Urteil des BPatG vom 28.05.2008

BPatG: stand der technik, fig, speicher, leergewicht, patentanspruch, datenverarbeitung, unverzüglich, wagen, ausführung, datensicherung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
__
(Aktenzeichen)
28. Mai 2008
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
20 W (pat) 328/04
_____________
Verkündet am
- 2 -
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Bastian, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Höppler
und Dipl.-Ing. Gottstein
beschlossen:
Das Patent wird mit den Patentansprüchen 1 – 4, überreicht in der
mündlichen Verhandlung, im übrigen mit den erteilten Unterlagen
beschränkt aufrechterhalten.
G r ü n d e
I.
Die Einsprechende macht mangelnde Patentfähigkeit geltend und beruft sich hier-
zu auf die
(D1) DE 31 47 274 A1
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben der D1 die in der Paten-
schrift genannten
(D2) EP 05 10 312 A1 und
(D3) EP 02 01 301 A2.
Die Einsprechende, die wie schriftlich angekündigt zur mündlichen Verhandlung
nicht erschienen ist, hat schriftsätzlich beantragt,
das Patent nach § 21 PatG vollständig zu widerrufen.
- 3 -
Die Patentinhaberin beantragt wie entschieden.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügten Aufzählungszeichen):
1.1
Verfahren zur Sicherung und Übertragung von Daten zw-
schen einem Gewichtsanzeiger (14), der mit einer Annahme-
stelle für Lasten (15) verbunden ist, und
1.2
einer Zentraleinheit (12) zur Datenverarbeitung derart, dass
1.3 unverzüglich
Systemelemente des Gewichtsanzeigers (14),
wie Messparameter eingesetzt werden können, wobei
1.4
der Gewichtsanzeiger (14) von der Zentraleinheit (12) unab-
hängig ist und
1.5
die Übertragung durchgeführt wird, indem in einem unab-
hängigen statischen Speicher (10) mit Halbleitern den Ge-
wichtsanzeiger (14) betreffende Daten, welche Messparame-
ter, nämlich Wiegebereich oder Wiegestufen, Systempa-
rameter, nämlich Leergewicht oder Zunahme der Verstär-
kung und ein Anwendungsprogramm beinhalten, gespeichert
werden, wobei
1.6 eine
erste
Datengruppe aus der Zentraleinheit (12) in den
statischen Speicher (10) und von dort in den Gewichtsanzei-
ger (14) und
1.7
eine zweite Datengruppe aus dem Gewichtsanzeiger (14) in
den statischen Speicher (10) und von dort in die Zentralein-
heit (12) übertragen werden.
Der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 2 lautet (mit eingefügten Aufzählungs-
zeichen):
2.1 Vorrichtung zur Sicherung und Übertragung von Daten zwi-
schen einem Gewichtsanzeiger (14), der mit einer Annahme-
- 4 -
stelle für Lasten (15) verbunden ist, und
2.2 einer Zentraleinheit (12) zur Datenverarbeitung derart, dass
2.3 unverzüglich
Systemelemente des Gewichtsanzeigers (14),
wie Messparameter, eingesetzt werden können, wobei
2.4 der Gewichtsanzeiger (14) von der Zentraleinheit (12) unab-
hängig ist und wobei
2.5 die Vorrichtung einen unabhängigen statischen Speicher (10)
mit Halbleitern zum Speichern den Gewichtsanzeiger (14)
betreffender Daten, welche Messparameter, nämlich Wiege-
bereich oder Wiegestufen, Systemparameter, nämlich Leer-
gewicht oder Zunahme der Verstärkung und ein Anwen-
dungsprogramm beinhalten aufweist, sowie
2.6 Einrichtungen (11a) für die Übertragung einer ersten Daten
gruppe aus der Zentraleinheit (12) in den statischen Speicher
(10)
und
2.7 Einrichtungen (13a) für die Übertragung der ersten Date-
gruppe aus dem statischen Speicher (10) in den Gewichtan-
zeiger (14) sowie
2.8 Einrichtungen (13b) für die Übertragung einer zweiten Da
tengruppe aus dem Gewichtsanzeiger (14) in den statischen
Speicher (10) und
2.9 Einrichtungen (11b) für die Übertragung der zweiten Daten
gruppe aus dem statischen Speicher (10) in die Zentralein
heit
(12).
Bezüglich der Unteransprüche 3 und 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Einspruch ist zulässig. Er führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Pa-
tents.
- 5 -
1. Zulässigkeit der Patentansprüche 1 - 4
Die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 sind sowohl in den ur-
sprünglichen Unterlagen offenbart, siehe die ursprünglichen Patentansprüche 1
und 2 sowie die ursprüngliche Beschreibung S. 6, Absätze 2 und 3, als auch in
der Patentschrift, siehe Patentansprüche 1 und 2 sowie Beschreibung Absätze
[0022] bis [0025].
Die Patentansprüche 3 und 4 entsprechen den ursprünglich eingereichten bzw.
den erteilten Patentansprüchen 3 und 4.
Die Patentansprüche 1 bis 4 sind daher zulässig.
2. Stand der Technik
Die im Einspruchsverfahren genannte Druckschrift D1 zeigt in ihrer einzigen Figur
eine Anlage mit mehreren unabhängigen Ladenwaagen (vgl. 0, 10´, 10´´), beste-
hend aus einem Wiegeteil (vgl. 1, 11´, 11´´) für die Annahme von Lasten und ei-
nem Auswerteteil (vgl. 2, 12´, 12´´), das die Messsignale des Wiegeteils aufnimmt
und in einer Anzeige (vgl. 16, 16´, 16´´ i. V. m. S. 8, dritter Absatz) darstellt (Merk-
male 1.1 und 2.1).
Wie aus der Figur des Weiteren ersichtlich, sind die Ladenwaagen mit einem Zent-
ralcomputer (vgl. 20) zur Datenverarbeitung verbunden (vgl. S. 6, zweiter Absatz)
sowie vom Zentralcomputer entfernt und damit unabhängig von diesem angeord-
net (Merkmale 1.2, 1.4 und 2.2, 2.4).
Mittels Datenübertragung werden die einzelnen Ladenwaagen vom Zentralcom-
puter mit Konfigurationsparametern, wie Preisdaten und Zuordnungscodes, für
bestimmte Waren versorgt (vgl. Pa. 1, S. 6, 2. Absatz, S. 10, letzter Absatz – S. 1,
erster Absatz).
Die Übertragung der Daten wird in der D1 durch zwei Datengruppen charakteri-
siert. So wird mit den Preisdaten und den entsprechenden PLU-Codes eine erste
Datengruppe für die Kofiguration der Ladenwaagen vom Zentralcomputer zu den
Zwischenspeichern (vgl.
23, 23´, 23´´) und von dort in die Auswerteteile
- 6 -
(=Gewichtsanzeiger) übertragen (vgl. S. 6, zweiter Absatz mitte, S. 7, zweiter Ab-
satz und S. 10, letzter Absatz – S. 2, zweiter Absatz) (Merkmale 1.5
teilweise
, 1.6 und
2.5
teilweise
, 2.6, 2.7).
Aus dem Totalenspeicher (vgl. 18, 18´, 18´´) der Auswerteteile werden Daten über
gemittelte Gewichts- und Preissummen, also eine zweite Datengruppe auf Anfor-
derung dem Zwischenspeicher (vgl. 12, 12´, 12´´) und anschließend dem Zentral-
computer zugeführt (vgl. S. 13, dritter Absatz – S. 14, erster Absatz) (Merkmale
1.7 und 2.8, 2.9). Die dafür erforderlichen Übertragungsmittel werden vom kundi-
gen Fachmann selbstverständlich als funktionsnotwendig vorausgesetzt (vgl.
BGH, GRUR 1995,330 - 333 - Elektrische Steckverbindung).
Eine Übertragung oder Sicherung von den Gewichtsanzeiger betreffenden Daten,
welche Messparameter, nämlich Wiegebereich oder Wiegestufen, Systempara-
meter, nämlich Leergewicht oder Zunahme der Verstärkung und ein Anwendungs-
programm beinhalten, in einem statischen Halbleiterspeicher wird in der D1 nicht
behandelt (Merkmale 1.5
Rest
und 2.5
Rest
). Damit entfällt folglich auch die Möglich-
keit, dass unverzüglich Systemelemente des Gewichtsanzeigers (14), wie die vor-
stehend angegebenen Messparameter, eingesetzt werden können (Merkmale 1.3
und 2.3).
Die Druckschrift D2 zeigt in ihrer einzigen Figur eine Wiegeanordnung, bestehend
aus mehreren unabhängigen Wiegeteilen (vgl. 10 -14) mit einer Gewichtsanzeige
(vgl. 21 - 23, i. V. m. Sp. 5, Bezugszeichenliste) (Merkmale 1.1, 1.4 und 2.1, 2.4),
die mit einer Zentraleinheit (vgl. 26) zwecks Datenaustausch verbunden sind (vgl.
Sp. 4, Z. 12 - 19) (Merkmale 1.2 und 2.2). Die unabhängigen Waagen können von
der Zentraleinheit aus von einer Bedienperson ein/ausgeschaltet, kontrolliert,
überwacht (vgl. Sp. 4, Z. 34 - 36) und geeicht werden (vgl. Sp. 2, Z. 18 -22) (erste
Datengruppe), und übertragen auch ihre Gewichtsdaten (zweite Datengruppe) zur
Zentraleinheit (vgl. Sp. 4, Z. 12 - 19) (Merkmale 1.6
teilweise
, 1.7
teilweise
und 2.6
teilweise
– 2.9
teilweise
).
Nicht entnehmbar ist dagegen eine Übertragung oder Sicherung von den Ge-
wichtsanzeiger betreffenden Daten, welche Messparameter, nämlich Wiegebe-
- 7 -
reich oder Wiegestufen, Systemparameter, nämlich Leergewicht oder Zunahme
der Verstärkung und ein Anwendungsprogramm beinhalten, in einem statischen
Halbleiterspeicher (Merkmale 1.3, 1.5, 1.6
Rest
, 1.7
Rest
und 2.3, 2.5, 2.6
Rest
– 2.9
Rest
).
Die in der mündlichen Verhandlung erörterte Druckschrift D3 offenbart in ihrer
Fig. 1 eine elektronische Wiegeeinrichtung (vgl. Bezeichnung), bestehend aus
mehreren unabhängigen elektronischen Waagen 51 – 54 (vgl. S. 2, Z. 3-4), die,
wie in der Fig. 3 detailliert dargestellt, jeweils einen Gewichtsanzeiger 505 und ei-
ne damit verbundene Aufnahmestelle 501 für Lasten umfassen (Merkmale 1.1 und
2.1). Die Waagen sind über eine Kontrolleinheit 3 mit einer zentralen Re-
cheneinheit 1 zur Datenverarbeitung verbunden (Merkmale 1.2. 1.4 und 2,2, 2.4).
Der in der Kontrolleinrichtung 3 implementierte unabhängige Zwischenspeicher
32c ist explizit als RAM ausgewiesen (siehe Fig. 2) und damit für den Fachmann
gemäß fachlicher Auslegung (vgl. wiederum BGH, GRUR 1995,330 - 333 - Elektri-
sche Steckverbindung) entweder als statischer oder dynamischer Speicher mit
Halbleitern realisiert (Merkmale 1.5
teilweise
, 2.5
teilweise
).
Aus den in den Figuren 7 und 9 dargestellten Funktionsabläufen i. V. m. den in der
Fig. 4 gezeigten Speicherinhalten, entnimmt der Fachmann, dass der Speicher
32c für Pufferung zweier unterscheidbarer Datensätze genutzt wird, wobei der er-
ste Datensatz, betreffend die für den Betrieb der einzelnen Waagen erforderlichen
Daten, umfassend Aufrufcode, Preis, Artikelname und Leergewicht (vgl. Fig. 4 (e)),
in Form einer ersten Datengruppe vom Zentralrechner 1 über die Leitung 2 über-
tragen und zunächst im unabhängigen Zwischenspeicher 32c der Kontrolleinheit 3
gespeichert werden (vgl. Fig. 7, S1
S. 4
P1) (Merkmale 1.6
teilweise
und 2.6).
Der nun im Zwischenspeicher 32c befindliche Datensatz wird anschließend über
die Leitung 4 der bestimmungsgemäßen elektronischen Waage (vgl. Fig. 7, P2
P3
A1) für die unverzügliche Verwendung zugeleitet (Merkmale 1.3
teilweise
,
1.6
Rest
und 2.3, 2.7).
In ähnlicher Weise erfolgt die Datenübertragung der zweiten Datengruppe (vgl.
Fig. 4 (a) – (d)) von den einzelnen Waagen zur zentralen Recheneinheit dadurch,
das die von den Waagen kommenden Daten im Zwischenspeicher 32c gesammelt
(vgl. Fig. 9, C1
C4, G1) (Merkmale 1.7
teilweise
2.8) und anschließend auf Anfor-
- 8 -
derung durch die Recheneinheit (vgl. Fig. 9, Q2
→ G1) zu dieser übertragen wer-
den (vgl. Fig. 9, G1
→ G2 G4 G6
G7
G11
→ Q3) – Merkmale (1.7
Rest
und 2.9).
Der Druckschrift D3 ist zwar die Übertragung eines Systemparameters, nämlich
des Leergewichts (vgl. Fig. 4 tara) entnehmbar, eine Übertragung oder Sicherung
von den Gewichtsanzeiger betreffenden Daten, welche Messparameter, nämlich
Wiegebereich oder Wiegestufen, und ein Anwendungsprogramm beinhalten, ist
in der D3 jedoch nicht offenbart (Merkmale 1.3
Rest
, 2.3
Rest
und 1.5
Rest
, 2.5
Rest
).
3. Neuheit
Das - zweifelsfrei gewerblich anwendbare - Verfahren nach dem Patentanspruch 1
sowie die - zweifelsfrei gewerblich anwendbare - Vorrichtung nach dem nebenge-
ordneten Patentanspruch 2 gelten als neu, da, wie die Ausführungen zum Stand
der Technik zeigen, keiner der Druckschriften D1 bis D3 ein Verfahren oder eine
Vorrichtung mit allen Merkmalen der Patentansprüche 1 oder 2 entnehmbar ist.
Insbesondere ist in keiner der Druckschriften eine Übertragung oder Sicherung
von den Gewichtsanzeiger betreffenden Daten realisiert, welche Messparameter,
nämlich Wiegebereich oder Wiegestufen, und ein Anwendungsprogramm bein-
halten.
4. Erfinderische
Tätigkeit
Der zuständige Fachmann, ein Diplomingenieur der Fachrichtung Messtechnik,
der mit der Entwicklung von Wiegeeinrichtungen befasst ist und über einschlägige
Kenntnisse der Datenübertragung verfügt, erhält aus dem voranstehend abgehan-
delten Stand der Technik nach der D3 zwar die Lehre, für die Konfiguration der
einzelnen Wagen die für einen Wiegevorgang notwendigen Datensätze, umfas-
send Aufrufcode, Preis, Artikelname und Leergewicht, in einem statischen Halb-
leiter (vgl. 32c) zu puffern und der zu konfigurierenden Waage zuzuführen, diese
Daten betreffen aber entgegen der patentgemäßen Ausführung nicht typische
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waagenspezifische Funktionen, wie das Vorgeben eines Wiegebereichs oder von
Wiegestufen und auch nicht die Implementierung eines Anwendungsprogramms
in einer Waage.
Zudem werden die Daten nach der Lehre der D3 in dem in Rede stehenden stati-
schen Halbleiterspeicher nur solange zwischengespeichert, bis die Datenübertra-
gung abgeschlossen ist, eine dauerhafte Speicherung der Daten in diesem Halb-
leiterspeicher mit Zielsetzung einer Sicherung für eine unverzügliche Wiederinbe-
triebnahme der Waagen nach einem Systemcrash im Sinne des Streitpatents (vgl.
BGH, GRUR 2007, 859 - 862 - Informationsübermittlungsverfahren I) ist dagegen
nicht vorgesehen. Denn im Gegensatz zur patentgemäßen Lehre wird in der D3
eine Datensicherung dadurch vorgenommen, dass die zu sichernden Artikel-Daten
auf ein externes Speichermedium geschrieben werden (vgl. Fig. 10, ROM-writer
10 oder casette-recorder 9 i. V. m. S. 29 Z. 11 - 16) und die so gespeicherten Da-
ten über Lesegeräte (vgl. Fig. 10, 90 - 94) in die Komponenten des Wiegesystems
geladen werden können (vgl. S. 29, Z. 16 - 20).
Das in den Patentansprüchen 1 und 2 gleichermaßen enthaltenen lösungsent-
scheidende funktionale Merkmal, den Gewichtsanzeiger betreffende Daten, wel-
che Messparameter, nämlich Wiegebereich oder Wiegestufen, und ein Anwen-
dungsprogramm beinhalten, in einen unabhängigen statischen Speicher mit Halb-
leitern zu übertragen, ist folglich aus der Druckschrift D3 weder für sich entnehm-
bar noch durch die dort beschriebenen Datensicherungsmaßnahmen dem Fach-
mann nahe gelegt, noch ergeben sie sich in der Zusammenschau mit einer der
weiteren Druckschriften D1 und D2.
Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 beruhen damit
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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5. Die auf den Patentanspruch 2 rückbezogenen Patentansprüche 3 und 4 ha-
ben Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausges-
taltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 2.
Dr. Bastian
Martens
Höppler
Herr Höppler ist in
zwischen an das
DPMA abgeordnet
und daher an der
Unterschrift gehin-
dert.
Dr. Bastian
Gottstein
Na