Urteil des BPatG vom 13.03.2000

BPatG: beschreibende angabe, computersoftware, bildschirm, englisch, informatik, werkzeug, professor, internet, begriff, wörterbuch

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 200/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 42 882.0
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13.
März
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie des Richters Sommer und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
10.99
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G r ü n d e
I.
Angemeldet ist die Wortmarke
KNOWLEDGE DISCOVERY WORKBENCH
für die Waren bzw Dienstleistungen:
"Datenverarbeitungsprogramme, Computersoftware; technische
Beratungs- und Entwicklungsdienstleistungen für Computersoft-
ware".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung (bzw die Erinnerung gegen den Erstbeschluß) mit zwei Beschlüssen
zurückgewiesen und ausgeführt, es handele sich um eine terminologisch üblich
gebildete Wortfolge im Sinne von "Wissensnachweis-Werkbank", die nicht unter-
scheidungskräftig und freihaltebedürftig sei.
Die Anmelderin hat die dagegen eingelegte Beschwerde nicht begründet.
Sie beantragt ersichtlich,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
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II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber nicht begründet. Der Eintragung
der angemeldeten Marke stehen sowohl ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8
Absatz 2 Nr 2 MarkenG als auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß Nr 1 aaO
entgegen.
1. Gemäß § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur
Bezeichnung ua der Art, der Beschaffenheit oder Bestimmung der Waren oder
Dienstleistungen dienen können. Die angemeldete Bezeichnung
KNOWLEDGE DISCOVERY WORKBENCH ist nicht nur in ihren Einzelbestand-
teilen, sondern auch in ihrer Gesamtheit in Zusammenhang mit den beanspruch-
ten Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Angabe.
Das englische Wort knowledge bedeutet "Kenntnis, Wissen, Kenntnisse" (s zB
Langenscheidts Handwörterbuch Englisch). Discovery wird mit "Entdeckung,
Fund, Feststellung, Enthüllung" (aaO) oder auch mit "Aufsuchen, Ermittlung"
übersetzt (s zB de Vries, Technical and Engeneering Dictionary 3. Aufl). In dem
von der Markenstelle zitierten Wörterbuch von Kucera ist für den Bereich der
Chemie außerdem die Bedeutung "Nachweis" verzeichnet. WORKBENCH be-
deutet Werkbank, Arbeitstisch (s von Eichborn, Die Sprache unserer Zeit). Wissen
(knowledge) wird heute vielfach maschinell durch Computer mit Hilfe speziell
entwickelter Datenverarbeitungsprogramme (bzw Computersoftware) im Wege der
sogenannten künstlichen Intelligenz (KI) vermittelt. Bei der künstlichen Intelligenz
handelt es sich um ein Teilgebiet der Informatik, die sich mit der Computer-
simulation von kognitivem menschlichen Verhalten befaßt (s zB Schneider, Lexi-
kon Informatik und Datenverarbeitung, 4. Aufl). Wie allgemein bei der Benutzung
eines Computers ist das effiziente Suchen auch im Bereich der KI-Forschung eine
der zentralen Fragen (Schneider aaO) wozu geeignete Computerprogramme ent-
wickelt und zur Verfügung gestellt werden müssen, die sich auf dem Bildschirm in
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Form von sogenannten Benutzeroberflächen darstellen. Derartige Programme
ermöglichen die Entdeckung (bzw Ermittlung, das Aufsuchen, den Fund usw) von
Erkenntnissen, ein Vorgang, der in der englischen Sprache (der im Computerbe-
reich weltweit alle maßgeblichen Begriffe entnommen werden - so schon BGH
BlPMZ 1989, 272/3 - Conductor) unmittelbar mit den Worten "knowledge disco-
very" bezeichnet werden kann.
Das Aufsuchen (die Ermittlung) der (Er-)Kennnisse erfolgt mit Hilfe der auf dem
Bildschirm dargestellten Benutzeroberfläche, dem Erscheinungsbild der Anwen-
dungsprogramme und des Rechner-Dialogs auf dem Bildschirm (s Duden, Infor-
matik, 2. Aufl). Auf dem Bildschirm werden dabei aufgrund entsprechender Pro-
grammierung die Eingabe, die Ausgabe und der jeweilige Bearbeitungszustand
dargestellt und insbesondere Eingriffe für Interaktionen, Auskünfte, Hilfestellungen
oder Erklärungen zugelassen. Die so programmierte Benutzeroberfläche ist mit
einer für manuelle, insbesondere handwerkliche Tätigkeiten bestimmten
Werkbank oder - allgemeiner ausgedrückt - einem Arbeitstisch vergleichbar, so
daß sich hierfür die Verwendung der entsprechenden englischen Bezeichnung
"workbench" anbietet (vgl BPatG, CR 1996, 471 -
ELECTRONICS
WORKBENCH). Im Computerbereich werden nämlich vielfach herkömmliche Be-
zeichnungen aus dem allgemeinen Arbeitsleben übernommen, wie zB der Begriff
"workstation" für einen Arbeits- (zB Schreib-)platz in Form eines leistungsfähigen
Mikrorechners zur individuellen Arbeit am Arbeitsplatz (so Wahrig, Deutsches
Wörterbuch 2000; s auch IBM-Fachausdrücke der Informationsverarbeitung, Eng-
lisch-Deutsch 1985) uam. Besonders anschaulich ist im vorliegenden Zusammen-
hang die Verwendung des Begriffs "Werkzeug" (englisch tool) für ein Programm
oder - system (s Schneider, aaO) bzw für ein Hilfsprogramm, das (im Gegensatz
zu einem Anwendungsprogramm) in erster Linie organisatorische Aufgaben
durchführt (s Irlbeck, Computerlexikon, 3. Aufl). Als Werkzeug der künstlichen In-
telligenz wird ein softwaretechnisches Instrument zur Implementierung von Sy-
stemen der KI bezeichnet (s Schneider aaO). Auch der Begriff "Knowledge Tools"
wird für entsprechende Computersoftware verwendet (s zB Internet-Angebot der
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Firma COMPUTER ASSOCIATES; Internet-Vorstellung von Professor Breiden-
bach, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Spiegel-Online-Interview von
Professor E. Poeppel vom 24. Februar 1999 - Greifbarmachen des in Datenban-
ken enthaltenen Wissens mit Hilfe von Knowledge Tools). Wird somit das Pro-
gramm für das Aufsuchen von (Er-)Kenntnissen als Werkzeug (Tool) bezeichnet,
so liegt es nahe, die einer Arbeitsplattform vergleichbare Benutzeroberfläche des
Computers für den Einsatz dieses Werkzeugs (Programms) als Arbeitstisch bzw
Werkbank (Workbench) zu bezeichnen.
Die angemeldete Bezeichnung ist demnach in Zusammenhang mit den bean-
spruchten Waren und den hierauf bezogenen Dienstleistungen als unmittelbar
beschreibende Angabe im Sinne von "Werkbank zum Auffinden von
(Er-)Kenntnissen" anzusehen. Sie ist daher im Sinne der genannten Bestimmung
freihaltebedürftig und von der Registrierung als Marke ausgeschlossen.
2. Darüber hinaus fehlt es der angegriffenen Marke als einer unmittelbar be-
schreibenden Angabe auch an der für eine Marke erforderlichen Unterschei-
dungskraft. Sie ist den beteiligten Verkehrskreisen in ihrem Bedeutungsgehalt
ohne weiteres verständlich, da diese im Umgang mit Computern bzw mit Compu-
tersoftware an den Gebrauch der englischen Sprache gewöhnt sind. Sie können
dieser Bezeichnung daher keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen.
Bei dieser Sachlage konnte die Beschwerde der Anmelderin gegen die Be-
schlüsse der Markenstelle keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Dr. Buchetmann
Sommer
Schwarz-Angele
br/prö