Urteil des BPatG vom 29.06.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
8 W (pat) 351/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
29. Juni 2006
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 101 52 379
- 2 -
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent 101 52 379 wird widerrufen.
G r ü n d e
I
Das Patent 101 52 379 mit der Bezeichnung „Extrusionsanlage“ wurde am
27. Oktober 2001 beim Patentamt angemeldet. Mit Beschluss vom 10. Janu-
ar 2003 wurde hierauf das Patent erteilt und am 5. Juni 2003 dessen Erteilung ver-
öffentlicht.
Gegen das Patent hat die Firma
A… GmbH in
B…straße in
C…
am 4. September 2003 Einspruch erhoben.
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Die Einsprechende stützt ihren Einspruch auf folgenden druckschriftlichen Stand
der Technik:
1.
US 4 613 471,
2.
US 4 746 477,
3.
DE 199 58 037 A1 und die
4.
DE 198 03 362 A1.
Ferner macht sie eine offenkundige Vorbenutzung geltend und nennt zum Beweis:
5.
Quotation Nr. 7-76899.03, Parts for Extrusion Foam Sheet,
Coating and Lamination Line 1 X 6 „primary extruder + 2 X 6“
secondary cooling extruder,
6.
Fax an die D… GmbH vom 15.
Sep-
tember 2000,
7.
Auftragsbestätigung Nr. 2-22231.00 vom 23. Oktober 2000,
8. Zeichnung
zu
Anlage
3, Zeichnungs-Nr. 8800-5070,
9.
Ausschnitt aus der Zeichnung 8800-5071E,
10. Fotografien der Anlagen,
11. Rechnung Nr. 4/49417/01 vom 7. Juni 2001.
Zum Beweis, dass die Anlagen im Betrieb der E… stehen, bietet sie Zeu-
genbeweis an.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2006 hat die Einsprechende die An-
sicht vertreten, dass der Patentgegenstand gegenüber der Lehre nach der
US 4 746 477 und der DE 198 03 362 A1 (Spalte 2, Zeilen 34 bis 38) nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Bereits in der US 4 746 477 sei das Aufteilen
des Schmelzestranges in mindestens zwei Schmelzestränge beschrieben, wobei
sich die Materialeigenschaften des Schmelzestroms in den mindestens zwei
Schmelzesträngen unterscheiden. Das Beeinflussen der Schmelze mittels Druck
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und Temperatur, sowie das Festlegen der Vereinigungsstelle der Schmelze-
stränge läge im Rahmen des handwerklichen Könnens des Durchschnittsfach-
mannes.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent 101 52 379 in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin, die an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat,
ist in ihrer Eingabe vom 14. Mai 2004 (eingegangen am 17. Mai 2004) dem schrift-
lichen Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten.
Danach beantragt sie sinngemäß,
den Einspruch als unzulässig zu verwerfen;
hilfsweise, das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhal-
ten.
Im Verfahren vor dem Patentamt sind zum Stand der Technik noch folgende
Druckschriften genannt worden:
1.
DE 198 48 537 A1 und die Veröffentlichung
2. Piechota, H.; Röhr, H.: Integralschaumstoffe, München,
Wien, Carl Hanser Verlag 1975, Seiten 128, 129.
II
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG durch den Beschwer-
desenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
- 5 -
2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zuläs-
sig.
Die Einsprechende hat detailliert dargelegt und beschrieben, wie die angeblich der
Firma F… in G… in H…
angebotenen
Anlagen
ausgesehen haben sollen. Ferner hat sie in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2006 auf
einen druckschriftlichen Stand der Technik hingewiesen und auch hier umfassend
und nachvollziehbar begründet, weshalb dieser Stand der Technik den Patentge-
genstand nahe legen würde.
Der Einspruch ist daher zulässig.
3. Der Einspruch ist auch sachlich gerechtfertigt, weil der Gegenstand des Pa-
tents keine Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG darstellt.
Nach dem erteilten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents eine
Extrusionsanlage zur Erzeugung von Schaumfolien, die aus mindestens einem
Aufschmelzextruder (1) zum Plastifizieren und Homogenisieren des Kunststoff-
materials und zwei Kühlaggregaten (2) zum Abkühlen der Kunststoffschmelze
besteht, wobei die beiden Kühlaggregate (2) in zwei parallel zueinander angeord-
neten Schmelzesträngen angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die bei-
den Kühlaggregate (2) unterschiedlich sind oder über Mittel derart gesteuert oder
geregelt werden können, dass die austretenden Kunststoffschmelzen aus beiden
Aggregaten unterschiedliche Materialeigenschaften aufweisen, wobei die beiden
Kühlaggregate (2) mit Mitteln zur Beeinflussung der Durchlaufgeschwindigkeit und
des Druckes des jeweiligen Schmelzstranges in Verbindung stehen.
Nach dem zum Patentanspruch 1 nebengeordneten Patentanspruch 8 betrifft der
Patentgegenstand ein Verfahren zur Erzeugung einer Schaumfolie, das die
Schritte umfasst:
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a) Plastifizieren und Homogenisieren von Kunststoff in einem
Aufschmelzextruder (1),
b) Aufteilen des Schmelzestranges in mindestens zwei
Schmelzestränge,
c) Abkühlen
der
Schmelzestränge in getrennten Kühlaggrega-
ten,
d)
Zusammenführen der mindestens zwei Schmelzestränge in
einer Vereinigungsstelle, um den vereinigten Schmelze-
strang einem Extrusionswerkzeug zuzuführen,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Schmelzestrom derart beeinflusst wird, dass sich die Material-
eigenschaften, insbesondere Druck und Temperatur, vor der Ver-
einigungsstelle in den mindestens zwei Schmelzesträngen unter-
scheiden.
Dem Patentgegenstand liegt gemäß der Patentschrift Spalte 2, Zeilen 28 bis 32
die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung und ein Verfahren anzubieten, die bzw.
das es ermöglicht, den Schmelzestrom aufzuteilen, zu kühlen und die
Materialeigenschaften zu beeinflussen, um eine mehrschichtige Folie zu erhalten.
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 10 wird auf die Akte
verwiesen.
4. Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.
Der erteilte Patentanspruch 1 entspricht hinsichtlich seiner Merkmale im Wesentli-
chen dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1, wobei folgendes hinzu-
gefügt wurde:
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1.) wobei die beiden Kühlaggregate (2) in zwei parallel zueinan-
der angeordneten Schmelzesträngen angeordnet sind,
2.) wobei die beiden Kühlaggregate (2) mit Mitteln zur Beeinflus-
sung der Durchlaufgeschwindigkeit und des Druckes des je-
weiligen Schmelzestranges in Verbindung stehen.
Das in Ziffer 1.) aufgeführte Merkmal ist in dieser Form der Beschreibung wörtlich
nicht zu entnehmen. Der Beschreibung (Seite 6, erster Absatz, Aufteilen der
Schmelzeströme) und aus der Zeichnung (Fig. 1 bzw. 2) ist jedoch zu entnehmen,
dass das Aufteilen der Schmelzeströme in zwei Ströme bedeuten soll, dass eine
Parallelschaltung der Extruder vorliegt.
Das in Ziffer 2) aufgeführte Merkmal ist auf Seite 4 der eingereichten Beschrei-
bung, fünfte und elfte Zeile von unten, offenbart.
Die erteilten Patentansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglich eingereich-
ten Patentansprüchen 2 bis 10.
5. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare
Verfahren zur Erzeugung einer Schaumfolie hat gegenüber dem im Verfahren be-
findlichen druckschriftlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn keine der
Druckschriften zeigt dessen Merkmale in seiner Gesamtheit.
6. Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 8 beruht jedoch nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Beim erfindungsgemäßen Verfahren wird nach dem Plastifizieren und Homogeni-
sieren eines Kunststoffes in einem Aufschmelzextruder der Schmelzestrang in
mindestens zwei Schmelzestränge aufgeteilt, diese Schmelzestränge abgekühlt
und vor einem Extrusionswerkzeug wieder zusammengeführt. Der Schmelzestrom
- 8 -
wird dabei derart beeinflusst, dass sich die Materialeigenschaften vor der Vereini-
gungsstelle in mindestens zwei Schmelzstränge unterscheiden.
Für diese Maßnahmen vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durch-
schnittsfachmann, einem Diplom-Ingenieur (FH) mit Kenntnissen auf dem Gebiet
der Kunststoff-Technologie, insbesondere auf dem Fachgebiet des Herstellens
von Schaumfolien, ausreichend Anregungen.
In der US 4 746 477 ist ein Verfahren zur Erzeugung einer Schaumfolie beschrie-
ben, bei dem ein Kunststoff in einem Aufschmelzextruder (12 in Fig. 2) plastifiziert
und homogenisiert wird. Danach wird die Kunststoffschmelze in mindestens zwei
Schmelzestränge aufgeteilt (24a, 26a, 28a) und in getrennten Kühlaggregaten
(20a, 20b, 20c) abgekühlt. Nach entsprechender Abkühlung (Spalte 7, Zeile 23,
24) werden die Schmelzestränge wieder zusammengeführt, wobei der Schmelze-
strom derart beeinflusst wird, dass sich die Materialeigenschaften in den min-
destens zwei Schmelzesträngen unterscheiden. Dies ist hier dahingehend der
Fall, dass in den Strang 26a ein „nucleating agent“ eingeführt wird, so dass sich in
der mittleren Schicht eine geschäumte Schicht ausbildet, jedoch die beiden äuße-
ren Schichten (24a, 28a) als ungeschäumte Deckschichten, die dadurch eine an-
dere Materialeigenschaft aufweisen, die mittlere Schicht umgeben (Spalte 8, Zei-
len 55 bis 61, Spalte 9, Zeilen 29 bis 39).
Beim Verfahren nach der US 4 746 477 erfolgt im Gegensatz zum Patentgegen-
stand die Vereinigung der Schmelzeströme in der dem Extruder nachgeschalteten
Extruderdüse. Die Wahl der Vereinigungsstelle - in der Düse (US 4 746 477) oder
vor der Düse (DE 198 48 537 A1) - wird der Fachmann im Rahmen des allgemein
üblichen handwerklichen Könnens festlegen, nämlich ob er vor der Düse eine
Schmelzepumpe anordnen will, um einen optimalen Eingangsdruck zu erzeugen
oder ob er über eine entsprechende Gestaltung der Düsengeometrie die Schmel-
zeströme erst in der Düse wieder vereinigt.
- 9 -
Mithin hat der Patentanspruch 8 in seiner erteilten Fassung keinen Bestand.
Die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 9 und 10 sowie der auf eine Extru-
sionsanlage zur Erzeugung von Schaumfolien gerichtete Patentanspruch 1 und
die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 haben ebenfalls keinen Be-
stand, da sie bereits aufgrund der Antragsbindung mit dem Hauptanspruch fallen.
gez.
Unterschriften