Urteil des BPatG vom 28.10.2009
BPatG (marke, wirtschaftliches interesse, widerspruchsverfahren, interesse, wert, höhe, benutzung, zeitpunkt, antrag, bundespatentgericht)
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 52/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
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…
betreffend die Marke …
(hier: Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren)
hat  der  28. Senat  (Marken-Beschwerdesenat)  des  Bundespatentgerichts  in  der
Sitzung  vom  28. Oktober 2009  unter  Mitwirkung  des  Vorsitzenden  Richters
Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
1.
Die  Beschwerden  der  Widersprechenden  werden  zurück-
gewiesen.
2.
Die  Widersprechenden  tragen  die  Kosten  des  Beschwer-
deverfahrens.
G r ü n d e
I.
Gegen die in das Markenregister eingetragene Wortmarke 306 30 125
Focus
haben  neben  einer  weiteren Widersprechenden  die  Inhaber  der mit  der  jüngeren
Marke  identischen  Wortmarken  EM  760 116  (Beschwerdeführerin  zu 1)  und  395
19  533  (Beschwerdeführerin  zu 2)  Widerspruch  eingelegt.  Mit  Beschluss  vom
19 Mai 2008  hat  die  Markenstelle  wegen  aller  Widersprüche  die  Löschung  der
jüngeren  Marke  angeordnet  und  dem  Markeninhaber  die  Kosten  des  Verfahrens
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auferlegt,  da  er  in  einer  nach  anerkannten  Beurteilungsgesichtspunkten  aus-
sichtslosen Situation - Anmeldung des identischen Zeichens trotz Bekanntheit der
Marke  „FOCUS“  auf  dem  Auto-  und  Fahrradsektor -  sein  Interesse  an  der  Auf-
rechterhaltung  des  Markenschutzes  durchzusetzen  versucht  habe.  Rechtsmittel
gegen diese Entscheidung sind nicht eingelegt worden.
Die  Widersprechenden  haben  beim  DPMA  mit  Schriftsatz  vom  12. August 2008
Kostenfestsetzung beantragt und einen Gegenstandswert von € 500.000,00 für die
anwaltliche  Tätigkeit  angesichts  des  näher  begründeten  deutlich  erhöhten  In-
teresses  des  Markeninhabers  an  der  Aufrechterhaltung  seiner  Marke  zugrunde
gelegt.  Vor  diesem  Hintergrund  haben  sie  eine  1,5  Rechtsanwalts-Ge-
schäftsgebühr in Höhe von € 4.494,00 sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von
€ 20,  00  jeweils  nach  §§ 2,  13  RVG,  - insgesamt  also  € 4.514,00 -  geltend
gemacht.  Der  Markeninhaber  hat  diesem  Antrag  widersprochen  und  ausgeführt,
es  sei  der  für  das  Widerspruchsverfahren  übliche  Regelwert  von  € 25.000
anzusetzen.
Die für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten
hat  die  Markenabteilung 3.2.  mit  Beschluss  vom  2. März 2009  auf  insgesamt
€ 1.229,00  festgesetzt.  Unter  Bezugnahme  auf  die  bereits  vorab  gegebenen
Hinweise zur Entscheidungspraxis des Bundespatentgerichts und insoweit abwei-
chend vom Antrag der Widersprechenden hat sie lediglich einen Gegenstandswert
von  € 20.000,00  als  angemessen  angesehen.  Besondere  Umstände,  die  ein
Abweichen  von  diesem  Regelgegenstandswert  rechtfertigten,  seien  nicht  gege-
ben.  Maßgeblich  sei  das  wirtschaftliche  Interesse  des  Markeninhabers  an  der
Aufrechthaltung  seiner  Marke.  Es  komme  nicht  auf  das  Interesse  der  Wider-
sprechenden  an  der  Löschung  der  jüngeren  Marke  oder  auf  die  gewerbliche
Bedeutung der Widerspruchsmarke an.
Hiergegen  richten  sich  die  Beschwerden  der  Widersprechenden,  mit  der  sie  am
beantragten  Gegenstandswert  festhalten.  Entgegen  der  Ansicht  der  Marken-
abteilung  sei  von  einem  Regelstreitwert  von  € 50.000  auszugehen,  wie  dies  der
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Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. März 2006 (Aktenzeichen I ZB
48/05)  für  das  Rechtsbeschwerde-Widerspruchsverfahren  als  angemessen  be-
urteilt habe. Dieser Wert sei auch im Widerspruchs-Beschwerdeverfahren vor dem
Bundespatentgericht  in  der  Regel  anzusetzen,  tatsächlich  aber  liege  der  hier
festzusetzende  Gegenstandswert  wegen  des  erheblich  gesteigerten  wirtschaft-
lichen  Interesses  des  Markeninhabers  noch  wesentlich  höher.  Denn  der  Mar-
keninhaber habe für Waren der Klasse 12 die Marke „FOCUS“ zu einem Zeitpunkt
angemeldet,  als  die  Widerspruchsmarken  aufgrund  langjähriger  intensiver  Be-
nutzung  bereits  eine  überragende  Bekanntheit  genossen  hätten.  Der  Ford
„FOCUS“  sei  lange  Zeit  das  meistverkaufte  Auto  Europas  gewesen,  er  sei  in
Deutschland im Straßenbild täglich präsent und werde von den Widersprechenden
weiterhin intensiv beworben. Eine eingetragene Marke stelle ein grundsätzlich frei
handelbares  Wirtschaftsgut  dar  und  könne  insbesondere  frei  übertragen  oder
lizenziert  werden.  Insofern  sei  die  Marke  „FOCUS“  in  den  Händen  des
Markeninhabers  auch  nicht  weniger  wert  als  in  den  Händen  der  Wider-
sprechenden, so dass das Interesse des Markeninhabers am Bestand der Marke
nicht  geringer  gewertet  werden  könne  als  das  der  Widersprechenden  an  ihren
identischen und für identische Waren eingetragenen Marken. Jedenfalls hätte der
Markeninhaber  bei  Fortbestand  seiner  Marke  von  der  Bekanntheit  der  Marke
„FOCUS“ unmittelbar profitiert. Sein hohes wirtschaftliches Interesse an der Marke
„FOCUS“  zeige  die  vom  Markeninhaber  im  Widerspruchsverfahren  vorgelegte
Vereinbarung der Parteien vom 20.5.1998 („Markenlizenzvertrag“), aufgrund derer
an den Markeninhaber eine hohe Lizenzgebühr gezahlt worden sei.
Die Widersprechenden beantragen,
den  Beschluss  des  Deutschen  Patent-  und  Markenamts  vom
2. März 2009 zu der Registernummer 306 30 125 aufzuheben und
die  Kosten  unter  Zugrundelegung  eines  Gegenstandswerts  von
€ 500.000,00 festzusetzen.
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Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde vom 20. März 2009 zurückzuweisen.
Er  verteidigt  den  angefochtenen  Beschluss.  Eine  unterschiedliche  Höhe  des
Gegenstandswerts  im  Widerspruchsverfahren  im  Gegensatz  zum  Rechtsbe-
schwerdeverfahren rechtfertige sich mit dem fortgesetzten Versuch einer Rechts-
durchsetzung  im  Instanzenzug  und  zwar  schon  aufgrund  des  erhöhten  Durch-
setzungsinteresses  und  insbesondere  wegen  des  erhöhten  Aufwands.  Die  von
den  Widersprechenden  zitierte  Entscheidung  des  Bundesgerichtshofs  sei  daher
bereits  wegen  der  unterschiedlichen  Verfahrensstufen  im  Vergleich  zum  vor-
liegenden  Verfahren  nicht  anzuwenden.  Im  Übrigen  führe  der  BGH  wörtlich  aus,
dass es „auf das Interesse des Inhabers der Widerspruchsmarke an der Löschung
des  prioritätsjüngeren  Zeichens  oder  der  gewerblichen  Bedeutung  der  Wider-
spruchsmarke“ nicht ankomme. Das Vorbringen der Widersprechenden zum Wert
ihrer Marken liege daher neben der Sache. Der Wert der angegriffenen Marke sei
zum  Zeitpunkt  des  Verfahrens  keineswegs  erhöht  gewesen.  Die  von  den  Wi-
dersprechenden  dargestellten  Wertentwicklungen  seien  spekulativ  und  durch
nichts  belegt.  Benutzungsabsichten,  die  auf  eine  Rufausbeutung  der  Marken  der
Widersprechenden  seitens  des  Markeninhabers  hingedeutet  hätten,  existierten
nicht.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind statthaft und zulässig, insbesondere
rechtzeitig eingelegt (§ 63 Abs. 3 Satz 3 und 4 MarkenG). In der Sache haben sie
jedoch  keinen  Erfolg.  Die  Markenabteilung  hat  die  vom  Markeninhaber  zu
erstattenden Kosten zutreffend auf € 1.229,00 festgesetzt.
1.
Die  Kostenfestsetzung  durch  die  Markenabteilung  war  zulässig  (§ 63  Abs. 3,
Satz 1 und 2 MarkenG). Der im Widerspruchsverfahren ergangene Beschluss der
Markenstelle vom 19. Mai 2008 und die darin ausgesprochene Kostenauferlegung
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sind  rechtskräftig.  Die  nach  der  Kostenentscheidung  erstattungsberechtigten
Widersprechenden  haben  einen  Antrag  auf  Kostenfestsetzung  gestellt  und  eine
Kostenberechnung eingereicht (§ 103 ZPO).
2.
Die  Beschwerden  der  Widersprechenden  richten  sich  ausschließlich  gegen
den  ihrer  Ansicht  nach  zu  niedrigen  Ansatz  des  Gegenstandswerts  für  die
anwaltliche  Tätigkeit  in  Höhe  von  € 20.000.  Insoweit  ist  der  angegriffene  Be-
schluss jedoch nicht zu beanstanden.
Gesetzliche  Grundlagen  für  die  Ermittlung  der  Gebühren  von  Rechtsanwälten  ist
das  Rechtsanwaltsvergütungsgesetz  (RVG),  das  vorsieht,  dass  im  Verwaltungs-
verfahren  der  Gegenstandswert,  soweit  sonstige  Anhaltspunkte  fehlen,  gemäß
§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Nach ständiger
Rechtsprechung ist insoweit nicht der Wert der Widerspruchsmarke, sondern das
wirtschaftliche  Interesse  des  Inhabers  der  mit  dem  Widerspruch  angegriffenen
Marke  an  deren  Erhalt  maßgeblich,  was  im  Beschwerdeverfahren  von  den  Wi-
dersprechenden  auch  nicht  mehr  in  Zweifel  gezogen  wird.  Dieser  Grundsatz  gilt
für das patentgerichtliche Widerspruchs-Beschwerdeverfahren ebenso wie für das
Widerspruchsverfahren  vor  der  Markenstelle,  wobei  für  beide  vorgenannten
Verfahren  regelmäßig  derselbe  Gegenstandswert  zugrunde  gelegt  wird.  Die
Marken-Beschwerdesenate  des  Bundespatentgerichts  haben  in  jüngster  Zeit  den
Gegenstandswert  im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren  im  Normalfall  auf
20.000,-- Euro  festgesetzt  (vgl.  BPatG  MarkenR 2007,  35;  GRUR 2007,  176),
wobei es sich um den unteren (Auffangs-)Gegenstandswert handelt.
Anhaltspunkte  für  ein  von  den  Widersprechenden  vorgetragenes  erheblich  über
dem Durchschnitt liegendes wirtschaftliches Interesse des Markeninhabers an der
Aufrechterhaltung  seiner  Marke,  die  sich  werterhöhend  auswirken  könnten,  sind
nicht  ersichtlich.  Hierzu  genügt  es  nicht,  den  unstreitig  infolge  der  Benutzung  für
einen in Deutschland gut eingeführten PKW der Firma F… erlangten hohen Wert
der  Widerspruchsmarken  gleichzusetzen  mit  dem  wirtschaftlichen  Interesse  des
Markeninhabers  an  der  Aufrechterhaltung  der  jüngeren  Marke.  Dies  liefe  darauf
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hinaus,  dass  jedenfalls  mittelbar  der  Wert  der  Widerspruchsmarken  den  Ge-
genstandswert  bestimme.  Grundlage  der  Wertbemessung  kann  darüber  hinaus
weder  ein  von  der  jüngeren  Marke  ausgehendes  vermeintliches  Angriffspotential
noch  die  von  den  Widersprechenden  hypothetisch  vorgenommene  Berechnung
fiktiver Lizenzsätze sein, die im Fall einer Benutzung der jüngeren Marke anfallen
könnten. Ebenso  wenig  werterhöhend  sind die  vertraglichen  Vereinbarungen,  die
tatsächlich zwischen den Parteien in der Vergangenheit geschlossen worden sind,
zumal sie im Markenregisterverfahren unbeachtlich sind. Vielmehr ist auf den Wert
der angegriffenen Marke im Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung abzustellen, bei
der  es  sich  üblicherweise  um  eine  vor  ihrer  endgültigen  Eintragung  ins  Mar-
kenregister noch nicht benutzte Marke handelt. Ihr wirtschaftlicher Wert erschöpft
sich  regelmäßig  - wie  auch  hier -  in  den  Kosten für die Entwicklung  neu auf  dem
betreffenden  Warengebiet  einzuführender  Marken,  die  im  vorliegenden  Fall  den
Regelwert nicht überschreiten.
Entgegen  der  Ansicht  der  Widersprechenden  kommt  eine  Angleichung  an  den
vom  Bundesgerichtshof  angenommenen  Regelstreitwert  von  € 50.000.-  (Akten-
zeichen I ZB 48/05; veröffentlicht in GRUR 2006, 704) ebenfalls nicht in Betracht.
Dieser  Festsetzung,  die  im  Rahmen  einer  Rechtsbeschwerde  in  einem  Mar-
kenwiderspruchsverfahren ergangen ist, mögen gegenüber der Entscheidung des
Erstprüfers  (gehobener  Dienst)  der  Markenstelle  im  Laufe  der  Instanzen  wert-
erhöhende Feststellungen zugrunde gelegen haben.
3.
Die  Kosten  des  Beschwerdeverfahrens  sind  nach  § 71  Abs. 1  MarkenG  den
Widersprechenden  aufzuerlegen.  In  Nebenverfahren  wie  Kostenfestsetzungsbe-
schwerden  entspricht  es  in  der  Regel  der  Billigkeit,  dem  Obsiegenden  die  ihm
entstandenen Kosten zu erstatten
Stoppel
Schell
Martens
Me