Urteil des BPatG vom 04.11.2004

BPatG (marke, beratung, unternehmen, verwechslungsgefahr, finanzwesen, kennzeichnungskraft, beschwerde, dienstleistung, gutachten, abweichung)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 11/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 304 03 166
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 29. September 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Bender und der Richter Knoll und Kätker
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Marke 304 03 166
CONPARTIS
geschützt für
Unternehmensberatung, Consulting, nämlich betriebswirtschaftli-
che Beratung, Erstellen von betriebswirtschaftlichen Gutachten;
Finanzwesen und Geldgeschäfte, insbesondere Beratung in finan-
zieller Hinsicht, Finanzanalysen und Finanzberatung, Finanzierun-
gen und deren Vermittlung, Vermittlung von Vermögensanlagen;
Erstellen von Gutachten in finanzieller Hinsicht, Vermittlung von
Immobilien,
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ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 301 46 478
Compertis
geschützt für
Büroarbeiten; Beratung von Unternehmen, Verbänden, Vereinen
und anderen Einrichtungen und Einzelpersonen in betriebswirt-
schaftlicher, versicherungswirtschaftlicher und finanzieller Hin-
sicht, insbesondere Beratung auf allen Gebieten der betrieblichen
Altersvorsorge und Beratung zum Vertrieb von Produkten der be-
trieblichen Altersvorsorge sowie aller damit zusammenhängende
Geschäfte; Versicherungs- und Finanzwesen, insbesondere Be-
ratung zu und Vermittlung von Produkten der betrieblichen Alters-
vorsorge; Geldgeschäfte.
Der Widerspruch richtet sich nach dem Inhalt der Widerspruchserklärung gegen
alle Dienstleistungen der angegriffenen Marke und wird - mit Ausnahme von „Bü-
roarbeiten“ - auf alle Dienstleistungen der Widerspruchsmarke gestützt.
Mit Schreiben vom 4. November 2004 hat der Inhaber der angegriffenen Marke
gegen die seit dem 5. November 2001 eingetragene Widerspruchsmarke die Ein-
rede der Nichtbenutzung erhoben. Hierauf hat ihm die Markenstelle mit Bescheid
vom 17. November 2004 mitgeteilt, dass die Einrede mangels Ablaufs der Benut-
zungsschonfrist derzeit nicht zulässig sei und nach Ablauf der Benutzungsschon-
frist erneut erhoben werden „müsste“.
Mit Beschlüssen vom 13. April 2005 und vom 27. September 2007, letzterer im
Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 36 die Löschung der jünge-
ren Marke angeordnet. Nach ihrer Auffassung besteht zwischen den Marken die
Gefahr von Verwechslungen. Die Dienstleistung „Vermittlung von Immobilien“ der
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angegriffene Marke sei mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke zumin-
dest mittelgradig ähnlich, da häufig ein funktioneller Zusammenhang zwischen den
Dienstleistungen vorliege. Im Übrigen lägen die beiderseitigen Dienstleistungen im
Identitätsbereich. Die Marken seien zumindest in klanglicher Hinsicht ähnlich. Sie
seien weitgehend identisch und unterschieden sich lediglich bei den Konsonanten
„n/m“ am Ende der ersten Silbe und den Vokalen „a/e“ in der zweiten Silbe. Diese
Unterschiede in der Wortmitte seien nicht geeignet, eine hochgradige Ähnlichkeit
zu beseitigen, so dass angesichts der normalen Kennzeichnungskraft und der
Identität, zumindest aber mittelgradigen Ähnlichkeit der Dienstleistungen, eine
Verwechslungsgefahr bestehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der jüngeren Marke, mit der
er sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 13. April 2005 und vom 27. Sep-
tember 2007 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Seine Beschwerde hat er nicht begründet. Im Verfahren vor der Markenstelle hat
er vorgetragen, dass die beiden Verfahrensbeteiligten in unterschiedlichen Berei-
chen des Finanz- und Versicherungswesens tätig seien. Die Widersprechende
betätige sich im Versicherungswesen, insbesondere der betrieblichen Altersvor-
sorge, während das Unternehmen des Markeninhabers im Bereich des Consul-
ting, der Finanzierungsvermittlung und Kapitalbeschaffung, insbesondere für mit-
telständische Unternehmen, sowie der Immobilienvermittlung tätig sei. Zudem
werde die angegriffene Marke vornehmlich im Umkreis von etwa 100 km um die
Stadt Hof verwendet, während die Widersprechende im Raum Wiesbaden tätig
sei. Auch würden die Marken jeweils mit unterscheidenden Zusätzen verwendet,
insbesondere unterschiedlichen Zusätzen über die Gesellschaftsform. Darüber
hinaus unterschieden sich die Marken neben den Konsonanten „m/n“ und den Vo-
kalen „a/e“ durch ihre Schreibweise in durchgängiger Großschreibung bei
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„CONPARTIS“ und die (bis auf den Anfangsbuchstaben) Kleinschreibung bei
„Compertis“.
Auch die Widersprechende hat von einer Äußerung abgesehen. Im Verfahren vor
der Markenstelle hat sie vorgetragen, dass die beiderseitigen Dienstleistungen
identisch, jedenfalls hochgradig ähnlich seien und dass auf Grund der hochgradi-
gen Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Die Zeichen un-
terschieden sich lediglich in den sowohl schriftbildlich als auch klanglich beinahe
identischen Konsonanten „n/m“ und den ähnlichen Vokalen „a/e“. Auf außerhalb
des Registerinhalts liegende Umstände, auf die der Markeninhaber maßgeblich
abgestellt habe, komme es im Widerspruchsverfahren nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist nicht be-
gründet. Zu Recht hat die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr i. S. d. §§ 9
Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG festgestellt und die Löschung der angegrif-
fenen Marke angeordnet.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die
mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus
demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander ver-
bundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.
Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder
in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorru-
fen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Ele-
mente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechs-
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lungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durch-
schnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR
2005, 1042, Rdn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR 2008, 343, Nr. 33 - Il Ponte Fi-
nanziaria Spa/HABM („BAINBRIDGE“), jew. m. w. N.).
Insbesondere bestimmt sich die Verwechslungsgefahr anhand einer Wechselwir-
kung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder
-ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit
der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken
oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und
umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 - BANK 24 m. w. N.; GRUR
2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).
a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich zu
bewerten. Weder ergaben sich Hinweise auf eine Schwächung der Kennzeich-
nungskraft, etwa infolge eines sachlich-beschreibenden Begriffsinhalts, noch wa-
ren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Kennzeichnungskraft infolge intensi-
ver Benutzung erhöht worden ist.
b) Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen liegen weitgehend im Identi-
tätsbereich, im Übrigen sind sie hochgradig ähnlich. Nachdem die am
4. November 2004 erhobene Nichtbenutzungseinrede zu diesem Zeitpunkt nach
§ 43 Abs. 1 MarkenG unzulässig war und später nicht nochmals gesondert erho-
ben worden ist, sind die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke vollumfänglich
nach dem Registerstand zu berücksichtigen. Insbesondere wird eine mangels
Ablaufs der Benutzungsschonfrist verfrüht und damit unzulässig erhobene Nicht-
benutzungseinrede nach ständiger Rechtsprechung auch nicht in einem späteren
Stadium des Verfahrens "nachträglich" zulässig (vgl. Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 9. Aufl., § 43, Rdn. 22 m. w. N.).
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Im Übrigen ist es auch ohne Belang, ob die Verfahrensbeteiligten in ihrer Unter-
nehmenspraxis verschiedene inhaltliche Schwerpunkte haben oder bestimmte für
sie eingetragene Einzeldienstleistungen nicht erbringen. Auch auf sonstige außer-
halb des Registerinhalts liegende Umstände, wie örtlich begrenzte Verwendungen
oder Verwendungen mit Zusätzen, kommt es nicht an. Im markenrechtlichen Wi-
derspruchsverfahren sind die beiderseitigen Marken und ihre für sie eingetragenen
Waren oder Dienstleistungen allein nach dem Registerstand zu vergleichen. Et-
was anderes könnte sich nur als Folge einer zulässigen Nichtbenutzungseinrede
nach § 43 Abs. 1 MarkenG ergeben, die hier aber gerade nicht vorliegt (s. o.).
Die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen „Unternehmensbera-
tung, Consulting, nämlich betriebwirtschaftliche Beratung, Erstellen von betriebs-
wirtschaftlichen Gutachten“ sind entweder bereits vollständig von der für die Wi-
derspruchsmarke eingetragenen Dienstleistung „Beratung von Unternehmen, … in
betriebwirtschaftlicher … Hinsicht, insbesondere …“ erfasst oder überschneiden
sich zumindest weitgehend damit. Denn die mit dem Wort „insbesondere …“ ein-
geleitete Aufzählung ist (im Gegensatz zur Einleitung mit „nämlich“) nur illustrie-
rend, nicht aber abschließend. Daher ist insoweit eine Identität der beiderseitigen
Dienstleistungen festzustellen.
Ebenso sind die für die jüngere Marken eingetragenen Dienstleistungen „Finanz-
wesen und Geldgeschäfte, insbesondere …, Vermittlung von Vermögensanlagen“
von den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Oberbegriffen „Finanzwesen“
und „Geldgeschäfte“ vollständig erfasst, so dass auch insoweit eine Identität be-
steht.
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Auch die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung „Erstellen von Gut-
achten in finanzieller Hinsicht“ ist bereits von den beiden o. g. Oberbegriffen der
Widerspruchsmarke erfasst, zumindest aber mit der für die Widersprechende ge-
schützten Dienstleistung „Beratung von Unternehmen, Verbänden, … in finanziel-
ler Hinsicht, insbesondere …“ hochgradig ähnlich.
Schließlich ist auch die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung „Ver-
mittlung von Immobilen“ mit den für die Widersprechende geschützten Dienstleis-
tungen „Finanzwesen“ und „Geldgeschäfte“ hochgradig ähnlich. Denn die beider-
seitigen Dienstleistungen haben gewichtige Gemeinsamkeiten und Berührungs-
punkte. So werden Immobilien z. B. in den Geschäftsstellen von Banken bewor-
ben und von diesen oder deren Tochterunternehmen vermittelt. Es bestehen also
Überschneidungen bei den Dienstleistungserbringern. Berührungspunkte beste-
hen auch bei der Immobilienfinanzierung, die regelmäßig mit dem Erwerb der
Immobilie einhergeht und diesen Zweck ermöglichen soll. So werden Immobilien-
finanzierungen etwa auch von Immobilienmaklern angeboten bzw. vermittelt. Zu-
dem dienen auch die Auflage, der Vertrieb und der Betrieb von (zum Finanzwe-
sen) gehörenden Immobilienfonds der Verwertung von Immobilien, so dass eine
weitere Gemeinsamkeit mit dem Immobilienwesen besteht.
c)
Die angegriffene Marke hält den damit erforderlichen deutlichen Abstand zur
Widerspruchsmarke in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht nicht ein.
In klanglicher Hinsicht stimmen die mit jeweils drei Silben bzw. neun Buchstaben
eher langen Markenwörter in sieben Lauten überein. Insbesondere sind die vom
Verkehr regelmäßig stärker beachtete Wortanfänge identisch, jedenfalls fast iden-
tisch. Soweit sich die Markenwörter im Auslaut „n“ bzw. „m“ der jeweils ersten
Silbe unterscheiden, ist diese Abweichung zu vernachlässigen, da „m“ und „n“ eng
verwandt sind und - jedenfalls an unbetonter Stelle von Fantasiewörtern - selbst
bei guten akustischen Bedingungen füreinander gehört werden können. Zudem
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fällt die Identität am ungewöhnlichen Schluss „-tis“ auf, der beiden Marken einen
an lateinische Begriffe erinnernden Wortcharakter verleiht.
Allein die Abweichung zwischen dem dunklen Vokal „a“ und dem hellen Vokal „e“
stellt einen für sich genommen durchaus beachtlichen Klangunterschied dar. An-
gesichts der ansonsten weitgehenden Übereinstimmungen in nahezu jedem ihrer
Laute, die Gemeinsamkeiten in Kriterien wie der Silbengliederung, dem Wortan-
fang, der Betonung und dem Sprechrhythmus bewirken, vermag diese Abwei-
chung jedoch nicht zu einem merklich unterschiedlichen Gesamtklangcharakter
der jüngeren Marke zu führen. Daher hält sie den erforderlichen deutlichen Ab-
stand zur Widerspruchsmarke nicht ein.
Zudem sind die Marken auch in schriftbildlicher Hinsicht hochgradig ähnlich. Hier-
bei sind alle verkehrsüblichen Schreibweisen zu berücksichtigen, insbesondere
die Groß- und Kleinschreibung (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9, Rdn. 155, 207).
Soweit die Marken in Versalien (CONPARTIS; COMPERTIS) oder in Normalschrift
(Conpartis; Compertis) wiedergegeben werden, entsprechen sie sich nach Kri-
terien wie Wortlänge, Wortanfang und -schluss sowie in der Wortkontur. Insge-
samt besteht damit die Gefahr von Verwechslungen.
Damit hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke ange-
ordnet, so dass die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen war.
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2.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen
der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.
Bender
Knoll
Kätker
Cl