Urteil des BPatG vom 27.11.2006

BPatG (marke, bestandteil, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, information, gesamteindruck, verwendung, beschwerde, klasse)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 220/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. November 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 399 33 591
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 11. Juni 1999 angemeldete Wortmarke
PCS-info!
wurde am 18. Juli 2000 unter der Nummer 399 33 591 in das Markenregister ein-
getragen und ist - nach Teillöschung im Widerspruchsverfahren - noch für die
Waren
„Hard- und Software, Hard- und Softwareprodukte, soweit in Klas-
se 9 enthalten“
geschützt.
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Die Inhaberin der prioritätsälteren am 27. März 2000 u. a. für die Waren
„Elektrische, elektronische Meß-, Signal- und Kontrollapparate und
-instrumente für betriebliche und industrielle Datenerfassung, ins-
besondere Geräte zur Betriebsdaten-, Maschinendaten-, Zutritts-
kontrolle- und Zeiterfassung, im wesentlichen bestehend aus Ter-
minals, Meßwertaufnehmern, Ein- und Ausgabestationen; Com-
puterhardware sowie Peripheriegeräte dafür; Computer-Software“
international registrierten Marke 628 149
PCS
hat dagegen Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 17. Dezember 2002 die jüngere Marke wegen Verwechslungsge-
fahr gelöscht. Es lägen identische Waren vor, Teile des Verkehrs würden die
angegriffene Marke allein mit der Buchstabenfolge „PCS“ benennen, so dass
unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. „PCS“ sei kein kennzeichnungs-
schwacher Bestandteil, auf dem EDV-Sektor gebe es eine Vielzahl möglicher Be-
deutungen hierfür. Demgegenüber stehe der Bestandteil „info“ als gängige Kurz-
form für „Information“, und gebe lediglich einen Hinweis auf die Informationsver-
arbeitung. Beide Teile bildeten keinen einheitlichen Gesamtbegriff, so dass „PCS“
der die Marke prägende Bestandteil sei. Zudem bestehe mittelbare Verwechs-
lungsgefahr, da „PCS“ als Firmenschlagwort in Frage komme.
Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und
im Wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarke verfüge über eine geringe
Kennzeichnungskraft. „PCS“ sei wegen der Vielzahl möglicher Bedeutungen auf
dem EDV-Sektor für die vorliegenden Waren und Technologien beschreibend,
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beispielsweise als Abkürzung für „Performance Control System“. Die Kennzeich-
nungskraft werde zudem durch weitere Drittmarken mit dem Bestandteil „PCS“
geschwächt, u. a. als Abkürzung für „Projekt-Controlling-System“. Der Bestandteil
„PCS“ könne daher die Marke nicht prägen; zudem trete der Bestandteil „info!“
nicht zurück, da zum einen von dem Begriff Information nicht auf Informationsver-
arbeitung geschlossen werden könne, zum anderen das Ausrufezeichen nicht zu
vernachlässigen sei. Jedenfalls sei die angegriffene Marke als einheitlicher Ge-
samtbegriff aus zwei beschreibenden Bestandteilen zu sehen. Wegen seiner
Kennzeichnungsschwäche komme „PCS“ daher auch nicht als Stammbestandteil
einer Serienmarke in Betracht.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 17. Dezember 2002 aufzuheben.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarke sei weder von
Haus aus noch durch Drittzeichen in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt.
Selbst bei geminderter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe
klangliche Verwechslungsgefahr. Da der Markenbestandteil „info!“ der jüngeren
Marke sich darin erschöpfe, die Bestimmung der beanspruchten Waren zu
beschreiben, werde die jüngere Marke mit der Widerspruchsmarke identisch er-
innert und benannt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sa-
che keinen Erfolg, da nach Auffassung des Senats die Gefahr von Verwechs-
lungen zwischen den Marken gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Um-
stände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren
der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren
sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei
insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren
Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH
in st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; WRP 2004, 1281 – Mustang;
WRP 2004, 907 – Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 – NEURO-VIBOLEX/NEU-
RO-FIBRAFLEX).
2. Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte
von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen
Schutzumfang der Widerspruchsmarke „PCS“ aus. Das Markenwort ist eine Ab-
kürzung, der allerdings in Bezug auf die von der Widerspruchsmarke beanspruch-
ten Waren keine eindeutig beschreibende Bedeutung zukommt.
Schutzunfähig sind nur Abkürzungen von Art oder Beschaffenheitsangaben, die im
Verkehr als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich sind sowie von
den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheits-
angabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl.
Ströbele/Hacker, MarkenG 8. Aufl. § 8 Rdn. 211).
Wenn auch Abkürzungen als bloßen sprachlichen Hilfsmitteln nicht dieselbe Be-
deutung wie der korrekten vollständigen Wiedergabe des Fachausdrucks zu-
kommt, wird doch bei der Typisierung von Waren und Dienstleistungen häufig eine
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möglichst knappe un griffige Ausdrucksweise bevorzugt. Hierbei ist dann von einer
Eignung zur beschreibenden Verwendung auszugehen, wenn konkrete
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bezeichnung ganz überwiegend in einem
bestimmten Sinne Verwendung findet und gerade in dieser Bedeutung in Bezug
auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund steht und
insoweit einen warenbeschreibenden Sinngehalt aufweist.
Demgegenüber spricht es für die Schutzfähigkeit einer Abkürzung, wenn der be-
treffenden Abkürzung mehrere oder gar eine Vielzahl von Bedeutungen zuge-
ordnet sind, so dass sie wegen ihrer begrifflichen Ungenauigkeit nicht mehr zu
einer konkret beschreibenden Bezeichnung dienen kann (vgl. Ströbele/Hacker
a. a. O. § 8 Rdn. 197). Das ist hier der Fall.
So findet sich die Abkürzung „PCS“ in drei großen und gängigen Abkürzungs-
lexika, P. Wennrich, Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme
der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationstechnik, S. 182
sowie Amkreutz, Abkürzungen der Informationsverarbeitung, S. 458 sowie Oliver
Rosenbaum, Informationstechnologie A-Z, Abkürzungen, S. 688 mit einer Vielzahl
von Bedeutungen.
Die dort angegebenen Bedeutungserklärungen haben unterschiedlichen Sinnge-
halt, wie beispielsweise „Peripheral Computer System, Peripheral Control System,
Personal Computing System, Personal Communications Services, Pointing Con-
trol System, Position Control System, Process Communication System, Process
Computer Systems, Process Controll System, Production Control System, Pro-
duction Control Database, Program Control System, Project Control System“, die
alle im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 9 beschreibend
genannt werden können.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass von diesen unterschiedlichen Be-
deutungserklärungen die Abkürzung „PCS“ hauptsächlich in einer bestimmten Be-
deutung verwendet wird bzw. die von der Inhaberin der angegriffenen Marke her-
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ausgegriffene Bedeutung „Performance Control System“ insoweit im Vordergrund
steht, weshalb sich eine eine schwerpunktmäßige oder einheitliche Verwendung
nicht erkennen lässt. Daher ist nicht ersichtlich, dass es sich bei „PCS“ um eine
Fachabkürzung mit feststehender begrifflicher Bedeutung handelt, so dass mit der
Angabe „PCS“ konkrete Eigenschaften der angemeldeten Waren in hinreichend
klarer und für den angesprochenen Verkehr nachvollziehbarer Weise nicht be-
schrieben werden können.
Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke führt auch die Dritt-
zeichenlage nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke, da
sich auch hier keine schwerpunktmäßige oder einheitliche Verwendung der Ab-
kürzung „PCS“ zweifelsfrei entnehmen lässt.
3. Bei den sich gegenüberstehenden Waren ist hinsichtlich der für die ange-
griffene Marke allein geschützten Computerhardware und Computersoftware von
identischen Waren auszugehen.
4. Unter Berücksichtigung der genannten Umstände hat die angegriffene Marke
einen sehr deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke einzuhalten.
Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist auf den jeweiligen Gesamtein-
druck der Zeichen abzustellen, der bei mehrgliedrigen Marken auch durch einzel-
ne Bestandteile geprägt werden kann. Dabei nimmt der Verkehr eine Marke so
auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise
zu unterziehen (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 782 Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2004,
783, 784 NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
a. Ausgehend von der registrierten Form der zu vergleichenden Marken unter-
scheiden diese sich in ihrem durch ihre Gesamtheit vermittelten Gesamteindruck
in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht indessen klar und unverwech-
selbar. So handelt es sich bei der angegriffenen Marke um eine mehrteilige Marke
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aus zwei durch Bindestrich verbundenen Bestandteilen, bei der Widerspruchs-
marke dagegen um eine einteilige Marke bestehend aus drei Buchstaben.
b. Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der in der Wi-
derspruchsmarke sowie in der angegriffenen Marke identische Bestandteil „PCS“
die angegriffene Marke selbständig kollisionsbegründend prägt, indem er eine
eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist und die übrigen Markenteile für
die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den
Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234
RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 2002, 167, 169 Bit/Bud; GRUR 2003, 880, 881
City Plus; GRUR 2004, 865, 866 Mustang).
Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Bestandteil „PCS“, dem mangels
anderer Gesichtspunkte eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt, für
den Gesamteindruck der angegriffenen Marke eine prägende, selbständig kenn-
zeichnende Bedeutung.
Ihr weiterer Bestandteil „info!“ ist den angesprochenen Verkehrskreisen als Ab-
kürzung für „Information“ bekannt, da „info“ die in der englischen wie auch in der
deutschen Sprache übliche Kurzbezeichnung für „Information“ ist, was in der
Computertechnik jede Form und Ausprägung speicher- und verarbeitbarer Daten
bezeichnet (vgl. BPatG 30 W (pat) 035/96 MAPINFO - PAVIS PROMA Knoll;
BPatG 25 W (pat) 031/03 klickinfo - PAVIS PROMA Kliems). In dem weiteren Be-
standteil „info!“ der angegriffenen Marke sieht der Verkehr daher nur eine Sachan-
gabe dahingehend, dass die angegriffenen Waren - Hard- und Software, Hard-
und Softwareprodukte, soweit in Klasse 9 enthalten - der Information oder der In-
formationsverarbeitung dienen können.
Auch die konkrete grafische Darstellung mit Bindestrich und Ausrufezeichen
ändert nichts an dem Charakter als Sachangabe. Es handelt sich dabei um
übliche Werbemittel, die vom Verkehr nicht als kennzeichnend verstanden werden
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(vgl. BPatG 30
W
(pat)
140/99 „Klick!“ -
PAVIS PROMA Knoll; BPatG
29 W (pat) 044/03 Guter Rat! - PAVIS PROMA Kliems). Der Verkehr wird den Be-
standteil „info!“ daher grundsätzlich wegen seiner starken Kennzeichnungsschwä-
che vernachlässigen, so dass dieser für den Gesamteindruck der angegriffenen
Marke gänzlich in den Hintergrund tritt.
Der prägende Bestandteil „PCS“ der angegriffenen Marke, der am Zeichenanfang
als selbständiger Bestandteil steht und von dem weiteren Bestandteil „info!“ deut-
lich abgesetzt ist, ist mit der Widerspruchsmarke identisch.
Entgegen der Ansicht der Inhaberin der jüngeren Marke steht einer selbständig
kollisionsbegründenden Stellung des Markenteils „PCS“ nicht eine etwaige Zu-
sammengehörigkeit der jüngeren Marke entgegen. Durch die lediglich gramma-
tikalisch-formale Gestaltung der beiden Bestandteile wird nämlich keine Verbin-
dung im Sinngehalt bewirkt, wie es erforderlich wäre (vgl. BPatG GRUR 2005,
772, 773 Public Nation/PUBLIC). Der Bestandteil „PCS“ wirkt wie ein Phantasie-
wort, bei „info!“ handelt es sich um eine Angabe zu Art und Bestimmung. Zudem
wirkt der erste Markenteil durch die Großschreibung vom nachfolgenden Marken-
teil abgesetzt, so dass keine begriffliche Verbindung entsteht (vgl. BGH GRUR
2002, 171, 175 Marlboro-Dach).
Die Widerspruchsmarke ist daher kollisionsbegründend in der angegriffenen Mar-
ke enthalten, so dass mit erheblichen Verwechslungen zu rechnen ist.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
gez.
Unterschriften