Urteil des BPatG vom 09.12.2003

BPatG (marke, unterscheidungskraft, beschreibende angabe, verkehr, zeichen, werbung, beschwerde, information, bezug, patent)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 371/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 29 659.2
hat der 33. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) in der
Sitzung vom 9. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Winkler sowie die
Richter Baumgärtner und Kätker
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beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 1. Oktober 2001 aufgehoben.
2.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
DOC
ist für die Dienstleistungen der Klasse 35 “Werbung, Büroarbeiten, Unter-
nehmensverwaltung” zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluss vom 1. Oktober 2001 aus den Gründen des Bean-
standungsbescheids vom 7. Juni 2001, denen die Anmelderin nicht widersprochen
habe, zurückgewiesen. Der angemeldeten Marke fehle es im Hinblick auf die
beanspruchten Dienstleistungen an der Unterscheidungskraft, außerdem stelle sie
insoweit eine beschreibende und freihaltebedürftige Angabe dar. Die Bezeichnung
“DOCINFO” besteht aus den Bestandteilen “DOC” und “INFO”. Das vorangestellte
“DOC” sei eine übliche englische Abkürzung für “Doktor” und in der Bevölkerung
durch Film und Femsehen bekannt (s.a. “Is was Doc?” u.ä. Filme). Der Bestandteil
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“INFO” sei eine verkehrsübliche Abkürzung für den Begriff “Information(en)”, so
dass die Marke “DOCINFO” in Ihrer Gesamtheit ohne weiteres im Sinne von
“Informationen von und für Ärzte, bzw. Inhaber eines Doktortitels” verstanden
werden könne, das angemeldete Zeichen also lediglich darauf hinweise, dass die
Dienstleistungen im Hinblick auf die Informationsvermittlung von und für Ärzte,
bzw. Inhaber von Doktortiteln erbracht würden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung,
dass die angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise. Da
die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen “Werbung, Büroarbeiten und
Unternehmensverwaltung” vom Verkehr nicht unmittelbar mit der Tätigkeit des
“Doktors” in Verbindung gebracht würden, sei entgegen der Annahme der
Markenstelle der erste Bestandteil “DOC” selbst dann nicht als beschreibende
Abkürzung zu werten, wenn unterstellt werde, dass erhebliche Teile des
angesprochenen Verkehrs das englische Wort “doctor” oder eine Abkürzung für
“Doktor” erkennen würden. Ungeachtet dessen, ob der Verkehr in dem zweiten
Bestandteil “INFO” eine Abkürzung für den Begriff “Information” sehe, stelle die
angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit aufgrund der Originalität und
Eigentümlichkeit des ersten Bestandteils “DOC” gerade im Hinblick auf die
beanspruchten Dienstleistungen einen Phantasiebegriff dar, dem nicht jegliche
Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne. Zu der von der Markenstelle
vorgenommenen Interpretation der angemeldeten Marke komme man nur durch
analysierende Überlegungen, für die im Eintragungsverfahren kein Raum sei. Da
die angemeldete Marke keine beschreibende Angabe für die konkret
beanspruchten Waren und Dienstleistungen darstelle, sei auch kein Freihal-
tungsbedürfnis gegeben.
Im übrigen hält die Anmelderin die Einbehaltung der Beschwerdegebühr für
unbillig. Dazu trägt sie vor, dass ihr der im Zurückweisungsbeschluss in Bezug
genommene Beanstandungsbescheid nicht zugegangen sei. Sie habe deshalb
keine Stellungnahme abgeben können und sei zur Verteidigung ihrer Marke
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gezwungen gewesen, gegen den Beschluss vom 1. Oktober 2001 Beschwerde
einzulegen.
Sie beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rückzahlung
der Beschwerdegebühr anzuordnen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der angemeldeten Marke weder das
Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft noch das des Frei-
haltungsbedürfnisses nach § 8 Abs.2 Nrn.1 und 2 MarkenG entgegen stehen.
1.
Unterscheidungskraft nach § 8 Abs.2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen an-
derer Unternehmen aufgefasst zu werden. Dabei nimmt der Verkehr ein als
Marke verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt
und unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise. Jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis
zu überwinden. Sie fehlt nur dann, wenn dem Zeichen ein für die bean-
spruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt
zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort
der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache handelt, das vom Ver-
kehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Wer-
bung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
wird (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Marke für die bean-
spruchten Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft.
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Unterscheidungskraft ist insbesondere gegeben, wenn eine Wortfolge
mehrdeutig ist, ohne dass ein beschreibender Begriffsinhalt für die
Dienstleistungen, auf die sich die Ware bezieht, im Vordergrund steht (BGH
DOC
hinreichend eindeutig, um von den angesprochenen deutschen
Verkehrskreisen, bei denen es sich im Wesentlichen um Gewerbetreibende
handelt, als Sachaussage und damit nicht als betrieblicher Herkunfts-
hinweis aufgefasst zu werden. Die angemeldete Marke setzt sich aus den
Bestandteilen “DOC“ und “INFO“ zusammen, wobei die beiden Bestandteile
durch den Fettdruck des ersten Teils “DOC“ deutlich erkennbar
voneinander abgehoben sind. Während der zweite Teil der Marke “INFO“
als Kurzform für “Information, Informationsblatt, -schrift“ Eingang in die
deutsche Umgangssprache gefunden hat (Wahrig Deutsches Wörterbuch
7. Aufl. 2000) und damit in seinem Sinngehalt eindeutig ist, trifft dies auf die
erste Silbe “DOC“ nicht zu. “DOC“ ist nicht nur die englische Abkürzung von
“doctor“, sondern auch für “Data, Operation, and Control“, Data Optimizing
Computer“, “Date of Change“ (Peter Wennrich, anglo-amerikanische und
deutsche Abkürzungen Teil 1 A – E, 1976), und hat eine Vielzahl weiterer
Bedeutungen (vgl. Bertelsmann, Lexikon der Abkürzungen 1994), u.a.
“document“ und “docent“, die jeweils englischen Versionen der deutschen
Wörter “Dokument“ und “Dozent“. Weiterhin ist “DOC“ die Abkürzung für
“Department of Commerce“, also die Kurzform für das US-Handels-
ministerium. Auch der “Deutsche Olympische Club“ wird mit “DOC“
abgekürzt. Desweiteren ist “DOC“ im deutschen Sprachraum als Kurzform
von “Denominazione di origine controllata“ bei italienischen Weinen aus
einem bestimmten Anbaugebiet bekannt. Insofern ist ein konkreter
DOC
stellbar. Diese der angemeldeten Marke bereits als Wort immanente
Unschärfe verstärkt sich noch weiter, wenn man sie in den erforderlichen
Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen setzt, worauf die
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Anmelderin zu Recht hinweist. Denn der Verkehr nimmt ein als Marke
verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt und
unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise.
Was die Werbung betrifft, gibt es zwar “Infowerbung“ bzw „informative
Werbung“, die den Sachbezug in den Vordergrund stellt.
Ein solcher lässt
DOC
Insbesondere drängt sich keine der genannten Bedeutungen der Abkürzung
“DOC“ ohne weiteres auf. Die von der Markenstelle angenommene
Aussage „Informationen von und für Ärzte, bzw. Inhaber eines Doktortitels”
DOC
denken diesen Sinn zu erkennen. Denn es bleibt unklar, was die
angesprochenen Verkehrskreise erwarten können, da verschiedene
unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten bestehen. Einerseits können Infor-
mationen nur Ärzte oder sowohl Ärzte als auch für andere promovierte
Akademiker oder nur andere promovierte Akademiker betreffen. Zum
anderen ist unklar, ob die Informationen von diesen Gruppen kommen oder
für sie bestimmt sind.
Der Annahme, die angemeldete Marke könnte “Information über italienische
Weine bestimmter Anbaugebiete“ bedeuten, steht entgegen, dass eine
Weinwerbung ohne bestimmten regionalen Bezug unüblich ist, weshalb
sich eine solche Deutung angesichts der Unbestimmtheit der Aussage
allenfalls nach einigem Nachdenken erschließen könnte und keinesfalls im
Vordergrund steht.
Auch wenn man angesichts der weiten Verbreitung von Computern
unterstellt, dass der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise
DOC
konkrete Aussage in Bezug auf die Dienstleistung “Werbung“.
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Dies gilt auch für die beanspruchten “Büroarbeiten“. Zwar hat die Inter-
netrecherche die Benutzung des Begriffs “DOCINFO“ im Computerbereich
ergeben. Es handelt sich hierbei um Programmteile, die es ermöglichen,
Informationen über Dokumente abzurufen, wie beispielsweise den Autor
oder das Datum der Abfassung. Derartige Hilfsfunktionen können zwar im
Rahmen von Büroarbeiten eine Rolle spielen, “DOCINFO“ enthält damit
aber keine im Vordergrund stehende Sachinformation für diese Dienst-
leistung.
DOC
beim Betrieb oder der Leitung eines Handelsunternehmens betreffende
Dienstleistung “Unternehmensverwaltung” keine verständliche Sachaus-
sage darstellt, insbesondere keine im Vordergrund stehende.
2.
Das Eintragungshindernis des § 8 Abs.2 Nr.2 MarkenG liegt ebenfalls nicht
vor. Nach dieser Vorschrift sind nur solche Zeichen von der Eintragung
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr
(u.a.) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung
sonstiger Merkmale von Waren oder Dienstleistungen dienen oder dienen
können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 – INDIVIDUELLE; BGH MarkenR 2000,
420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH GRUR 1999, 988,
989; BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU). Wie oben bereits ausge-
führt wurde, kann der Marke keine klare Aussage in Bezug auf die bean-
spruchten Dienstleistungen zugeordnet werden, so dass Anhaltspunkte
dafür, dass Dritte insoweit gegenwärtig oder künftig ein legitimes Interesse
an der werblichen Verwendung der angemeldeten Marke haben könnten,
somit nicht ersichtlich sind.
3.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs.3 MarkenG aus
Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst. Ein schwerer Verfahrensfehler
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seitens des Deutschen Patent- und Markenamts ist nicht ersichtlich. Dass
der richtig adressierte Beanstandungsbescheid die Anmelderin nicht
erreicht hat, war für die Markenstelle nicht erkennbar. Die in dem Bescheid
gesetzte Äußerungsfrist von 2 Monaten war zur Wahrung des rechtlichen
Gehörs ausreichend. Im übrigen fehlt es an der Kausalität zwischen der
Zurückweisung der Anmeldung und dem Umstand, dass die Anmelderin
sich zur Sache nicht äußern konnte, wie sich daraus ergibt, dass die
Markenstelle in Kenntnis der Sachargumente der Beschwerde nicht
abgeholfen hat.
Winkler Baumgärtner
Kätker
Cl