaus für das angesprochene Publikum als
sprachüblich gebildeter Sachhinweis auf lange Touren unmittelbar verständlich.
Mit diesem Aussagegehalt könne sie als merkmalsbeschreibende Bestim-
mungsangabe für die beanspruchten Waren dienen und sei deshalb nach § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Ihr fehle aufgrund
ihres beschreibenden Bedeutungsgehalts zudem jegliche Unterscheidungskraft
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zu diesen Feststellungen wurden der Mar-
keninhaberin von der Markenstelle verschiedene Internetbelege übermittelt.
Gegen die Zurückweisung hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt. Bei der
Bezeichnung „LANGTOUR“ handle es sich in Bezug zu den beanspruchten Waren
um keine beschreibende Angabe, sondern um eine sprachunüblich gebildete und
mehrdeutige Wortneuschöpfung. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die beiden
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Markenbestandteile für sich genommen mehrdeutig seien. So stelle etwa das
Markenelement „LANG“ einen typischen deutschen Nachnamen dar. Die Mar-
kenstelle habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass Gegenstand der Schutz-
fähigkeitsprüfung immer die Marke in ihrer Gesamtheit sei, so dass sich eine
zergliedernde Betrachtungsweise verbiete. Zudem müsse sich ein möglicherweise
beschreibender Bedeutungsgehalt für das Publikum sofort und unmittelbar
ergeben und dürfe nicht erst über eine längere Gedankenkette konstruiert werden.
Die Recherchebelege der Markenstelle ließen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür
erkennen, dass z. B. Fahrräder oder Pkw´s mit dem Begriff „LANGTOUR“
umschrieben würden. Der Marke könnten deshalb keine absoluten Schutz-
hindernisse entgegengehalten werden, was sich im Übrigen bereits aus der
Voreintragung der Wortmarke „TOUR“ für die hier einschlägigen Waren ergebe.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Markeninhaberin ihren Antrag auf
Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und beantragt,
über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der beantragten Schutzer-
streckung der Marke stehen die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2
MarkenG entgegen.
Zentrales Anliegen des Markenrechts ist es, einen freien Waren- und Dienst-
leistungsverkehr zu gewährleisten, wie dies im 1. Erwägungsgrund der Euro-
päischen Markenrichtlinie (MarkenRichtl.) ausdrücklich hervorgehoben wird. Da-
bei ist zu berücksichtigen, dass Markeneintragungen einerseits ein essentielles
Instrument zur Förderung eines lauteren Wettbewerbs darstellen, gleichzeitig aber
auch als nicht unerhebliche Einschränkung des freien Wettbewerbs zu werten
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sind (vgl. hierzu Hacker, Markenrecht, 2007, Rdn. 21-23, m. w. N.). Aus diesem
Grund hat die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt die Unverzichtbarkeit
einer strengen und umfassenden Prüfung der absoluten Schutzhindernisse her-
vorgehoben, um den wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen ungerechtfer-
tigter Rechtsmonopole entgegenzuwirken (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1030,
Rdn. 45 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2004, 674, 680
Rdn. 123-125 - Postkantoor; EuGH GRUR 2003, 604, 607, Rdn. 52 ff. - Libertel).
Dementsprechend basieren die auf der MarkenRichtl. beruhenden absoluten
Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG auf einer Abwägung der schüt-
zenswerten Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschtem Wettbewerb
sowie der berechtigten Individualinteressen der Markeninhaberin an der Er-
langung von Markenschutz. In der markenrechtlichen Prüfung sind die absoluten
Schutzhindernisse deshalb stets unter Berücksichtigung des ihnen jeweils zu-
grunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen (EuGH GRUR 2004, 943
Rdn. 26 – SAT.2).
Der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG soll die Entstehung von
markenrechtlichen Monopolen an beschreibenden Zeichen oder Angaben ver-
hindern und damit dem Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit solcher
Bezeichnungen Rechnung tragen. Nach dieser Norm sind solche Marken von der
Eintragung ausgeschlossen, die dazu dienen können, im Verkehr relevante
Produktmerkmale zu beschreiben (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 –
BIOMILD; BGH GRUR 2000, 211, 212 - FÜNFER). Dies gilt sowohl für Begriffe,
die bereits lexikalisch belegbar sind, wie auch für Wortneubildungen, mit einem
derart unzweideutigen Aussagegehalt, dass sie zur Produktbeschreibung dienen
können (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 260).
Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist zwar immer die angemeldete Marke
in ihrer Gesamtheit, wie dies die Markeninhaberin zutreffend vorgetragen hat.
Trotzdem ist es keineswegs ausgeschlossen, zunächst die Bedeutungsgehalte der
einzelnen Wortbestandteile einer Kombinationsmarke zu bestimmen, um deren
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semantischen Gehalt ermitteln zu können (vgl. hierzu EuGH, MarkenR 2007, 204,
Rdn. 78-80 - Celltech; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID). In
einem weiteren Schritt bleibt dann aber stets zu prüfen, ob zwischen der
Wortverbindung in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer beschreibenden
Bestandteile ein merklicher Unterschied besteht, beispielsweise aufgrund
vorhandener syntaktischer oder semantischer Besonderheiten (vgl. EuGH GRUR
2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT.2; sowie Ströbele, a. a. O., § 8 Rdn. 261 m. w. N.).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die verfahrensgegenständliche Marke ist in völlig sprachregelgemäßer Weise aus
zwei gebräuchlichen Wortelementen zusammengesetzt, die in ihrer konkreten
Kombination für das angesprochene Publikum im Zusammenhang mit den be-
anspruchten Waren ohne jede weitere Überlegungen den Bedeutungsgehalt
„lange Fahrten, Ausflüge bzw. Exkursionen“ ergibt (vgl. hierzu auch Duden -
Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM] - Stichwort
„lang“; sowie Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM] -
Stichwort „Tour“). Mit diesem Bedeutungsgehalt kann die Marke darauf hinweisen,
dass die beanspruchten Waren für solche „langen Fahrten, Ausflüge bzw.
Exkursionen“ bestimmt bzw. hierfür besonders geeignet sind. Insoweit ist es auch
nicht entscheidend, dass die Marke dem angesprochenen Verkehr letztlich keine
abschließenden Informationen darüber vermittelt, aus welchen konkreten Ei-
genschaften sich diese Eignung ergibt. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG erfasst nicht nur solche Angaben, die umfassende und abschließende
Produktinformationen beinhalten. Maßgeblich ist lediglich, ob eine Angabe ge-
eignet ist, zur Beschreibung eines wesentlichen Produktmerkmals dienen zu
können. Dies ist hier der Fall, da es sich bei dem dargestellten Hinweis auf den
Bestimmungszweck der Waren um eine wesentliche Information für die Ver-
braucher handelt. Auch die schlagwortartige Formulierung der Aussage steht der
eindeutigen Sachinformation in keiner Weise entgegen, zumal gerade bei
Oberbegriffen oder Sammelbezeichnungen eine allgemeine, schlagwortartige For-
mulierung häufig unvermeidbar ist, um einen möglichst weiten Bereich waren-
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oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können
(vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 8 Rdn. 197).
Derartige merkmalsbeschreibende Begriffe sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
grundsätzlich vom Schutz ausgeschlossen, völlig unabhängig von ihrer aktuellen
Gebräuchlichkeit (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; sowie noch-
mals Ströbele, a. a. O., Rdn. 260 m. w. N.). Kann eine Bezeichnung jedoch im
Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als aktuell verwendete Sach-
angabe ermittelt werden, spricht dies eindeutig für ein schutzwürdiges Interesse
der Wettbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit. Die Markenstelle hat der
Markeninhaberin im Laufe des patentamtlichen Prüfungsverfahrens zahlreiche
Recherchenachweise übermittelt, mit denen die Gebräuchlichkeit des Begriffs
„Langtour“ in der deutschen (Umgangs-)Sprache dokumentiert wurde. Ausweislich
dieser Belege wird der fragliche Begriff etwa bereits in Zusammenhängen wie
Radfahren, Autotouring, Busfahrten, Wandern oder Rudern als Sachhinweis
verwendet. Für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. v. § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG ist es auch nicht entscheidend, ob den Mitbewerbern ggf. noch
andere, möglicherweise sogar präzisere Angaben als das angemeldete Mar-
kenwort zur Beschreibung der fraglichen Produktmerkmale zur Verfügung stehen
(vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdn. 57 - Postkantoor).
Eine differenzierte Auseinandersetzung der Markeninhaberin mit den Recher-
chebelegen der Markenstelle ist nicht erfolgt. Soweit sie in ihrer Beschwer-
debegründung geltend gemacht hat, den Internetauszügen ließen sich keinerlei
Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass z. B. Fahrräder oder Pkw mit dem Begriff
„LANGTOUR“ beschrieben würden, geht dies an der Sache vorbei. Aus den
Belegen ergibt sich vielmehr gerade zweifelsfrei, dass der Begriff in den fraglichen
Zusammenhängen bereits beschreibend verwendet wird. So werden auf dem der
Markeninhaberin übermittelten Internetauszug „4x4 Adventures“ unterschiedliche
Pkw-Konditionen für die „Kurztour“ sowie die „Langtour“ beworben. Eine ebenfalls
übermittelte Buchbesprechung zum Thema „Radwandern“ beschreibt zudem eine
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„Langtour“ für Fahrradfahrer. Bereits diese beiden Belege veranschaulichen
unzweideutig, dass die Bezeichnung „LANGTOUR“ für die hier beanspruchten
Waren geeignet ist, darauf hinzuweisen, dass diese für „lange Fahrten, Ausflüge
bzw. Exkursionen“ bestimmt sind. Der Marke steht somit bereits ein berechtigtes
Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an ihrer freien Ver-
wendbarkeit entgegen. Soweit die Markeninhaberin eine schutzbegründende
Mehrdeutigkeit der Marke geltend macht, mag diese zwar abstrakt betrachtet
bestehen, im Zusammenhang mit den angeführten Feststellungen der Mar-
kenstelle und des Senats ist sie in markenrechtlicher Hinsicht jedoch irrelevant. Im
Übrigen wird auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen (vgl. etwa
EuGH, GRUR 2004, 146, Rdn. 32 - Doublemint), nach der ein Wortzeichen bereits
dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner
möglichen Bedeutungen ein wesentliches Merkmal der fraglichen Waren oder
Dienstleistungen bezeichnet, was hier der Fall ist.
Der international registrierten Marke fehlt zudem die erforderliche marken-
rechtliche Unterscheidungskraft, da ihr die angesprochenen Verkehrskreise auf-
grund ihres beschreibenden Aussagegehalts keine betriebskennzeichnende
Hinweiswirkung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuordnen werden. Vielmehr wird
der Verkehr in der Marke lediglich eine produktbeschreibende Bestimmungs-
angabe sehen, zumal die Sachbezeichnung „LANGTOUR“ bereits in diesem Sinne
auch auf dem hier einschlägigen Warensektor anzutreffen ist. Die Herkunfts-
funktion einer Marke muss jedoch aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher
stets im Vordergrund stehen, während weitere mögliche Funktionen - wie etwa
eine produktbeschreibende Funktion - daneben nur von untergeordneter Bedeu-
tung sein dürfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 35 - DAS PRINZIP
DER BEQUEMLICHKEIT). Ergeben die Feststellungen zur markenrechtlichen
Unterscheidungskraft keinen eindeutigen Nachweis dafür, dass die Marke die
Herkunftsfunktion erfüllen kann bzw. dass diese Herkunftsfunktion hier im Vor-
dergrund steht, widerspricht die beantragte Eintragung ins Register dem im
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Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigenden Interesse, die
Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren.
Soweit die Beschwerdeführerin dem sinngemäß entgegenhält, die Marke könne
schon deshalb nicht die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden,
weil sie weder die fraglichen Waren noch konkrete Produkteigenschaften direkt
benenne, ist dem nicht zu folgen. Denn nach der höchstrichterlichen Recht-
sprechung ist es für eine Zurückweisung beschreibender Angaben keineswegs
erforderlich, dass ein Zeichen aus Begriffen besteht, mit denen die fraglichen
Waren bzw. Dienstleistungen direkt bezeichnet oder Merkmale beschrieben
werden, die ihnen unmittelbar anhaften (vgl. EuGH GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 -
MAP & GUIDE). Vielmehr sind auch beschreibende Angaben zum Bestim-
mungszweck, zur geografischen Herkunft oder zu sonstigen wesentlichen Merk-
malen der beanspruchten Produkte oder Dienstleistungen von der Eintragung
ausgeschlossen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die von der Markeninhaberin in ihrer Beschwerdebegründung angeführte Vor-
eintragung der Wortmarke „Tour“ begründet kein anderes Ergebnis. Zum einen
können die konkreten Umstände, die zu dieser Eintragung geführt haben, nicht
mehr ermittelt werden. Darüber hinaus ist diese Eintragung durchaus geeignet,
ganz allgemein die Notwendigkeit einer ausschließlich am konkreten Einzelfall
orientierten Entscheidung zu verdeutlichen. Unabhängig davon bleibt darauf hin-
zuweisen, dass es für die vorliegende Beschwerde grundsätzlich nicht darauf
ankommt, ob und ggf. wie oft möglicherweise vergleichbare – möglicherweise aber
auch löschungsreife - Marken bereits eingetragen wurden. Dieser Grundsatz ist
durch verschiedene Entscheidungen des EuGH zum Gemeinschaftsmarkenrecht
sowie durch die Rechtsprechung des BGH immer wieder bestätigt worden (vgl.
etwa EuGH GRUR 2006, 229, 231, Rdn. 46-49 - BioID; BGH WRP 2008, 1428,
Rdn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis, jeweils m. w. N.). Im Übrigen wird sowohl von
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der europäischen Markenrichtlinie als auch vom Markengesetz anerkannt, dass
schutzunfähige Marken durch Fehlentscheidungen ins Register gelangen können,
weshalb beide ein eigenständiges Verfahren für die Löschung solcher Marken
vorsehen.
Stoppel
Martens
Schell
Me