Urteil des BPatG vom 29.07.2010

BPatG (stand der technik, druckschrift, radioaktive strahlung, lehre, höhe, anmeldung, aufgabe, beschwerde, technik, stand)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 109/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
29. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 003 944.5-54
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Strößner, der Richterin Dr. Hock sowie der Richter Brandt und Maile
beschlossen:
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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse G21 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
am 26. Januar 2004 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Druck-
wasserreaktor“ durch Beschluss vom 15. Juli 2005 zurückgewiesen.
Im vorausgegangenen Prüfungsverfahren ist zum Stand der Technik die Druck-
schrift
- D1
US 4,409,179
in Betracht gezogen worden.
Im jetzt angefochtenen Beschluss ist ausgeführt worden, dass der Gegenstand
des der Zurückweisung zugrundeliegenden Anspruchs 1 gegenüber der Lehre der
Druckschrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19. August 2005 fristgerecht beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene und mit Schriftsatz vom
11. Januar 2006 begründete Beschwerde der
Anmelderin, in welcher sie ausführt, dass der Gegenstand des unverändert gel-
tenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Druck-
schrift D1 patentfähig sei.
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In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2010 stellt die Anmelderin den An-
trag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G21C des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 15. Juli 2005 aufzuheben und das
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentanspruch 1, eingereicht am 19. Februar 2005
, ursprüngliche Patentansprüche 2 bis 6,
ursprüngliche Beschreibungsseiten 1, 4 bis 7 sowie 11, Beschrei-
bungsseiten 2, 3 und 3a, eingereicht am 19. Februar 2005, ur-
sprüngliche Zeichnung, 2 Blatt, Figuren 1 bis 3.
Der geltende Anspruch 1 lautet
:
„Druckwasserreaktor mit einem aus einer Vielzahl von axial aus-
gedehnten Brennelementen (4) aufgebauten Kern (5), der von ei-
ner in einem Kernbehälter (2) fixierten Kernumfassung (3) unter
Belassung eines Randspaltes (6) umgeben ist, die an ihrer Innen-
wand (7) in einem Bereich, der sich in Axialrichtung betrachtet in
einer Höhe befindet, die zwischen 25 % und 75 % der Höhe (h)
der Brennelemente (4) beträgt, mit zumindest einem die Weite des
Randspaltes (6) auch im Kaltzustand verringernden starren Zu-
satzelement (8, 8a, b) versehen ist.“
Wegen der geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 6 sowie wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet; denn der Druckwasserreaktor nach
dem geltenden Patentanspruch 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen
Verhandlung als nicht patentfähig.
1) Nach Angabe der geltenden Beschreibung betrifft die Anmeldung einen Druck-
wasserreaktor. Es ist bekannt, dass sich die Brennelemente eines Druckwasser-
reaktors im Laufe ihrer Einsatzdauer in Abhängigkeit von ihrer Position im Kern
verbiegen. Diese Durchbiegungen können beispielsweise durch eine Anisotropie
in der thermischen Ausdehnung oder durch ein durch radioaktive Strahlung indu-
ziertes Längenwachstum der Brennstabhüllrohre oder der Steuerstabführungs-
rohre verursacht sein. Als wesentliche Gründe für diese Durchbiegung werden je-
doch vor allen Dingen eine Wechselwirkung zwischen dem strömenden Kühlwas-
ser und dem Brennelement sowie Inhomogenitäten beim Ein- und Ausströmen des
Kühlwassers in bzw. aus dem Kern vermutet
.
Das Verbiegen der Brennelemente ist problematisch, da sich hierdurch die Gän-
gigkeit der Steuerstäbe in den Steuerstabführungsrohren verschlechtert, was im
ungünstigsten Fall dazu führt, dass die Steuerstäbe nicht mehr komplett in das
Brennelement eingefahren werden können. Da es sich bei den sich im Laufe des
Betriebs einstellenden Durchbiegungen um plastische Verformungen handelt, wird
auch ein Wechsel der Brennelemente erschwert, da stark durchgebogene Brenn-
elemente nicht mehr ohne weiteres aus dem Kern herausgezogen und in den Kern
eingeladen werden können .
Zur Vermeidung dieser Nachteile sind aus dem Stand der Technik grundsätzlich
zwei Maßnahmen bekannt: Zum einen die Verringerung der das Ausmaß der
Durchbiegung wesentlich beeinflussenden effektiven Niederhaltekraft und zum
anderen eine Versteifung der tragenden Struktur des Brennelementes. Beide
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Maßnahmen haben jedoch in der Praxis eine Durchbiegung der Brennelemente
nicht zufriedenstellend begrenzen können .
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung die Aufgabenstellung zugrunde, ei-
nen Druckwasserreaktor anzugeben, bei dem das Ausmaß der Durchbiegung der
in seinem Kern angeordneten Bennelemente gegenüber bekannten Druckwasser-
reaktoren verringert ist.
Gelöst wird die Aufgabe durch einen Druckwasserreaktor nach Anspruch 1; be-
vorzugte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 6 offen-
bart. Der geltende Anspruch 1 betrifft dabei einen Druckwasserreaktor mit einem
aus einer Vielzahl von axial ausgedehnten Brennelementen aufgebauten Kern von
einer, in einem Kernbehälter fixierten Kernumfassung unter Belassung eines
Spaltes umgeben ist. Die Kernumfassung ist an ihrer Innenwand in einem Bereich,
der sich in Axialrichtung betrachtet in einer Höhe befindet, die zwischen 25 % und
75 % der Höhe der Brennelemente beträgt, mit zumindest einem die lichte Weite
verringernden Zusatzelement versehen, wobei das Zusatzelement starr ausgebil-
det ist und auch im Kaltzustand die Weite des Randspalts verringert.
Als vorteilhafte Ausführungsbeispiele für das Zusatzelement nennt die Anmeldung
eine oder mehrere, in Axialrichtung annähernd mittig angebrachte Leiste(n) bzw.
Abstandshalter
. Die Anmeldung beruht dabei auf der Erkenntnis, dass das
Ausmaß der Durchbiegung eines Brennelementes wesentlich durch den verfügba-
ren Spalt zwischen zwei benachbarten Brennelementen sowie durch den Rand-
spalt zwischen den am Rand des Kerns befindlichen Brennelementen und der
Kernumfassung beeinflusst ist. Diesem Mechanismus sollen die im geltendem An-
spruch 1 beim verteidigten Druckwasserreaktor im Randspalt vorgesehenen Zu-
satzelemente entgegenwirken, indem die maximale Verbiegung der Brennele-
mente, wie in Fig. 3 der zugehörigen Offenlegungsschrift dargestellt, begrenzt wird
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.
2) Die Frage der Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 kann dahinstehen,
denn die Beschwerde der Anmelderin hat schon deshalb keinen Erfolg, weil des-
sen Gegenstand unter Berücksichtigung der Druckschrift D1 nicht auf einer erfin-
derischen Tätigkeit des Fachmanns beruht
.
Dieser ist als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung und Konstruktion von
Druckwasserreaktoren vertrauter Diplom-Physiker mit Hochschulabschluss zu de-
finieren.
So geht die Lehre der Druckschrift D1 von einer ersten - im Übrigen mit der Auf-
gabe der vorliegenden Anmeldung identischen - Teil-Aufgabe aus, nämlich das
Ausmaß der unerwünschten Brennelementdurchbiegung im Vergleich zu bekann-
ten Reaktoren zu verringern
. Die Lehre der D1 offenbart dabei - in Übereinstimmung mit dem betrachte-
ten Anspruch - einen Druckwasserreaktor
mit einem aus einer
Vielzahl von axial ausgedehnten Brennelementen
aufgebauten Kern , der von einer in einem Kernbehälter
fixierten Kernumfassung unter Belassung eines Randspaltes
umgeben ist, die an ihrer Innenwand in einem Bereich, der sich
in Axialrichtung betrachtet in einer Höhe befindet, die zwischen 25% und 75% der
Höhe der Brennelemente beträgt
, mit zumindest einem die Weite des Randspaltes verringern-
den Zusatzelement versehen ist.
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Über diese gemeinsame Aufgabestellung hinausgehend liegt der Druckschrift D1
die weitere (Teil-)Aufgabe zugrunde, die Spaltbreite lediglich im Betriebszustand
zu reduzieren, so dass bei abgeschaltetem Reaktor ein problemloser Brennele-
mentwechsel möglich ist
Dies wird bei der Lehre der
Druckschrift D1 im Unterschied zum starr ausgelegten Zusatzelement der vorlie-
genden Anmeldung dadurch gelöst, dass ein flexibles Zusatzelement vorgesehen
ist , was dazu führt, dass die Weite des
Randspaltes im Kaltzustand beim Stand der Technik entgegen der im verteidigten
Anspruch 1 technischen Lehre nicht verringert ist.
Dieser Unterschied vermag jedoch - wie nachfolgend ausgeführt - nicht die erfin-
derische Tätigkeit des Fachmanns zu begründen.
Der Fachmann entnimmt aus der im Zusammenhang mit der ersten Teil-Aufgabe
offenbarten allgemeinsten technischen Lehre der Druckschrift D1, dass die Verrin-
gerung der Brennelementdurchbiegung bereits durch das Vorsehen einfacher
passiver spaltverringernder Zusatzelemente erzielt wird
.
Da wegen der geringeren Verbiegung der Brennelemente die äußeren Gegeben-
heiten einen problemlosen Brennelementaustausch auch bei einer reduzierten
Weite des Randspalts zulassen, wird der Fachmann auf die flexible Ausgestaltung
des Zusatzelements verzichten und aus der Lehre der Druckschrift D1 lediglich
das mit der ersten Teil-Aufgabe verbundene Merkmal betreffend das spaltverrin-
gernde Zusatzelement aufgreifen. Die konkrete Ausgestaltung dieses Zusatzele-
ments liegt dabei im einfachen konstruktiven Handeln, wobei der Fachmann die
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dann nicht mehr benötigte, flexible Ausgestaltung durch eine einfache, hinsichtlich
der Verringerung der Brennelementdurchbiegung bereits äquivalent wirkende,
starre Lösung ersetzt, welche dann zwingend zum Merkmal der Verringerung der
Weite des Randspalts auch im Kaltzustand führt.
3) Mit dem Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die
rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6
4) Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Dr. Strößner
Dr. Hock
Brandt
Maile
Pr